imported>Drahreg01 (→Leistung: BKL.) |
imported>Onkelkoeln K (→Leistung: stil) |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[Datei:Poiseuille.jpg|mini|rechts|Jean Léonard Marie Poiseuille]] | [[Datei:Poiseuille.jpg|mini|rechts|Jean Léonard Marie Poiseuille]] | ||
'''Jean Léonard Marie Poiseuille''' (* [[ | '''Jean Léonard Marie Poiseuille''' (* [[23. April]] [[1797]] in [[Paris]]; † [[26. Dezember]] [[1869]] in Paris)<ref>{{Literatur |Autor=Marcel Brillouin |Titel=Jean Leonard Marie Poiseuille |Sammelwerk=Journal of Rheology |Band=1 |Nummer=4 |Datum=1930-07-01 |Seiten=345–348 |ISSN=0097-0360 |DOI=10.1122/1.2116329 }}</ref> war ein [[Frankreich|französischer]] [[Physiologe]] und [[Physiker]]. | ||
== Familie == | == Familie == | ||
Zeile 9: | Zeile 9: | ||
== Leistung == | == Leistung == | ||
Poiseuille beschrieb erstmals | Poiseuille beschrieb erstmals ein [[Quecksilber]][[manometer]] (Poiseuille-Haemodynamometer) zur Blutdruckabschätzung und zeigte, dass der [[Blutdruck]] bei [[Exspiration]] ansteigt und bei [[Inspiration (Medizin)|Inspiration]] sinkt (1828). Er beschäftigte sich hauptsächlich mit der Physiologie des Blutkreislaufs: der Bewegung von venösem Blut (1832) und [[Kapillar]][[blut]] im Kreislaufsystem (1839) sowie dem Kälteeinfluss auf den Kapillarkreislauf (1839). | ||
Weitere ausführliche Arbeiten Poiseuilles untersuchten das [[Strömung]]sverhalten von Flüssigkeiten in Röhren (1840–1847) | Weitere ausführliche Arbeiten Poiseuilles untersuchten das [[Strömung]]sverhalten von Flüssigkeiten in Röhren (1840–1847). Sie führten zu grundlegenden Erkenntnissen über [[Geschwindigkeitsprofil]]e und Viskosität von Flüssigkeiten in Röhren ([[Gesetz von Hagen-Poiseuille|Hagen-Poiseuille-Gesetz]] 1840, 1846 veröffentlicht). | ||
Poiseuille versuchte die durch physikalische Experimente gewonnenen Erkenntnisse auf die Physiologie zu übertragen. Er untersuchte die Wirkung von [[Arzneistoff]]en (1844), die [[Lungenventilation|Ventilation]] in [[Schiff]]en (1845), die [[Atmung]] (1855), den [[Glukose]]nachweis im Tierorganismus (1858, 1859), den [[Harnstoff]] (1859) und die Physiologie des Blutkreislaufs. Er postulierte unter anderem a priori die longitudinale (nicht radiale) Ausdehnung der Kapillaren während der Inspiration und beobachtete dabei auch den langsameren Blutfluss. | Poiseuille versuchte die durch physikalische Experimente gewonnenen Erkenntnisse auf die Physiologie zu übertragen. Er untersuchte die Wirkung von [[Arzneistoff]]en (1844), die [[Lungenventilation|Ventilation]] in [[Schiff]]en (1845), die [[Atmung]] (1855), den [[Glukose]]nachweis im Tierorganismus (1858, 1859), den [[Harnstoff]] (1859) und die Physiologie des Blutkreislaufs. Er postulierte unter anderem a priori die longitudinale (nicht radiale) Ausdehnung der Kapillaren während der Inspiration und beobachtete dabei auch den langsameren Blutfluss. | ||
Zeile 22: | Zeile 22: | ||
== [[Gesetz von Hagen-Poiseuille]] == | == [[Gesetz von Hagen-Poiseuille]] == | ||
Poiseuilles Interesse an der Physiologie des Blutkreislaufs führte ihn auch zu grundlegenden Experimenten, die das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten in engen Röhren bei kleinen Geschwindigkeiten betraf. In den Jahren 1840 und 1841 veröffentlichte er erste Versuchsergebnisse über die Fließeigenschaften destillierten Wassers in Glaskapillarröhren mit Durchmessern von 0,65–0,015 mm. Im Prinzip handelte es sich um die Definition von Viskosität und Zähigkeit (bewegliche Flüssigkeiten zwischen festen Gefäßwänden). Es ging um die Berechnung der [[Geschwindigkeit]] | Poiseuilles Interesse an der Physiologie des Blutkreislaufs führte ihn auch zu grundlegenden Experimenten, die das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten in engen Röhren bei kleinen Geschwindigkeiten betraf. In den Jahren 1840 und 1841 veröffentlichte er erste Versuchsergebnisse über die Fließeigenschaften destillierten Wassers in Glaskapillarröhren mit Durchmessern von 0,65–0,015 mm. Im Prinzip handelte es sich um die Definition von Viskosität und Zähigkeit (bewegliche Flüssigkeiten zwischen festen Gefäßwänden). Es ging um die Berechnung der [[Geschwindigkeit]]s<nowiki/>verteilung schlichter Strömungen durch Rohre (koaxiale Zylinderprofile). | ||
