Protonenemission: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Dieser Artikel|behandelt den Zerfall des Atomkerns unter Emission eines Protons; zum hypothetischen Zerfall des Protons siehe [[Protonenzerfall]].}}
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Die '''Protonenemission''' ({{enS|''Proton emission''}}, auch ''Protonenumwandlung, Protonenaktivität, Protonenradioaktivität'' oder ''Protonenzerfall'' genannt) ist ein sehr seltenes Phänomen aus der [[Kernphysik]], bei dem sich ein Atomkern unter Emission eines einzelnen [[Proton]]s in das Element mit der nächst niederen Ordnungszahl umwandelt. Die Protonenemission darf nicht mit dem [[Protonenzerfall]], nämlich dem hypothetischen Zerfall des Protons, verwechselt werden.
Die '''Protonenemission''' ({{enS|''Proton emission''}}, auch ''Protonenumwandlung, Protonenaktivität, Protonenradioaktivität'' oder ''Protonenzerfall'' genannt) ist ein sehr seltenes Phänomen aus der [[Kernphysik]], bei dem sich ein Atomkern unter Emission eines einzelnen [[Proton]]s in das Element mit der nächstniedrigeren Ordnungszahl umwandelt. Die Protonenemission darf nicht mit dem [[Protonenzerfall]], nämlich dem hypothetischen Zerfall des Protons, verwechselt werden.


== Geschichtliches ==
== Geschichtliches ==
 
Eine Protonenemission wurde schon 1963 von [[Georgi Nikolajewitsch Fljorow]] entdeckt, aber erstmals 1970 von K. Jackson an dem Nuklid Co-53m publiziert.<ref>K. P. Jackson et al.: ''Phys. Lett.'' 33B, S. 281 (1970).</ref> Dieses zerfiel unter Abspaltung eines Protons direkt zu Fe-52 statt, wie zu erwarten, durch β<sup>+</sup>-Zerfall zu Fe-53. Es unterliegt somit einem [[Dualer Kernzerfall|dualen Kernzerfall]] mit den Wahrscheinlichkeiten 1,5 % (Protonenemission) und 98,5 % (β<sup>+</sup>-Zerfall) für die jeweiligen Zerfälle.<ref name="eins"/><ref>H. Krieger: ''Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes.'' 2. Auflage (2007), ISBN 978-3-8351-0199-9, S. 121.</ref>
Eine Protonenemission wurde erstmals 1970 von K. Jackson an dem Nuklid Co-53m beobachtet.<ref>K. P. Jackson et al.: ''Phys. Lett.'' 33B, S. 281 (1970).</ref> Dieses zerfiel unter Abspaltung eines Protons direkt zu Fe-52 statt, wie zu erwarten, durch β<sup>+</sup>-Zerfall zu Fe-53. Es unterliegt somit einem [[Dualer Kernzerfall|dualen Kernzerfall]] mit den Wahrscheinlichkeiten 1,5 % (Protonenemission) und 98,5 % (β<sup>+</sup>-Zerfall) für die jeweiligen Zerfälle.<ref name="eins"/><ref>H. Krieger: ''Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes.'' 2. Auflage (2007), ISBN 978-3-8351-0199-9, S. 121.</ref>


Im Jahre 1981 wurde von S. Hofmann eine weitere Protonenemission an dem Nuklid Lu-151, das im [[Universal Linear Accelerator|UNILAC]] in Darmstadt hergestellt wurde, beobachtet.<ref>K. H. Lieser: ''Nuclear and Radiochemistry.'' 2001, ISBN 3-527-30317-0, S. 66.</ref><ref>S. Hofmann et al., in: ''Proc. 4th Int. Conf. on Nuclei Far from Stability'', CERN 81-09, Geneva, 111 (1982).</ref>
Im Jahre 1981 wurde von S. Hofmann eine weitere Protonenemission an dem Nuklid Lu-151, das im [[Universal Linear Accelerator|UNILAC]] in Darmstadt hergestellt wurde, beobachtet.<ref>K. H. Lieser: ''Nuclear and Radiochemistry.'' 2001, ISBN 3-527-30317-0, S. 66.</ref><ref>S. Hofmann et al., in: ''Proc. 4th Int. Conf. on Nuclei Far from Stability'', CERN 81-09, Geneva, 111 (1982).</ref>
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== Ein-Protonen-Emission ==
== Ein-Protonen-Emission ==
Eine Protonenemission tritt nur bei Nukliden auf, die ein sehr hohes [[Proton]]en-[[Neutron]]en-Verhältnis haben. Aufgrund dieses großen Verhältnisses können die Protonen nur noch sehr schlecht gebunden werden, die Bindungsenergie der Protonen sinkt sogar so stark ab, dass diese den Kern verlassen können. Solche „protonenreichen“ Kerne entledigen sich ihres „positiven Überschusses“ zwar meist durch einen β<sup>+</sup>-Zerfall, also der Aussendung eines Positrons, doch in seltenen Fällen kann auch stattdessen ein Proton abgespalten werden.
Eine Protonenemission tritt nur bei Nukliden auf, die ein sehr hohes [[Proton]]en-[[Neutron]]en-Verhältnis haben. Aufgrund dieses großen Verhältnisses können die Protonen nur noch sehr schlecht gebunden werden, die Bindungsenergie der Protonen sinkt sogar so stark ab, dass diese den Kern verlassen können. Solche „protonenreichen“ Kerne entledigen sich ihres „positiven Überschusses“ zwar meist durch einen β<sup>+</sup>-Zerfall, also der Aussendung eines Positrons, doch in seltenen Fällen kann auch stattdessen ein Proton abgespalten werden.


