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Ursula Maria Martius wuchs in München auf, als Tochter des lutherischen Ethnographen Albrecht Martius (1884–1969), der für [[Leo Frobenius]] arbeitete<ref>[https://martius-familie.de/getperson.php?personID=I1EVA2qq4&tree=martius Familiengeschichte Martius]</ref>, und der Kunsthistorikerin Ilse Maria geb. Sperling (1890-; jüdischer Abstammung), die 1920 geheiratet hatten. Später zog die Familie nach Berlin. 1940 begann Ursula an der Universität Berlin ein Studium der Physik und Chemie, wurde aber 1942 zwangsexmatrikuliert und wegen ihrer „halbjüdischen“ Abstammung für 18 Monate in einem [[Arbeitserziehungslager]] interniert, während beide Eltern im KZ saßen.<ref name="westminsterhb">Susan Hill Lindley, Eleanor J. Stebner (Hrsg.): ''The Westminster Handbook to Women in American Religious History.'' Westminster John Knox Press, Louisville KY u. a. 2008, ISBN 978-0-664-22454-7, S. 82–83. ''Ursula Franklin Speaks: Thoughts and Afterthoughts'', hrsg. v. Sarah Jane Freeman, 2014</ref> In einem Brief an [[Otto Hahn]] vom 23. April 1946 äußerte sie resignativ über die deutschen Physiker: „Was die Leute aufbauen, es wird immer eine Kaserne, eine Kaserne, in der ich nicht sehr große Lust habe, zu leben.“<ref>Zit. n. Gerhard Rammer: ''„Sauberkeit im Kreise der Kollegen“. Die Vergangenheitspolitik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft'', in: Hoffmann/Walker (Hrsg.): ''Physiker zwischen Autonomie und Anpassung: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich'', S. 393, Anm. 102</ref> 1947 griff sie die [[Deutsche Physikalische Gesellschaft]] wegen deren Duldsamkeit gegenüber alten Nationalsozialisten an. Dabei nannte sie Namen, z.B. [[Pascual Jordan]], [[Herbert Arthur Stuart]], [[Erich Schumann (Wissenschaftler)|Erich Schumann]] und [[Hans Otto Kneser]].<ref>''„Videant consules …“''. In: ''Deutsche Rundschau.'' Bd. 70, Nr. 11, 1947, {{ZDB|205873-x}}, S. 99–102.</ref> Sie promovierte 1948 in [[Experimentalphysik]] an der [[Technische Universität Berlin|Technischen Universität Berlin]] bei dem ebenso ehemals verfolgten [[Hartmut Kallmann]], der wenig später Deutschland verließ.<ref>Carlotta Hacker: ''Scientists.'' Weigl Educational Publishers, Calgary 1999, ISBN 1-896990-03-7, S. 43.</ref> Im folgenden Jahr ging sie als [[Post-Doktorand]]in an die [[Universität Toronto]] und blieb von da an in Kanada. Sie wurde [[Quäker]]in. 1967 wurde sie die erste Professorin im Fachbereich [[Metallurgie]] und [[Materialwissenschaft]]en der Universität Toronto.<ref>Janine Marchessault, Kim Sawchuk (Hrsg.): ''Wild Science. Reading Feminism, Medicine, and the Media.'' Routledge, London u. a. 2000, ISBN 0-415-20430-5, S. XII.</ref> | Ursula Maria Martius wuchs in München auf, als Tochter des lutherischen Ethnographen Albrecht Martius (1884–1969), der für [[Leo Frobenius]] arbeitete<ref>[https://martius-familie.de/getperson.php?personID=I1EVA2qq4&tree=martius Familiengeschichte Martius]</ref>, und der Kunsthistorikerin Ilse Maria geb. Sperling (1890-; jüdischer Abstammung), die 1920 geheiratet hatten. Später zog die Familie nach Berlin. 1940 begann Ursula an der Universität Berlin ein Studium der Physik und Chemie, wurde aber 1942 zwangsexmatrikuliert und wegen ihrer „halbjüdischen“ Abstammung für 18 Monate in einem [[Arbeitserziehungslager]] interniert, während beide Eltern im KZ saßen.