Teetasseneffekt: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Tea Leaf Paradox Stirring.ogv|miniatur|Video zum Teetasseneffekt]]
Der '''Teetasseneffekt''' ist die Bewegung von Teilchen am Boden einer rotierenden Flüssigkeit zum Zentrum hin, gegen die Wirkung der Zentrifugalkraft.
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==Beobachtung==
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[[Datei:Tee Rühren.svg|mini|Das Umrühren setzt eine sekundäre Zirkularströmung in Gang. Teeblätter am Boden bewegen sich zur Mitte hin.]]Durch das Rühren bildet die Oberfläche eine parabelförmige Delle aus. Dabei bewegen sich erst  größere, zu Boden gesunkene Blätter zur Mitte der Tasse. Die kleineren Teilchen werden aufgewirbelt und bleiben vorerst in der Schwebe, wobei sie mit der Tangentialströmung die Mitte in unterschiedlicher und weitgehend konstanter Entfernung umkreisen. Nach Ende des Rührens lässt die Rotationsbewegung der Flüssigkeit langsam nach und die Delle wird flacher. Dennoch besteht am Tassenboden weiterhin eine Radialströmung, die die nun absinkenden kleineren Partikel ebenfalls zur Mitte bringt und dort noch ein Stück weit anhebt. Eine Besonderheit flacher größerer Blätter ist die Pirouettenbewegung. Sie stellt sich dann ein, wenn diese nur mit einer Spitze oder dem Rand in die Bodenschicht eintauchen. Auch eine rollende Bewegung geeignet geformter Partikel wird fallweise beobachtet.
Der '''Teetasseneffekt''' ist die Bewegung von spezifisch schwereren Teilchen am Boden einer rotierenden Flüssigkeit zum Zentrum hin.


== Deutung==
== Beobachtung ==
Dieser Effekt  wird mit dem Begriff der [[Sekundärströmung]] in Verbindung gebracht. Sie dient auch zur Erklärung der [[Mäander|Mäanderbildung]] an Flüssen (Thomson <ref>Thomson, James (1876-1877). On the Origin of Windings of Rivers in Alluvial Plains, with Remarks on the Flow of Water round Bends in Pipes. Proceedings of the Royal Society of London, Ser.B, 25, 5-8.</ref>, Isaachsen <ref>Isaachsen, J. (1896). Über einige Wirkungen von Zentrifugalkräften in Flüssigkeiten und Gasen. Zivilingenieur, 42, 351.</ref><ref>Isaachsen, J. (1911). Innere Vorgänge  in strömenden Flüssigkeiten und Gasen. Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 55, pp. 215, 263, 428, 605, 946.</ref>). Thomson weist auch darauf hin, dass der Wasserpegel in einer Flussbiegung von der Innen- zur Außenseite hin ansteigt. Einstein beschreibt anhand des Teetasseneffekts die Mäanderbildung und die Verlagerung von Geröll am Grund des Flussbetts <ref>Einstein, A (1926). Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe<!--sic --> und des sogenannten Baerschen Gesetzes. Die Naturwissenschaften, 14, 223-224.</ref>.  
[[Datei:Tee Rühren.svg|mini|Das Umrühren setzt eine sekundäre Zirkularströmung in Gang. Teeblätter am Boden bewegen sich zur Mitte hin.]]Zunächst wird eine Flüssigkeit in einem annähernd runden Gefäß in Rotation versetzt, z.&nbsp;B. durch Rühren. Nach Ende des Rührens lässt die so eingetragene Turbulenz langsam nach und die typische Rotationsbewegung der Flüssigkeit stellt sich ein. Sedimentpartikel in der Flüssigkeit (z.&nbsp;B. Teeblätter), die zum Boden absinken, werden dort durch eine bodennahe Strömung erfasst und auf spiraligen Bahnen zum Rotationszentrum bewegt. Dort häufen sie sich an und werden bei entsprechend starker Rotation dort auf der Stelle im Kreis gedreht.


