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Die '''Bell Laboratories''' | Die '''Bell Laboratories''' (auch '''Bell Labs''', früher ''Bell Telephone Laboratories'', kurz ''BTL'') sind die ehemalige Forschungsabteilung der Telefongesellschaft [[AT&T]], in der im Laufe des 20. Jahrhunderts zahlreiche wichtige Durchbrüche in der [[Telekommunikationstechnik]], [[Mathematik]], [[Physik]], [[Materialforschung]] und [[Informatik]] erzielt wurden. Für an den Bell-Laboratories durchgeführte Forschung wurden neun [[Nobelpreis]]e und mehrere [[Turing-Award]]s verliehen.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.bell-labs.com/about/recognition/ |titel=Webseite der Bell Labs |werk= |hrsg= |datum= |abruf=2019-09-11 |sprache=}}</ref> | ||
Die Bell Labs sind organisatorisch in drei | Heute sind die Bell Laboratories Teil der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von [[Nokia]]. Der Hauptsitz der Bell Labs ist in [[Murray Hill (New Jersey)|Murray Hill]], [[New Jersey]], in den Vereinigten Staaten. Nokia betreibt mehrere Bell Labs Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen weltweit, darunter die Bell Labs Stuttgart und München.<ref>[https://d1p0gxnqcu0lvz.cloudfront.net/images/Map_Locations_April21.original.png Karte] der Bell Labs Standorte unter Nokia, April 2021. Profil [https://www.bell-labs.com/about/locations/stuttgart-germany Bell Labs Stuttgart] und [https://www.bell-labs.com/about/locations/munich-germany Bell Labs München].</ref> | ||
Die Bell Labs sind organisatorisch in drei Unternehmensbereiche eingeteilt: ''Forschung'', ''Systemtechnik'' und ''Entwicklung''. | |||
In der Forschung gewann man grundlegende Erkenntnisse für die [[Telekommunikation]] aus den Bereichen [[Mathematik]], [[Physik]], Materialforschung und [[Informatik]]. | In der Forschung gewann man grundlegende Erkenntnisse für die [[Telekommunikation]] aus den Bereichen [[Mathematik]], [[Physik]], Materialforschung und [[Informatik]]. | ||
In der Entwicklung, dem größten Unternehmensbereich, wurde die [[Hardware|Hard-]] und [[Software]] entwickelt, mit der das Telekommunikationsnetz des Bell-Systems aufgebaut wurde. | |||
== Geschichte == | |||
[[Datei:AT&T Murray Hill.jpg|mini|Luftbild der Bell Labs in Murray Hill]] | |||
Die Bell Telephone Laboratories Inc. wurde 1925 durch Walter Gifford (später Präsident von [[AT&T]]) als separate Einheit für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit von [[Western Electric]] gegründet. Erster Präsident wurde [[Frank B. Jewett]]. Anteilseigner waren zu gleichen Teilen Western Electric und AT&T. Die Hauptaufgabe bestand im Entwickeln von [[Vermittlungsstelle]]n für Western Electric, die an Firmen verkauft wurden, die das Bell Telephone System einsetzten.<ref>[http://ethw.org/Bell_Labs Bell Labs] im [[Engineering and Technology History Wiki]]</ref> | |||
Später wurden auch militärische Projekte, wie zum Beispiel der Bau der Rakete [[Nike (Rakete)|Nike]], unterstützt. | |||
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1996 gliederte AT&T die Bell Labs, zusammen mit dem größten Teil der Geräteherstellung, in das neue Unternehmen [[Lucent Technologies]] aus. AT&T behielt eine kleinere Anzahl Forscher, aus denen die [[AT&T Laboratories]] gebildet wurden. | |||
