Kühlgrenztemperatur

Kühlgrenztemperatur

Die Kühlgrenztemperatur, gemessen als Feuchtkugeltemperatur $ t_{\mathrm {F} } $, ist die tiefste Temperatur, die sich durch direkte Verdunstungskühlung erreichen lässt. Dabei steht die Wasserabgabe einer feuchten Oberfläche mit dem Wasseraufnahmevermögen der umgebenden Luft im Gleichgewicht. Aufgrund der Verdunstungskälte liegt die Kühlgrenztemperatur in Abhängigkeit von der relativen Luftfeuchte unterhalb der Lufttemperatur:

$ t_{\mathrm {F} }\leq t_{\text{luft}} $
Legende:
tFK ... Feuchtkugeltemperatur
tL ... Lufttemperatur vor Beginn der Abkühlung
φ ... relative Feuchte der Luft (Ausgangsbedingung)

Erläuterung:
Im Diagramm wird der Verlauf der Temperatur dargestellt, auf die sich feuchte Luft durch adiabatischen Energieentzug abkühlen lässt. Sie fällt mit sinkender Ausgangsfeuchte der Luft. D.h. ein Luftvolumen bestimmter relativer Feuchte kann mehr Wärme abgeben als die gleiche Menge Luft bei gleicher Ausgangstemperatur und gleichem Umgebungsdruck jedoch höherer relativer Feuchte.

Die Temperaturabsenkung ist dabei umso größer, je trockener die umgebende Luft ist;[1] umgekehrt kann aus der Temperaturdifferenz die Luftfeuchte bestimmt werden.

Gemessen wird die Feuchtkugeltemperatur durch eine psychrometrische Messung mit einem Thermometer, das mit einem befeuchteten Stoff- oder Watteüberzug versehen ist (Psychrometer). Bei dieser Messung wird die Feuchtkugel gut belüftet, so dass sich an ihr keine Grenzschicht bildet, in der die Umgebungsluft einen lokal höheren Dampfanteil trägt.

Die Kühlgrenztemperatur liegt (außer bei einer relativen Feuchte von 100 %) höher als die Temperatur $ \tau $ des Taupunktes:

$ t_{\mathrm {F} }\geq \tau $

Relevant ist die Kühlgrenztemperatur überall dort, wo Flüssigkeit in großen Mengen verdunstet wird. Der Kühleffekt kann dabei ein gewünschtes Ziel sein (z. B. bei der Verdunstungskühlung, Nasskühlung, Wassereinspritzung) oder ein Nebeneffekt (z. B. in der Trocknung, Konvektion­strocknung).

Belastungsgrenze des menschlichen Körpers

In der Human-Biometeorologie wird die Kühlgrenztemperatur angewendet, um Hitzestress anzuzeigen. Sie wird entweder direkt verwendet oder fließt in die Berechnung von Indizes ein, die gefühlte Temperatur und thermischen Stress quantifizieren, beispielsweise in den WBGT-Index (wet bulb globe temperature).[2]

Für den menschlichen Körper ist eine anhaltende Kühlgrenztemperatur von über 35 °C (95 °F) gefährlich – selbst für gesunde Menschen im Schatten – und führt zur Hyperthermie. Ab diesem Temperaturwert kann der Körper keine Wärme mehr an die Umwelt abgeben, sondern nimmt die Wärme auf. Sherwood und Huber (2010) nehmen an, dass ein Mensch Kühlgrenztemperaturen von etwa 35 °C für ungefähr sechs Stunden überleben kann.[3] Nach dieser Studie betragen die höchsten gemessenen Feuchtkugeltemperaturen an den meisten Orten der Erde etwa 26 bis 27 °C, wobei auch Höchsttemperaturen von etwa 30 bis 31 °C gemessen werden konnten.[3] Dabei zeigt sich, dass die Feuchtkugeltemperaturen auf der Erde über einige Regionen sehr ähnlich sind. Während die höchsten Lufttemperaturen in Wüsten erreicht werden, ist die Kühlgrenztemperatur dort aufgrund der geringen Luftfeuchtigkeit nicht höher als in den Tropen.[3]

Langfristig kann eine nicht eingedämmte globale Erwärmung zu steigenden Feuchtkugeltemperaturen führen, so dass in wenigen Teilen der Erde die Überlebensfähigkeit von Menschen nicht mehr gegeben ist.[3] Nach einer Prognose von Im et al. aus dem Jahr 2016 könnten solche Bedingungen in Teilen Südasiens gegen Ende des 21. Jahrhunderts erreicht werden.[4] Die höchsten Werte der Kühlgrenztemperatur werden in der Golfregion gemessen.[5] Dort hat sich die Kühlgrenztemperatur 2015 dem Wert von 35 Grad Celsius genähert.[6] Eine Kühlgrenztemperatur von 35 °C wird beispielsweise bei einer relativen Luftfeuchte von 50 % und gleichzeitiger Lufttemperatur von 46 °C erreicht.[7]

Einzelnachweise

  1. Grassmann et al.: Einführung in die thermische Verfahrenstechnik, 3. Auflage, Walter de Gruyter Berlin 1997.
  2. R. E. David, G. R. McGregor, K. B. Eneld: Humidity : a review and primer on atmospheric moisture and human health. In: Environmental research. 2016, doi:10.1016/j.envres.2015.10.014.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Steven C. Sherwood, Matthew Huber: An adaptability limit to climate change due to heat stress. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 107, Nr. 21, 25. Mai 2010, S. 9552–9555, doi:10.1073/pnas.0913352107.
  4. Eun-Soon Im et al.: Deadly heat waves projected in the densely populated agricultural regions of South Asia. In: Science Advances. Band 3, e1603322, 2017, doi:10.1126/sciadv.1603322.
  5. Jeremy S. Pal, Elfatih A. B. Eltahir: Future temperature in southwest Asia projected to exceed threshold for human adaptability. In: Nature Climate Change. (nature.com).
  6. Otto Wöhrbach: Die Klimaanlage des Menschen stößt an ihr Limit. Schwitzen kühlt – doch nicht immer und überall. Im Klimawandel droht immer mehr Regionen der Erde der Hitzetod. (Onlinefassung unter anderem Titel) In: Der Tagesspiegel, 27. August 2019, S. 19.
  7. Persian Gulf could be too hot for humans by 2100. In: The Telegraph. AFP, 26. Oktober 2015, abgerufen am 28. August 2019 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).

Weblinks