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== Zwei-Protonen-Emission ==
== Zwei-Protonen-Emission ==
Noch viel seltener ist das Auftreten eines Zwei-Protonen-Zerfalls, das erstmals von [[Witali Iossifowitsch Goldanski]] 1960 und später von B. Alex Brown in Erwägung gezogen wurde.<ref>B. A. Brown: ''Phys. Rev.'' C 43, S. 1513–17 (1991)</ref> Hierbei werden nicht nur ein, sondern gleich zwei Protonen gleichzeitig ausgestoßen. Das geschieht nur bei Nukliden, bei denen das Protonen-zu-Neutronen-Verhältnis sogar noch größer ist als bei Ein-Proton-Emittern. Beobachtet wurde ein solcher Zerfall erstmals 2002, wiederum im UNILAC, am Nuklid Fe-45.<ref>M. Pfützner u.&nbsp;a., European Physical Journal A, Band 14, 2002, S. 279</ref>
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und gleichzeitig am [[GANIL]] ([[Bertram Blank (Physiker)|Bertram Blank]] und andere).<ref>Jérôme Giovinazzo, Bertram Blank u.&nbsp;a., Two-Proton Radioactivity of 45 Fe, Physical Review Letters, Band 89, 2002, S. 102501</ref><ref>[https://physicsworld.com/a/nuclei-reveal-novel-decay/ Nuclei reveal novel decay], Physics World, 16. September 2002</ref><ref>[https://cerncourier.com/researchers-observe-two-proton-radioactivity/ Bertram Blank, Researchers observe two proton radioactivity], CERN Courier, 1. Dezember 2002</ref>


Noch viel seltener ist das Auftreten eines Zwei-Protonen-Zerfalls, das erstmals von B. Brown in Erwägung gezogen wurde.<ref>B. A. Brown: ''Phys. Rev.'' C 43, S. 1513–17 (1991)</ref> Hierbei werden nicht nur ein, sondern gleich zwei Protonen gleichzeitig ausgestoßen. Das geschieht nur bei Nukliden, bei denen das Protonen-zu-Neutronen-Verhältnis sogar noch größer ist als bei Ein-Proton-Emittern. Beobachtet wurde ein solcher Zerfall erstmals 2002, wiederum im UNILAC, am Nuklid Fe-45.
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Bis heute sind 13 Zwei-Protonen-Emitter bekannt.<ref name="eins"/>
Bis heute sind 13 Zwei-Protonen-Emitter bekannt.<ref name="eins"/>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Neutronenemission]]
* [[Neutronenemission]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Radioaktivität]]
[[Kategorie:Radioaktivität]]

Aktuelle Version vom 17. September 2021, 02:25 Uhr

Die Protonenemission (englisch Proton emission, auch Protonenumwandlung, Protonenaktivität, Protonenradioaktivität oder Protonenzerfall genannt) ist ein sehr seltenes Phänomen aus der Kernphysik, bei dem sich ein Atomkern unter Emission eines einzelnen Protons in das Element mit der nächstniedrigeren Ordnungszahl umwandelt. Die Protonenemission darf nicht mit dem Protonenzerfall, nämlich dem hypothetischen Zerfall des Protons, verwechselt werden.

