Ramsauer-Effekt: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Ramsauer-Effekt''', auch als '''Ramsauer-Townsend-Effekt''' bekannt, bezeichnet die extreme Durchlässigkeit von [[Gas]]en gegenüber langsamen [[Elektron]]en und wurde von [[Carl Ramsauer]] 1920 entdeckt. Er gilt heute als der erste experimentelle Hinweis darauf, dass Elektronen nicht mit [[Klassische Mechanik|klassischer Mechanik]] beschreibbar sind.
Der '''Ramsauer-Effekt''', auch als '''Ramsauer-Townsend-Effekt''' bekannt, bezeichnet die extreme Durchlässigkeit von [[Gas]]en gegenüber langsamen [[Elektron]]en. Er von [[Carl Ramsauer]] 1920 entdeckt<ref>{{Literatur | Autor= Carl Ramsauer| Titel=Über den Wirkungsquerschnitt der Gasmoleküle gegenüber langsamen Elektronen | Sammelwerk= Annalen der Physik| Band= 64| Jahr= 1921| Seiten= 513–540| DOI= | Online=[http://myweb.rz.uni-augsburg.de/~eckern/adp/history/historic-papers/1921_369_513-540.pdf online] | Zugriff=2020-07-07}}</ref> und gilt heute als der erste experimentelle Hinweis darauf, dass die [[Klassische Mechanik]] nicht nur bei den im [[Atom]] gebundenen Elektronen versagt, sondern auch bei manchen Beobachtungen an freien Elektronen.


Der ebenfalls für diesen Effekt verwendete Name ''Ramsauer-Townsend-Effekt'' schließt die Forschungen des irischen Physikers [[John Sealy Edward Townsend]] ein, der 1901 die Abhängigkeit der [[Mittlere freie Weglänge|mittleren freien Weglänge]] von der [[kinetische Energie|kinetischen Energie]] bei der Bewegung freier Elektronen in Gasen entdeckt hatte.
Der Ramsauer-Effekt war von Nils Akesson 1916 schon im gleichen Institut entdeckt und publiziert worden, wurde aber zunächst wegen angeblicher Schwachstellen in seinen Experimenten nicht anerkannt. Seine Ergebnisse wurden in den 1920er Jahren aber nach und nach bestätigt.<ref>{{Literatur | Autor=Gyeong Soon Im | Titel=The formation and development of the Ramsauer effect | Sammelwerk= Historical Studies in the Physical and Biological Sciences| Band= 25| Nummer=2 | Jahr=1995 | Seiten= 269–300| DOI=10.2307/27757746 | Online=https://online.ucpress.edu/hsns/article-pdf/25/2/269/149734/27757746.pdf online | Zugriff=2020-07-07}}</ref>
 
Der ebenfalls für diesen Effekt verwendete Name ''Ramsauer-Townsend-Effekt'' schließt die Forschungen des irischen Physikers [[John Sealy Edward Townsend]] ein, der 1901 entdeckt hatte, dass die [[mittlere freie Weglänge]] bei der Bewegung freier Elektronen in Gasen von deren [[kinetische Energie|kinetischer Energie]] abhängt.


== Beschreibung ==
== Beschreibung ==
Wenn Elektronen ein Gas durchqueren, treten sie mit den Gasmolekülen in Wechselwirkung. Um diese Wechselwirkung zu bestimmen, führte Ramsauer den Begriff [[Wirkungsquerschnitt]] ein: je größer der Wirkungsquerschnitt eines Gasmoleküls, desto eher wird es von einem Elektron getroffen, und desto weniger Elektronen durchdringen das Gas. Nach den Vorstellungen der klassischen Mechanik sollte der Wirkungsquerschnitt je geringer sein, desto größer die kinetische Energie und damit die Geschwindigkeit des Elektrons sei, da langsamere Elektronen stärker durch das [[elektrisches Feld|elektrische Feld]] im Inneren der Atome abgelenkt würden.
Wenn Elektronen ein Gas durchqueren, treten sie mit den Gasmolekülen in Wechselwirkung. Um diese Wechselwirkung zu bestimmen, führte Ramsauer den Begriff ''effektiven [[Wirkungsquerschnitt]]'' (im Unterschied zu dem in der [[kinetische Gastheorie|kinetischen Gastheorie]]  bestimmten Wirkungsquerschnitt der Streuung von Atomen oder Molekülen aneinander) ein: je größer der effektive Wirkungsquerschnitt eines Gasmoleküls, desto eher wird es von einem Elektron getroffen, und desto weniger Elektronen durchdringen das Gas. Nach den Vorstellungen der klassischen Mechanik sollte der Wirkungsquerschnitt umso kleiner sein, je größer die kinetische Energie und damit die Geschwindigkeit des Elektrons ist, da langsamere Elektronen stärker durch das [[elektrisches Feld|elektrische Feld]] im Inneren der Atome abgelenkt würden.