<ref name="westminsterhb">Susan Hill Lindley, Eleanor J. Stebner (Hrsg.): ''The Westminster Handbook to Women in American Religious History.'' Westminster John Knox Press, Louisville KY u. a. 2008, ISBN 978-0-664-22454-7, S. 82–83. ''Ursula Franklin Speaks: Thoughts and Afterthoughts'', hrsg. v. Sarah Jane Freeman, 2014</ref> In einem Brief an [[Otto Hahn]] vom 23. April 1946 äußerte sie resignativ über die deutschen Physiker: „Was die Leute aufbauen, es wird immer eine Kaserne, eine Kaserne, in der ich nicht sehr große Lust habe, zu leben.“<ref>Zit. n. Gerhard Rammer: ''„Sauberkeit im Kreise der Kollegen“. Die Vergangenheitspolitik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft'', in: Hoffmann/Walker (Hrsg.): ''Physiker zwischen Autonomie und Anpassung: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich'', S. 393, Anm. 102</ref> 1947 griff sie die [[Deutsche Physikalische Gesellschaft]] wegen deren Duldsamkeit gegenüber alten Nationalsozialisten an. Dabei nannte sie Namen, z. B. [[Pascual Jordan]], [[Herbert Arthur Stuart]], [[Erich Schumann (Wissenschaftler)|Erich Schumann]] und [[Hans Otto Kneser]].<ref>''„Videant consules …“''. In: ''Deutsche Rundschau.'' Bd. 70, Nr. 11, 1947, {{ZDB|205873-x}}, S. 99–102.</ref> Sie promovierte 1948 in [[Experimentalphysik]] an der [[Technische Universität Berlin|Technischen Universität Berlin]] bei dem ebenso ehemals verfolgten [[Hartmut Kallmann]], der wenig später Deutschland verließ.<ref>Carlotta Hacker: ''Scientists.'' Weigl Educational Publishers, Calgary 1999, ISBN 1-896990-03-7, S. 43.</ref> Im folgenden Jahr ging sie als [[Post-Doktorand]]in an die [[Universität Toronto]] und blieb von da an in Kanada. Sie wurde [[Quäker]]in. 1967 wurde sie die erste Professorin im Fachbereich [[Metallurgie]] und [[Materialwissenschaft]]en der Universität Toronto.<ref>Janine Marchessault, Kim Sawchuk (Hrsg.): ''Wild Science. Reading Feminism, Medicine, and the Media.'' Routledge, London u. a. 2000, ISBN 0-415-20430-5, S. XII.</ref> | ||
Sie gilt als Pionierin der [[Archäometrie]]. Franklin entwickelte unter anderem Methoden zur präzisen Bestimmung des radioaktiven [[Strontium]]<nowiki />isotops <sup>90</sup>Sr, das in der Atmosphäre nach [[Kernwaffe|Atombomben]]<nowiki />explosionen entsteht.<ref name="westminsterhb" /> Sie beschäftigte sich ebenso mit [[Technikfolgenabschätzung]] wie mit Wechselwirkungen von Technologie und Gesellschaft, insbesondere auch mit Friedensfragen. Nachdem sie 1989 die [[Massey Lectures]] halten durfte, veröffentlichte sie daraus 1992 das Buch ''The Real World of Technology''. | Sie gilt als Pionierin der [[Archäometrie]]. Franklin entwickelte unter anderem Methoden zur präzisen Bestimmung des radioaktiven [[Strontium]]<nowiki />isotops <sup>90</sup>Sr, das in der Atmosphäre nach [[Kernwaffe|Atombomben]]<nowiki />explosionen entsteht.<ref name="westminsterhb" /> Sie beschäftigte sich ebenso mit [[Technikfolgenabschätzung]] wie mit Wechselwirkungen von Technologie und Gesellschaft, insbesondere auch mit Friedensfragen. Nachdem sie 1989 die [[Massey Lectures]] halten durfte, veröffentlichte sie daraus 1992 das Buch ''The Real World of Technology''. | ||
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* Franklin wurde 1981 der Orden ''Officer of the Order of Canada'' und | * Franklin wurde 1981 der Orden ''Officer of the Order of Canada'' und | ||
* 1992 der ''Companion of the Order of Canada'' verliehen, die höchste Stufe des [[Order of Canada]], Kanadas höchster Auszeichnung für Zivilpersonen.<ref>{{cite web|url= | * 1992 der ''Companion of the Order of Canada'' verliehen, die höchste Stufe des [[Order of Canada]], Kanadas höchster Auszeichnung für Zivilpersonen.<ref>{{cite web|url=https://archive.gg.ca/honours/search-recherche/honours-desc.asp?lang=e&TypeID=orc&id=3073|title=Honours Order of Canada|publisher=Governor General of Canada|accessdate=18. September 2008}}</ref> | ||
