imported>Lektor w (Bild Denkmal nach unten zu den Denkmälern. Passt dort einfach besser. Wie er aussah, sieht man ganz oben.) |
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'''Johann Philipp Reis''' (* [[7. Januar]] [[1834]] in [[Gelnhausen]], [[Kurfürstentum Hessen]]; † [[14. Januar]] [[1874]] in [[Friedrichsdorf]]) war ein deutscher [[Physiker]] und [[Erfinder]]. Durch die Entwicklung des ersten funktionierenden Gerätes<ref>Werner Rammert: ''Technik aus soziologischer Perspektive'', Westdeutscher Verlag, Opladen, 1993, ISBN 3-531-12421-8, S. 249.</ref> zur Übertragung von Tönen über elektrische Leitungen gilt er als zentraler Wegbereiter des [[Telefon]]s. Im Zuge dieser Entwicklung erfand Reis auch das Kontaktmikrophon und gab seinem Apparat 1861 den Namen ''Telephon'',<ref>Nature Vol. 140 No. 3535, 31. Juli 1937, S. 188</ref> der sich später international durchsetzen konnte. Eine weitere Erfindung von Reis waren die Rollschlittschuhe,<ref name="Vierhaus">Rudolf Vierhaus (Herausgeber): ''Deutsche biographische Enzyklopädie'', 2. überarbeitete Auflage, K. G. Saur Verlag, München und Leipzig 2007, ISBN 978-3-598-25030-9, S. 303.</ref> eine frühe Art der [[Inlineskate]]s, die jedoch schon zuvor bekannt waren. | '''Johann Philipp Reis''' (* [[7. Januar]] [[1834]] in [[Gelnhausen]], [[Kurfürstentum Hessen]]; † [[14. Januar]] [[1874]] in [[Friedrichsdorf]]) war ein deutscher [[Physiker]] und [[Erfinder]]. Durch die Entwicklung des ersten funktionierenden Gerätes<ref>Werner Rammert: ''Technik aus soziologischer Perspektive'', Westdeutscher Verlag, Opladen, 1993, ISBN 3-531-12421-8, S. 249.</ref> zur Übertragung von Tönen über elektrische Leitungen gilt er als zentraler Wegbereiter des [[Telefon]]s. Im Zuge dieser Entwicklung erfand Reis auch das Kontaktmikrophon und gab seinem Apparat 1861 den Namen ''Telephon'',<ref>Nature Vol. 140 No. 3535, 31. Juli 1937, S. 188</ref> der sich später international durchsetzen konnte. Eine weitere Erfindung von Reis waren die [[Rollschuh|Rollschlittschuhe]],<ref name="Vierhaus">Rudolf Vierhaus (Herausgeber): ''Deutsche biographische Enzyklopädie'', 2. überarbeitete Auflage, K. G. Saur Verlag, München und Leipzig 2007, ISBN 978-3-598-25030-9, S. 303.</ref> eine frühe Art der [[Inlineskate]]s, die jedoch schon zuvor bekannt waren. | ||
== Leben == | == Leben == | ||
Philipp Reis kam als Sohn des Gelnhausener Bürgers und [[Bäcker]]meisters Karl Sigismund Reis (1807–1843) und der Marie Katharine geb. Glöckner (1813–1835) zur Welt<ref>Oskar Blumtritt: „Reis, Johann Philipp.“ In: ''Neue Deutsche Biographie 21'' Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Duncker & Humblot, Berlin 2003. ISBN 978-3-428-00290-0. S. 381.</ref> und wurde evangelisch-lutherisch getauft.<ref>[[Otto Renkhoff]]: ''Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten.'' Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1992, ISBN 3-922244-90-4, S. 638.</ref> Ein Jahr nach seiner Geburt starb die Mutter, 1843 verlor er seinen Vater. Durch den frühen Tod der Eltern wurde | Philipp Reis kam als Sohn des Gelnhausener Bürgers und [[Bäcker]]meisters Karl Sigismund Reis (1807–1843) und der Marie Katharine geb. Glöckner (1813–1835) zur Welt<ref>Oskar Blumtritt: „Reis, Johann Philipp.“ In: ''Neue Deutsche Biographie 21'' Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Duncker & Humblot, Berlin 2003. ISBN 978-3-428-00290-0. S. 381.</ref> und wurde evangelisch-lutherisch getauft.<ref>[[Otto Renkhoff]]: ''Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten.'' Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1992, ISBN 3-922244-90-4, S. 638.</ref> Ein Jahr nach seiner Geburt starb die Mutter, 1843 verlor er seinen Vater. Durch den frühen Tod der Eltern wurde für die [[Waise]] der [[Pate]]nonkel und Namensgeber Philipp Bremer (1808–1863) zum Vormund bestellt.<ref name="Blumtritt382" /> Reis kam zu seiner Großmutter Susanne Maria Fischer (1769–1847) und besuchte die Gelnhäuser Bürgerschule. 1845 verließ er seine Geburtsstadt und ging ins hessische [[Friedrichsdorf]]. Dort war er bis zu seinem 14. Lebensjahr Schüler am [[Louis Frédéric Garnier|Institut Louis Frédéric Garnier]],<ref name="Fleßner">Bernd Fleßner: ''Geniale Denker und clevere Tüftler'', Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2007, ISBN 3-407-75329-2, S. 73</ref> dem Vorgänger der heutigen [[Philipp-Reis-Schule (Friedrichsdorf)|Philipp-Reis-Schule]]. Danach besuchte er das [[Georg Hassel (Pädagoge)|Hasselsche Institut]] in [[Frankfurt am Main]]. | ||
Am 1. | Am 1. März 1850 begann Reis eine kaufmännische Lehre bei dem Frankfurter Farbwarenhandel Johann Friedrich Beyerbach und besuchte eine Handelsschule. Neben seiner beruflichen Ausbildung betrieb er naturwissenschaftliche Studien an einer polytechnischen Vorschule und beim [[Physikalischer Verein|Physikalischen Verein]] in Frankfurt am Main, dessen Mitglied er 1851 wurde. Bereits 1852 fasste Reis den Gedanken, an der Sprachübermittlung durch elektrischen Strom zu forschen.<ref>Physikalischer Verein (Hrsg.): ''Gedenkfeier für Philipp Reis, den Erfinder des Telefons'', 26. Oktober 1961, Frankfurt am Main 1972</ref> | ||
Nach seiner Militärdienstzeit 1855 bei den hessischen Jägern in Kassel unternahm Reis verschiedenen Studienreisen.<ref name="Vierhaus" /> Danach betrieb er in Frankfurt erneut naturwissenschaftliche Studien und wollte in Heidelberg eine Lehrerausbildung beginnen. | Nach seiner Militärdienstzeit 1855 bei den hessischen Jägern in Kassel unternahm Reis verschiedenen Studienreisen.<ref name="Vierhaus" /> Danach betrieb er in Frankfurt erneut naturwissenschaftliche Studien und wollte in Heidelberg eine Lehrerausbildung beginnen. | ||
[[Datei:Friedrichsdorf TS Philipp-Reis-Haus 3.jpg| | [[Datei:Friedrichsdorf TS Philipp-Reis-Haus 3.jpg|mini|Wohnhaus in Friedrichsdorf. Es beherbergt heute ein Museum, das [[Philipp-Reis-Haus]].]] | ||
