217.85.144.116 (Diskussion) (Deppenleerzeichen) |
imported>Lektor w K (aktuelles Lemma) |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[Bild:Langley hypersonic wind tunnels.jpg|mini|Hyperschall-Windkanal im [[Langley Research Center]] der NASA, 1969]] | [[Bild:Langley hypersonic wind tunnels.jpg|mini|Hyperschall-Windkanal im [[Langley Research Center]] der NASA, 1969]] | ||
Ein '''Hyperschall-Windkanal''' ist eine Versuchseinrichtung, in der sich Strömungen mit [[Hyperschallgeschwindigkeit]] erzeugen lassen | Ein '''Hyperschall-Windkanal''' ist eine Versuchseinrichtung, in der sich Strömungen mit [[Hyperschallgeschwindigkeit]] erzeugen lassen – mit ausgeprägten Grenzschichteinflüssen, stark verlustbehafteten Zonen und hohen Gesamttemperaturen. Die erreichbaren Geschwindigkeiten liegen im Bereich zwischen [[Mach-Zahl|Mach]] 5 und 15. Die erforderliche Antriebsleistung eines Windkanals vergrößert sich mit dem Querschnitt, der Dichte und der dritten Potenz der Testgeschwindigkeit. Daher benötigen geschlossene, kontinuierlich betreibbare Windkanäle erhebliche Investitionen. | ||
== Technologische Entwicklung == | == Technologische Entwicklung == | ||
Die erste entsprechend konzipierte Mach 7-10-Windkanalanlage mit 1x1 m-Versuchsstrecke und 57 MW hydraulischer Antriebsleistung war im [[Zweiter Weltkrieg| | Die erste entsprechend konzipierte Mach 7-10-Windkanalanlage mit 1x1 m-Versuchsstrecke und 57 MW hydraulischer Antriebsleistung war im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] in [[Kochel am See]] geplant. Sie wurde als 'Tunnel A' Ende der 1950er Jahre am [[Arnold Engineering Development Complex]] (AEDC) in [[Tullahoma]], [[Tennessee]], USA in Betrieb genommen.<ref>[http://www.dglr.de/publikationen/2015/340001.pdf], Eckardt, Dietrich: "Der 1x1 m Hyperschall-Windkanal in Kochel/Tullahoma 1940-1960", Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress Augsburg 2014.</ref> Als Alternative zu diesen aufwändigen Großanlagen sind sogenannte Blow-down-Windkanäle für eine kurzzeitige Simulation von Hyperschallströmungen in Gebrauch. | ||
Hyperschall-Windkanäle besitzen als Hauptkomponenten Strömungs-Erhitzer und -Kühler, eine Lufttrocknungsanlage, eine konvergent/divergente Düse vor der eigentlichen Teststrecke mit nachfolgender zweiter Engstelle und anschließendem [[Diffusor (Strömungsmechanik)|Diffusor]]. Während der Strömungskanal eines offenen, intermittierend betriebenen Blow-down-Kanals durch ein großes Vakuumreservoir abgeschlossen wird, ist das Kennzeichen geschlossener Hyperschall-Windkanäle stattdessen eine umfangreiche Hochleistungs-Verdichteranlage. Zum 'Starten' der Hyperschall-Windkanalanlage werden hohe Gesamtdruckverhältnisse benötigt, bis die Verdichtungs-Stoßkonfiguration in den Bereich nach der zweiten Engstelle geschoben ist. Hyperschall-Windkanäle arbeiten zum Teil in Abhängigkeit von der Simulationshöhe mit sehr hohen Drücken, und durch den starken Temperaturabfall der Strömung bei der Expansion in der [[Düse]] ist auch eine Vorwärmung des Gases notwendig, um eine [[Verflüssigung]] zu vermeiden. Durch die hohen Temperaturen ist die Materialbelastung kritisch, so dass eine Kühlung der Düse notwendig werden kann. | |||
Ein deutscher Hersteller solcher Anlagen ist die 1997 gegründete HST (Hyperschall- & Strömungstechnik) GmbH in [[Duderstadt]]<ref>https://www.hst-hft.de/hst-gmbh/windkanaele/hyperschall-windkanaele/, abgerufen am 14. Februar 2019</ref>. | |||
== Technologische Probleme == | == Technologische Probleme == | ||
Folgende Punkte sind bei der Auslegung eines Hyperschall-[[Windkanal]]s entscheidend: | Folgende Punkte sind bei der Auslegung eines Hyperschall-[[Windkanal]]s entscheidend: | ||
