Eötvös-Experiment: Unterschied zwischen den Versionen

Eötvös-Experiment: Unterschied zwischen den Versionen

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Das '''Eötvös-Experiment''' ist ein von [[Loránd Eötvös]] und Kollegen in Budapest Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführtes grundlegendes [[Experiment]] zur Schwerkraft ([[Gravitation]]). Dabei haben die Experimentatoren überprüft, ob Körper aus unterschiedlichen Materialien, wie zum Beispiel Messing, Glas, Korkholz und [[Stibnit|Antimonitkristalle]], in voneinander abweichende Richtungen fallen würden. Es konnte keine unterschiedliche Fallrichtung für verschiedene Objekte gemessen werden.
Das '''Eötvös-Experiment''' ist ein von [[Loránd Eötvös]] und Kollegen durchgeführtes [[Experiment]] zur Schwerkraft, bei dem überprüft wurde, ob Körper aus unterschiedlichen Materialien in voneinander abweichende Richtungen fallen. Es konnte keine unterschiedliche Fallrichtung für verschiedene Objekte gemessen werden.
Im Rahmen der [[Newtonsches Gravitationsgesetz|newtonschen Gravitationstheorie]] wird das Experiment als genaue Überprüfung des Verhältnisses von [[Schwere Masse|schwerer Masse]] und [[Träge Masse|träger Masse]] bei den betreffenden Messobjekten gewertet. Dieser Bewertung liegt die Überlegung zugrunde, dass Körper mit einem unterschiedlichen Verhältnis von träger und schwerer Masse unterschiedlich auf das [[Schwerefeld]] der Erde reagieren könnten. Nach Newtons Theorie wird die Gewichtskraft eines Körpers auf der Erdoberfläche durch zwei prinzipiell unterschiedliche Kräfte bestimmt – durch die Gravitationskraft einerseits und eine aus der [[Erdrotation|Eigenrotation]] der Erde resultierende Trägheitskraft, die sog. [[Fliehkraft]], andererseits.  


Loránd Eötvös führte dieses Experiment zuerst im Jahre 1889 durch und veröffentlichte seine Ergebnisse 1890.<ref>Roland Baron Eötvös: ''Über die Anziehung der Erde auf verschiedene Substanzen.'' In: ''Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn.'' Achter Band 1889–1890. Berlin, Budapest 1891, S.&nbsp;65–68, 1890. ([https://archive.org/stream/mathematischeun07unkngoog#page/n94/mode/2up Digitalisat der Veröffentlichung])</ref> Gemeinsam mit Pekár und Fekete verfeinerte er die Messungen in den Jahren 1906 bis 1909.
== Das Experiment ==
[[Datei:Directions of gravity and centrifugal force on earth surface.svg|mini|Richtungen der Flieh- und Gravitationskraft an einem Ort der Erdoberfläche.]]
Im Rahmen der [[Newtonsches Gravitationsgesetz|newtonschen Gravitationstheorie]] wird das Experiment als genaue Überprüfung des Verhältnisses von [[Schwere Masse|schwerer Masse]] und [[Träge Masse|träger Masse]] bei den betreffenden Messobjekten gewertet. Dieser Bewertung liegt die Überlegung zugrunde, dass Körper mit einem unterschiedlichen Verhältnis von träger und schwerer Masse unterschiedlich auf das [[Schwerefeld]] der Erde reagieren könnten. Nach Newtons Theorie wird die Gewichtskraft eines Körpers auf der Erdoberfläche durch zwei prinzipiell unterschiedliche Kräfte bestimmt – durch die Gravitationskraft einerseits und eine aus der [[Erdrotation|Eigenrotation]] der Erde resultierende Trägheitskraft, die [[Zentrifugalkraft]], andererseits.  


An dem Ort, an dem das Experiment durchgeführt wurde, weisen beide Kräfte nicht in dieselbe Richtung. Daher könnten unterschiedliche Körper, die unterschiedlich auf die beiden Kraftanteile der Schwerkraft reagieren, in leicht voneinander abweichende Richtungen fallen. Ebenso wäre es denkbar, dass sie unterschiedlich schnell fallen. Diese Möglichkeit wurde im Rahmen des Eötvös-Experiments nicht untersucht; das geschah bereits von [[Galileo Galilei]] und [[Isaac Newton]] und danach noch von vielen anderen Experimentatoren.  
An dem Ort, an dem das Experiment durchgeführt wurde, weisen beide Kräfte nicht in dieselbe Richtung. Daher könnten verschiedene Körper, die unterschiedlich auf die beiden Kraftanteile der Schwerkraft reagieren, in leicht voneinander abweichende Richtungen fallen. Ebenso wäre es denkbar, dass sie unterschiedlich schnell fallen. Diese Möglichkeit wurde im Rahmen des Eötvös-Experiments nicht untersucht; das geschah bereits von [[Galileo Galilei]] und [[Isaac Newton]] und danach noch von vielen anderen Experimentatoren.  