Mit der Übernahme von [[Alcatel-Lucent]] durch Nokia im Jahr 2016 kamen auch die Bell-Labs zu Nokia.<ref>{{Internetquelle |autor=Jürgen Berke |url=http://www.wiwo.de/unternehmen/it/fusion-mit-alcatel-lucent-das-ist-der-neue-nokia-konzern/12826016.html |titel=Fusion mit Alcatel-Lucent |titelerg=Das ist der neue Nokia-Konzern | | Mit der Übernahme von [[Alcatel-Lucent]] durch Nokia im Jahr 2016 kamen auch die Bell-Labs zu Nokia.<ref>{{Internetquelle |autor=[[Jürgen Berke]] |url=http://www.wiwo.de/unternehmen/it/fusion-mit-alcatel-lucent-das-ist-der-neue-nokia-konzern/12826016.html |titel=Fusion mit Alcatel-Lucent |titelerg=Das ist der neue Nokia-Konzern |werk= [[Wirtschaftswoche]] |datum=2016-01-13 |zugriff=2016-03-02 }}</ref> | ||
; Meilensteine | |||
* 1926 Nachweis der Beugung von Elektronen an Kristallen durch [[Clinton Davisson]] und [[Lester Germer]]. Davisson erhielt dafür 1937 den [[Nobelpreis für Physik]]. | * 1926 Nachweis der Beugung von Elektronen an Kristallen durch [[Clinton Davisson]] und [[Lester Germer]]. Davisson erhielt dafür 1937 den [[Nobelpreis für Physik]]. | ||
* 1932 entdeckte [[Karl Guthe Jansky]], dass aus der Mitte unserer [[Galaxie]] [[Radiowelle]]n emittiert wurden, während er nach den Ursachen des [[Rauschen (Physik)|Rauschens]] bei Langstrecken-Funkverbindungen forschte | * 1932 entdeckte [[Karl Guthe Jansky]], dass aus der Mitte unserer [[Galaxie]] [[Radiowelle]]n emittiert wurden, während er nach den Ursachen des [[Rauschen (Physik)|Rauschens]] bei Langstrecken-Funkverbindungen forschte – dies war der Beginn der [[Radioastronomie]]. | ||
* 1940 führte [[George Stibitz]] den von ihm bei den Bell Labs entwickelten ''Complex Number Calculator'', eine elektrische Relais-basierte Rechenmaschine für [[komplexe Zahl]]en ferngesteuert über eine Telefonleitung von einer Tagung der [[American Mathematical Society]] vor. | * ab 1936 arbeitete [[Hendrik Wade Bode]] ([[Bode-Diagramm]]) bei den Bell Labs. Im April 1945 veröffentlichte er das Buch "{{lang|en|Network Analysis and Feedback Amplifier Design}}". | ||
* 1940 führte [[George Stibitz]] den von ihm bei den Bell Labs entwickelten ''{{lang|en|Complex Number Calculator}}'', eine elektrische Relais-basierte Rechenmaschine für [[komplexe Zahl]]en ferngesteuert über eine Telefonleitung von einer Tagung der [[American Mathematical Society]] vor. | |||
* 1943 bis 1945 folgten weitere Relais-Rechner für die [[Flak]]-Zielführung und [[Ballistik|ballistische]] Berechnungen. | * 1943 bis 1945 folgten weitere Relais-Rechner für die [[Flak]]-Zielführung und [[Ballistik|ballistische]] Berechnungen. | ||
* Der erste funktionierende [[Bipolartransistor]] wurde 1947 in der von [[John R. Pierce]] geführten Forschungsgruppe in den Bell Laboratories gebaut und von ihm so getauft. Die Wissenschaftler [[John Bardeen]], [[William Bradford Shockley]], und [[Walter Houser Brattain]] erhielten dafür den Physik-Nobelpreis von 1956. | * Der erste funktionierende [[Bipolartransistor]] wurde 1947 in der von [[John R. Pierce]] geführten Forschungsgruppe in den Bell Laboratories gebaut und von ihm so getauft. Die Wissenschaftler [[John Bardeen]], [[William Bradford Shockley]], und [[Walter Houser Brattain]] erhielten dafür den Physik-Nobelpreis von 1956. | ||
* [[Claude Shannon]], Mathematiker an den Bell Labs, veröffentlichte 1948 ''Die mathematische Theorie der Kommunikation'' im Bell System Technical Journal, wobei er sich auf frühere Erkenntnisse von [[Harry Nyquist]] und [[Ralph Hartley]] auf dem Gebiet der [[Informationstheorie]] stützte. | * [[Claude Shannon]], Mathematiker an den Bell Labs, veröffentlichte 1948 ''Die mathematische Theorie der Kommunikation'' im Bell System Technical Journal, wobei er sich auf frühere Erkenntnisse von [[Harry Nyquist]] und [[Ralph Hartley]] auf dem Gebiet der [[Informationstheorie]] stützte. | ||