Die Strömungsverhältnisse während und nach der Rührbewegung unterscheiden sich von einander. Während des Rührens transportiert die Zentrifugalkraft laufend Tee an die Peripherie. Am Rand wird jedoch durch Reibung die Rotationsbewegung gebremst, so dass die Fliehkraft stark vermindert wird und der Tee – bildlich gesprochen –  nach unten fällt. Er sinkt ab, übt einen Druck aus und schiebt die Flüssigkeit am Boden zur Mitte, da auch in Bodennähe durch Reibung die Winkelgeschwindigkeit und damit die Zentrifugalkraft herabgesetzt sind. So entwickelt sich eine sekundäre Zirkularströmung: An der Tassenwand nach unten, dort zum Zentrum, dann nach oben und durch das Rühren wieder an den Rand. Da diese Strömung in Bodennähe verläuft, werden vorerst nur die bereits abgesunkenen Blätter erfasst. Kleinere Partikel mit einem großen Verhältnis von Oberfläche zu Gewicht (relativ zur Flüssigkeit) werden in der Schwebe gehalten. [[Datei:Tee Niveauausgleich.svg|mini|Nach Ende des Rührens gleichen sich die Niveausunterschiede langsam aus;  auch kleinere Teeblätter sinken ab und erreichen so die Mitte.]]
== Deutung ==
Durch die Reibung an der Sohle werden sohlnahe Wasserteilchen in der Rotationsbewegung abgebremst, sodass sie einer geringeren Zentrifugalkraft unterworfen sind. Da die darüber befindlichen Wasserteilchen der größeren, normalen Rotation unterworfen sind, unterliegen sie einer im Vergleich größeren Zentrifugalkraft, die dafür sorgt, dass der Wasserspiegel außen erhöht ist. Dieser höhere Wasserstand am Außenrand führt zu einem erhöhten hydrostatischen Druck, der sich nach unten fortpflanzt und dem die sohlnahe Schicht nicht entgegenwirken kann, sodass sie nach innen ausweicht. So entsteht eine Sekundärströmung, die Wasser außen nach unten, über der Sohle zur Mitte, in der Mitte nach oben und am Flüssigkeitsspiegel nach außen führt.


Nach Ende der Rührbewegung fehlt der Energieeintrag, der weiterhin Flüssigkeit  an die Peripherie verlagern und die ständig absinkende Teemenge ersetzen könnte. Unter dem Einfluss der inneren Reibung lässt die Drehbewegung langsam nach, die Parabelform der Oberfläche kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Die am Rand nun überhöhte Flüssigkeit hat die Möglichkeit, entweder an der Oberfläche zur Mitte hin zu fließen oder, wie bisher, an der Wand und über den Boden in das Zentrum zu gelangen und so für einen Niveauausgleich zu sorgen. Da am Rand und am Boden die Bewegung am stärksten gebremst wird, gleicht sich der Flüssigkeitspegel nach wie vor über diesen Umweg aus und nicht an der Oberfläche, auf der noch immer eine, wenn auch abnehmende, Fliehkraft herrscht.  Dieses Einebnen der Delle durch den Weg der Flüssigkeit über Wand und Boden zum Zentrum und dort nach oben kann als Niveauausgleich analog zu dem zwischen kommunizierenden Gefäßen gedeutet werden.
Der sichtbare Effekt besteht somit darin, dass spezifisch schwerere Teilchen zur Sohle tendieren, durch die sohlnahe Strömung zur Mitte bewegt werden und dort liegen bleiben, da die in der Mitte aufsteigende Strömung sie nicht mehr anheben kann. Der Effekt ist so lange vorhanden, wie die Flüssigkeit rotiert und klingt mit der Rotation ab.