Für das Experiment wird ein langes [[Torsionspendel]] verwendet:  
[[Datei:Original Eotvos experiment.svg|mini|Wäre das Verhältnis von F<sub>1</sub> zu  F<sub>2</sub> ein anderes als das von G<sub>1</sub> zu G<sub>2</sub>, würde der m<sub>1</sub> und m<sub>2</sub> verbindende Stab und mit ihm der an ihm befestigte Spiegel um die Pendelachse rotieren.]]
Für das Experiment wird ein langes [[Torsionspendel]] (siehe Abb.) verwendet:  
* Zwei Körper am unteren Ende des Pendels erfahren durch die aufgrund der Erdrotation wirkende Fliehkraft eine [[Auslenkung]] in Richtung [[Äquator|Erdäquator]]; die Auslenkkraft ist [[Proportionalität|proportional]] zur ''trägen Masse''.
* Zwei Körper am unteren Ende des Pendels erfahren durch die aufgrund der Erdrotation wirkende Fliehkraft eine [[Auslenkung]] in Richtung [[Äquator|Erdäquator]]; die Auslenkkraft ist [[Proportionalität|proportional]] zur ''trägen Masse''.
* Der Auslenkung entgegen wirkt die Gravitationskraft; diese ist proportional zur ''schweren Masse''.
* Der Auslenkung entgegen wirkt die Gravitationskraft; diese ist proportional zur ''schweren Masse''.
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Da die untersuchten Körper im Laborsystem in Ruhe bleiben, wurden keine dynamischen Größen, sondern lediglich die Auslenkungswinkel gemessen. Es konnte mit einer Präzision von 1:10<sup>8</sup> gezeigt werden, dass für alle untersuchten Körper das Verhältnis von schwerer und träger Masse gleich ist.<ref name="DransfeldKienle2005">{{cite book|author=[[Klaus Dransfeld]], [[Paul Kienle]], [[Georg Michael Kalvius]]|title=Mechanik und Wärme|url=http://books.google.com/books?id=6EkagSPnfZkC&pg=PA95|accessdate=28. Januar 2013|year=2005|publisher=Oldenbourg Verlag|isbn=978-3-486-57810-2|page=94f}}</ref> Diese Genauigkeit konnte später noch um mehr als drei Größenordnungen verbessert werden.  
Da die untersuchten Körper im Laborsystem in Ruhe bleiben, wurden keine dynamischen Größen, sondern lediglich die Auslenkungswinkel gemessen. Es konnte mit einer Präzision von 1:10<sup>8</sup> gezeigt werden, dass für alle untersuchten Körper das Verhältnis von schwerer und träger Masse gleich ist.<ref name="DransfeldKienle2005">{{cite book|author=[[Klaus Dransfeld]], [[Paul Kienle]], [[Georg Michael Kalvius]]|title=Mechanik und Wärme|url=http://books.google.com/books?id=6EkagSPnfZkC&pg=PA95|accessdate=28. Januar 2013|year=2005|publisher=Oldenbourg Verlag|isbn=978-3-486-57810-2|page=94f}}</ref> Diese Genauigkeit konnte später noch um mehr als drei Größenordnungen verbessert werden.  


Die hierbei verwendeten Präzisionsmethoden werden heute u.&nbsp;A. in der [[Angewandte Geophysik|Angewandten Geophysik]] und [[Lagerstättenforschung]] benutzt (siehe [[Gravimetrie]]).
Loránd Eötvös führte dieses Experiment zuerst im Jahre 1889 durch und veröffentlichte seine Ergebnisse 1890.<ref>Roland Baron Eötvös: ''Über die Anziehung der Erde auf verschiedene Substanzen.'' In: ''Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn.'' Achter Band 1889–1890. Berlin, Budapest 1891, S.&nbsp;65–68, 1890. ([https://archive.org/stream/mathematischeun07unkngoog#page/n94/mode/2up Digitalisat der Veröffentlichung])</ref> Gemeinsam mit Pekár und Fekete verfeinerte er die Messungen in den Jahren 1906 bis 1909.
 
