Quasikristall

Quasikristall

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Atommodell eines Al-Pd-Mn Quasikristalls[1]
Foto eines Ho-Mg-Zn-Quasikristalls

In Quasikristallen sind die Atome bzw. Moleküle in einer geordneten, aber aperiodischen Struktur angeordnet. Experimentell entdeckt wurden sie 1982 von Daniel Shechtman, dem dafür 2011 der Chemie-Nobelpreis zugesprochen wurde.[2] Auf seine Entdeckung geht die Bezeichnung Shechtmanit zurück. Mathematisch wurden diese Strukturen zuerst von Peter Kramer und Roberto Neri 1984 beschrieben. Wesentlich zu ihrer Strukturaufklärung trugen auch Paul Steinhardt und Dov Levine 1984 bei.

Geschichte

1984 entdeckte Dan Shechtman bei der Kristallstrukturanalyse einer schnell abgekühlten Aluminium-Mangan-Legierung (14 % Mangan) eine ungewöhnliche Struktur. Diese besaß die Punktgruppensymmetrie $ m{\bar {3}}{\bar {5}} $ und damit die Symmetrie eines Ikosaeders. Dies ist für kristalline Substanzen sehr ungewöhnlich, da bei dieser Symmetrie keine Gitterverschiebungen möglich sind und damit keine periodische Struktur, wie für die Definition eines Kristalles nötig, vorhanden ist.[3] Mathematisch wurden ikosaedrische Quasikristalle erstmals 1984 von Peter Kramer und Roberto Neri konstruiert.[4] Später prägten Dov Levine und Paul Joseph Steinhardt für diesen neuen Phasentyp den Begriff „Quasikristall“ und verglichen die bei der Strukturanalyse gefundenen Daten mit mathematischen Modellen.[5]

Ein früher Pionier der Quasikristalle war auch Alan Mackay in Großbritannien, der schon 1962 eine Arbeit über Ikosaeder-Kugelpackungen publizierte (eine Packung mit fünfzähliger Symmetrie) und Penrose-Parkettierungen in der Kristallographie Anfang der 1980er Jahre anwandte. Dafür erhielt er mit Levine und Steinhardt 2010 den Oliver E. Buckley Condensed Matter Prize.

Muster in Quasikristallen

Eine sog. Penrose-Parkettierung

In einem normalen Kristall sind die Atome bzw. Moleküle in einer periodischen Struktur angeordnet. Diese Struktur wiederholt sich in jeder der drei Raumrichtungen, ähnlich wie Honigwaben sich in zwei Raumrichtungen wiederholen. Jede Zelle ist von Zellen umgeben, die ein identisches Muster bilden. In einem Quasikristall sind die Atome bzw. Moleküle dagegen nur „quasiperiodisch“ angeordnet. Lokal befinden sich die Atome in einer regelmäßigen Struktur, im globalen Maßstab aber ist die Struktur aperiodisch, jede Zelle ist von einem jeweils anderen Muster umgeben.

Besonders bemerkenswert an den Quasikristallen ist, dass sie eine fünf-, acht-, zehn- oder zwölfzählige Symmetrie aufweisen.[6] In einem normalen Kristall sind nur ein-, zwei-, drei-, vier-, und sechszählige Symmetrien möglich. Das ergibt sich daraus, dass der Raum nur auf diese Art mit kongruenten Teilen gefüllt werden kann. Vor der Entdeckung der Quasikristalle nahm man an, dass eine fünfzählige Symmetrie schon deshalb nie auftreten könne, weil es nicht möglich ist, den Raum entsprechend periodisch zu füllen.

Die Entdeckung der Quasikristalle half dabei, neu zu definieren, was das Wesen eines Kristalls ausmacht. Quasikristalle haben keine periodischen Strukturen, aber sie besitzen scharfe Beugungspunkte. Es existiert eine wichtige Beziehung zwischen den Quasikristallen und der Penrose-Parkettierung, die Roger Penrose bereits vor der Entdeckung der Quasikristalle gefunden hatte: Wenn man einen Quasikristall geeignet schneidet, zeigt die Schnittfläche genau das Muster der Penrose-Parkettierung.

Geometrische Interpretation

Ein periodisches Muster kann man komplett um einen bestimmten Abstand so verschieben, dass jedes verschobene Atom genau die Stelle eines entsprechenden Atoms im Originalmuster einnimmt. In einem quasiperiodischen Muster ist eine derartige komplette Parallelverschiebung des Musters nicht möglich, egal, welchen Abstand man wählt. Allerdings kann man jeden beliebigen Ausschnitt, egal welche Größe er hat, so verschieben, dass er (ggf. nach einer Rotation) deckungsgleich mit einem entsprechenden Ausschnitt ist.