Ramsauer stellte jedoch fest, dass der Wirkungsquerschnitt anders von der [[Kinetische Energie|kinetischen Energie]] der Elektronen abhängt. So zeigen bei etwa einem [[Elektronenvolt]] viele Querschnitte ein Minimum an (''Ramsauer-Querschnitt''), das teilweise deutlich unter dem [[Kinetische Gastheorie|gaskinetischen]] Querschnitt liegt. Mit wachsender Elektronenenergie steigt der Stoßquerschnitt zunächst auf ein Maximum, um bei Werten oberhalb von 20&nbsp;Elektronenvolt dann wieder stark abzufallen, teilweise unter den Wert des minimalen Stoßquerschnitts bei geringeren Energien.
Ramsauer stellte jedoch fest, dass die Abhängigkeit des Wirkungsquerschnitts von der kinetischen Energie der Elektronen anders verläuft. So zeigt der Wirkungsquerschnitt bei vielen Gasen bei etwa einem [[Elektronenvolt]] Energie ein Minimum (''Ramsauer-Querschnitt''), das teilweise deutlich unter dem [[Kinetische Gastheorie|gaskinetischen]] Querschnitt liegt. Mit wachsender Elektronenenergie steigt der Wirkungsquerschnitt zunächst auf ein Maximum, um bei Werten oberhalb von 20&nbsp;Elektronenvolt dann wieder stark abzufallen, teilweise unter den Ramsauer-Querschnitt.


Obwohl dieser Effekt damals noch nicht erklärbar war, reichte Ramsauer seine Ergebnisse am 7.&nbsp;September 1920 zur Publikation in den ''[[Annalen der Physik]]'' ein.
Dies Verhalten war damals noch nicht erklärbar.


== Erklärung ==
== Erklärung ==
Erst mit [[Louis-Victor de Broglie|de Broglies]] These der [[Materiewelle]]n und damit durch den [[Welle-Teilchen-Dualismus]] wurde das Minimum des Wirkungsquerschnitts erstmals [[heuristisch]] verstanden: die von der Geschwindigkeit abhängige [[De-Broglie-Wellenlänge]] der Elektronen muss sich in der gleichen Größenordnung bewegen wie die Größe der Gasatome, die die [[Streuung (Physik)|Streuung]] der Elektronen verursachen. Dadurch erlauben die Gasatome die [[Transmission (Physik)|Transmission]] der Elektronen, sodass Elektronen einer bestimmten Wellenlänge die Gasmoleküle ungehindert passieren können.
Erst mit [[Louis-Victor de Broglie|de Broglies]] These der [[Materiewelle]]n und damit durch den [[Welle-Teilchen-Dualismus]] wurde das Minimum des Wirkungsquerschnitts im Grundsatz verstanden: dabei muss die von der Geschwindigkeit abhängige [[De-Broglie-Wellenlänge]] der Elektronen in der gleichen Größenordnung liegen wie die Größe der Gasatome, die die [[Streuung (Physik)|Streuung]] der Elektronen verursachen. Dadurch erlauben die Gasatome die [[Transmission (Physik)|Transmission]] der Elektronen, sodass die Passage von Elektronen einer entsprechend großen Wellenlänge weniger behindert wird als bei kleinerer Wellenlänge, also höherer Energie.


Die vollständige Erklärung des Ramsauer-Effekts erfolgt mittels [[Streutheorie]] und erfordert daher die von&nbsp;1925 bis&nbsp;1927 entwickelte [[Quantenmechanik]]. Durch den Wellencharakter der Elektronen kommt es infolge der Transmission auch hinter den Atomen zu [[Interferenz (Physik)|Interferenzerscheinungen]], die jedoch nicht Objekte der Beobachtung sind.
Die vollständige Erklärung des Ramsauer-Effekts erfolgt mittels [[Streutheorie]] und erfordert daher die von&nbsp;1925 bis&nbsp;1927 entwickelte [[Quantenmechanik]]. Durch den Wellencharakter der Elektronen kommt es zur Transmission durch die Atome und in der Folge auch zu [[Interferenz (Physik)|Interferenzerscheinungen]].