Erste diesbezügliche Experimente waren zu Beginn des Jahrhunderts bereits von [[Franz Joseph von Gerstner]] und [[Pierre-Simon Girard]] durchgeführt worden, allerdings mit Röhren größeren Durchmessers (durch Turbulenzen verfälschte Messergebnisse). Genau gleiche Ergebnisse wie Poiseuille erzielte aber 1839 bereits der Berliner Baurat [[Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen]] (1797–1884) mit Röhrenhalbmessern von 0,295–0,1276 cm (bei 1˚–15˚ C). Hagen gelangen korrekte Viskositätsberechnungen des Wassers, obwohl er von (falschen) kegelförmigen Geschwindigkeitsprofilen ausging. Er erkannte richtig, dass der [[Widerstand]] ([[Viskosität]]) sich aus einem linearen Reibungsglied und einem quadratischen Glied der „lebendigen Kraft“ ([[Druck (Physik)|Druck]]) zusammensetzen muss. | Erste diesbezügliche Experimente waren zu Beginn des Jahrhunderts bereits von [[Franz Joseph von Gerstner]] und [[Pierre-Simon Girard]] durchgeführt worden, allerdings mit Röhren größeren Durchmessers (durch Turbulenzen verfälschte Messergebnisse). Genau gleiche Ergebnisse wie Poiseuille erzielte aber 1839 bereits der Berliner Baurat [[Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen]] (1797–1884) mit Röhrenhalbmessern von 0,295–0,1276 cm (bei 1˚–15˚ C). Hagen gelangen korrekte Viskositätsberechnungen des Wassers, obwohl er von (falschen) kegelförmigen Geschwindigkeitsprofilen ausging. Er erkannte richtig, dass der [[Strömungswiderstand|Widerstand]] ([[Viskosität]]) sich aus einem linearen Reibungsglied und einem quadratischen Glied der „lebendigen Kraft“ ([[Druck (Physik)|Druck]]) zusammensetzen muss. | ||
1860 nannte [[Eduard Hagenbach]] (1833–1910) dieses Gesetz Poiseuille-Gesetz – Poiseuille selbst und das Komitee ([[François Arago]] [1786–1853], [[Jacques Babinet]] [1794–1872], [[Guillaume Piobert]] [1793–1871], [[Henri Victor Regnault]] [1810–1878]), das die Versuchsergebnisse beurteilte, erwähnten Hagens Arbeit nicht. Ab 1925 (durch [[Wilhelm Ostwald]]) wurde die Strömungsgröße dann zutreffend [[Gesetz von Hagen-Poiseuille]] genannt. | 1860 nannte [[Eduard Hagenbach]] (1833–1910) dieses Gesetz Poiseuille-Gesetz – Poiseuille selbst und das Komitee ([[François Arago]] [1786–1853], [[Jacques Babinet]] [1794–1872], [[Guillaume Piobert]] [1793–1871], [[Henri Victor Regnault]] [1810–1878]), das die Versuchsergebnisse beurteilte, erwähnten Hagens Arbeit nicht. Ab 1925 (durch [[Wilhelm Ostwald]]) wurde die Strömungsgröße dann zutreffend [[Gesetz von Hagen-Poiseuille]] genannt. | ||
Zeile 48: | Zeile 48: | ||
* [http://xtronics.com/reference/viscosity.htm Viskosität und Poiseuille] (englisch, Bild) | * [http://xtronics.com/reference/viscosity.htm Viskosität und Poiseuille] (englisch, Bild) | ||
* [http://www.coe.ou.edu/isb/index.htm International Society of Biorheology, Poiseuille Award] | * [http://www.coe.ou.edu/isb/index.htm International Society of Biorheology, Poiseuille Award] | ||
== Einzelnachweise == | |||
<references /> | |||
{{Normdaten|TYP=p|GND=118792660|LCCN=n/98/802356|VIAF=46751956}} | {{Normdaten|TYP=p|GND=118792660|LCCN=n/98/802356|VIAF=46751956}} | ||
Zeile 66: | Zeile 69: | ||
|ALTERNATIVNAMEN= | |ALTERNATIVNAMEN= | ||
|KURZBESCHREIBUNG=französischer Physiologe und Physiker | |KURZBESCHREIBUNG=französischer Physiologe und Physiker | ||
|GEBURTSDATUM= | |GEBURTSDATUM=23. April 1797 | ||
|GEBURTSORT=[[Paris]] | |GEBURTSORT=[[Paris]] | ||
|STERBEDATUM=26. Dezember 1869 | |STERBEDATUM=26. Dezember 1869 | ||
|STERBEORT=[[Paris]] | |STERBEORT=[[Paris]] | ||
}} | }} |
Jean Léonard Marie Poiseuille (* 23. April 1797 in Paris; † 26. Dezember 1869 in Paris)[1] war ein französischer Physiologe und Physiker.
