Magnetische Anisotropie beschreibt die Tatsache, dass magnetische Materialien eine Vorzugsrichtung oder Vorzugsebene für die Magnetisierung aufweisen können. Das Maß dafür ist die magnetische Anisotropieenergie, die als die Arbeit definiert ist, die benötigt wird, um die Magnetisierung eines geschlossenen Systems (kein Teilchenaustausch) aus der „leichten Richtung“ (der Vorzugsrichtung) herauszudrehen.
Die magnetische Anisotropie bewirkt die Kopplung der Magnetisierung an das Kristallgitter und ist zum Beispiel dafür verantwortlich, dass sich eine Magnetnadel dreht (und damit der Ausrichtung des Spin-Gitters folgt).
Es gibt verschiedene Formen der magnetischen Anisotropie. Neben der magnetokristallinen Anisotropie der Kopplung von Magnetisierung und Kristallgitter gibt es auch Effekte, die auf der Änderung der Form des Körpers (Formanisotropie) oder der elastischen Spannung (magnetoelastische Anisotropie) beruhen. 1956 wurde ein neuer Effekt entdeckt (Exchange Bias, auch unidirektionale Austausch-Anisotropie)[1], der eine bevorzugte Magnetisierungsrichtung in einem Ferromagneten aufgrund der Wechselwirkung mit einem benachbarten Antiferromagneten bewirkt und Anwendungen in Leseköpfen von Festplatten hat, die auf dünnen ferromagnetischen Schichten beruhen (Nutzung z. B. des GMR-Effekts). Daneben gibt es noch die Grenzflächenanisotropie in dünnen magnetischen Schichten.
Das Auftreten der magnetischen Anisotropie ist auf den ersten Blick überraschend. Die Austauschwechselwirkung, die für die kollektive Ordnung der magnetischen Momente verantwortlich ist, ist isotrop. Der Heisenbergsche Spin-Hamiltonoperator ist (als Skalarprodukt) ebenfalls isotrop. Magnetische Anisotropie ist jedoch Erfahrungstatsache. Eine thermodynamische Betrachtung führt zur Gibbschen freien Energiedichte (ein phänomenologischer Zugang in dem Symmetriebetrachtungen eine leitende Rolle spielen) und damit zu den Termen, die die Anisotropie beschreiben; das wurde zuerst vom russischen Physiker Akulow (1900–1976) durchgeführt. Die spontane Magnetisierung ist isotrop, das heißt für alle Richtungen gleich groß. Das folgt aus der Beobachtung, dass die Magnetisierung eines ferromagnetischen Einkristalls in einem hinreichend hohen Feld für alle Richtungen gleich groß ist. Alle ferromagnetischen Eigenschaften eines Ferromagnetikums gehen in allen Richtungen bei der gleichen Temperatur verloren, das heißt, der Curie-Punkt ist isotrop.
Allerdings kann, je nach Richtung, ein unterschiedliches Magnetisierungsverhalten gemessen werden. Ein Eiseneinkristall erreicht seine Sättigungsmagnetisierung recht schnell, wenn er entlang seiner Würfelkanten magnetisiert wird. Bei Magnetisierung entlang der Flächendiagonalen wächst die Magnetisierung – verglichen mit obigem Fall – langsamer. Ein ferromagnetischer Einkristall zeigt in verschiedenen Richtungen i. a. verschiedene Magnetisierungskurven. Die magnetische Anisotropie kann durch die Magnetisierungsarbeit gekennzeichnet werden. Beim Eisen ist die Magnetisierungsarbeit entlang der Würfelkanten am geringsten, diese Richtung wird als leichte Richtung bezeichnet. Eisen hat drei leichte und vier schwere Richtungen (entlang der Raumdiagonalen). In Kobalt sind eine leichte (die hexagonale Achse) und unendlich viele schwere Richtungen zu finden.
Die magnetische Anisotropieenergie beschreibt die mit der Orientierung der Magnetisierung $ {\vec {M}} $ verbundene Energie. Die Größe der magnetischen Anisotropieenergien liegen mehrere Größenordnungen unter denen der Austauschenergie, die für die spontane kollektive Ordnung der permanenten magnetischen Momente verantwortlich ist. Die entsprechenden Felder liegen bei der Austauschwirkung bei 400-2000 Tesla, während die der Anisotropie bei etwa 0,01 bis 10 T liegen.
Grundsätzlich hat die magnetische Anisotropie ihre Ursachen in zwei physikalischen Wechselwirkungen:
Die Kristallanisotropie wird durch mechanische Spannungen beeinflusst, sog. inverse Magnetostriktion.
Insbesondere spielt die Spin-Bahn-Kopplung bei der magnetokristallinen Anisotropie eine Rolle, was wegen deren geringer Größe im Vergleich etwa zur Austauschwechselwirkung Schwierigkeiten für die theoretische Ableitung der Anisotropie aus Modellen birgt.[2]
Herausragende Bedeutung hat die Erforschung der magnetischen Anisotropie in der Entwicklung neuer Festplatten. Immer schnellere Zugriffszeiten und insbesondere immer höhere Speicherdichten werden in näherer Zukunft an das sogenannte paramagnetische Limit (siehe dazu Mooresches Gesetz) führen. Die magnetische Anisotropie kann beispielsweise gezielt dazu eingesetzt werden, um die Stabilität der Bits zu erhöhen (eine Überwindungsenergie, wie sie bei der Anisotropie vorhanden ist, bewirkt immer eine gewisse Stabilität des Systems), die sich bei kleiner werdenden Dimensionen gegenseitig beeinflussen können; Letzteres hätte unerwünschte Informationsverluste zur Folge.
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die magnetische Dünnschichttechnologie.
Die positive magnetoelastische Anisotropie von Eisen wird genutzt, um oberflächennahe Eigenspannungszustände in Eisenwerkstoffen und Stahlteilen mit dem Barkhausenrauschen aufzufinden.[3]