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'''Magnetische Anisotropie''' beschreibt die Tatsache, dass magnetische Materialien eine ''Vorzugsrichtung'' oder ''Vorzugsebene'' für die Magnetisierung aufweisen können. Das Maß dafür ist die magnetische Anisotropieenergie, die als die Arbeit definiert ist, die benötigt wird, um die Magnetisierung eines geschlossenen Systems (kein Teilchenaustausch) aus der „leichten Richtung“ (der Vorzugsrichtung) herauszudrehen. | '''Magnetische [[Anisotropie]]''' beschreibt die Tatsache, dass magnetische Materialien eine ''Vorzugsrichtung'' oder ''Vorzugsebene'' für die [[Magnetisierung]] aufweisen können. Das Maß dafür ist die magnetische Anisotropieenergie, die als die [[Arbeit (Physik)|Arbeit]] definiert ist, die benötigt wird, um die Magnetisierung eines [[Geschlossenes System (Thermodynamik)|geschlossenen Systems]] (kein Teilchenaustausch) aus der „leichten Richtung“ (der Vorzugsrichtung) herauszudrehen. | ||
Die magnetische Anisotropie bewirkt die Kopplung der Magnetisierung an das Kristallgitter und ist | Die magnetische Anisotropie bewirkt die Kopplung der Magnetisierung an das [[Kristallgitter]] und ist z. B. dafür verantwortlich, dass sich eine [[Magnetnadel]] dreht (und damit der Ausrichtung des [[Spin]]-Gitters folgt). | ||
Es gibt verschiedene Formen der magnetischen Anisotropie | == Formen == | ||
Es gibt verschiedene Formen der magnetischen Anisotropie: | |||
* magnetokristalline Anisotropie der Kopplung von Magnetisierung und Kristallgitter (oben beschrieben) | |||
* Formanisotropie beruht auf der Änderung der Form des Körpers | |||
* magnetoelastische Anisotropie beruht auf der elastischen Spannung | |||
* 1956 wurde ein neuer Effekt entdeckt ([[Exchange Bias]], auch unidirektionale Austausch-Anisotropie)<ref>W. H. Meiklejohn, C. H. Bean ''New Magnetic Anisotropy'', Physical Review, Band 105, 1957, S. 904–913</ref>, der eine bevorzugte Magnetisierungsrichtung in einem Ferromagneten aufgrund der Wechselwirkung mit einem benachbarten [[Antiferromagnet]]en bewirkt und Anwendungen in Leseköpfen von Festplatten hat, die auf dünnen ferromagnetischen Schichten beruhen (Nutzung z. B. des [[GMR-Effekt]]s). | |||
* Grenzflächenanisotropie in magnetischen [[Dünne Schichten|dünnen Schichten]]. | |||
== Beispiele == | == Beispiele == | ||
* ''Formanisotropie'': Bei einem [[einkristall]]inen Eisenzylinder, dessen Länge wesentlich größer als dessen Radius sei, verbleibt die Magnetisierung vorzugsweise in Richtung der Längsachse. Das ist eine so genannte ''leichte'' Richtung (englisch: ''easy axis''). Hier ist die Anisotropie im Wesentlichen durch die Form der Probe bestimmt. | |||
[[Datei:Magn-Anistropie-dünner-schichten2.png|gerahmt|Formanistropie bei dünnen Schichten: Die gestrichelten Linien stellen [[Bloch-Wand|Bloch-Wände]] dar,<!-- Müssten das nicht korrekterweise [[Néel-Wand|Néel-Wände]] sein?!; im Text steht ja, dass die Magnetisierung bzw. die Feldlinien bei dünnen Schichten gerade ''nicht'' aus der Ebene herauszeigen; das ist jedoch bei Bloch-Wänden der Fall. --> die roten Striche die magnetische Ausrichtung der Domänen.]] | |||
* ''[[ferromagnet]]ische dünne Schichten'': Deren Magnetisierung zeigt nicht aus der Oberfläche heraus, da die [[Permeabilität (Magnetismus)|magnetische Leitfähigkeit]] von Luft viel schlechter ist. Auch sind die [[magnetische Domäne|magnetischen Domänen]] im Gleichgewicht und im Idealfall (d. h. einkristalline Schicht ohne Defekte) derart ausgerichtet, dass möglichst wenig Magnet[[feldlinie]]n aus der Schicht herauszeigen, siehe Grafik. | |||
* ''Kristallanisotropie'' (englisch: ''crystalline anisotropy''): Eine einkristalline Eisenkugel hat trotz ihrer [[isotrop]]en Form ebenfalls Vorzugsrichtungen der Magnetisierung. Das ist auf die innere Struktur zurückzuführen. | |||
