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Für jedes <math>\omega\in\Omega</math> erhält man eine Abbildung <math>X(\cdot,\omega)\colon T\rightarrow Z,\, t\mapsto X(t,\omega)=X_t(\omega)</math>. Diese Abbildungen nennt man die ''Pfade'' des Prozesses. Häufig spricht man statt von den Pfaden auch von den Trajektorien oder den Realisierungen des stochastischen Prozesses. | Für jedes <math>\omega\in\Omega</math> erhält man eine Abbildung <math>X(\cdot,\omega)\colon T\rightarrow Z,\, t\mapsto X(t,\omega)=X_t(\omega)</math>. Diese Abbildungen nennt man die ''Pfade'' des Prozesses. Häufig spricht man statt von den Pfaden auch von den Trajektorien oder den Realisierungen des stochastischen Prozesses. | ||
Ist speziell <math>T=\R_+</math> und <math>Z \subseteq \R</math> (oder ein allgemeinerer [[topologischer Raum]]), so kann man von [[Stetigkeit]]seigenschaften der Pfade sprechen. | Ist speziell <math>T=\R_+</math> und <math>Z \subseteq \R</math> (oder ein allgemeinerer [[topologischer Raum]]), so kann man von [[Stetige Funktion|Stetigkeit]]seigenschaften der Pfade sprechen. | ||
Man nennt einen zeitstetigen stochastischen Prozess ''stetig'', ''rechtsseitig stetig'', ''linksseitig stetig'' bzw. ''[[càdlàg]]'', wenn alle Pfade des Prozesses die entsprechende Eigenschaft haben. Der [[Wiener-Prozess]] hat stetige Pfade, von denen im Bild zu den Beispielen unten zwei zu sehen sind. Der [[Poisson-Prozess]] ist ein Beispiel für einen zeitstetigen, wertdiskreten [[càdlàg-Prozess]]; er hat also rechtsseitig stetige Pfade, bei denen an jeder Stelle der linksseitige Limes existiert. | Man nennt einen zeitstetigen stochastischen Prozess ''stetig'', ''rechtsseitig stetig'', ''linksseitig stetig'' bzw. ''[[càdlàg]]'', wenn alle Pfade des Prozesses die entsprechende Eigenschaft haben. Der [[Wiener-Prozess]] hat stetige Pfade, von denen im Bild zu den Beispielen unten zwei zu sehen sind. Der [[Poisson-Prozess]] ist ein Beispiel für einen zeitstetigen, wertdiskreten [[càdlàg-Prozess]]; er hat also rechtsseitig stetige Pfade, bei denen an jeder Stelle der linksseitige Limes existiert. | ||
== Stochastische Prozesse versus Zeitreihen == | == Stochastische Prozesse versus Zeitreihen == | ||
Neben der Theorie der stochastischen Prozesse gibt es auch die mathematische Disziplin der [[Zeitreihenanalyse]], die weitgehend unabhängig davon operiert. Definitionsgemäß sind stochastische Prozesse und Zeitreihen ein und dasselbe, dennoch weisen die Gebiete Unterschiede auf: Während die Zeitreihenanalyse sich als Teilgebiet der [[Statistik]] versteht und versucht, spezielle Modelle (wie etwa [[ARMA-Modelle]]) an zeitlich geordnete Daten anzupassen, steht bei den stochastischen Prozessen die [[Stochastik]] und die spezielle Struktur der Zufallsfunktionen (etwa [[Stetigkeit]], [[Differentialrechnung|Differenzierbarkeit]], [[Variation (Mathematik)|Variation]] oder Messbarkeit bezüglich gewisser [[Filtrierung (Wahrscheinlichkeitstheorie)|Filtrierungen]]) im Vordergrund. | Neben der Theorie der stochastischen Prozesse gibt es auch die mathematische Disziplin der [[Zeitreihenanalyse]], die weitgehend unabhängig davon operiert. Definitionsgemäß sind stochastische Prozesse und Zeitreihen ein und dasselbe, dennoch weisen die Gebiete Unterschiede auf: Während die Zeitreihenanalyse sich als Teilgebiet der [[Statistik]] versteht und versucht, spezielle Modelle (wie etwa [[ARMA-Modelle]]) an zeitlich geordnete Daten anzupassen, steht bei den stochastischen Prozessen die [[Stochastik]] und die spezielle Struktur der Zufallsfunktionen (etwa [[Stetige Funktion|Stetigkeit]], [[Differentialrechnung|Differenzierbarkeit]], [[Variation (Mathematik)|Variation]] oder Messbarkeit bezüglich gewisser [[Filtrierung (Wahrscheinlichkeitstheorie)|Filtrierungen]]) im Vordergrund. | ||