* [[Daryl Chapin]], [[Calvin Souther Fuller]] und [[Gerald Pearson]] entwickelten 1953 | * [[Daryl Chapin]], [[Calvin Souther Fuller]] und [[Gerald Pearson]] entwickelten 1953 und produzierten an den Bell Labs die ersten technisch interessanten Silizium-[[Solarzelle]]n mit über 4 % Wirkungsgrad (eine hatte sogar 6 % Wirkungsgrad). Sie bauten dabei auf vielen neuen Entwicklungen der vergangenen Jahre auf. | ||
* 1957 entwickelte [[Max Mathews]] die erste Version seines MUSIC-N-Programms zur Komposition von Computermusik. | * 1957 entwickelte [[Max Mathews]] die erste Version seines MUSIC-N-Programms zur Komposition von Computermusik. | ||
* 1960, nur knapp ein halbes Jahr nach dem ersten Laser von [[Theodore Maiman]] stellt die Arbeitsgruppe von [[Ali Javan]] den [[Helium-Neon-Laser]] vor, es ist der erste [[Gaslaser]]. | * 1960, nur knapp ein halbes Jahr nach dem ersten Laser von [[Theodore Maiman]] stellt die Arbeitsgruppe von [[Ali Javan]] den [[Helium-Neon-Laser]] vor, es ist der erste [[Gaslaser]]. | ||
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* 1964 entdeckten [[Arno Penzias]] und [[Robert Woodrow Wilson]] den [[Kosmischer Mikrowellenhintergrund|kosmischen Mikrowellenhintergrund]], der von [[George Gamow]] als ein Überbleibsel der heißen Frühphase des Universums vorhergesagt worden war. Penzias und Wilson erhielten dafür 1978 den Nobelpreis in Physik. | * 1964 entdeckten [[Arno Penzias]] und [[Robert Woodrow Wilson]] den [[Kosmischer Mikrowellenhintergrund|kosmischen Mikrowellenhintergrund]], der von [[George Gamow]] als ein Überbleibsel der heißen Frühphase des Universums vorhergesagt worden war. Penzias und Wilson erhielten dafür 1978 den Nobelpreis in Physik. | ||
* 1964 [[Chandra Kumar N. Patel]] entwickelt mit dem [[Kohlendioxidlaser]] eine Laserstrahlquelle mit hoher [[Continuous wave|cw]]-Leistung und hohem Wirkungsgrad. | * 1964 [[Chandra Kumar N. Patel]] entwickelt mit dem [[Kohlendioxidlaser]] eine Laserstrahlquelle mit hoher [[Continuous wave|cw]]-Leistung und hohem Wirkungsgrad. | ||
* 1969 entwickelten [[Willard Boyle]] und [[George E. Smith]] den [[CCD-Sensor]], der heute vor allem in Digitalkameras Verwendung findet. Sie erhielten dafür 2009 ebenfalls den Nobelpreis in Physik. | * 1969 entwickelten [[Willard Boyle]] und [[George E. Smith]] den [[CCD-Sensor]], der heute vor allem in Digitalkameras Verwendung findet. Sie erhielten dafür 2009 ebenfalls den Nobelpreis in Physik. | ||
* Ende 1960er entwickelten [[John R. Arthur]] and [[Alfred Y. Cho]] die [[Molekularstrahlepitaxie]] ({{EnS|molecular beam epitaxy, MBE}}) zum Abscheiden einkristalliner Schichtsysteme, welche die Grundlage für die heutige [[Optoelektronik]] bilden. | * Ende 1960er entwickelten [[John R. Arthur]] and [[Alfred Y. Cho]] die [[Molekularstrahlepitaxie]] ({{EnS|molecular beam epitaxy, MBE}}) zum Abscheiden einkristalliner Schichtsysteme, welche die Grundlage für die heutige [[Optoelektronik]] bilden. | ||
* Ab Ende der 1960er waren die Bell Labs der Ursprung des [[Unix]]-Betriebssystems und der [[C (Programmiersprache)|Programmiersprache C]], entwickelt von [[Dennis Ritchie]] und [[Ken Thompson]] in den frühen [[1970er]]n, sowie dessen objektorientierter Erweiterung [[C++]] von [[Bjarne Stroustrup]] in den [[1980er]]n. Auch die statistische [[S (Statistiksprache)|Programmiersprache S]] hat ihren Ursprung an den Bell Labs. | * Ab Ende der 1960er waren die Bell Labs der Ursprung des [[Unix]]-Betriebssystems und der [[C (Programmiersprache)|Programmiersprache C]], entwickelt von [[Dennis Ritchie]] und [[Ken Thompson]] in den frühen [[1970er]]n, sowie dessen objektorientierter Erweiterung [[C++]] von [[Bjarne Stroustrup]] in den [[1980er]]n. Auch die statistische [[S (Statistiksprache)|Programmiersprache S]] hat ihren Ursprung an den Bell Labs. | ||