== Erläuterung == | |||
Das Auftreten der magnetischen Anisotropie ist auf den ersten Blick überraschend. Die [[Austauschwechselwirkung]], die für die kollektive [[magnetische Ordnung|Ordnung der magnetischen Momente]] verantwortlich ist, ist nämlich [[isotrop]], ebenso wie der [[Heisenberg-Modell|Heisenbergsche Spin-Hamiltonoperator]] (als [[Skalarprodukt]]). | |||
[[ | Magnetische Anisotropie ist jedoch Erfahrungstatsache. Eine [[thermodynamisch]]e Betrachtung führt zur Dichte der [[Gibbs-Energie|Gibbs'schen freien Energie]] (ein [[Phänomenologie (Methodik)|phänomenologischer]] Zugang, in dem Symmetriebetrachtungen eine leitende Rolle spielen) und damit zu den Termen, die die Anisotropie beschreiben; das wurde zuerst vom russischen Physiker [[Nikolai Sergejewitsch Akulow|Akulow]] (1900–1976) durchgeführt. | ||
Die spontane Magnetisierung ist isotrop, d. h. für alle Richtungen gleich groß. Das folgt aus der Beobachtung, dass die Magnetisierung eines ferromagnetischen Einkristalls in einem hinreichend hohen Feld für alle Richtungen gleich groß ist. Alle ferromagnetischen Eigenschaften eines Ferromagnetikums gehen in allen Richtungen bei der gleichen Temperatur verloren, d. h. der [[Curie-Punkt]] ist isotrop. | |||
== Auftreten == | |||
Allerdings kann, je nach Richtung, ein unterschiedliches [[Hysteresekurve|Magnetisierungsverhalten]] gemessen werden: Ein Eiseneinkristall erreicht seine [[Sättigungsmagnetisierung]] recht schnell, wenn er entlang seiner Würfelkanten magnetisiert wird; bei Magnetisierung entlang der Flächendiagonalen wächst die Magnetisierung langsamer. | |||
Die magnetische Anisotropie kann durch die [[Magnetisierungsarbeit]] gekennzeichnet werden. Beim Eisen ist die Magnetisierungsarbeit entlang der Würfelkanten am geringsten, diese Richtung wird als ''leichte Richtung'' bezeichnet. Eisen hat drei leichte und vier schwere Richtungen (entlang der Raumdiagonalen). In [[Kobalt]] dagegen sind eine leichte (die hexagonale Achse) und unendlich viele schwere Richtungen zu finden. | |||
Die magnetische Anisotropieenergie beschreibt die mit der Orientierung der Magnetisierung verbundene Energie. Die Größe der magnetischen Anisotropieenergien liegen mehrere Größenordnungen unter denen der Austauschenergie, die für die spontane kollektive Ordnung der permanenten magnetischen Momente verantwortlich ist. Die entsprechenden Felder liegen bei der Austauschwirkung bei 400–2000 [[Tesla (Einheit)|Tesla]], während die der Anisotropie bei etwa 0,01 bis 10 T liegen. | |||
Die magnetische Anisotropieenergie beschreibt die mit der Orientierung der Magnetisierung | |||
== Ursachen == | == Ursachen == | ||
Grundsätzlich hat die magnetische Anisotropie ihre Ursachen in zwei physikalischen Wechselwirkungen: | Grundsätzlich hat die magnetische Anisotropie ihre Ursachen in zwei physikalischen Wechselwirkungen: | ||
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#*Kristallanisotropie, | #*Kristallanisotropie, | ||
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Die Spin-Bahn-Kopplung spielt insbesondere bei der magnetokristallinen Anisotropie eine Rolle, was wegen deren geringer Größe im Vergleich etwa zur Austauschwechselwirkung Schwierigkeiten für die theoretische Ableitung der Anisotropie aus Modellen birgt.<ref>Stöhr, Siegmann ''Magnetism'', Springer 2006, Kapitel 7.9. Beispiele für die Ableitung aus mikroskopischen Modellen sind zum Beispiel Daalderup, Kelly, Schuurmans ''First-principles calculation of the magnetocrystalline anisotropy energy of iron, cobalt, and nickel'', Physical Review B, Band 41, 1990, S. 11919, [http://prb.aps.org/abstract/PRB/v41/i17/p11919_1 Abstract], dieselben ''Magnetocrystalline anisotropy and orbital moments in transition-metal compounds'', Physical Review B, Band 44, 1991, S. 12054, [http://prb.aps.org/abstract/PRB/v44/i21/p12054_1 Abstract]</ref> | |||