1858 erhielt Reis bei einem Aufenthalt in Friedrichsdorf von Direktor Garnier | 1858 erhielt Reis bei einem Aufenthalt in Friedrichsdorf von Direktor Garnier eine Anstellung als Lehrer für Französisch, [[Physik]], [[Mathematik]] und [[Chemie]] an dessen Knabeninstitut.<ref>Physikalischer Verein, Frankfurt am Main: ''Jahresbericht des Physikalischen Vereins zu Frankfurt am Main'', Frankfurt am Main 1896, S. 86</ref><ref name="Vierhaus" /> In Gelnhausen heiratete er 1858 Margaretha Schmidt (1836–1895<ref>friedrichsdorf.de: {{Webarchiv |url=http://www.friedrichsdorf.de/lebeninfriedrichsdorf/unserestadt/persoenlichkeiten/margarethereis.php |text=Eine Ehe ohne Mißton - Zum 175. Geburtstag von Margarethe Reis, Ehefrau des Telefonerfinders |wayback=20111012143015 |archiv-bot=}}</ref>), die Tochter des Schneidermeisters Christian Schmidt und der Susanne Bell,<ref name="Blumtritt382">Oskar Blumtritt: „Reis, Johann Philipp.“ In: ''Neue Deutsche Biographie 21'' Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Duncker & Humblot, Berlin 2003. ISBN 978-3-428-00290-0. S. 382.</ref> erwarb ein Haus in Friedrichsdorf und beschäftigte sich in der Freizeit weiter mit Mechanik und Elektrotechnik. Dabei entwickelte er nicht nur Rollschlittschuhe,<ref name="Vierhaus">Rudolf Vierhaus (Herausgeber): ''Deutsche biographische Enzyklopädie'', 2. überarbeitete Auflage, K. G. Saur Verlag, München und Leipzig 2007, ISBN 978-3-598-25030-9, S. 303.</ref> sondern auch ein Veloziped, eine frühe Form des [[Fahrrad]]s,<ref name="Vierhaus" /> das mit Hilfe von handgesteuerten Hebeln in Bewegung gesetzt werden konnte. In weiteren Experimenten forschte er an der Solarkraft. Am 14. Februar 1861 wurde seine Tochter Elise († 1920<ref>historische-eschborn.de: [http://www.historische-eschborn.de/berichte/HG/Elise_Reis/elise_reis.html Elise Reis]</ref>) geboren und zwei Jahre später sein Sohn Karl (1863–1917).<ref name="Blumtritt382" /> | ||
Um seinen Schülern einen anspruchsvollen Unterricht zu ermöglichen, baute er aus einfachen Mitteln anschauliche Modelle. Eines war der Nachbau einer [[Ohrmuschel]], die Reis zu seiner bedeutenden Erfindung anregte.<ref name="Fleßner" /> Die Überwindung der Schwierigkeiten bei der elektrischen Sprachübertragung wurden für ihn zur Lebensaufgabe. | Um seinen Schülern einen anspruchsvollen Unterricht zu ermöglichen, baute er aus einfachen Mitteln anschauliche Modelle. Eines war der Nachbau einer [[Ohrmuschel]], die Reis zu seiner bedeutenden Erfindung anregte.<ref name="Fleßner" /> Die Überwindung der Schwierigkeiten bei der elektrischen Sprachübertragung wurden für ihn zur Lebensaufgabe. | ||
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Von 1858 bis 1863<ref name="Thompson">Silvanus P. Thompson: ''Philipp Reis: Inventor of the telephone.'' E. & F. N. Spon, London 1883.</ref> arbeitete er in [[Friedrichsdorf]] an den ersten Prototypen seiner Installationen und erfand dabei auch das Kontaktmikrophon. Nach anfänglichem Scheitern gelang ihm 1860 mit dem Studium verschiedener physiologischer und physikalischer Schriften, darunter solcher von [[Hermann von Helmholtz]] (1821–1894), der Durchbruch. Reis nannte seine Erfindung ''Telephon'' – in Anlehnung an den ''Telegraphen''.<ref name="Blumtritt382" /> Insgesamt entstanden in der Zeit drei verbesserte Weiterentwicklungen seines Apparates.<ref name="Thompson" /> Am 26. Oktober 1861<ref name="Kant">Horst Kant: ''Ein „mächtig anregender Kreis“ – die Anfänge der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin'', Preprint 2002, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin 2002</ref> führte er einen Prototyp seines Fernsprechers erstmals öffentlich zahlreichen Mitgliedern des Physikalischen Vereins<ref>Ferdinand Rosenberger: ''Die Geschichte der Physik'', Verlag Georg Olms, Frankfurt am Main 1882, S. 792.</ref> in Frankfurt vor.<ref name="Kant" /> Sein Vortragstitel lautete: ''Über die Fortpflanzung von Tönen auf beliebige Entfernungen durch Vermittlung des [[Galvanismus|galvanischen Stroms]]''. Daraufhin erschien im Jahresbericht<ref>Gemeinsamer Verbundkatalog: [http://gso.gbv.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=130158763 Jahresbericht des Physikalischen Vereins Frankfurt am Main]</ref> 1860/61 des Vereins auf Seite 57 ein wissenschaftlicher Fachbericht von Reis zum Telefon: ''Ueber Telephonie durch den galvanischen Strom.''<ref>Physikalischer Verein, Frankfurt am Main: ''Jahresbericht des Physikalischen Vereins zu Frankfurt am Main'', Frankfurt am Main 1896, ISBN 3-407-75329-2, S. 78.</ref> | Von 1858 bis 1863<ref name="Thompson">Silvanus P. Thompson: ''Philipp Reis: Inventor of the telephone.'' E. & F. N. Spon, London 1883.</ref> arbeitete er in [[Friedrichsdorf]] an den ersten Prototypen seiner Installationen und erfand dabei auch das Kontaktmikrophon. Nach anfänglichem Scheitern gelang ihm 1860 mit dem Studium verschiedener physiologischer und physikalischer Schriften, darunter solcher von [[Hermann von Helmholtz]] (1821–1894), der Durchbruch. Reis nannte seine Erfindung ''Telephon'' – in Anlehnung an den ''Telegraphen''.<ref name="Blumtritt382" /> Insgesamt entstanden in der Zeit drei verbesserte Weiterentwicklungen seines Apparates.<ref name="Thompson" /> Am 26. Oktober 1861<ref name="Kant">Horst Kant: ''Ein „mächtig anregender Kreis“ – die Anfänge der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin'', Preprint 2002, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin 2002</ref> führte er einen Prototyp seines Fernsprechers erstmals öffentlich zahlreichen Mitgliedern des Physikalischen Vereins<ref>Ferdinand Rosenberger: ''Die Geschichte der Physik'', Verlag Georg Olms, Frankfurt am Main 1882, S. 792.</ref> in Frankfurt vor.<ref name="Kant" /> Sein Vortragstitel lautete: ''Über die Fortpflanzung von Tönen auf beliebige Entfernungen durch Vermittlung des [[Galvanismus|galvanischen Stroms]]''. Daraufhin erschien im Jahresbericht<ref>Gemeinsamer Verbundkatalog: [http://gso.gbv.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=130158763 Jahresbericht des Physikalischen Vereins Frankfurt am Main]</ref> 1860/61 des Vereins auf Seite 57 ein wissenschaftlicher Fachbericht von Reis zum Telefon: ''Ueber Telephonie durch den galvanischen Strom.''<ref>Physikalischer Verein, Frankfurt am Main: ''Jahresbericht des Physikalischen Vereins zu Frankfurt am Main'', Frankfurt am Main 1896, ISBN 3-407-75329-2, S. 78.</ref> | ||