== Beispiele == | == Beispiele == | ||
[[Bild:Wienerprozess.png|thumb|Ein Standard-Wiener-Prozess auf | [[Bild:Wienerprozess.png|thumb|Ein Standard-Wiener-Prozess auf dem Zeitintervall [0,3], außerdem sind der Erwartungswert und die Standardabweichung eingezeichnet]] | ||
* Ein einfaches Beispiel für einen zeitdiskreten Punktprozess ist der symmetrische [[Random Walk]], hier veranschaulicht durch ein Glücksspiel: Ein Spieler beginnt zum Zeitpunkt <math>t=0</math> mit einem Startkapital von 10 Euro ein Spiel, bei dem er nacheinander immer wieder eine Münze wirft. Bei „Kopf“ gewinnt er einen Euro, bei „Zahl“ verliert er einen. Die Zufallsvariablen <math>X_t,\;t \in \N_0,</math> für den Kontostand nach | * Ein einfaches Beispiel für einen zeitdiskreten Punktprozess ist der symmetrische [[Random Walk]], hier veranschaulicht durch ein Glücksspiel: Ein Spieler beginnt zum Zeitpunkt <math>t=0</math> mit einem Startkapital von 10 Euro ein Spiel, bei dem er nacheinander immer wieder eine Münze wirft. Bei „Kopf“ gewinnt er einen Euro, bei „Zahl“ verliert er einen. Die Zufallsvariablen <math>X_t,\;t \in \N_0,</math> für den Kontostand nach <math>t</math> Spielen definieren einen stochastischen Prozess (mit deterministischer ''Startverteilung'' <math>X_0=10</math>). Genauer betrachtet handelt es sich bei <math>X</math> um einen [[Lévy-Prozess]] und um ein [[Martingal]]. | ||
* | * Eine vielseitig verwendete Klasse stochastischer Prozesse sind [[Gauß-Prozess]]e, die viele natürliche Systeme beschreiben können und als [[Maschinelles Lernen|Maschinenlernverfahren]] Anwendung finden. | ||
* Weitere Beispiele: [[Bernoulli-Prozess]], [[Brownsche Brücke]], [[Gebrochene Brownsche Bewegung]], [[Markow-Kette]], [[Ornstein-Uhlenbeck-Prozess]], [[Poisson-Prozess]], [[Weißes Rauschen]]. | * Ein bedeutender stochastischer Prozess aus der Klasse der Gaußprozesse ist der [[Wiener-Prozess]] (auch „Brownsche Bewegung“ genannt). Hierbei sind die einzelnen Zustände [[Normalverteilung|normalverteilt]] mit linear anwachsender [[Varianz (Stochastik)|Varianz]]. Der Wiener-Prozess findet Anwendung in der [[stochastische Integration|stochastischen Integration]], der [[Finanzmathematik]] und der [[Physik]]. | ||
* Weitere Beispiele: [[Bernoulli-Prozess]], [[Brownsche Brücke]], [[Gebrochene Brownsche Bewegung]], [[Markow-Kette]], [[Ornstein-Uhlenbeck-Prozess]], [[Poisson-Prozess]], [[Weißes Rauschen (Physik)|Weißes Rauschen]]. | |||
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Ein stochastischer Prozess (auch Zufallsprozess) ist die mathematische Beschreibung von zeitlich geordneten, zufälligen Vorgängen. Die Theorie der stochastischen Prozesse stellt eine wesentliche Erweiterung der Wahrscheinlichkeitstheorie dar und bildet die Grundlage für die stochastische Analysis. Obwohl einfache stochastische Prozesse schon vor langer Zeit studiert wurden, wurde die heute gültige formale Theorie erst Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt, vor allem durch Paul Lévy und Andrei Kolmogorow.