Die Kristallanisotropie wird durch mechanische | Die Kristallanisotropie wird durch [[mechanische Spannung]]en beeinflusst, dieser Effekt heißt auch inverse [[Magnetostriktion]]. | ||
== Anwendungen und Bedeutung in der Praxis == | == Anwendungen und Bedeutung in der Praxis == | ||
Herausragende Bedeutung hat die Erforschung der magnetischen Anisotropie in der Entwicklung neuer [[Festplatten]]. Immer schnellere [[Zugriffszeit]]en und insbesondere immer höhere [[Speicherdichte]]n werden in näherer Zukunft an das [[Superparamagnetismus #Auftreten|superparamagnetische Limit]] führen (siehe [[Mooresches Gesetz]]). An diesem Limit werden die einzelnen magnetischen Bereiche so klein, dass sie ihre Magnetisierung nicht dauerhaft stabil halten können. Die magnetische Anisotropie kann beispielsweise gezielt dazu eingesetzt werden, um die Stabilität der [[Bit]]s zu erhöhen (eine Überwindungsenergie, wie sie bei der Anisotropie vorhanden ist, bewirkt immer eine gewisse Stabilität des Systems), die sich bei kleiner werdenden Dimensionen gegenseitig beeinflussen können; letzteres hätte unerwünschte [[Informationsverlust]]e zur Folge. | |||
Herausragende Bedeutung hat die Erforschung der magnetischen Anisotropie in der Entwicklung neuer [[Festplatten]]. Immer schnellere | |||
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die magnetische [[Dünnschichttechnologie]]. | Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die magnetische [[Dünnschichttechnologie]]. | ||
Die positive magnetoelastische Anisotropie von [[Eisen]] wird genutzt, um oberflächennahe | Die positive magnetoelastische Anisotropie von [[Eisen]] wird genutzt, um oberflächennahe [[Eigenspannung]]szustände in Eisenwerkstoffen und Stahlteilen mit dem [[magnetischer Barkhausen-Effekt|Barkhausenrauschen]] aufzufinden.<ref>Stresstech GmbH: {{Webarchiv|url=http://de.stresstechgroup.com/content/de/1041/1671/Barkhausenrauschen%20Analyse.html |wayback=20160328181655 |text=Analysemöglichkeiten mit dem Barkausenrauschen |archiv-bot=2019-04-29 02:39:15 InternetArchiveBot }}</ref> | ||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
* [http://www.physik.fu-berlin.de/~bab/start_frame2/diss/KLdiss.pdf Kilian Lenz ''Magnetische Anisotropie und Dämpfungsmechanismen in ultradünnen 3D Ferromagneten: eine FMR Studie'', Dissertation FU Berlin 2005] (PDF-Datei; 3,98 MB) | * [http://www.physik.fu-berlin.de/~bab/start_frame2/diss/KLdiss.pdf Kilian Lenz ''Magnetische Anisotropie und Dämpfungsmechanismen in ultradünnen 3D Ferromagneten: eine FMR Studie'', Dissertation FU Berlin 2005] (PDF-Datei; 3,98 MB) | ||
* [http://sylvester.bth.rwth-aachen.de/dissertationen/2000/6/00_6.pdf Peter Miltényi ''Mikroskopischer Ursprung der Austauschkopplung in ferromagnetischen/antiferromagnetischen Schichten'', Dissertation, Aachen 2000, mit Überblick über magnetische Anisotropien] (PDF-Datei, 4,2 MB) | * [http://sylvester.bth.rwth-aachen.de/dissertationen/2000/6/00_6.pdf Peter Miltényi ''Mikroskopischer Ursprung der Austauschkopplung in ferromagnetischen/antiferromagnetischen Schichten'', Dissertation, Aachen 2000, mit Überblick über magnetische Anisotropien] (PDF-Datei, 4,2 MB) | ||
==Einzelnachweise== | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references /> | ||
[[Kategorie:Magnetismus]] | [[Kategorie:Magnetismus]] |
Magnetische Anisotropie beschreibt die Tatsache, dass magnetische Materialien eine Vorzugsrichtung oder Vorzugsebene für die Magnetisierung aufweisen können. Das Maß dafür ist die magnetische Anisotropieenergie, die als die Arbeit definiert ist, die benötigt wird, um die Magnetisierung eines geschlossenen Systems (kein Teilchenaustausch) aus der „leichten Richtung“ (der Vorzugsrichtung) herauszudrehen.