Geschichtliches

Eine Protonenemission wurde schon 1963 von Georgi Nikolajewitsch Fljorow entdeckt, aber erstmals 1970 von K. Jackson an dem Nuklid Co-53m publiziert.[1] Dieses zerfiel unter Abspaltung eines Protons direkt zu Fe-52 statt, wie zu erwarten, durch β+-Zerfall zu Fe-53. Es unterliegt somit einem dualen Kernzerfall mit den Wahrscheinlichkeiten 1,5 % (Protonenemission) und 98,5 % (β+-Zerfall) für die jeweiligen Zerfälle.[2][3]

Im Jahre 1981 wurde von S. Hofmann eine weitere Protonenemission an dem Nuklid Lu-151, das im UNILAC in Darmstadt hergestellt wurde, beobachtet.[4][5]

In den darauf folgenden Jahren schlossen sich weitere Beobachtungen an: Die Nuklide Tm-147, Tm-147m und Lu-150, sowie Cs-113 und I-109 wurden als Protonen-Emitter identifiziert, wobei ihre Hauptzerfallsart der β+-Zerfall bleibt.[6] Mittlerweile wurden 95 solcher Protonen-Emitter entdeckt.[2]

Ein-Protonen-Emission

Eine Protonenemission tritt nur bei Nukliden auf, die ein sehr hohes Protonen-Neutronen-Verhältnis haben. Aufgrund dieses großen Verhältnisses können die Protonen nur noch sehr schlecht gebunden werden, die Bindungsenergie der Protonen sinkt sogar so stark ab, dass diese den Kern verlassen können. Solche „protonenreichen“ Kerne entledigen sich ihres „positiven Überschusses“ zwar meist durch einen β+-Zerfall, also der Aussendung eines Positrons, doch in seltenen Fällen kann auch stattdessen ein Proton abgespalten werden.

In dem folgenden Reaktionsschema wird der Zerfall des bereits oben genannten Nuklids Co-53m veranschaulicht:

Zerfallsarten des Cobalt-Isotops Co-53m

In fast allen Fällen wird sich das Nuklid durch den β+-Zerfall umwandeln, doch mit einer geringen Wahrscheinlichkeit wird eine Protonenemission stattfinden.[2]

In diesem Fall handelt es sich bei dem Ausgangsnuklid um ein Nuklid im metastabilen Zustand, ein Kernisomer. Normalerweise zerfallen solche Kerne über einen Isomerieübergang; bei Co-53m ist dieser aber durch eine hohe Drehimpulsbarriere (Kernspin 19/2) unterdrückt und wurde noch nicht beobachtet.

Bei den meisten Nukliden jedoch tritt die Protonenemission aus dem Grundzustand heraus auf, wie bei dem bereits oben genannten Nuklid Lu-151.

Zwei-Protonen-Emission

Noch viel seltener ist das Auftreten eines Zwei-Protonen-Zerfalls, das erstmals von Witali Iossifowitsch Goldanski 1960 und später von B. Alex Brown in Erwägung gezogen wurde.[7] Hierbei werden nicht nur ein, sondern gleich zwei Protonen gleichzeitig ausgestoßen. Das geschieht nur bei Nukliden, bei denen das Protonen-zu-Neutronen-Verhältnis sogar noch größer ist als bei Ein-Proton-Emittern. Beobachtet wurde ein solcher Zerfall erstmals 2002, wiederum im UNILAC, am Nuklid Fe-45.[8]

$ \mathrm {{}_{26}^{45}Fe\quad \rightarrow \quad {}_{24}^{43}Cr\;+\;2\,p} $

und gleichzeitig am GANIL (Bertram Blank und andere).[9][10][11]

Bis heute sind 13 Zwei-Protonen-Emitter bekannt.[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. K. P. Jackson et al.: Phys. Lett. 33B, S. 281 (1970).
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 J. Magill, J. Galy: Radioactivity, Radionuclides, Radiation. 2005, ISBN 3-540-21116-0, S. 77–79, 168–169.
  3. H. Krieger: Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes. 2. Auflage (2007), ISBN 978-3-8351-0199-9, S. 121.
  4. K. H. Lieser: Nuclear and Radiochemistry. 2001, ISBN 3-527-30317-0, S. 66.
  5. S. Hofmann et al., in: Proc. 4th Int. Conf. on Nuclei Far from Stability, CERN 81-09, Geneva, 111 (1982).
  6. S. Hofmann: Proton Radioactivity. Radiochimica Acta 70/71, S. 93–105 (1995).
  7. B. A. Brown: Phys. Rev. C 43, S. 1513–17 (1991)
  8. M. Pfützner u. a., European Physical Journal A, Band 14, 2002, S. 279
  9. Jérôme Giovinazzo, Bertram Blank u. a., Two-Proton Radioactivity of 45 Fe, Physical Review Letters, Band 89, 2002, S. 102501
  10. Nuclei reveal novel decay, Physics World, 16. September 2002
  11. Bertram Blank, Researchers observe two proton radioactivity, CERN Courier, 1. Dezember 2002