[[Datei:Die Gartenlaube (1863) 809 1.jpg| | [[Datei:Die Gartenlaube (1863) 809 1.jpg|mini|Zeichnung des Reis’schen Musiktelegraphen aus der Zeitschrift ''Die Gartenlaube'', 1863]] | ||
Von diesen ersten Erfolgen ermuntert, verbesserte Reis seinen Apparat bis 1863 wesentlich<ref>Hermann Julius Meyer: ''Meyers Konversationslexikon'', Bibliographisches Institut, Leipzig, 1894, S. 314.</ref> und ließ seine Modelle in größeren Mengen von [[Johann Valentin Albert]], einem Frankfurter Kaufmann und Mechaniker, herstellen, um sie international als wissenschaftliches Demonstrationsobjekt für 8 bis 12 Taler zu verkaufen.<ref>Werner Rammert: ''Technik aus soziologischer Perspektive'', Westdeutscher Verlag, Opladen, 1993, ISBN 3-531-12421-8, S. 234.</ref> So wurde der deutsche Erfinder in der Fachwelt weltweit bekannt.<ref>Gesellschaft für Deutsche Postgeschichte: ''Archiv für deutsche Postgeschichte'', 1994, S. 53.</ref> Ein weitreichender wirtschaftlicher Nutzen blieb Reis jedoch versagt.<ref>Ferdinand Trendelenburg: ''Einführung in die Akustik?'', Springer-Verlag, Heidelberg, 1950, S. 150.</ref> | Von diesen ersten Erfolgen ermuntert, verbesserte Reis seinen Apparat bis 1863 wesentlich<ref>Hermann Julius Meyer: ''Meyers Konversationslexikon'', Bibliographisches Institut, Leipzig, 1894, S. 314.</ref> und ließ seine Modelle in größeren Mengen von [[Johann Valentin Albert]], einem Frankfurter Kaufmann und Mechaniker, herstellen, um sie international als wissenschaftliches Demonstrationsobjekt für 8 bis 12 Taler zu verkaufen.<ref>Werner Rammert: ''Technik aus soziologischer Perspektive'', Westdeutscher Verlag, Opladen, 1993, ISBN 3-531-12421-8, S. 234.</ref> So wurde der deutsche Erfinder in der Fachwelt weltweit bekannt.<ref>Gesellschaft für Deutsche Postgeschichte: ''Archiv für deutsche Postgeschichte'', 1994, S. 53.</ref> Ein weitreichender wirtschaftlicher Nutzen blieb Reis jedoch versagt.<ref>Ferdinand Trendelenburg: ''Einführung in die Akustik?'', Springer-Verlag, Heidelberg, 1950, S. 150.</ref> | ||
Der Grund lag hauptsächlich in der öffentlichen Haltung zum Telefon in Deutschland, besonders beeinflusst durch die allgemein ablehnende wissenschaftliche Meinung. Eine große Ausnahme war ein Kommunikationspraktiker, der einflussreiche Wilhelm von Legat, Vorsteher der preußischen Telegraphen-Inspektion VIII in Frankfurt am Main. Er erkannte das Potential der Erfindung und platzierte einen Artikel zur Reis’schen Erfindung in einer renommierten Fachzeitschrift. Doch ohne wissenschaftliche Reputation fand auch diese Veröffentlichung keine Resonanz. So sperrte sich auch [[Johann Christian Poggendorff]] gegen die Bekanntmachung der Erfindung in seinen ''Annalen der Physik und Chemie'' und nahm den Aufsatz trotz von Legats Fürsprache auch nicht in sein ''Biographisch-Literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften'' auf.<ref>U. Troitzsch, G. Wohlauf (Herausgeber): ''Technik Geschichte'', Frankfurt 1977, S. 286.</ref> | Der Grund lag hauptsächlich in der öffentlichen Haltung zum Telefon in Deutschland, besonders beeinflusst durch die allgemein ablehnende wissenschaftliche Meinung. Eine große Ausnahme war ein Kommunikationspraktiker, der einflussreiche Wilhelm von Legat, Vorsteher der preußischen Telegraphen-Inspektion VIII in Frankfurt am Main. Er erkannte das Potential der Erfindung und platzierte einen Artikel zur Reis’schen Erfindung in einer renommierten Fachzeitschrift. Doch ohne wissenschaftliche Reputation fand auch diese Veröffentlichung keine Resonanz. So sperrte sich auch [[Johann Christian Poggendorff]] gegen die Bekanntmachung der Erfindung in seinen ''[[Annalen der Physik|Annalen der Physik und Chemie]]'' und nahm den Aufsatz trotz von Legats Fürsprache auch nicht in sein ''[[Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften|Biographisch-Literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften]]'' auf.<ref>U. Troitzsch, G. Wohlauf (Herausgeber): ''Technik Geschichte'', Frankfurt 1977, S. 286.</ref> | ||
Am 6. September 1863 führte Reis sein Telefon im | Am 6. September 1863 führte Reis sein Telefon im [[Goethe-Haus]] Kaiser [[Franz Joseph I.|Franz Josef von Österreich]] vor. Bei dieser Demonstration übermittelte er musikalische Töne.<ref>E.C.S.: ''Calendar of Scientific Pioneers'', Nature 120, 3. September 1927, S. 350f.</ref> Auch vor der hochrangig besetzten [[Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte|Naturforscherversammlung]] in [[Gießen]] am 21. September 1864 konnte er erneut großes Interesse wecken und erreichte, dass ihn die Schriftleitung der ''Annalen der Physik und Chemie'', die 1860 noch einen Abdruck seiner Abhandlung über das Telefon verweigert hatte, nun beachten musste. Reis lehnte jedoch diesmal einen Artikel ab – in der Gewissheit, seine Erfindung werde auch ohne Unterstützung durch Johann Christian Poggendorff bekannt werden. Das zuletzt entwickelte Telefon besaß bereits eine elektromagnetische Anrufeinrichtung.<ref name="Beckh" /> | ||
Weitere Verbesserungen blieben Reis jedoch versagt. Schon früh an [[Tuberkulose]] erkrankt, war er immer wieder ans Bett gefesselt und konnte so seine Erfindung nicht weiterentwickeln.<ref name="Fleßner" /> Der Erfinder des ersten funktionsfähigen Telefons starb am Nachmittag des 14. Januar 1874 im Alter von 40 Jahren an den Folgen seiner Krankheit. Er wurde auf dem Friedrichsdorfer Friedhof beigesetzt. | Weitere Verbesserungen blieben Reis jedoch versagt. Schon früh an [[Tuberkulose]] erkrankt, war er immer wieder ans Bett gefesselt und konnte so seine Erfindung nicht weiterentwickeln.<ref name="Fleßner" /> Der Erfinder des ersten funktionsfähigen Telefons starb am Nachmittag des 14. Januar 1874 im Alter von 40 Jahren an den Folgen seiner Krankheit. Er wurde auf dem Friedrichsdorfer Friedhof beigesetzt. | ||