Sei $ (\Omega ,{\mathcal {F}},P) $ ein Wahrscheinlichkeitsraum, $ (Z,{\mathcal {Z}}) $ ein mit einer σ-Algebra versehener Raum (zumeist die reellen Zahlen mit der Borelschen σ-Algebra) und $ T $ eine Indexmenge, zumeist $ T\in \{\mathbb {N} _{0},\mathbb {R} _{+}\} $, die in Anwendungen häufig die Menge der betrachteten Zeitpunkte darstellt. Ein stochastischer Prozess $ X $ ist dann eine Familie von Zufallsvariablen $ X_{t}\colon \Omega \to Z,\;t\in T $, also eine Abbildung
sodass $ X_{t}\colon \omega \mapsto X_{t}(\omega ) $ für alle $ t\in T $ eine $ {\mathcal {F}} $-$ {\mathcal {Z}} $-messbare Abbildung ist. Die Menge $ Z $ wird auch der Zustandsraum des Prozesses genannt, er enthält alle Werte, die der Prozess annehmen kann.
Eine alternative Formulierung sieht vor, dass $ X $ eine einzige Zufallsvariable $ \Omega \to (H,{\mathcal {H}}) $ ist, wobei $ H\subseteq Z^{T} $ eine (mit einer geeigneten σ-Algebra versehene) Menge von Funktionen $ f\colon T\to Z $ ist. Bei geeigneter Wahl fallen diese beiden Definitionen zusammen.
Die Frage nach der Existenz von stochastischen Prozessen mit bestimmten Eigenschaften wird mit dem Satz von Daniell-Kolmogorow und dem Satz von Ionescu-Tulcea (benannt nach Cassius Ionescu-Tulcea) weitgehend gelöst.
Folgend sind einige Kriterien aufgeführt, nach denen stochastische Prozesse klassifiziert werden. Eine genauere Beschreibung findet sich in der Liste stochastischer Prozesse.
Die grundlegendste Einteilung stochastischer Prozesse in verschiedene Klassen erfolgt über die Indexmenge $ T $ und die Wertemenge $ Z $:
Außerdem werden stochastische Prozesse noch analog zu den Zufallsvariablen danach klassifiziert, ob der Erwartungswert und die Varianz existieren oder spezielle Werte annehmen.
Des Weiteren werden stochastische Prozesse noch mittels der Struktur ihrer stochastischen Abhängigkeiten klassifiziert, diese werden meist über den bedingten Erwartungswert definiert. Zu diesen Klassen gehören:
Des Weiteren kann man Prozesse wie folgt klassifizieren:
Für jedes $ \omega \in \Omega $ erhält man eine Abbildung $ X(\cdot ,\omega )\colon T\rightarrow Z,\,t\mapsto X(t,\omega )=X_{t}(\omega ) $. Diese Abbildungen nennt man die Pfade des Prozesses. Häufig spricht man statt von den Pfaden auch von den Trajektorien oder den Realisierungen des stochastischen Prozesses.
Ist speziell $ T=\mathbb {R} _{+} $ und $ Z\subseteq \mathbb {R} $ (oder ein allgemeinerer topologischer Raum), so kann man von Stetigkeitseigenschaften der Pfade sprechen. Man nennt einen zeitstetigen stochastischen Prozess stetig, rechtsseitig stetig, linksseitig stetig bzw. càdlàg, wenn alle Pfade des Prozesses die entsprechende Eigenschaft haben. Der Wiener-Prozess hat stetige Pfade, von denen im Bild zu den Beispielen unten zwei zu sehen sind. Der Poisson-Prozess ist ein Beispiel für einen zeitstetigen, wertdiskreten càdlàg-Prozess; er hat also rechtsseitig stetige Pfade, bei denen an jeder Stelle der linksseitige Limes existiert.
Neben der Theorie der stochastischen Prozesse gibt es auch die mathematische Disziplin der Zeitreihenanalyse, die weitgehend unabhängig davon operiert. Definitionsgemäß sind stochastische Prozesse und Zeitreihen ein und dasselbe, dennoch weisen die Gebiete Unterschiede auf: Während die Zeitreihenanalyse sich als Teilgebiet der Statistik versteht und versucht, spezielle Modelle (wie etwa ARMA-Modelle) an zeitlich geordnete Daten anzupassen, steht bei den stochastischen Prozessen die Stochastik und die spezielle Struktur der Zufallsfunktionen (etwa Stetigkeit, Differenzierbarkeit, Variation oder Messbarkeit bezüglich gewisser Filtrierungen) im Vordergrund.