Wie man erkennt, wo ein Vulkan ausbricht
Physik-News vom 31.07.2019
Forschende des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ testen innovative Methode zur Vorhersage neuer Schlote im italienischen Vulkangebiet "Campi Flegrei" nahe Neapel. Das neue Verfahren verknüpft statistische Vorhersage mit physikalischen Modellen.
Bei den meisten Vulkanausbrüchen, die man im Fernsehen oder im Internet sehen kann, schießt das Magma direkt aus der Spitze des Vulkans. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass das Magma eher aus der Flanke des Vulkans als aus seinem Gipfel ausbricht. Nachdem es die unterirdische Magmakammer verlassen hat, drängt das Magma seitwärts, indem es Gestein zerklüftet. Manchmal legt es so Dutzende Kilometer zurück. Wenn es dann die Erdoberfläche durchbricht, erzeugt das Magma einen oder mehrere Schlote, aus denen es – manchmal explosionsartig – austritt. Man konnte diesen Vorgang beispielsweise beim Ausbruch des Vulkans Bárðarbunga in Island im August 2014 und beim Kīlauea auf Hawaii im August 2018 beobachten.
Publikation:
Rivalta, E., Corbi, F., Passarelli, L., Acocella, V., Davis., T., Di Vito, M.A.
Stress inversions to forecast magma pathways and eruptive vent location
Science Advances
Abzuschätzen, wohin Magma fließt und wo es dann die Oberfläche durchbricht, ist in der Vulkanologie eine zentrale Fragestellung. Denn die Antwort darauf könnte dazu beitragen, das Risiko für gefährdete Dörfer und Städte zu verringern. Nun haben Eleonora Rivalta und ihr Team vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Roma Tre und des Vesuv-Observatoriums des italienischen Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia in Neapel eine neue Methode zur Erstellung solcher Durchbruchsprognosen entwickelt. Ihre Studie ist in der Zeitschrift Science Advances erschienen.
„Bisherige Ansätze basierten auf Statistiken über die Orte vorhergegangener Eruptionen“, sagt Eleonora Rivalta. „Unsere Methode verbindet Statistik mit Physik: Wir berechnen die Wege des geringsten Widerstands für aufsteigendes Magma und stimmen dann das Modell auf der Grundlage von Statistiken ab.“ Die Forschenden haben den neuen Ansatz erfolgreich mit Daten aus der Caldera Campi Flegrei in Italien getestet, einem der Vulkane mit dem höchsten Ausbruchsrisiko weltweit.
Wie ein mit Maulwurfshügeln bedeckter Rasen
Schlote an der Flanke eines Vulkans werden oft nur von einem einzigen Ausbruch genutzt. Alle Vulkane können solche einmaligen Schlote erzeugen, aber einige tun das mehr als andere. Ihre Flanken werden von Dutzenden von Öffnungen durchlöchert, deren Ausrichtung die Stellen markiert, an denen unterirdische Magmagänge die Erdoberfläche erreichten.
Bei Calderen, oft riesigen kesselartigen Strukturen, die sich kurz nach der Entleerung einer Magmakammer bei einem Vulkanausbruch bilden, können sich auch Schlote innerhalb und am Rand öffnen. Das liegt daran, dass es diesen Vulkanen an einem Gipfel als Zentrum eines neuerlichen Ausbruchs fehlt. "Calderen sehen oft aus wie ein mit Maulwurfshügeln bedeckter Rasen", sagt Eleonora Rivalta von GFZ.
Die meisten Caldera-Schlote wurden nur bei einem einzigen Ausbruch benutzt. Die daraus resultierenden verstreuten, manchmal scheinbar zufälligen Schlotverteilungen bedrohen großräumige Gebiete und stellen eine Herausforderung für Forschenden dar, die Prognosekarten für den Ort zukünftiger Eruptionen erstellen. Solche Karten benötigt man auch zur genauen Vorhersagen von Lava- und pyroklastischen Strömen oder der Ausdehnung von Aschefahnen.
Die Schlot-Karten basieren bisher hauptsächlich auf der räumlichen Verteilung älterer Schlote: „In der Vulkanforschung geht man oft davon aus, dass sich der Vulkan künftig weiter so verhalten wird wie in der Vergangenheit“, sagt Eleonora Rivalta. „Das Problem ist, dass oft nur wenige Dutzend Schlote auf der Vulkanoberfläche sichtbar sind, da große Ausbrüche dazu führen können, dass vergangene Eruptionsmuster überdeckt oder verwischt werden. So mathematisch anspruchsvoll ein Verfahren auch sein mag, eine dünne Datenlage führt dann zu groben Karten mit großen Unsicherheiten. Außerdem kann sich die Dynamik eines Vulkans mit der Zeit ändern, so dass die Schlote anders wandern als erwartet.“
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.