Die hierbei verwendeten Präzisionsmethoden werden heute u.&nbsp;A. in der [[Gravimetrie]] benutzt, die in der [[Angewandte Geophysik|Angewandten Geophysik]] und [[Lagerstättenforschung]] eingesetzt wird.


Die zunächst rein empirisch festgestellte Äquivalenz von träger und schwerer Masse hat aber grundlegende Bedeutung bekommen, indem sie  auf eine enge Beziehung von Gravitation und Trägheitskräften hinwies: Albert Einstein machte das als [[Äquivalenzprinzip (Physik)|Äquivalenzprinzip]] zur Grundlage seiner [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]].
Die zunächst rein empirisch festgestellte Äquivalenz von träger und schwerer Masse hat aber grundlegende Bedeutung bekommen, indem sie  auf eine enge Beziehung von Gravitation und Trägheitskräften hinwies: Albert Einstein machte das als [[Äquivalenzprinzip (Physik)|Äquivalenzprinzip]] zur Grundlage seiner [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]].


Eine moderne Version des Eötvös-Experiments ist das [[Molybdän-Scheiben-Experiment]] (Eöt-Wash-Experiment).
Eine moderne Version des Eötvös-Experiments ist das [[Molybdän-Scheiben-Experiment]] (Eöt-Wash-Experiment).
Eine zusammenfassende Auswertung alter Experimente vom Typ des Eötvös-Experiments führte Ende der 1980er Jahre zu Mutmaßungen über eine [[fünfte Kraft]] jenseits der [[Gravitation]], [[Schwache Wechselwirkung|schwacher]], [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetischer]] und [[Starke Wechselwirkung|starker]] Wechselwirkung.<ref name="Fischbach 1986">{{Literatur |Autor=Ephraim Fischbach, Daniel Sudarsky, Aaron Szafer, Carrick Talmadge, S.&nbsp;H. Aronson |Titel=Reanalysis of the Eötvös Experiment. |Sammelwerk=Physical Review Letters |Band=56 |Nummer=13 |Datum=1986-03-31 |Seiten=1427–1427 |DOI=10.1103/PhysRevLett.56.1427}}</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
{{cite book|author=Dieter Meschede|title=Gerthsen Physik|url=http://books.google.com/books?id=oP7aW8UT1csC&pg=PT61|accessdate=28. Januar 2013|date=4. November 2010|publisher=Springer DE|isbn=978-3-642-12893-6|pages=47f}}
*{{cite book|author=Dieter Meschede|title=Gerthsen Physik|url=http://books.google.com/books?id=oP7aW8UT1csC&pg=PT61|accessdate=28. Januar 2013|date=4. November 2010|publisher=Springer DE|isbn=978-3-642-12893-6|pages=47f}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
[http://www.kfki.hu/~tudtor/eotvos1/onehund.html 100 years of the Eötvös Experiment]
*[http://www.kfki.hu/~tudtor/eotvos1/onehund.html 100 years of the Eötvös Experiment]
 


[[Kategorie:Allgemeine Relativitätstheorie|Eotvos-Experiment]]
[[Kategorie:Allgemeine Relativitätstheorie|Eotvos-Experiment]]
[[Kategorie:Physikalisches Experiment|Eotvos-Experiment]]
[[Kategorie:Physikalisches Experiment|Eotvos-Experiment]]

Aktuelle Version vom 26. Januar 2021, 16:18 Uhr

Das Eötvös-Experiment ist ein von Loránd Eötvös und Kollegen durchgeführtes Experiment zur Schwerkraft, bei dem überprüft wurde, ob Körper aus unterschiedlichen Materialien in voneinander abweichende Richtungen fallen. Es konnte keine unterschiedliche Fallrichtung für verschiedene Objekte gemessen werden.

Das Experiment

Richtungen der Flieh- und Gravitationskraft an einem Ort der Erdoberfläche.

Im Rahmen der newtonschen Gravitationstheorie wird das Experiment als genaue Überprüfung des Verhältnisses von schwerer Masse und träger Masse bei den betreffenden Messobjekten gewertet. Dieser Bewertung liegt die Überlegung zugrunde, dass Körper mit einem unterschiedlichen Verhältnis von träger und schwerer Masse unterschiedlich auf das Schwerefeld der Erde reagieren könnten. Nach Newtons Theorie wird die Gewichtskraft eines Körpers auf der Erdoberfläche durch zwei prinzipiell unterschiedliche Kräfte bestimmt – durch die Gravitationskraft einerseits und eine aus der Eigenrotation der Erde resultierende Trägheitskraft, die Zentrifugalkraft, andererseits.