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{{Hauptartikel|Erfindung des Telefons}} | {{Hauptartikel|Erfindung des Telefons}} | ||
[[Datei:Reis-telephone-zeichnung 1.jpg|mini|Zeichnung der Versuchsanordnung]] | [[Datei:Reis-telephone-zeichnung 1.jpg|mini|Zeichnung der Versuchsanordnung]] | ||
[[Datei:Nachbau des Telefons von Philipp Reis, Sprechseite.jpg| | [[Datei:Nachbau des Telefons von Philipp Reis, Sprechseite.jpg|mini|Nachbau des Telefons von Philipp Reis im [[Heinz Nixdorf MuseumsForum]]]] | ||
Während seiner Zeit am Institut Garnier in Friedrichsdorf entwickelte er 1860/61 die elektrische Sprachübermittlung – das ''Telephon''. Grundlage für seine Vorrichtung zur elektrischen Tonübertragung war das Holzmodell einer Ohrmuschel, das er für den Physikunterricht entwickelt hatte. Als nachempfundenes [[Trommelfell]] diente ihm bei diesem Schulmodell ein Stück Naturdarm ([[Wurst]]haut) mit einem feinen Platinstreifen als Ersatz für die [[Gehörknöchelchen]]. Trafen Schallwellen auf dieses Trommelfell, versetzten sie es in Schwingungen, so dass der Stromkreis zwischen dem Metallstreifen und einer Drahtfeder unterbrochen wurde. | Während seiner Zeit am Institut Garnier in Friedrichsdorf entwickelte er 1860/61 die elektrische Sprachübermittlung – das ''Telephon''. Grundlage für seine Vorrichtung zur elektrischen Tonübertragung war das Holzmodell einer Ohrmuschel, das er für den Physikunterricht entwickelt hatte. Als nachempfundenes [[Trommelfell]] diente ihm bei diesem Schulmodell ein Stück Naturdarm ([[Wurst]]haut) mit einem feinen Platinstreifen als Ersatz für die [[Gehörknöchelchen]]. Trafen Schallwellen auf dieses Trommelfell, versetzten sie es in Schwingungen, so dass der Stromkreis zwischen dem Metallstreifen und einer Drahtfeder unterbrochen wurde. | ||
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Im Laufe seiner Versuche erkannte Reis, dass statt des Ohrmodells auch ein mit einer [[Schwingungsmembran|Membran]] bespannter Schalltrichter verwendet werden konnte. Dieser Schalltrichter mündete in einem Gehäusekasten. Er versah die Membran nun mit einem Kontakt aus Platin, der im ruhenden Zustand einen anderen Kontakt, der im Gehäuse befestigt war, gerade noch berührte. Über diesen Kontakt und einen äußeren [[Widerstand (Bauelement)|Widerstand]] wurde [[Gleichstrom]] geleitet. Fand nun an der Membran ein Schallwechseldruck statt, kam diese in Schwingung, was dazu führte, dass die Kontakte je nach dem Lauf der [[Schall]]wellen mehr oder weniger zusammengedrückt wurden.<ref name="Medienwissenschaft">Joachim-Felix Leonhard, Armin Burkhardt, Gerold Ungeheuer, Herbert Ernst Wiegand, Hugo Steger, Klaus Brinker: ''Medienwissenschaft, 2. Teilband'', Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2001, ISBN 3-11-016326-8, S. 1255.</ref> Reis hatte mit dieser Versuchsanordnung das Kontaktmikrofon erfunden – Basis für das spätere [[Kohlemikrofon]], das auch in der Frühzeit des Rundfunks Verwendung fand.<ref name="Medienwissenschaft" /> | Im Laufe seiner Versuche erkannte Reis, dass statt des Ohrmodells auch ein mit einer [[Schwingungsmembran|Membran]] bespannter Schalltrichter verwendet werden konnte. Dieser Schalltrichter mündete in einem Gehäusekasten. Er versah die Membran nun mit einem Kontakt aus Platin, der im ruhenden Zustand einen anderen Kontakt, der im Gehäuse befestigt war, gerade noch berührte. Über diesen Kontakt und einen äußeren [[Widerstand (Bauelement)|Widerstand]] wurde [[Gleichstrom]] geleitet. Fand nun an der Membran ein Schallwechseldruck statt, kam diese in Schwingung, was dazu führte, dass die Kontakte je nach dem Lauf der [[Schall]]wellen mehr oder weniger zusammengedrückt wurden.<ref name="Medienwissenschaft">Joachim-Felix Leonhard, Armin Burkhardt, Gerold Ungeheuer, Herbert Ernst Wiegand, Hugo Steger, Klaus Brinker: ''Medienwissenschaft, 2. Teilband'', Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2001, ISBN 3-11-016326-8, S. 1255.</ref> Reis hatte mit dieser Versuchsanordnung das Kontaktmikrofon erfunden – Basis für das spätere [[Kohlemikrofon]], das auch in der Frühzeit des Rundfunks Verwendung fand.<ref name="Medienwissenschaft" /> | ||
Die aufgrund der einfachen Technik für heutige Verhältnisse rasch ausgereizten Minimal- und Maximalwerte des abbildbaren Schallwellenbereichs konnten bis zur Stromunterbrechung führen. Der [[Schalldruckpegel]] wurde daher nur unvollkommen im Stromverlauf abgebildet. Moderne Untersuchungen zeigen jedoch, dass Sprache durchaus verständlich wird, wenn die Stromschwankungen des Reis’schen Kontaktmikrofons durch einen Kopfhörer oder Lautsprecher wiedergegeben werden.<ref name="Medienwissenschaft" /> Doch schon zu | Die aufgrund der einfachen Technik für heutige Verhältnisse rasch ausgereizten Minimal- und Maximalwerte des abbildbaren Schallwellenbereichs konnten bis zur Stromunterbrechung führen. Der [[Schalldruckpegel]] wurde daher nur unvollkommen im Stromverlauf abgebildet. Moderne Untersuchungen zeigen jedoch, dass Sprache durchaus verständlich wird, wenn die Stromschwankungen des Reis’schen Kontaktmikrofons durch einen Kopfhörer oder Lautsprecher wiedergegeben werden.<ref name="Medienwissenschaft" /> Doch schon zu Reis’ Lebzeiten wurde die Leistungsfähigkeit seiner Erfindung im Ausland erfolgreich überprüft. Insgesamt gelang die Übertragung von Musik jedoch besser als von Sprache.<ref name="Blumtritt382" /> | ||
Als [[Empfangsgerät|Empfänger]] diente Reis eine [[Spule (Elektrotechnik)|Kupferdrahtspule]], die um eine Stricknadel (''sprechende Stricknadel'') gewickelt wurde. Die vom Sender ausgesandten Stromimpulse flossen nun über die Spule, wobei die bewegte Nadel die Impulse wieder in Schallwellen umsetzte. Zur Verstärkung des Schalls bediente sich Reis eines Holzkästchens als [[Resonator|Resonanzboden]]. | Als [[Empfangsgerät|Empfänger]] diente Reis eine [[Spule (Elektrotechnik)|Kupferdrahtspule]], die um eine Stricknadel (''sprechende Stricknadel'') gewickelt wurde. Die vom Sender ausgesandten Stromimpulse flossen nun über die Spule, wobei die bewegte Nadel die Impulse wieder in Schallwellen umsetzte. Zur Verstärkung des Schalls bediente sich Reis eines Holzkästchens als [[Resonator|Resonanzboden]]. | ||