Geraten größere Partikel auf ihrem Weg mit der Tangentialströmung in Bodennähe und tauchen zum Teil in die Radialströmung ein, dann werden sie abgelenkt und es wird ein Drehmoment ausgeübt. Je nach Form des Partikels und Lage des Eintauchpunkts kommt es zu einer Pirouetten- oder auch Rollbewegung. Eine durch Berührung mit der Bodenhaftungsschicht rollende Kugel würde – im Idealfall – aufgrund eines Kreiseleffekts dann auch zur Mitte hin rollen.<ref> Kreiner, WA (2016). Teeblättereffekte. Kap. 6. {{doi|10.18725/OPARU-3923}}</ref>
Diese Sekundärströmung entsteht auch in Flusskrümmungen und dient zur Erklärung der [[Mäander]]bildung an Flüssen (Thomson,<ref>[[James Thomson (Ingenieur)|James Thomson]]: ''On the Origin of Windings of Rivers in Alluvial Plains, with Remarks on the Flow of Water round Bends in Pipes.'' In: ''Proceedings of the Royal Society of London, Ser.B'' 25 (1876), S.&nbsp;5–8. {{doi|10.1098/rspl.1876.0004}}</ref> Isaachsen<ref>J. Isaachsen: ''Über einige Wirkungen von Zentrifugalkräften in Flüssigkeiten und Gasen.'' In: ''Zivilingenieur'' 42 (1896), S.&nbsp;351.</ref><ref>J.Isaachsen: ''Innere Vorgänge  in strömenden Flüssigkeiten und Gasen.'' In: ''Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure.'' 55 (1911), S.&nbsp;215, 263, 428, 605, 946.</ref>) oder auch zur Erklärung von Prallhang außen und Gleithang innen mit einem asymmetrischen Querschnitt des Flusses. So erklärt sich analog die Beobachtung von Thomson, dass der Wasserpegel in einer Flussbiegung von der Innen- zur Außenseite hin ansteigt. Einstein beschreibt anhand des Teetasseneffekts die Mäanderbildung und die Verlagerung von Geröll am Grund des Flussbetts.<ref>Albert Einstein: ''Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe und des sogenannten Baerschen Gesetzes.'' In: ''Die Naturwissenschaften'' 14 (1926), S.&nbsp;223–224.{{doi|10.1007/BF01510300}}</ref>


==Einzelnachweise==
Der beschriebene Effekt wird in technischen Anlagen genutzt, um Partikel aus einer Strömung abzuscheiden und in der Mitte gezielt in hoher Konzentration abzuführen. Dies gilt für Zyklone, Entsanderbecken oder auch runde Regenüberlaufbecken (Wirbelschachtbecken). In letzteren wird der Teetasseneffekt genutzt, abgeschiedene Sedimente zur Mitte zu führen und dort abzuziehen, sodass die Becken selbstreinigend sind.
 
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />
==Weblinks==
== Weblinks ==
* [http://owl.hermann-foettinger.de/index.php?exp=sekundaer&p=3 Teetasseneffekt] <small>Experimente</small>
* [http://owl.hermann-foettinger.de/index.php?exp=sekundaer&p=3 Teetasseneffekt] <small>Experimente</small>


[[Kategorie:Physikalisches Demonstrationsexperiment]]
[[Kategorie:Physikalisches Demonstrationsexperiment]]
[[Kategorie:Strömungsmechanik]]
[[Kategorie:Strömungsmechanik]]
[[Kategorie:Tee als Thema]]
[[Kategorie:Wikipedia:Artikel mit Video]]

Aktuelle Version vom 9. Februar 2022, 14:34 Uhr

Video zum Teetasseneffekt

Der Teetasseneffekt ist die Bewegung von spezifisch schwereren Teilchen am Boden einer rotierenden Flüssigkeit zum Zentrum hin.

Beobachtung

Das Umrühren setzt eine sekundäre Zirkularströmung in Gang. Teeblätter am Boden bewegen sich zur Mitte hin.