Die magnetische Anisotropie bewirkt die Kopplung der Magnetisierung an das Kristallgitter und ist z. B. dafür verantwortlich, dass sich eine Magnetnadel dreht (und damit der Ausrichtung des Spin-Gitters folgt).
Es gibt verschiedene Formen der magnetischen Anisotropie:
Das Auftreten der magnetischen Anisotropie ist auf den ersten Blick überraschend. Die Austauschwechselwirkung, die für die kollektive Ordnung der magnetischen Momente verantwortlich ist, ist nämlich isotrop, ebenso wie der Heisenbergsche Spin-Hamiltonoperator (als Skalarprodukt).
Magnetische Anisotropie ist jedoch Erfahrungstatsache. Eine thermodynamische Betrachtung führt zur Dichte der Gibbs'schen freien Energie (ein phänomenologischer Zugang, in dem Symmetriebetrachtungen eine leitende Rolle spielen) und damit zu den Termen, die die Anisotropie beschreiben; das wurde zuerst vom russischen Physiker Akulow (1900–1976) durchgeführt.
Die spontane Magnetisierung ist isotrop, d. h. für alle Richtungen gleich groß. Das folgt aus der Beobachtung, dass die Magnetisierung eines ferromagnetischen Einkristalls in einem hinreichend hohen Feld für alle Richtungen gleich groß ist. Alle ferromagnetischen Eigenschaften eines Ferromagnetikums gehen in allen Richtungen bei der gleichen Temperatur verloren, d. h. der Curie-Punkt ist isotrop.
Allerdings kann, je nach Richtung, ein unterschiedliches Magnetisierungsverhalten gemessen werden: Ein Eiseneinkristall erreicht seine Sättigungsmagnetisierung recht schnell, wenn er entlang seiner Würfelkanten magnetisiert wird; bei Magnetisierung entlang der Flächendiagonalen wächst die Magnetisierung langsamer.
Die magnetische Anisotropie kann durch die Magnetisierungsarbeit gekennzeichnet werden. Beim Eisen ist die Magnetisierungsarbeit entlang der Würfelkanten am geringsten, diese Richtung wird als leichte Richtung bezeichnet. Eisen hat drei leichte und vier schwere Richtungen (entlang der Raumdiagonalen). In Kobalt dagegen sind eine leichte (die hexagonale Achse) und unendlich viele schwere Richtungen zu finden.
Die magnetische Anisotropieenergie beschreibt die mit der Orientierung der Magnetisierung verbundene Energie. Die Größe der magnetischen Anisotropieenergien liegen mehrere Größenordnungen unter denen der Austauschenergie, die für die spontane kollektive Ordnung der permanenten magnetischen Momente verantwortlich ist. Die entsprechenden Felder liegen bei der Austauschwirkung bei 400–2000 Tesla, während die der Anisotropie bei etwa 0,01 bis 10 T liegen.
Grundsätzlich hat die magnetische Anisotropie ihre Ursachen in zwei physikalischen Wechselwirkungen:
Die Spin-Bahn-Kopplung spielt insbesondere bei der magnetokristallinen Anisotropie eine Rolle, was wegen deren geringer Größe im Vergleich etwa zur Austauschwechselwirkung Schwierigkeiten für die theoretische Ableitung der Anisotropie aus Modellen birgt.[2]
Die Kristallanisotropie wird durch mechanische Spannungen beeinflusst, dieser Effekt heißt auch inverse Magnetostriktion.
Herausragende Bedeutung hat die Erforschung der magnetischen Anisotropie in der Entwicklung neuer Festplatten. Immer schnellere Zugriffszeiten und insbesondere immer höhere Speicherdichten werden in näherer Zukunft an das superparamagnetische Limit führen (siehe Mooresches Gesetz). An diesem Limit werden die einzelnen magnetischen Bereiche so klein, dass sie ihre Magnetisierung nicht dauerhaft stabil halten können. Die magnetische Anisotropie kann beispielsweise gezielt dazu eingesetzt werden, um die Stabilität der Bits zu erhöhen (eine Überwindungsenergie, wie sie bei der Anisotropie vorhanden ist, bewirkt immer eine gewisse Stabilität des Systems), die sich bei kleiner werdenden Dimensionen gegenseitig beeinflussen können; letzteres hätte unerwünschte Informationsverluste zur Folge.
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die magnetische Dünnschichttechnologie.
Die positive magnetoelastische Anisotropie von Eisen wird genutzt, um oberflächennahe Eigenspannungszustände in Eisenwerkstoffen und Stahlteilen mit dem Barkhausenrauschen aufzufinden.[3]