Einige Exemplare seiner Apparate kamen auch nach Russland,<ref>Nature 51, 4. April 1895, S. 537f.</ref> Großbritannien, Irland und in die USA. 1865 konnte der britisch-amerikanische Erfinder [[David Edward Hughes]] (1831–1900) gute Resultate mit dem deutschen ''Telephon'' erzielen<ref name="Nature 106">E.C.S.: ''Calendar of Scientific Pioneers'', Nature 106, 13. Januar 1921, S. 650f.</ref> und führte die Erfindung im Sommer 1865 dem russischen [[Zar]]en [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] auf dessen Sommersitz [[Puschkin (Stadt)|Zarskoje]] vor.<ref>Rolf Bernzen: ''Das Telephon von Philipp Reis. Eine Apparategeschichte.'' Marburg 1999. ISBN 3-00-004284-9. S. 133.</ref> Im Herbst desselben Jahres demonstrierte Stephen M. Yeates (1832–1901), ein technikbegeisterter Instrumentenbauer aus [[Dublin]], die Reis’sche Erfindung mit Erfolg vor einem ausgewählten Kreis, dem auch der irische Physiker William Frazer (1824–1899) beiwohnte, der die Leistungsfähigkeit des Telefons schriftlich bestätigte.<ref name="Thompson" /> Ab 1868 wurde in den USA mit der deutschen Erfindung gearbeitet.<ref name="Beckh">Joachim Beckh: ''Blitz und Anker, Band 1: Informationstechnik - Geschichte und Hintergründe'', Books on Demand, 2005, ISBN 3-8334-2996-8, S. 223</ref> | Einige Exemplare seiner Apparate kamen auch nach Russland,<ref>Nature 51, 4. April 1895, S. 537f.</ref> Großbritannien, Irland und in die USA. 1865 konnte der britisch-amerikanische Erfinder [[David Edward Hughes]] (1831–1900) gute Resultate mit dem deutschen ''Telephon'' erzielen<ref name="Nature 106">E.C.S.: ''Calendar of Scientific Pioneers'', Nature 106, 13. Januar 1921, S. 650f.</ref> und führte die Erfindung im Sommer 1865 dem russischen [[Zar]]en [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] auf dessen Sommersitz [[Puschkin (Stadt)|Zarskoje Sélo]] vor.<ref>Rolf Bernzen: ''Das Telephon von Philipp Reis. Eine Apparategeschichte.'' Marburg 1999. ISBN 3-00-004284-9. S. 133.</ref> Im Herbst desselben Jahres demonstrierte Stephen M. Yeates (1832–1901), ein technikbegeisterter Instrumentenbauer aus [[Dublin]], die Reis’sche Erfindung mit Erfolg vor einem ausgewählten Kreis, dem auch der irische Physiker William Frazer (1824–1899) beiwohnte, der die Leistungsfähigkeit des Telefons schriftlich bestätigte.<ref name="Thompson" /> Ab 1868 wurde in den USA mit der deutschen Erfindung gearbeitet.<ref name="Beckh">Joachim Beckh: ''Blitz und Anker, Band 1: Informationstechnik - Geschichte und Hintergründe'', Books on Demand, 2005, ISBN 3-8334-2996-8, S. 223</ref> | ||
[[Alexander Graham Bell]] hatte ein frühes Modell des Reis’schen Telefonapparates bereits 1862 in [[Edinburgh]] kennengelernt. Sein Vater versprach ihm und seinen Brüdern einen Preis, wenn sie diese ''Sprechmaschine'' weiterentwickeln würden.<ref name="Beckh" /> Im März 1875 experimentierte Bell an der amerikanischen Forschungs- und Bildungseinrichtung [[Smithsonian Institution]] in [[Washington, D.C.]] mit einem neueren Fernsprechermodell des Deutschen<ref name="Thompson" /><ref name="Beckh" /> und profitierte von dessen Grundlagenforschung<ref name="Vierhaus" /> | [[Alexander Graham Bell]] hatte ein frühes Modell des Reis’schen Telefonapparates bereits 1862 in [[Edinburgh]] kennengelernt. Sein Vater versprach ihm und seinen Brüdern einen Preis, wenn sie diese ''Sprechmaschine'' weiterentwickeln würden.<ref name="Beckh" /> Im März 1875 experimentierte Bell an der amerikanischen Forschungs- und Bildungseinrichtung [[Smithsonian Institution]] in [[Washington, D.C.]] mit einem neueren Fernsprechermodell des Deutschen<ref name="Thompson" /><ref name="Beckh" /> und profitierte von dessen Grundlagenforschung.<ref name="Vierhaus" /> Neben den Unterlagen des Erfinders [[Antonio Meucci]], die Bell ebenfalls auswertete, gehören die Studien von Philipp Reis damit zu den zentralen Wegbereitern des ersten wirtschaftlich verwertbaren Fernsprechers. | ||
== Rezeption == | == Rezeption == | ||
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[[Datei:sinuskurvePR.jpg|mini|Denkmal in Friedrichsdorf]] | [[Datei:sinuskurvePR.jpg|mini|Denkmal in Friedrichsdorf]] | ||
* [[Nature]], die weltweit angesehenste Zeitschrift für Naturwissenschaften, beschrieb schon 1878 den Aufbau von verschiedenen Entwicklungsstadien der Reis’schen Erfindung.<ref>{{Literatur | Autor= W. F. BARRETT| Titel= Early Electric Telephony| Sammelwerk= Nature | Band= 17| Nummer= | Jahr= 1878| Seiten= 510–512| DOI=10.1038/017510a0}}</ref><ref> | * [[Nature]], die weltweit angesehenste Zeitschrift für Naturwissenschaften, beschrieb schon 1878 den Aufbau von verschiedenen Entwicklungsstadien der Reis’schen Erfindung.<ref>{{Literatur | Autor= W. F. BARRETT| Titel= Early Electric Telephony| Sammelwerk= Nature | Band= 17| Nummer= | Jahr= 1878| Seiten= 510–512| DOI=10.1038/017510a0}}</ref><ref>{{Literatur |Titel=R. Gerstl, aus London, den 1. May |Sammelwerk=Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft |Band=11 |Nummer=1 |Datum=1878-01 |DOI=10.1002/cber.187801101263 |Seiten=994–997 |Online=http://doi.wiley.com/10.1002/cber.187801101263 |Abruf=2021-04-03}}</ref> | ||
* 1883 erschien die erste große englischsprachige Biographie mit zahlreichen Details, Originaldokumenten und Übersetzungen unter dem Titel ''Philipp Reis: Inventor of the telephone''. Der Verfasser, der britische Physiker [[Silvanus Phillips Thompson]], | * 1883 erschien die erste große englischsprachige Biographie mit zahlreichen Details, Originaldokumenten und Übersetzungen unter dem Titel ''Philipp Reis: Inventor of the telephone''. Der Verfasser, der britische Physiker [[Silvanus Phillips Thompson]], war von Reis überzeugt und sah ihn als Erfinder des Telefons an. | ||
=== Denkmäler === | === Denkmäler === | ||