== Literatur == | |||
* {{Literatur |Autor=Jon Gertner |Titel=The Idea Factory: Bell Labs and the Great Age of American Innovation |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Penguin Books |Ort=New York |Datum=2012 |ISBN=978-1-59420-328-2 |Seiten=}} | |||
== Weblinks == | |||
{{commonscat|Bell Labs}} | |||
* [https://www.bell-labs.com/ Homepage der Bell Labs] (englisch) | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references /> | ||
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[[Kategorie:Forschungsunternehmen]] | |||
[[Kategorie: | [[Kategorie:Forschungsunternehmen in den Vereinigten Staaten]] | ||
[[Kategorie:Unternehmen (Union County, New Jersey)]] | |||
[[Kategorie:Alcatel-Lucent]] | [[Kategorie:Alcatel-Lucent]] | ||
[[Kategorie:Alexander Graham Bell]] | [[Kategorie:Alexander Graham Bell]] | ||
[[Kategorie:Gegründet 1925]] | |||
[[Kategorie:Murray Hill (New Jersey)]] | |||
<!--nur historisch: | |||
[[Kategorie:Forschungseinrichtung (Lasertechnik)]]--> |
Die Bell Laboratories (auch Bell Labs, früher Bell Telephone Laboratories, kurz BTL) sind die ehemalige Forschungsabteilung der Telefongesellschaft AT&T, in der im Laufe des 20. Jahrhunderts zahlreiche wichtige Durchbrüche in der Telekommunikationstechnik, Mathematik, Physik, Materialforschung und Informatik erzielt wurden. Für an den Bell-Laboratories durchgeführte Forschung wurden neun Nobelpreise und mehrere Turing-Awards verliehen.[1]
Heute sind die Bell Laboratories Teil der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Nokia. Der Hauptsitz der Bell Labs ist in Murray Hill, New Jersey, in den Vereinigten Staaten. Nokia betreibt mehrere Bell Labs Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen weltweit, darunter die Bell Labs Stuttgart und München.[2]
Die Bell Labs sind organisatorisch in drei Unternehmensbereiche eingeteilt: Forschung, Systemtechnik und Entwicklung.
In der Forschung gewann man grundlegende Erkenntnisse für die Telekommunikation aus den Bereichen Mathematik, Physik, Materialforschung und Informatik.
In der Entwicklung, dem größten Unternehmensbereich, wurde die Hard- und Software entwickelt, mit der das Telekommunikationsnetz des Bell-Systems aufgebaut wurde.
Die Bell Telephone Laboratories Inc. wurde 1925 durch Walter Gifford (später Präsident von AT&T) als separate Einheit für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit von Western Electric gegründet. Erster Präsident wurde Frank B. Jewett. Anteilseigner waren zu gleichen Teilen Western Electric und AT&T. Die Hauptaufgabe bestand im Entwickeln von Vermittlungsstellen für Western Electric, die an Firmen verkauft wurden, die das Bell Telephone System einsetzten.[3]
Später wurden auch militärische Projekte, wie zum Beispiel der Bau der Rakete Nike, unterstützt.
1996 gliederte AT&T die Bell Labs, zusammen mit dem größten Teil der Geräteherstellung, in das neue Unternehmen Lucent Technologies aus. AT&T behielt eine kleinere Anzahl Forscher, aus denen die AT&T Laboratories gebildet wurden.
Mit der Übernahme von Alcatel-Lucent durch Nokia im Jahr 2016 kamen auch die Bell-Labs zu Nokia.[4]
Koordinaten: 40° 41′ 0,3″ N, 74° 24′ 2,7″ W