*Versorgung mit Gas von hoher Temperatur und Druck für die notwendige Versuchsdauer eines Blow-down-Kanals | * Versorgung mit Gas von hoher Temperatur und Druck für die notwendige Versuchsdauer eines Blow-down-Kanals | ||
*Genauigkeit der Ausgangsbedingungen und damit Reproduzierbarkeit der Messungen | * Genauigkeit der Ausgangsbedingungen und damit Reproduzierbarkeit der Messungen | ||
*Versagen der Struktur durch Überhitzung | * Versagen der Struktur durch Überhitzung | ||
*Ausreichend schnelle Messdatenerfassung und Instrumentierung | * Ausreichend schnelle Messdatenerfassung und Instrumentierung | ||
*Energieversorgung | * Energieversorgung | ||
Beispiel: Die Erzeugung einer Strömung, die 5,5 km/s in 45 km Höhe entspricht, würde Temperaturen von etwa 9000 [[Kelvin|K]] und einen Druck von 3 [[Pascal (Einheit)|MPa]] (30 | Beispiel: Die Erzeugung einer Strömung, die 5,5 km/s in 45 km Höhe entspricht, würde Temperaturen von etwa 9000 [[Kelvin|K]] und einen Druck von 3 [[Pascal (Einheit)|MPa]] (30 Bar) benötigen. | ||
== Einrichtungen == | |||
Der aktuell leistungsfähigste Windkanal ist der ''LENX-X''; er steht in den USA ([[Buffalo|Buffalo, New York]]) und erreicht Geschwindigkeiten von bis zu 10 km/s (30-fache Schallgeschwindigkeit oder Mach 30). | |||
[[Bild:MARHy.jpg|mini|Hyperschall-Windkanal MARHy in Frankreich, 2017]] | |||
In [[Yanqi (Huairou)|Yanqi]] bei [[Peking]] steht der ''JF12'' des [[Institut für Mechanik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften|Instituts für Mechanik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften]], der Geschwindigkeiten zwischen Mach 5 und Mach 9 in Höhen zwischen 25 und 50 Kilometern simulieren kann.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://english.imech.cas.cn/Equipment/201711/t20171128_186631.html |titel=JF-12 Shock Tunnel |werk=imech.cas.cn |datum=2017-11-28 | abruf=2021-09-21 |sprache=en}}</ref> Gebaut wird an einer Anlage, die nach der Fertigstellung 2022 Geschwindigkeiten von 12 km/s (Mach 35) erzeugen soll.<ref>{{Internetquelle |autor=Stephen Chen |url=https://www.scmp.com/news/china/policies-politics/article/2120072/china-builds-worlds-fastest-wind-tunnel-test-weapons |titel=China builds world’s fastest wind tunnel to test weapons that could strike US within 14 minutes |werk=scmp.com |datum=2017-11-15 | abruf=2021-09-21 |sprache=en}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://www.spaceflightfans.cn/96812.html#more-96812 |titel=JF22 性能超群,中国天地往返飞行器高超音速飞行器曝光 |werk=spaceflightfans.cn |datum=2021-08-22 | abruf=2021-09-22 |sprache=zh}}</ref>{{Zukunft|2022}} | |||
In Indien betreibt das Vikram Sarabhai Space Centre (VSSC) als Teil der [[ISRO]] in [[Thiruvananthapuram]] einen Hyperschall-Windkanal<ref>https://www.vssc.gov.in/VSSC/index.php/isro-centres?id=207, abgerufen am 14. Februar 2019</ref>. | |||
In Frankreich betreibt das [[CNRS]]-Institut ICARE in [[Orléans]] den Hyperschall-Windkanal ''MARHy'' (Soufflerie à Mach Adaptable Raréfie Hypersonique)<ref>http://icare.cnrs.fr/mediatheque/marhy1/, abgerufen am 14. Februar 2019</ref>. | |||
Der leistungsfähigste deutsche Hyperschall-Windkanal ist der ''H2K'' der Abteilung ''Über- und Hyperschalltechnologien'' am ''Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik'' (AS-HYP) des [[Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt|DLR]] in [[Köln-Porz]] mit Geschwindigkeiten knapp über Mach 11.<ref>https://www.dlr.de/as/desktopdefault.aspx/tabid-194/407_read-576/, abgerufen am 10. April 2021.</ref> Hier werden folgende Themen bearbeitet:<ref>https://www.dlr.de/as/desktopdefault.aspx/tabid-194/407_read-5437/, abgerufen am 14. Februar 2019</ref> | |||
