Der ASEP (kurz für engl. “asymmetric simple exclusion process”; dt.: „asymmetrischer einfacher Ausschluss-Prozess“) ist in der Mathematik bzw. Statistik das Musterbeispiel eines Teilchenhüpfprozesses, bzw. eines getriebenen Nicht-Gleichgewicht-Systems. Dabei springen „Teilchen“ auf einem eindimensionalen Gitter von einem Gitterpunkt zum nächsten.
In der ursprünglichen Formulierung läuft der Prozess in kontinuierlicher Zeit nach folgender Regel ab: Jedes Teilchen hat einen virtuellen inneren 'Wecker'. Dieser klingelt nach einer exponentiell verteilten Zufallszeit mit Mittelwert $ \tau =1/(p+q) $ und das Teilchen springt mit Wahrscheinlichkeit $ p_{l}=p/(p+q) $ einen Gitterplatz nach rechts und mit Wahrscheinlichkeit $ p_{r}=q/(p+q) $ nach links, vorausgesetzt, der ausgewählte Platz ist frei. Sollte die ausgewählte benachbarte Zelle besetzt sein, wird der Sprungversuch verworfen und das Teilchen bleibt auf seinem Platz. Es darf folglich auf jedem Gitterplatz immer nur maximal ein Teilchen vorhanden sein. Auf dem Computer lässt sich der Prozess durch folgenden Algorithmus definieren: Es erfolgt ein zufällig-sequentieller Update, bei dem die folgenden zwei Schritte beliebig oft wiederholt werden:
Es gibt in der Literatur einige Verwirrung über die genaue Bezeichnung von Systemen mit Einschränkungen. So wird der Spezialfall $ p_{l}=0 $ bisweilen mit TASEP (“totally asymmetric simple exclusion process”) bezeichnet, manchmal wird jedoch auch hierfür schlicht der Begriff ASEP verwendet. Bei Betrachtungen von offenen Systemen werden oft am linken Rand Teilchen mit der Wahrscheinlichkeit $ \alpha $ eingefügt (wenn der Platz frei ist) und am rechten mit der Wahrscheinlichkeit $ \beta $ aus dem System herausgenommen.
Der TASEP mit $ p_{r}=1 $ unterscheidet sich von Regel 184 der Wolfram-Zellularautomaten - und damit von der einfachsten Version des Nagel-Schreckenberg-Modells - nur durch das zufällige sequentielle Update. Würde man ein paralleles Update wählen, d. h. also nach der Regel „Bewege alle Teilchen auf dem Gitter, deren rechter Gitterplatz frei ist, eine Position nach rechts“ Runde um Runde vorgehen, ergäbe sich also exakt Regel 184. Einziger Unterschied wäre die symmetrische Interpretation weißer und schwarzer Zellen bei Wolfram im Vergleich zur Vorstellung von „Teilchen“ und „leerer Platz“ beim ASEP. Die Dynamik würde sich von Regel 184 jedoch in keiner Weise unterscheiden.
Bei sogenannten “Correlated Random Walks” ist die Asymmetrie in der Bewegung nicht an eine feste Richtung geknüpft, sondern an die Richtung des letzten Schrittes. Meist wird in solchen Systemen eine Tendenz zum Erhalt der Bewegungsrichtung angenommen. Ein Teilchen, das zuletzt nach rechts bewegt wurde, wird auch im nächsten Schritt mit einer Wahrscheinlichkeit größer 0,5 nach rechts bewegt werden.
In einem bestimmten hydrodynamischen Grenzfall erfüllt der ASEP die Burgersgleichung. Mit einer Abbildung auf ein stochastisches Modell von Grenzflächenwachstum ist der ASEP auch ein mikroskopische Modell der Kardar-Parisi-Zhang-Gleichung (kurz: KPZ-Gleichung) mit weißem Rauschen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von weiteren Abbildungen auf andere Systeme, z. B. auf Polymere in ungeordneten Systemen oder das Bernoulli-Matching-Modell für den Vergleich von Gensequenzen.
Der ASEP wurde von Carolyn T. MacDonald, Julian H. Gibbs, und Allen C. Pipkin 1968 zum ersten Mal formuliert und zwar als mathematisches Modell für die Kinetik der Proteinsynthese durch Ribosomen. 1970 wurde er unabhängig davon von Frank Spitzer erstmals in der mathematischen Literatur eingeführt. Das Ziel war dabei, makroskopisches hydrodynamisches Verhalten exemplarisch aus einem mikroskopischen Modell rigoros herzuleiten. Joachim Krug entdeckte 1991 Phasenübergänge im ASEP, die von der Rate des Einsetzens (am linken Rand) und Herausnehmens (am rechten Rand) der Teilchen abhängen. Bernard Derrida und Mitarbeiter einerseits und Gunter M. Schütz mit E. Domany andererseits fanden 1993 unabhängig voneinander eine exakte Lösung für den ASEP. 2010 gelang es Tomohiro Sasamoto und Herbert Spohn, mit Hilfe des ASEP eine exakte Lösung der KPZ-Gleichung mit weißem Rauschen zu konstruieren.
Der ASEP dient dazu, das Verhalten von Vielteilchensystemen fern vom thermischen Gleichgewicht exemplarisch zu studieren. Insbesondere erlangt man einerseits auf mikroskopischer Ebene ein detailliertes Verständnis für statistische Ensembles und andererseits lässt sich verständlich machen, wie makroskopische Dynamik von Dichteverteilungen aus mikroskopischen Wechselwirkungen zwischen einzelnen Teilchen hervorgehen. Insbesondere erkennt man, wie Dichtediskontinuitäten mit 'Verkehrsstaus' von Teilchen zusammenhängen, wie sich deterministisches Verhalten auf makroskopischer aus zufälliger Dynamik auf der mikroskopischen Ebene ergibt und schließlich lassen sich auch universelle Eigenschaften von Fluktuationen detailliert studieren. Zur Erforschung des ASEP stehen eine Vielzahl von mathematisch exakten Methoden zur Verfügung, die auch dann greifen, wo die sehr beschränkten traditionellen Methoden der Nichtgleichgewichtsthermodynamik versagen.
Für konkrete Anwendungen ist der ASEP zu einfach, um irgendein reales System realistisch zu simulieren. Seine Bedeutung liegt dann darin, dass er zum einen als Abstraktion bzw. Vereinfachung einer Reihe realitätsnaher Simulationsmodelle betrachtet werden kann und dass er zum anderen - im Gegensatz zu den meisten realitätsnahen Simulationsmodellen - analytischen Untersuchungsmethoden zugänglich ist. Diese realitätsnahen mit ASEP verwandten Modelle existieren in sehr unterschiedlichen Gebieten wie der Fortbewegung von Ameisen, der Biopolymerisation, der Fußgängerdynamik, molekularen Motoren, dem Wachstum von Oberflächen, der Proteinsynthese und dem Straßenverkehr. Für bestimmte Simulationsansätze in diesen und anderen Bereichen erfüllt der ASEP daher die Funktion einer Drosophila.