An dem Ort, an dem das Experiment durchgeführt wurde, weisen beide Kräfte nicht in dieselbe Richtung. Daher könnten verschiedene Körper, die unterschiedlich auf die beiden Kraftanteile der Schwerkraft reagieren, in leicht voneinander abweichende Richtungen fallen. Ebenso wäre es denkbar, dass sie unterschiedlich schnell fallen. Diese Möglichkeit wurde im Rahmen des Eötvös-Experiments nicht untersucht; das geschah bereits von Galileo Galilei und Isaac Newton und danach noch von vielen anderen Experimentatoren.

Wäre das Verhältnis von F1 zu F2 ein anderes als das von G1 zu G2, würde der m1 und m2 verbindende Stab und mit ihm der an ihm befestigte Spiegel um die Pendelachse rotieren.

Für das Experiment wird ein langes Torsionspendel (siehe Abb.) verwendet:

  • Zwei Körper am unteren Ende des Pendels erfahren durch die aufgrund der Erdrotation wirkende Fliehkraft eine Auslenkung in Richtung Erdäquator; die Auslenkkraft ist proportional zur trägen Masse.
  • Der Auslenkung entgegen wirkt die Gravitationskraft; diese ist proportional zur schweren Masse.
  • Die gemessene Auslenkung stimmt mit der berechneten überein, wenn für träge Masse und schwere Masse identische Werte in die Berechnungen eingesetzt werden.

Da die untersuchten Körper im Laborsystem in Ruhe bleiben, wurden keine dynamischen Größen, sondern lediglich die Auslenkungswinkel gemessen. Es konnte mit einer Präzision von 1:108 gezeigt werden, dass für alle untersuchten Körper das Verhältnis von schwerer und träger Masse gleich ist.[1] Diese Genauigkeit konnte später noch um mehr als drei Größenordnungen verbessert werden.

Loránd Eötvös führte dieses Experiment zuerst im Jahre 1889 durch und veröffentlichte seine Ergebnisse 1890.[2] Gemeinsam mit Pekár und Fekete verfeinerte er die Messungen in den Jahren 1906 bis 1909.

Die hierbei verwendeten Präzisionsmethoden werden heute u. A. in der Gravimetrie benutzt, die in der Angewandten Geophysik und Lagerstättenforschung eingesetzt wird.

Die zunächst rein empirisch festgestellte Äquivalenz von träger und schwerer Masse hat aber grundlegende Bedeutung bekommen, indem sie auf eine enge Beziehung von Gravitation und Trägheitskräften hinwies: Albert Einstein machte das als Äquivalenzprinzip zur Grundlage seiner allgemeinen Relativitätstheorie.

Eine moderne Version des Eötvös-Experiments ist das Molybdän-Scheiben-Experiment (Eöt-Wash-Experiment).

Eine zusammenfassende Auswertung alter Experimente vom Typ des Eötvös-Experiments führte Ende der 1980er Jahre zu Mutmaßungen über eine fünfte Kraft jenseits der Gravitation, schwacher, elektromagnetischer und starker Wechselwirkung.[3]

Literatur

  • Dieter Meschede: Gerthsen Physik.. Springer DE, 4. November 2010, ISBN 978-3-642-12893-6, S. 47f (Zugriff am 28. Januar 2013).

Einzelnachweise

  1. Klaus Dransfeld, Paul Kienle, Georg Michael Kalvius: Mechanik und Wärme.. Oldenbourg Verlag, 2005, ISBN 978-3-486-57810-2, S. 94f (Zugriff am 28. Januar 2013).
  2. Roland Baron Eötvös: Über die Anziehung der Erde auf verschiedene Substanzen. In: Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. Achter Band 1889–1890. Berlin, Budapest 1891, S. 65–68, 1890. (Digitalisat der Veröffentlichung)
  3. Ephraim Fischbach, Daniel Sudarsky, Aaron Szafer, Carrick Talmadge, S. H. Aronson: Reanalysis of the Eötvös Experiment. In: Physical Review Letters. Band 56, Nr. 13, 31. März 1986, S. 1427–1427, doi:10.1103/PhysRevLett.56.1427.

Weblinks