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Mit dem '''Levinthal-Paradox''' | Mit dem '''Levinthal-Paradox''' umschrieb [[Cyrus Levinthal]] das in der [[Molekularbiologie]] ungelöste Problem, den Prozess aufzuklären, durch den eine [[Aminosäure]]kette in kurzer Zeit ihren funktional [[Proteinfaltung|gefalteten]] Zustand als [[Protein]] findet. | ||
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Hintergrund des Problems ist die [[Kombinatorik|kombinatorische]] Vielzahl möglicher Faltungen eines Proteins, die mit der Länge der Aminosäurekette [[exponentiell]] zunimmt. Selbst wenn jeder Aminosäurerest nur 2 Zustände annehmen könnte, gäbe es bei einer Proteinlänge von ''n'' Aminosäuren <math>2^n</math> mögliche Faltungsvarianten. Würde eine Änderung der Konformation etwa <math>10^{-13}</math> Sekunden benötigen, so bräuchte ein 150 Aminosäuren langes Protein <math>2^{150} \cdot 10^{-13}\,\mathrm s = 1{,}4\cdot 10^{32}\,\mathrm s</math>, also über <math>10^{24}</math> ''Jahre'', um aus allen möglichen Konformationen die optimale zu finden (siehe [[Zeitkomplexität]]). | |||
Tatsächlich aber wird die physiologisch gefaltete ''[[Nativer Zustand|native]]'' Form meist schnell eingenommen, in Sekundenbruchteilen bis Minuten, und Proteine haben oft nur eine [[Halbwertszeit]] von wenigen Stunden bis Tagen. Die Faltung kann also nicht durch ein zufälliges Ausprobieren aller Möglichkeiten erklärt werden. Vielmehr gibt es natürliche Mechanismen, welche die Ausbildung der optimalen Faltung begünstigen. | |||
== Bedeutung in der Bioinformatik == | == Bedeutung in der Bioinformatik == | ||
Das Problem dieser „kombinatorischen Explosion“ stellt sich auch bei der [[Simulation]] oder der Berechnung der [[Proteinstruktur]] ''[[in silico]]'', also in der [[Bioinformatik]] | Das Problem dieser „kombinatorischen Explosion“ stellt sich auch bei der [[Simulation]] oder der Berechnung der [[Proteinstruktur]] ''[[in silico]]'', also in der [[Bioinformatik]]. Was bisher über die Mechanismen der Proteinfaltung bekannt ist, lässt sich noch nicht für die Simulation der Faltung verwenden. Daher müssen bei einer Simulation im Wesentlichen alle möglichen Konformationen berechnet werden. Diejenige mit dem niedrigsten [[Gibbs-Energie|Energiezustand]] wird ausgewählt. | ||
== Bedeutung für die Proteinbildung == | == Bedeutung für die Proteinbildung == | ||
Das Levinthal-Paradox | Das Levinthal-Paradox wurde formuliert, um die Komplexität der [[Proteinfaltung]] pädagogisch zu veranschaulichen. Es geht von der Annahme aus, die komplette Aminosäurekette suche ihre physiologische dreidimensionale Form erst, nachdem sie vollständig synthetisiert wurde, und zwar unter Ausprobieren einer Unzahl möglicher Konformationen. Tatsächlich nimmt jedes Kettenglied schon während der [[Proteinbiosynthese]] am [[Ribosom]] nach Aufnahme in die [[Aminosäuresequenz|Sequenz]] des [[Elongation (Translation)|verlängerten]] [[Peptid]]s die je energetisch günstigste Raumrichtung ein, wofür die Zeit bis zum Anfügen des nächsten ausreichend ist. Benachbarte Sequenzabschnitte [[Proteinfaltung|falten]] sich spontan zu stabilen [[Sekundärstruktur]]en und strukturellen Anteilen kleinerer [[Proteindomäne|Domänen]]. | ||
Unterstützende Mechanismen können den Faltungsprozess begleiten, u. a. Faltungshelferproteine, molekulare [[Chaperon (Protein)|Chaperone]] und „Faltungskerne“ (stabile, kleinere Verbände von [[Proteinstruktur|Strukturelementen]], die sich schnell falten und den Rest der Struktur in ein Energieminimum hineinziehen, d. h. die korrekte Struktur „kollabiert“ auf den Faltungskern). Aber auch unphysiologische „Helfer“ können mitmischen, z. B. [[Prion]]en. | Unterstützende Mechanismen können den Faltungsprozess begleiten, u. a. Faltungshelferproteine, molekulare [[Chaperon (Protein)|Chaperone]] und „Faltungskerne“ (stabile, kleinere Verbände von [[Proteinstruktur|Strukturelementen]], die sich schnell falten und den Rest der Struktur in ein Energieminimum hineinziehen, d. h. die korrekte Struktur „kollabiert“ auf den Faltungskern). Aber auch unphysiologische „Helfer“ können mitmischen, z. B. [[Prion]]en. | ||