* Untersuchung von Überschalleinläufen: Zuströmung zum Triebwerkseinlauf bei Flugmanövern | |||
* Thermische Lasten auf Raumfahrzeugstrukturen | |||
* Flugstabilität und Steuerbarkeit, z. B. von Raumfahrzeugen beim Eintritt in eine planetare Atmosphäre<ref>{{Literatur |Autor=Thorn Schleutker, Ali Gülhan, Bart Van Hove, Özgür Karatekin |Titel=ExoMars Flush Air Data System: Experimental and Numerical Investigation |Sammelwerk=Journal of Spacecraft and Rockets |Band=56 |Nummer=4 |Datum=2019-07 |ISSN=0022-4650 |DOI=10.2514/1.A34185 |Seiten=971–982 |Online=https://arc.aiaa.org/doi/10.2514/1.A34185 |Abruf=2021-03-11}}</ref> | |||
* Strömungs/Struktur-Interaktion | |||
* Aerodynamische Grundlagenuntersuchungen zum Beispiel zu laminar-turbulenter Transition von Grenzschichten und Stoß/Grenzschicht-Interaktion<ref>{{Literatur |Autor=Dominik Neeb, Dominik Saile, Ali Gülhan |Titel=Experiments on a smooth wall hypersonic boundary layer at Mach 6 |Sammelwerk=Experiments in Fluids |Band=59 |Nummer=4 |Datum=2018-04 |ISSN=0723-4864 |DOI=10.1007/s00348-018-2518-z |Seiten=68 |Online=http://link.springer.com/10.1007/s00348-018-2518-z |Abruf=2021-02-17}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Sebastian Willems, Ali Gülhan, Johan Steelant |Titel=Experiments on the effect of laminar–turbulent transition on the SWBLI in H2K at Mach 6 |Sammelwerk=Experiments in Fluids |Band=56 |Nummer=3 |Datum=2015-03 |ISSN=0723-4864 |DOI=10.1007/s00348-015-1904-z |Seiten=49 |Online=http://link.springer.com/10.1007/s00348-015-1904-z |Abruf=2021-02-17}}</ref> | |||
* Retropropulsion für Wiederverwendbare Raumtransportsysteme<ref>{{Internetquelle |url=https://www.retalt.eu/ |titel=RETALT |abruf=2021-02-17 |sprache=en-US}}</ref> | |||
* Spacedebris<ref>{{Literatur |Autor=P.J. Register, M.J. Aftosmis, E.C. Stern, J.M. Brock, P.M. Seltner |Titel=Interactions between asteroid fragments during atmospheric entry |Sammelwerk=Icarus |Band=337 |Datum=2020-02 |DOI=10.1016/j.icarus.2019.113468 |Seiten=113468 |Online=https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S001910351930452X |Abruf=2021-02-17}}</ref> | |||
== Siehe auch == | == Siehe auch == | ||
* [[Ludwieg-Rohr]] | * [[Ludwieg-Rohr]] | ||
* [[Überschall-Windkanal]] | |||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
*[http://www.vki.ac.be/index.php?option=com_content&view=article&id=69:mach14-free-piston-hypersonic-wind-tunnel-longshot&catid=49:high-speed-wind-tunnels&Itemid=158 Mach14 Free Piston Hypersonic Wind Tunnel Longshot] am [[Von Karman Institut für Strömungsmechanik]] | * [http://www.vki.ac.be/index.php?option=com_content&view=article&id=69:mach14-free-piston-hypersonic-wind-tunnel-longshot&catid=49:high-speed-wind-tunnels&Itemid=158 Mach14 Free Piston Hypersonic Wind Tunnel Longshot] am [[Von Karman Institut für Strömungsmechanik]] | ||
*[http://www.dlr.de/as/desktopdefault.aspx/tabid-194/407_read-5431/ Windkanalanlagen] der Abteilung Windkanäle des DLR | * [http://www.dlr.de/as/desktopdefault.aspx/tabid-194/407_read-5431/ Windkanalanlagen] der Abteilung Windkanäle des DLR | ||
== | == Belege == | ||
<references /> | <references /> | ||
[[Kategorie:Windkanal]] | [[Kategorie:Windkanal]] |
Ein Hyperschall-Windkanal ist eine Versuchseinrichtung, in der sich Strömungen mit Hyperschallgeschwindigkeit erzeugen lassen – mit ausgeprägten Grenzschichteinflüssen, stark verlustbehafteten Zonen und hohen Gesamttemperaturen. Die erreichbaren Geschwindigkeiten liegen im Bereich zwischen Mach 5 und 15. Die erforderliche Antriebsleistung eines Windkanals vergrößert sich mit dem Querschnitt, der Dichte und der dritten Potenz der Testgeschwindigkeit. Daher benötigen geschlossene, kontinuierlich betreibbare Windkanäle erhebliche Investitionen.