== Literatur ==
== Einzelnachweise ==
* Carl Ramsauer: ''Über den Wirkungsquerschnitt der Gasmoleküle gegenüber langsamen Elektronen''. In: ''Annalen der Physik''. 6, 369, 1921, S. 513–540.
<references />


[[Kategorie:Quantenmechanik]]
[[Kategorie:Quantenmechanik]]

Aktuelle Version vom 2. November 2021, 14:21 Uhr

Der Ramsauer-Effekt, auch als Ramsauer-Townsend-Effekt bekannt, bezeichnet die extreme Durchlässigkeit von Gasen gegenüber langsamen Elektronen. Er von Carl Ramsauer 1920 entdeckt[1] und gilt heute als der erste experimentelle Hinweis darauf, dass die Klassische Mechanik nicht nur bei den im Atom gebundenen Elektronen versagt, sondern auch bei manchen Beobachtungen an freien Elektronen.

Der Ramsauer-Effekt war von Nils Akesson 1916 schon im gleichen Institut entdeckt und publiziert worden, wurde aber zunächst wegen angeblicher Schwachstellen in seinen Experimenten nicht anerkannt. Seine Ergebnisse wurden in den 1920er Jahren aber nach und nach bestätigt.[2]

Der ebenfalls für diesen Effekt verwendete Name Ramsauer-Townsend-Effekt schließt die Forschungen des irischen Physikers John Sealy Edward Townsend ein, der 1901 entdeckt hatte, dass die mittlere freie Weglänge bei der Bewegung freier Elektronen in Gasen von deren kinetischer Energie abhängt.

Beschreibung

Wenn Elektronen ein Gas durchqueren, treten sie mit den Gasmolekülen in Wechselwirkung. Um diese Wechselwirkung zu bestimmen, führte Ramsauer den Begriff effektiven Wirkungsquerschnitt (im Unterschied zu dem in der kinetischen Gastheorie bestimmten Wirkungsquerschnitt der Streuung von Atomen oder Molekülen aneinander) ein: je größer der effektive Wirkungsquerschnitt eines Gasmoleküls, desto eher wird es von einem Elektron getroffen, und desto weniger Elektronen durchdringen das Gas. Nach den Vorstellungen der klassischen Mechanik sollte der Wirkungsquerschnitt umso kleiner sein, je größer die kinetische Energie und damit die Geschwindigkeit des Elektrons ist, da langsamere Elektronen stärker durch das elektrische Feld im Inneren der Atome abgelenkt würden.

Ramsauer stellte jedoch fest, dass die Abhängigkeit des Wirkungsquerschnitts von der kinetischen Energie der Elektronen anders verläuft. So zeigt der Wirkungsquerschnitt bei vielen Gasen bei etwa einem Elektronenvolt Energie ein Minimum (Ramsauer-Querschnitt), das teilweise deutlich unter dem gaskinetischen Querschnitt liegt. Mit wachsender Elektronenenergie steigt der Wirkungsquerschnitt zunächst auf ein Maximum, um bei Werten oberhalb von 20 Elektronenvolt dann wieder stark abzufallen, teilweise unter den Ramsauer-Querschnitt.

Dies Verhalten war damals noch nicht erklärbar.

Erklärung

Erst mit de Broglies These der Materiewellen und damit durch den Welle-Teilchen-Dualismus wurde das Minimum des Wirkungsquerschnitts im Grundsatz verstanden: dabei muss die von der Geschwindigkeit abhängige De-Broglie-Wellenlänge der Elektronen in der gleichen Größenordnung liegen wie die Größe der Gasatome, die die Streuung der Elektronen verursachen. Dadurch erlauben die Gasatome die Transmission der Elektronen, sodass die Passage von Elektronen einer entsprechend großen Wellenlänge weniger behindert wird als bei kleinerer Wellenlänge, also höherer Energie.

Die vollständige Erklärung des Ramsauer-Effekts erfolgt mittels Streutheorie und erfordert daher die von 1925 bis 1927 entwickelte Quantenmechanik. Durch den Wellencharakter der Elektronen kommt es zur Transmission durch die Atome und in der Folge auch zu Interferenzerscheinungen.

Einzelnachweise

  1. Carl Ramsauer: Über den Wirkungsquerschnitt der Gasmoleküle gegenüber langsamen Elektronen. In: Annalen der Physik. Band 64, 1921, S. 513–540 (online [PDF; abgerufen am 7. Juli 2020]).
  2. Gyeong Soon Im: The formation and development of the Ramsauer effect. In: Historical Studies in the Physical and Biological Sciences. Band 25, Nr. 2, 1995, S. 269–300, doi:10.2307/27757746 (https://online.ucpress.edu/hsns/article-pdf/25/2/269/149734/27757746.pdf online [PDF; abgerufen am 7. Juli 2020]).