Zunächst wird eine Flüssigkeit in einem annähernd runden Gefäß in Rotation versetzt, z. B. durch Rühren. Nach Ende des Rührens lässt die so eingetragene Turbulenz langsam nach und die typische Rotationsbewegung der Flüssigkeit stellt sich ein. Sedimentpartikel in der Flüssigkeit (z. B. Teeblätter), die zum Boden absinken, werden dort durch eine bodennahe Strömung erfasst und auf spiraligen Bahnen zum Rotationszentrum bewegt. Dort häufen sie sich an und werden bei entsprechend starker Rotation dort auf der Stelle im Kreis gedreht.

Deutung

Durch die Reibung an der Sohle werden sohlnahe Wasserteilchen in der Rotationsbewegung abgebremst, sodass sie einer geringeren Zentrifugalkraft unterworfen sind. Da die darüber befindlichen Wasserteilchen der größeren, normalen Rotation unterworfen sind, unterliegen sie einer im Vergleich größeren Zentrifugalkraft, die dafür sorgt, dass der Wasserspiegel außen erhöht ist. Dieser höhere Wasserstand am Außenrand führt zu einem erhöhten hydrostatischen Druck, der sich nach unten fortpflanzt und dem die sohlnahe Schicht nicht entgegenwirken kann, sodass sie nach innen ausweicht. So entsteht eine Sekundärströmung, die Wasser außen nach unten, über der Sohle zur Mitte, in der Mitte nach oben und am Flüssigkeitsspiegel nach außen führt.

Der sichtbare Effekt besteht somit darin, dass spezifisch schwerere Teilchen zur Sohle tendieren, durch die sohlnahe Strömung zur Mitte bewegt werden und dort liegen bleiben, da die in der Mitte aufsteigende Strömung sie nicht mehr anheben kann. Der Effekt ist so lange vorhanden, wie die Flüssigkeit rotiert und klingt mit der Rotation ab.

Diese Sekundärströmung entsteht auch in Flusskrümmungen und dient zur Erklärung der Mäanderbildung an Flüssen (Thomson,[1] Isaachsen[2][3]) oder auch zur Erklärung von Prallhang außen und Gleithang innen mit einem asymmetrischen Querschnitt des Flusses. So erklärt sich analog die Beobachtung von Thomson, dass der Wasserpegel in einer Flussbiegung von der Innen- zur Außenseite hin ansteigt. Einstein beschreibt anhand des Teetasseneffekts die Mäanderbildung und die Verlagerung von Geröll am Grund des Flussbetts.[4]

Der beschriebene Effekt wird in technischen Anlagen genutzt, um Partikel aus einer Strömung abzuscheiden und in der Mitte gezielt in hoher Konzentration abzuführen. Dies gilt für Zyklone, Entsanderbecken oder auch runde Regenüberlaufbecken (Wirbelschachtbecken). In letzteren wird der Teetasseneffekt genutzt, abgeschiedene Sedimente zur Mitte zu führen und dort abzuziehen, sodass die Becken selbstreinigend sind.

Einzelnachweise

  1. James Thomson: On the Origin of Windings of Rivers in Alluvial Plains, with Remarks on the Flow of Water round Bends in Pipes. In: Proceedings of the Royal Society of London, Ser.B 25 (1876), S. 5–8. doi:10.1098/rspl.1876.0004
  2. J. Isaachsen: Über einige Wirkungen von Zentrifugalkräften in Flüssigkeiten und Gasen. In: Zivilingenieur 42 (1896), S. 351.
  3. J.Isaachsen: Innere Vorgänge in strömenden Flüssigkeiten und Gasen. In: Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure. 55 (1911), S. 215, 263, 428, 605, 946.
  4. Albert Einstein: Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe und des sogenannten Baerschen Gesetzes. In: Die Naturwissenschaften 14 (1926), S. 223–224.doi:10.1007/BF01510300

Weblinks