Er war Sohn des Schreiners Jean Baptiste Poiseuille und dessen Frau Anne Victoire (Caumont). 1829 heiratete er die Tochter von Panay de la Lorette, einem Brücken- und Straßenbaumeister.
In den Jahren 1815 und 1816 studierte er an der École polytechnique in Paris und promovierte 1828 mit einer Arbeit über die Physiologie des Blutkreislaufs (Recherches sur la force du cœur aortique). Welche berufliche Position er bis zum Jahre 1860 besaß, ist unbekannt, in diesem Jahr ernannte man ihn zum Inspektor der Pariser Grundschulen.
Poiseuille beschrieb erstmals ein Quecksilbermanometer (Poiseuille-Haemodynamometer) zur Blutdruckabschätzung und zeigte, dass der Blutdruck bei Exspiration ansteigt und bei Inspiration sinkt (1828). Er beschäftigte sich hauptsächlich mit der Physiologie des Blutkreislaufs: der Bewegung von venösem Blut (1832) und Kapillarblut im Kreislaufsystem (1839) sowie dem Kälteeinfluss auf den Kapillarkreislauf (1839).
Weitere ausführliche Arbeiten Poiseuilles untersuchten das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten in Röhren (1840–1847). Sie führten zu grundlegenden Erkenntnissen über Geschwindigkeitsprofile und Viskosität von Flüssigkeiten in Röhren (Hagen-Poiseuille-Gesetz 1840, 1846 veröffentlicht).
Poiseuille versuchte die durch physikalische Experimente gewonnenen Erkenntnisse auf die Physiologie zu übertragen. Er untersuchte die Wirkung von Arzneistoffen (1844), die Ventilation in Schiffen (1845), die Atmung (1855), den Glukosenachweis im Tierorganismus (1858, 1859), den Harnstoff (1859) und die Physiologie des Blutkreislaufs. Er postulierte unter anderem a priori die longitudinale (nicht radiale) Ausdehnung der Kapillaren während der Inspiration und beobachtete dabei auch den langsameren Blutfluss.
Ihm zu Ehren sind eine veraltete französische Maßeinheit der dynamischen Viskosität mit Poiseuille und später auch noch die CGS-Einheit mit Poise, benannt worden.
Poiseuille war Mitherausgeber des Dictionnaire de médecine usuelle.
Die International Society of Biorheology vergibt alle drei Jahre den Jean-Leonard-Marie Poiseuille Award.
Poiseuilles Interesse an der Physiologie des Blutkreislaufs führte ihn auch zu grundlegenden Experimenten, die das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten in engen Röhren bei kleinen Geschwindigkeiten betraf. In den Jahren 1840 und 1841 veröffentlichte er erste Versuchsergebnisse über die Fließeigenschaften destillierten Wassers in Glaskapillarröhren mit Durchmessern von 0,65–0,015 mm. Im Prinzip handelte es sich um die Definition von Viskosität und Zähigkeit (bewegliche Flüssigkeiten zwischen festen Gefäßwänden). Es ging um die Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung schlichter Strömungen durch Rohre (koaxiale Zylinderprofile).
Erste diesbezügliche Experimente waren zu Beginn des Jahrhunderts bereits von Franz Joseph von Gerstner und Pierre-Simon Girard durchgeführt worden, allerdings mit Röhren größeren Durchmessers (durch Turbulenzen verfälschte Messergebnisse). Genau gleiche Ergebnisse wie Poiseuille erzielte aber 1839 bereits der Berliner Baurat Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen (1797–1884) mit Röhrenhalbmessern von 0,295–0,1276 cm (bei 1˚–15˚ C). Hagen gelangen korrekte Viskositätsberechnungen des Wassers, obwohl er von (falschen) kegelförmigen Geschwindigkeitsprofilen ausging. Er erkannte richtig, dass der Widerstand (Viskosität) sich aus einem linearen Reibungsglied und einem quadratischen Glied der „lebendigen Kraft“ (Druck) zusammensetzen muss.
1860 nannte Eduard Hagenbach (1833–1910) dieses Gesetz Poiseuille-Gesetz – Poiseuille selbst und das Komitee (François Arago [1786–1853], Jacques Babinet [1794–1872], Guillaume Piobert [1793–1871], Henri Victor Regnault [1810–1878]), das die Versuchsergebnisse beurteilte, erwähnten Hagens Arbeit nicht. Ab 1925 (durch Wilhelm Ostwald) wurde die Strömungsgröße dann zutreffend Gesetz von Hagen-Poiseuille genannt.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Poiseuille, Jean Léonard Marie |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Physiologe und Physiker |
GEBURTSDATUM | 23. April 1797 |
GEBURTSORT | Paris |
STERBEDATUM | 26. Dezember 1869 |
STERBEORT | Paris |