* 2001 wurde Franklin für ihre Verdienste mit der [[Pearson Peace Medal]], einem kanadischen Friedenspreis, ausgezeichnet.<ref>UNA-CANADA:{{Webarchiv | url=http://www.unac.org/en/news_events/pearson/2001.asp | wayback=20020429095526 | text=''Pearson Peace Medal. Dr. Ursula M. Franklin, O.C. FRSC (2001).''}}</ref> | * 2001 wurde Franklin für ihre Verdienste mit der [[Pearson Peace Medal]], einem kanadischen Friedenspreis, ausgezeichnet.<ref>UNA-CANADA:{{Webarchiv | url=http://www.unac.org/en/news_events/pearson/2001.asp | wayback=20020429095526 | text=''Pearson Peace Medal. Dr. Ursula M. Franklin, O.C. FRSC (2001).''}}</ref> | ||
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* [[Dieter Hoffmann (Historiker)|Dieter Hoffmann]], [[Mark Walker (Wissenschaftshistoriker)|Mark Walker]] (Hg.): ''Physiker zwischen Autonomie und Anpassung. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich'', Weinheim, Wiley VCH, 2007, ISBN 978-3-527-40585-5 | * [[Dieter Hoffmann (Historiker)|Dieter Hoffmann]], [[Mark Walker (Wissenschaftshistoriker)|Mark Walker]] (Hg.): ''Physiker zwischen Autonomie und Anpassung. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich'', Weinheim, Wiley-VCH, 2007, ISBN 978-3-527-40585-5 | ||
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Ursula Martius Franklin, CC, O.Ont, FRSC (* 16. September 1921 in München; † 22. Juli 2016 in Toronto[1]) war eine deutsch-kanadische Physikerin.
Ursula Maria Martius wuchs in München auf, als Tochter des lutherischen Ethnographen Albrecht Martius (1884–1969), der für Leo Frobenius arbeitete[2], und der Kunsthistorikerin Ilse Maria geb. Sperling (1890-; jüdischer Abstammung), die 1920 geheiratet hatten. Später zog die Familie nach Berlin. 1940 begann Ursula an der Universität Berlin ein Studium der Physik und Chemie, wurde aber 1942 zwangsexmatrikuliert und wegen ihrer „halbjüdischen“ Abstammung für 18 Monate in einem Arbeitserziehungslager interniert, während beide Eltern im KZ saßen.[3] In einem Brief an Otto Hahn vom 23. April 1946 äußerte sie resignativ über die deutschen Physiker: „Was die Leute aufbauen, es wird immer eine Kaserne, eine Kaserne, in der ich nicht sehr große Lust habe, zu leben.“[4] 1947 griff sie die Deutsche Physikalische Gesellschaft wegen deren Duldsamkeit gegenüber alten Nationalsozialisten an. Dabei nannte sie Namen, z. B. Pascual Jordan, Herbert Arthur Stuart, Erich Schumann und Hans Otto Kneser.[5] Sie promovierte 1948 in Experimentalphysik an der Technischen Universität Berlin bei dem ebenso ehemals verfolgten Hartmut Kallmann, der wenig später Deutschland verließ.[6] Im folgenden Jahr ging sie als Post-Doktorandin an die Universität Toronto und blieb von da an in Kanada. Sie wurde Quäkerin. 1967 wurde sie die erste Professorin im Fachbereich Metallurgie und Materialwissenschaften der Universität Toronto.[7]
Sie gilt als Pionierin der Archäometrie. Franklin entwickelte unter anderem Methoden zur präzisen Bestimmung des radioaktiven Strontiumisotops 90Sr, das in der Atmosphäre nach Atombombenexplosionen entsteht.[3] Sie beschäftigte sich ebenso mit Technikfolgenabschätzung wie mit Wechselwirkungen von Technologie und Gesellschaft, insbesondere auch mit Friedensfragen. Nachdem sie 1989 die Massey Lectures halten durfte, veröffentlichte sie daraus 1992 das Buch The Real World of Technology.
Personendaten | |
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NAME | Franklin, Ursula |
ALTERNATIVNAMEN | Martius Franklin, Ursula |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-kanadische Physikerin |
GEBURTSDATUM | 16. September 1921 |
GEBURTSORT | München |
STERBEDATUM | 22. Juli 2016 |
STERBEORT | Toronto |