Die erste entsprechend konzipierte Mach 7-10-Windkanalanlage mit 1x1 m-Versuchsstrecke und 57 MW hydraulischer Antriebsleistung war im Zweiten Weltkrieg in Kochel am See geplant. Sie wurde als 'Tunnel A' Ende der 1950er Jahre am Arnold Engineering Development Complex (AEDC) in Tullahoma, Tennessee, USA in Betrieb genommen.[1] Als Alternative zu diesen aufwändigen Großanlagen sind sogenannte Blow-down-Windkanäle für eine kurzzeitige Simulation von Hyperschallströmungen in Gebrauch.
Hyperschall-Windkanäle besitzen als Hauptkomponenten Strömungs-Erhitzer und -Kühler, eine Lufttrocknungsanlage, eine konvergent/divergente Düse vor der eigentlichen Teststrecke mit nachfolgender zweiter Engstelle und anschließendem Diffusor. Während der Strömungskanal eines offenen, intermittierend betriebenen Blow-down-Kanals durch ein großes Vakuumreservoir abgeschlossen wird, ist das Kennzeichen geschlossener Hyperschall-Windkanäle stattdessen eine umfangreiche Hochleistungs-Verdichteranlage. Zum 'Starten' der Hyperschall-Windkanalanlage werden hohe Gesamtdruckverhältnisse benötigt, bis die Verdichtungs-Stoßkonfiguration in den Bereich nach der zweiten Engstelle geschoben ist. Hyperschall-Windkanäle arbeiten zum Teil in Abhängigkeit von der Simulationshöhe mit sehr hohen Drücken, und durch den starken Temperaturabfall der Strömung bei der Expansion in der Düse ist auch eine Vorwärmung des Gases notwendig, um eine Verflüssigung zu vermeiden. Durch die hohen Temperaturen ist die Materialbelastung kritisch, so dass eine Kühlung der Düse notwendig werden kann.
Ein deutscher Hersteller solcher Anlagen ist die 1997 gegründete HST (Hyperschall- & Strömungstechnik) GmbH in Duderstadt[2].
Folgende Punkte sind bei der Auslegung eines Hyperschall-Windkanals entscheidend:
Beispiel: Die Erzeugung einer Strömung, die 5,5 km/s in 45 km Höhe entspricht, würde Temperaturen von etwa 9000 K und einen Druck von 3 MPa (30 Bar) benötigen.
Der aktuell leistungsfähigste Windkanal ist der LENX-X; er steht in den USA (Buffalo, New York) und erreicht Geschwindigkeiten von bis zu 10 km/s (30-fache Schallgeschwindigkeit oder Mach 30).
In Yanqi bei Peking steht der JF12 des Instituts für Mechanik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der Geschwindigkeiten zwischen Mach 5 und Mach 9 in Höhen zwischen 25 und 50 Kilometern simulieren kann.[3] Gebaut wird an einer Anlage, die nach der Fertigstellung 2022 Geschwindigkeiten von 12 km/s (Mach 35) erzeugen soll.[4][5][veraltet]
In Indien betreibt das Vikram Sarabhai Space Centre (VSSC) als Teil der ISRO in Thiruvananthapuram einen Hyperschall-Windkanal[6].
In Frankreich betreibt das CNRS-Institut ICARE in Orléans den Hyperschall-Windkanal MARHy (Soufflerie à Mach Adaptable Raréfie Hypersonique)[7].
Der leistungsfähigste deutsche Hyperschall-Windkanal ist der H2K der Abteilung Über- und Hyperschalltechnologien am Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik (AS-HYP) des DLR in Köln-Porz mit Geschwindigkeiten knapp über Mach 11.[8] Hier werden folgende Themen bearbeitet:[9]