* Nach der Einführung des Telefons errichteten die Mitglieder des [[Physikalischer Verein|Physikalischen Vereins]] zu Frankfurt 1878 einen Obelisk auf seinem Grab. | * Nach der Einführung des Telefons errichteten die Mitglieder des [[Physikalischer Verein|Physikalischen Vereins]] zu Frankfurt 1878 einen Obelisk auf seinem Grab. | ||
* Das [[Philipp-Reis-Denkmal]] in Frankfurt am Main befindet sich in der [[Wallanlagen (Frankfurt am Main)#Eschenheimer Anlage|Eschenheimer Anlage]], es wurde 1919 errichtet.<ref name="KunstÖffRaum">{{Internetquelle|url=http://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page120.html?id=33 |titel=Denkmal |autor=Nicola Netzer |werk=kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de | * Eine 1895 von Carl Rumpf geschaffene Porträtbüste befindet sich im Besitz des Physikalischen Vereins | ||
* Eine Büste des Erfinders steht am Untermarkt in seiner Geburtsstadt [[Gelnhausen]]. | * Das [[Philipp-Reis-Denkmal]] in Frankfurt am Main befindet sich in der [[Wallanlagen (Frankfurt am Main)#Eschenheimer Anlage|Eschenheimer Anlage]], es wurde 1919 errichtet.<ref name="KunstÖffRaum">{{Internetquelle|url=http://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page120.html?id=33 |titel=Denkmal |autor=Nicola Netzer |werk=kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de |datum=2015 |abruf=2016-09-01}}</ref> | ||
* Eine Büste des Erfinders steht seit 1920 am Untermarkt in seiner Geburtsstadt [[Gelnhausen]]. | |||
* Das Denkmal in der Philipp-Reis-Passage in Friedrichsdorf besteht aus einer Reihe von Aluminiumstelen, die dreidimensional eine [[Sinuston|Sinuskurve]] darstellen und damit die Übertragung von Tönen durch das Telefon symbolisieren. | * Das Denkmal in der Philipp-Reis-Passage in Friedrichsdorf besteht aus einer Reihe von Aluminiumstelen, die dreidimensional eine [[Sinuston|Sinuskurve]] darstellen und damit die Übertragung von Tönen durch das Telefon symbolisieren. | ||
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* Der Bundespostminister stiftete 1952 die [[Philipp-Reis-Plakette]]. | * Der Bundespostminister stiftete 1952 die [[Philipp-Reis-Plakette]]. | ||
* Der [[Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik|VDE]], die Deutsche Telekom sowie die Städte Friedrichsdorf und Gelnhausen vergeben seit 1987 alle zwei Jahre den [[Johann-Philipp-Reis-Preis]] für besondere wissenschaftliche Leistungen im Bereich der Nachrichtentechnik. | * Der [[Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik|VDE]], die Deutsche Telekom sowie die Städte Friedrichsdorf und Gelnhausen vergeben seit 1987 alle zwei Jahre den [[Johann-Philipp-Reis-Preis]] für besondere wissenschaftliche Leistungen im Bereich der Nachrichtentechnik. | ||
* Die Philipp-Reis-Schule in Frankfurt-Bockenheim ging 1969 im [[Georg-Büchner-Schule (Frankfurt am Main)|Schulzentrum Bockenheim-Süd]] auf | |||
* [[Philipp-Reis-Haus]] in Friedrichsdorf (siehe oben unter [[#Museen|Museen]]) | * [[Philipp-Reis-Haus]] in Friedrichsdorf (siehe oben unter [[#Museen|Museen]]) | ||
* [[Philipp-Reis-Schule]] in Friedrichsdorf | * [[Philipp-Reis-Schule]] in Friedrichsdorf | ||
* Philipp-Reis-Passage in Friedrichsdorf | *Philipp-Reis-Passage in Friedrichsdorf | ||
* Philipp-Reis-Straßen in verschiedenen Orten | *[[Johann-Philipp-Reis-Schule Friedberg|Johann-Philipp-Reis-Schule]] in Friedberg | ||
* Philipp-Reis-Schule Gelnhausen<ref>{{Internetquelle |url=https://philipp-reis.gelnhausen.schule.hessen.de/ |titel=Philipp-Reis-Schule - Gelnhausen |hrsg=Schulen in Hessen |datum=2021-08-02 |abruf=2021-08-23}}</ref> | |||
* Philipp-Reis-Straßen in verschiedenen Orten, darunter in [[Liste der Straßennamen von Frankfurt am Main/P#Ph|Frankfurt-Bockenheim]]. In der Philipp-Reis-Straße in Karlsruhe befindet sich ein Verwaltungsgebäude der [[Deutsche Telekom|Deutschen Telekom]]. | |||
=== Briefmarken und Gedenkmünze === | === Briefmarken und Gedenkmünze === | ||
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DBP 1961 373 100 Jahre Telefon von Philipp Reis.jpg|[[Briefmarken-Jahrgang 1961 der Deutschen Bundespost|Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1961]]: 100 Jahre Philipp-Reis-Telephon | DBP 1961 373 100 Jahre Telefon von Philipp Reis.jpg|[[Briefmarken-Jahrgang 1961 der Deutschen Bundespost|Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1961]] (mit Rechtschreibfehler): 100 Jahre Philipp-Reis-Telephon | ||
5 Mark DDR 1974 - 100. Todestag von Philipp Reis -.JPG|5-Mark-[[Liste der Gedenkmünzen der DDR|Gedenkmünze der DDR]] 1974 <br /> zum 100. Todestag | 5 Mark DDR 1974 - 100. Todestag von Philipp Reis -.JPG|5-Mark-[[Liste der Gedenkmünzen der DDR|Gedenkmünze der DDR]] 1974 <br /> zum 100. Todestag | ||
DBP 1984 1198 Philipp Reis.jpg|[[Briefmarken-Jahrgang 1984 der Deutschen Bundespost|Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1984]] | DBP 1984 1198 Philipp Reis.jpg|[[Briefmarken-Jahrgang 1984 der Deutschen Bundespost|Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1984]] <br /> zum 150. Geburtstag | ||
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=== Sonstiges === | |||
Zu seinem 175. Geburtstag würdigte [[Google]] am 7. Januar 2009 Philipp Reis mit einem [[Google Doodle|Doodle]] auf der Deutschen Suchseite.<ref>[https://www.google.com/doodles/johann-philipp-reis-birthday Geburtstag von Johann Philipp Reis] auf der Doodle-Übersichtsseite, abgerufen am 12. November 2021</ref> | |||
== Bibliographie == | == Bibliographie == | ||
* Philipp Reis: ''Über Telephonie durch | * Philipp Reis: ''Über Telephonie durch galvanischen Strom'', Wiederabdrücke aus den Jahresberichten des Physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. in ''Beiblätter zu den Annalen der Physik''; Barth, Frankfurt a. M., 1897 | ||
* Philipp Reis: ''Mitteilung über das Telephon'', Wiederabdrücke aus den | * Philipp Reis: ''Mitteilung über das Telephon'', Wiederabdrücke aus den Jahresberichten des Physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. in ''Beiblätter zu den Annalen der Physik''; Barth, Frankfurt a. M., 1897 | ||
== Siehe auch == | == Siehe auch == | ||