==Weblinks== | == Weblinks == | ||
* [http://www- | * [https://web.archive.org/web/20101007174851/http://www-miller.ch.cam.ac.uk/levinthal/levinthal.html Levinthals Veröffentlichung in Mossbauer Spectroscopy in Biological Systems: Proceedings of a meeting held at Allerton House] | ||
[[Kategorie:Paradoxon]] | [[Kategorie:Paradoxon]] | ||
[[Kategorie:Biochemie]] | [[Kategorie:Biochemie]] | ||
[[Kategorie:Biophysik]] | [[Kategorie:Biophysik]] |
Mit dem Levinthal-Paradox umschrieb Cyrus Levinthal das in der Molekularbiologie ungelöste Problem, den Prozess aufzuklären, durch den eine Aminosäurekette in kurzer Zeit ihren funktional gefalteten Zustand als Protein findet.
Hintergrund des Problems ist die kombinatorische Vielzahl möglicher Faltungen eines Proteins, die mit der Länge der Aminosäurekette exponentiell zunimmt. Selbst wenn jeder Aminosäurerest nur 2 Zustände annehmen könnte, gäbe es bei einer Proteinlänge von n Aminosäuren $ 2^{n} $ mögliche Faltungsvarianten. Würde eine Änderung der Konformation etwa $ 10^{-13} $ Sekunden benötigen, so bräuchte ein 150 Aminosäuren langes Protein $ 2^{150}\cdot 10^{-13}\,\mathrm {s} =1{,}4\cdot 10^{32}\,\mathrm {s} $, also über $ 10^{24} $ Jahre, um aus allen möglichen Konformationen die optimale zu finden (siehe Zeitkomplexität).
Tatsächlich aber wird die physiologisch gefaltete native Form meist schnell eingenommen, in Sekundenbruchteilen bis Minuten, und Proteine haben oft nur eine Halbwertszeit von wenigen Stunden bis Tagen. Die Faltung kann also nicht durch ein zufälliges Ausprobieren aller Möglichkeiten erklärt werden. Vielmehr gibt es natürliche Mechanismen, welche die Ausbildung der optimalen Faltung begünstigen.
Das Problem dieser „kombinatorischen Explosion“ stellt sich auch bei der Simulation oder der Berechnung der Proteinstruktur in silico, also in der Bioinformatik. Was bisher über die Mechanismen der Proteinfaltung bekannt ist, lässt sich noch nicht für die Simulation der Faltung verwenden. Daher müssen bei einer Simulation im Wesentlichen alle möglichen Konformationen berechnet werden. Diejenige mit dem niedrigsten Energiezustand wird ausgewählt.
Das Levinthal-Paradox wurde formuliert, um die Komplexität der Proteinfaltung pädagogisch zu veranschaulichen. Es geht von der Annahme aus, die komplette Aminosäurekette suche ihre physiologische dreidimensionale Form erst, nachdem sie vollständig synthetisiert wurde, und zwar unter Ausprobieren einer Unzahl möglicher Konformationen. Tatsächlich nimmt jedes Kettenglied schon während der Proteinbiosynthese am Ribosom nach Aufnahme in die Sequenz des verlängerten Peptids die je energetisch günstigste Raumrichtung ein, wofür die Zeit bis zum Anfügen des nächsten ausreichend ist. Benachbarte Sequenzabschnitte falten sich spontan zu stabilen Sekundärstrukturen und strukturellen Anteilen kleinerer Domänen.
Unterstützende Mechanismen können den Faltungsprozess begleiten, u. a. Faltungshelferproteine, molekulare Chaperone und „Faltungskerne“ (stabile, kleinere Verbände von Strukturelementen, die sich schnell falten und den Rest der Struktur in ein Energieminimum hineinziehen, d. h. die korrekte Struktur „kollabiert“ auf den Faltungskern). Aber auch unphysiologische „Helfer“ können mitmischen, z. B. Prionen.