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* {{ADB|28|113|114|Reis, Philipp|Wilhelm Stricker|ADB:Reis, Philipp}} | * {{ADB|28|113|114|Reis, Philipp|Wilhelm Stricker|ADB:Reis, Philipp}} | ||
* Rolf Bernzen: ''Philipp Reis. Formen, Phasen und Motivationen der Auseinandersetzungen mit dem Telephon. Versuch einer Bestandsaufnahme.'' Berliner Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Band 16. ERS-Verlag, Berlin 1992. ISBN 3-928577-14-X | * Rolf Bernzen: ''Philipp Reis. Formen, Phasen und Motivationen der Auseinandersetzungen mit dem Telephon. Versuch einer Bestandsaufnahme.'' Berliner Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Band 16. ERS-Verlag, Berlin 1992. ISBN 3-928577-14-X | ||
* Rolf Bernzen: ''Das Telephon von Philipp Reis. Eine Apparategeschichte.'' Marburg 1999. ISBN 3-00-004284-9 | *Klaus Beyrer: ''Johann Philipp Reis''. In: ''Die großen Hessen'', hrsg. von Hans Sarkowicz und Ulrich Sonnenschein. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1996, S. 217–223 | ||
*Rolf Bernzen: ''Das Telephon von Philipp Reis. Eine Apparategeschichte.'' Marburg 1999. ISBN 3-00-004284-9 | |||
* {{NDB|21|381|382|Reis, Philipp|Oskar Blumtritt|11874433X}} | * {{NDB|21|381|382|Reis, Philipp|Oskar Blumtritt|11874433X}} | ||
* Fritz Koch: {{Frankfurter Personenlexikon|874|Reis, Philipp}} (Stand des Artikels: 31. März 1996), auch in: {{BibISBN|3782904591|Seiten=187–188}} | |||
* [[Das Archiv|Archiv für deutsche Postgeschichte]], Ausgabe 1/1963; hat Philipp Reis als Themenschwerpunkt | * [[Das Archiv|Archiv für deutsche Postgeschichte]], Ausgabe 1/1963; hat Philipp Reis als Themenschwerpunkt | ||
* [[Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens]]; 2. Auflage; Band 3 Q–Z; S. 1376 | * [[Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens]]; 2. Auflage; Band 3 Q–Z; S. 1376 | ||
* K. Jäger, F. Heilbronner (Hrsg.): ''Lexikon der Elektrotechniker'', VDE Verlag, 2. Auflage von 2010, Berlin/Offenbach, ISBN 978-3-8007-2903-6, S. 355–356 | |||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
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* | * {{Internetquelle |url=http://www.friedrichsdorf.de/lebeninfriedrichsdorf/unserestadt/geschichte/persoenlichkeiten/philippreis/philippreis_info.php |titel=Philipp Reis, Erfinder des Telefons |werk=friedrichsdorf.de |abruf=2020-08-28 |abruf-verborgen=1}} | ||
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* {{Internetquelle |autor=David Globig |url=https://media.neuland.br.de/file/1803182/c/website/philipp-reis-erfinder-des-telefons.mp3 |titel=Philipp Reis – Erfinder des Telefons |werk=[[Radiowissen|radioWissen]] |datum=2020-08-27 |format=mp3-Audio; 22,1 MB; 23:29 Minuten |abruf=2020-08-28 |abruf-verborgen=1}} | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == |
Johann Philipp Reis (* 7. Januar 1834 in Gelnhausen, Kurfürstentum Hessen; † 14. Januar 1874 in Friedrichsdorf) war ein deutscher Physiker und Erfinder. Durch die Entwicklung des ersten funktionierenden Gerätes[1] zur Übertragung von Tönen über elektrische Leitungen gilt er als zentraler Wegbereiter des Telefons. Im Zuge dieser Entwicklung erfand Reis auch das Kontaktmikrophon und gab seinem Apparat 1861 den Namen Telephon,[2] der sich später international durchsetzen konnte. Eine weitere Erfindung von Reis waren die Rollschlittschuhe,[3] eine frühe Art der Inlineskates, die jedoch schon zuvor bekannt waren.
Philipp Reis kam als Sohn des Gelnhausener Bürgers und Bäckermeisters Karl Sigismund Reis (1807–1843) und der Marie Katharine geb. Glöckner (1813–1835) zur Welt[4] und wurde evangelisch-lutherisch getauft.[5] Ein Jahr nach seiner Geburt starb die Mutter, 1843 verlor er seinen Vater. Durch den frühen Tod der Eltern wurde für die Waise der Patenonkel und Namensgeber Philipp Bremer (1808–1863) zum Vormund bestellt.[6] Reis kam zu seiner Großmutter Susanne Maria Fischer (1769–1847) und besuchte die Gelnhäuser Bürgerschule. 1845 verließ er seine Geburtsstadt und ging ins hessische Friedrichsdorf. Dort war er bis zu seinem 14. Lebensjahr Schüler am Institut Louis Frédéric Garnier,[7] dem Vorgänger der heutigen Philipp-Reis-Schule. Danach besuchte er das Hasselsche Institut in Frankfurt am Main.
Am 1. März 1850 begann Reis eine kaufmännische Lehre bei dem Frankfurter Farbwarenhandel Johann Friedrich Beyerbach und besuchte eine Handelsschule. Neben seiner beruflichen Ausbildung betrieb er naturwissenschaftliche Studien an einer polytechnischen Vorschule und beim Physikalischen Verein in Frankfurt am Main, dessen Mitglied er 1851 wurde. Bereits 1852 fasste Reis den Gedanken, an der Sprachübermittlung durch elektrischen Strom zu forschen.[8]
Nach seiner Militärdienstzeit 1855 bei den hessischen Jägern in Kassel unternahm Reis verschiedenen Studienreisen.[3] Danach betrieb er in Frankfurt erneut naturwissenschaftliche Studien und wollte in Heidelberg eine Lehrerausbildung beginnen.
1858 erhielt Reis bei einem Aufenthalt in Friedrichsdorf von Direktor Garnier eine Anstellung als Lehrer für Französisch, Physik, Mathematik und Chemie an dessen Knabeninstitut.[9][3] In Gelnhausen heiratete er 1858 Margaretha Schmidt (1836–1895[10]), die Tochter des Schneidermeisters Christian Schmidt und der Susanne Bell,[6] erwarb ein Haus in Friedrichsdorf und beschäftigte sich in der Freizeit weiter mit Mechanik und Elektrotechnik. Dabei entwickelte er nicht nur Rollschlittschuhe,[3] sondern auch ein Veloziped, eine frühe Form des Fahrrads,[3] das mit Hilfe von handgesteuerten Hebeln in Bewegung gesetzt werden konnte. In weiteren Experimenten forschte er an der Solarkraft. Am 14. Februar 1861 wurde seine Tochter Elise († 1920[11]) geboren und zwei Jahre später sein Sohn Karl (1863–1917).[6]
Um seinen Schülern einen anspruchsvollen Unterricht zu ermöglichen, baute er aus einfachen Mitteln anschauliche Modelle. Eines war der Nachbau einer Ohrmuschel, die Reis zu seiner bedeutenden Erfindung anregte.[7] Die Überwindung der Schwierigkeiten bei der elektrischen Sprachübertragung wurden für ihn zur Lebensaufgabe.
Von 1858 bis 1863[12] arbeitete er in Friedrichsdorf an den ersten Prototypen seiner Installationen und erfand dabei auch das Kontaktmikrophon. Nach anfänglichem Scheitern gelang ihm 1860 mit dem Studium verschiedener physiologischer und physikalischer Schriften, darunter solcher von Hermann von Helmholtz (1821–1894), der Durchbruch. Reis nannte seine Erfindung Telephon – in Anlehnung an den Telegraphen.[6] Insgesamt entstanden in der Zeit drei verbesserte Weiterentwicklungen seines Apparates.[12] Am 26. Oktober 1861[13] führte er einen Prototyp seines Fernsprechers erstmals öffentlich zahlreichen Mitgliedern des Physikalischen Vereins[14] in Frankfurt vor.[13] Sein Vortragstitel lautete: Über die Fortpflanzung von Tönen auf beliebige Entfernungen durch Vermittlung des galvanischen Stroms. Daraufhin erschien im Jahresbericht[15] 1860/61 des Vereins auf Seite 57 ein wissenschaftlicher Fachbericht von Reis zum Telefon: Ueber Telephonie durch den galvanischen Strom.[16]
Von diesen ersten Erfolgen ermuntert, verbesserte Reis seinen Apparat bis 1863 wesentlich[17] und ließ seine Modelle in größeren Mengen von Johann Valentin Albert, einem Frankfurter Kaufmann und Mechaniker, herstellen, um sie international als wissenschaftliches Demonstrationsobjekt für 8 bis 12 Taler zu verkaufen.[18] So wurde der deutsche Erfinder in der Fachwelt weltweit bekannt.[19] Ein weitreichender wirtschaftlicher Nutzen blieb Reis jedoch versagt.[20]
Der Grund lag hauptsächlich in der öffentlichen Haltung zum Telefon in Deutschland, besonders beeinflusst durch die allgemein ablehnende wissenschaftliche Meinung. Eine große Ausnahme war ein Kommunikationspraktiker, der einflussreiche Wilhelm von Legat, Vorsteher der preußischen Telegraphen-Inspektion VIII in Frankfurt am Main. Er erkannte das Potential der Erfindung und platzierte einen Artikel zur Reis’schen Erfindung in einer renommierten Fachzeitschrift. Doch ohne wissenschaftliche Reputation fand auch diese Veröffentlichung keine Resonanz. So sperrte sich auch Johann Christian Poggendorff gegen die Bekanntmachung der Erfindung in seinen Annalen der Physik und Chemie und nahm den Aufsatz trotz von Legats Fürsprache auch nicht in sein Biographisch-Literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften auf.[21]
Am 6. September 1863 führte Reis sein Telefon im Goethe-Haus Kaiser Franz Josef von Österreich vor. Bei dieser Demonstration übermittelte er musikalische Töne.[22] Auch vor der hochrangig besetzten Naturforscherversammlung in Gießen am 21. September 1864 konnte er erneut großes Interesse wecken und erreichte, dass ihn die Schriftleitung der Annalen der Physik und Chemie, die 1860 noch einen Abdruck seiner Abhandlung über das Telefon verweigert hatte, nun beachten musste. Reis lehnte jedoch diesmal einen Artikel ab – in der Gewissheit, seine Erfindung werde auch ohne Unterstützung durch Johann Christian Poggendorff bekannt werden. Das zuletzt entwickelte Telefon besaß bereits eine elektromagnetische Anrufeinrichtung.[23]
Weitere Verbesserungen blieben Reis jedoch versagt. Schon früh an Tuberkulose erkrankt, war er immer wieder ans Bett gefesselt und konnte so seine Erfindung nicht weiterentwickeln.[7] Der Erfinder des ersten funktionsfähigen Telefons starb am Nachmittag des 14. Januar 1874 im Alter von 40 Jahren an den Folgen seiner Krankheit. Er wurde auf dem Friedrichsdorfer Friedhof beigesetzt.
Sein Sohn wurde Buchhalter in der Ferd. Stemler Zwiebackfabrik und Kaufmann in Homburg.[24]
Während seiner Zeit am Institut Garnier in Friedrichsdorf entwickelte er 1860/61 die elektrische Sprachübermittlung – das Telephon. Grundlage für seine Vorrichtung zur elektrischen Tonübertragung war das Holzmodell einer Ohrmuschel, das er für den Physikunterricht entwickelt hatte. Als nachempfundenes Trommelfell diente ihm bei diesem Schulmodell ein Stück Naturdarm (Wursthaut) mit einem feinen Platinstreifen als Ersatz für die Gehörknöchelchen. Trafen Schallwellen auf dieses Trommelfell, versetzten sie es in Schwingungen, so dass der Stromkreis zwischen dem Metallstreifen und einer Drahtfeder unterbrochen wurde.
Im Laufe seiner Versuche erkannte Reis, dass statt des Ohrmodells auch ein mit einer Membran bespannter Schalltrichter verwendet werden konnte. Dieser Schalltrichter mündete in einem Gehäusekasten. Er versah die Membran nun mit einem Kontakt aus Platin, der im ruhenden Zustand einen anderen Kontakt, der im Gehäuse befestigt war, gerade noch berührte. Über diesen Kontakt und einen äußeren Widerstand wurde Gleichstrom geleitet. Fand nun an der Membran ein Schallwechseldruck statt, kam diese in Schwingung, was dazu führte, dass die Kontakte je nach dem Lauf der Schallwellen mehr oder weniger zusammengedrückt wurden.[25] Reis hatte mit dieser Versuchsanordnung das Kontaktmikrofon erfunden – Basis für das spätere Kohlemikrofon, das auch in der Frühzeit des Rundfunks Verwendung fand.[25]
Die aufgrund der einfachen Technik für heutige Verhältnisse rasch ausgereizten Minimal- und Maximalwerte des abbildbaren Schallwellenbereichs konnten bis zur Stromunterbrechung führen. Der Schalldruckpegel wurde daher nur unvollkommen im Stromverlauf abgebildet. Moderne Untersuchungen zeigen jedoch, dass Sprache durchaus verständlich wird, wenn die Stromschwankungen des Reis’schen Kontaktmikrofons durch einen Kopfhörer oder Lautsprecher wiedergegeben werden.[25] Doch schon zu Reis’ Lebzeiten wurde die Leistungsfähigkeit seiner Erfindung im Ausland erfolgreich überprüft. Insgesamt gelang die Übertragung von Musik jedoch besser als von Sprache.[6]
Als Empfänger diente Reis eine Kupferdrahtspule, die um eine Stricknadel (sprechende Stricknadel) gewickelt wurde. Die vom Sender ausgesandten Stromimpulse flossen nun über die Spule, wobei die bewegte Nadel die Impulse wieder in Schallwellen umsetzte. Zur Verstärkung des Schalls bediente sich Reis eines Holzkästchens als Resonanzboden.
Einige Exemplare seiner Apparate kamen auch nach Russland,[26] Großbritannien, Irland und in die USA. 1865 konnte der britisch-amerikanische Erfinder David Edward Hughes (1831–1900) gute Resultate mit dem deutschen Telephon erzielen[27] und führte die Erfindung im Sommer 1865 dem russischen Zaren Alexander II. auf dessen Sommersitz Zarskoje Sélo vor.[28] Im Herbst desselben Jahres demonstrierte Stephen M. Yeates (1832–1901), ein technikbegeisterter Instrumentenbauer aus Dublin, die Reis’sche Erfindung mit Erfolg vor einem ausgewählten Kreis, dem auch der irische Physiker William Frazer (1824–1899) beiwohnte, der die Leistungsfähigkeit des Telefons schriftlich bestätigte.[12] Ab 1868 wurde in den USA mit der deutschen Erfindung gearbeitet.[23]
Alexander Graham Bell hatte ein frühes Modell des Reis’schen Telefonapparates bereits 1862 in Edinburgh kennengelernt. Sein Vater versprach ihm und seinen Brüdern einen Preis, wenn sie diese Sprechmaschine weiterentwickeln würden.[23] Im März 1875 experimentierte Bell an der amerikanischen Forschungs- und Bildungseinrichtung Smithsonian Institution in Washington, D.C. mit einem neueren Fernsprechermodell des Deutschen[12][23] und profitierte von dessen Grundlagenforschung.[3] Neben den Unterlagen des Erfinders Antonio Meucci, die Bell ebenfalls auswertete, gehören die Studien von Philipp Reis damit zu den zentralen Wegbereitern des ersten wirtschaftlich verwertbaren Fernsprechers.
Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1961 (mit Rechtschreibfehler): 100 Jahre Philipp-Reis-Telephon
5-Mark-Gedenkmünze der DDR 1974
zum 100. Todestag
Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1984
zum 150. Geburtstag
Zu seinem 175. Geburtstag würdigte Google am 7. Januar 2009 Philipp Reis mit einem Doodle auf der Deutschen Suchseite.[33]
Personendaten | |
---|---|
NAME | Reis, Philipp |
ALTERNATIVNAMEN | Reis, Johann Philipp (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Physiker und Erfinder |
GEBURTSDATUM | 7. Januar 1834 |
GEBURTSORT | Gelnhausen, Kurfürstentum Hessen |
STERBEDATUM | 14. Januar 1874 |
STERBEORT | Friedrichsdorf |