Es gibt eine Beziehung zwischen periodischen und nichtperiodischen Mustern. Jedes quasiperiodische Muster aus Punkten kann aus einem periodischen Muster einer höheren Dimension geformt werden: Um zum Beispiel einen dreidimensionalen Quasikristall zu erzeugen, kann man mit einer periodischen Anordnung von Punkten in einem sechsdimensionalen Raum beginnen. Der dreidimensionale Raum sei ein linearer Unterraum, der den sechsdimensionalen Raum in einem bestimmten Winkel durchdringt. Wenn man jeden Punkt des sechsdimensionalen Raumes, der sich innerhalb eines bestimmten Abstandes zum dreidimensionalen Unterraum befindet, auf den Unterraum projiziert und der Winkel eine irrationale Zahl darstellt, wie zum Beispiel der Goldene Schnitt, dann entsteht ein quasiperiodisches Muster.

Jedes quasiperiodische Muster kann auf diese Weise erzeugt werden. Jedes Muster, das man auf diese Weise erhält, ist entweder periodisch oder quasiperiodisch. Dieser geometrische Ansatz ist nützlich, um physikalische Quasikristalle zu analysieren. In einem Kristall sind Gitterfehler Stellen, an denen das periodische Muster gestört ist. In einem Quasikristall sind das Stellen, wo der dreidimensionale Unterraum gebogen, gefaltet oder gebrochen ist, wenn er den höherdimensionalen Raum durchdringt.

Vorkommen

Quasikristalle kommen in vielen dreidimensionalen Legierungs-Systemen vor. Die meisten Legierungen, die Quasikristalle enthalten, sind thermodynamisch instabil, können also nur durch schnelle Abkühlung gebildet werden und wandeln sich beim erneuten Erhitzen in stabilere Kristalle um. Es existieren jedoch auch eine Reihe von thermodynamisch stabilen Legierungen, die quasikristallin aufgebaut sind. Es handelt sich dabei in der Regel um ternäre Legierungen, also solche mit drei Legierungselementen und den Elementen Aluminium, Zink, Cadmium oder Titan als Hauptbestandteil. Diese Legierungen - und solche mit „benachbarten“ Konzentrationen - sind oft amorph (bzw. zunächst amorph, vor der eigentlichen Kristallisierung). Amorphe Systeme sind also oft Konkurrenten zu den Quasikristallen (Konkurrenz von sog. α-Phasen und sog. i-Phasen).

Zu den seltenen Zwei-Element-Systemen mit quasikristalliner Struktur zählen Cd5,7Yb, Cd5,7Ca in ikosaedrischer Struktur und Ta1,6Te in einer dodekaedrischen Struktur. Da die quasikristalline Struktur in der Regel nur in einem sehr engen Mischungsbereich der Elemente stabil ist, kann man Quasikristalle auch zu den intermetallischen Verbindungen zählen.[7]

Es ist bislang nur ein natürlich vorkommendes quasikristallines Mineral, der Ikosaedrit, bekannt. Es handelt sich dabei um eine Aluminium-Kupfer-Eisen-Legierung mit der Zusammensetzung Al63Cu24Fe13, die auf der Tschuktschen-Halbinsel in Russland gefunden wurde.[8]

Verwendung

Es werden verschiedene Anwendungen quasikristalliner Verbindungen untersucht. Dies betrifft sowohl Komposit-Materialien, in denen Legierungen zur Verbesserung bestimmter Eigenschaften quasikristalline Verbindungen beigemischt werden, als auch quasikristalline Beschichtungen. Als Zuschlagstoff zu Stahl ermöglichen Quasikristalle einen sehr festen, duktilen, korrosions- und alterungsbeständigen Stahl. Er ist vor allem für medizinische Geräte, etwa in der Chirurgie oder Akupunktur interessant.[9] Auch Aluminiumlegierungen können durch den Zuschlag von Quasikristallen in ihren Eigenschaften, etwa der Festigkeit bei hohen Temperaturen oder der Verformbarkeit, verbessert werden.[7]

Quasikristalline Beschichtungen ermöglichen durch ihre Härte und Oxidationsstabilität einen besonders geringen Abrieb und eine geringe Haftung. Dies ist für Bratpfannen von Interesse, daher werden Quasikristall-Beschichtungen als Alternative zu Edelstahlpfannen und Polytetrafluorethylen-Beschichtungen untersucht.[7]

Auch in der Katalyse werden quasikristalline Verbindungen als mögliche Katalysatoren untersucht, so eine quasikristalline Aluminium-Kupfer-Eisen-Legierung für die Dampfreformierung von Methanol.[7]

Literatur

  • A. Katz: A Short Introduction to Quasicrystallography. In: Waldschmidt (Herausgeber): From Number theory to physics. Springer, 1992, doi:10.1007/978-3-662-02838-4_11.
  • Michael Baake, Robert Moody, Uwe Grimm: Verborgene Ordnung der Quasikristalle. In: Spektrum der Wissenschaften. Februar 2002, S. 64–74. Englisch: What is Aperiodic Order? In: arXiv. 2002, arxiv:math.HO/0203252.
  • D. Shechtman: Twin-determined growth of diamond films. In: Materials Science and Engineering. Band A184, 1994, S. 113–118, doi:10.1016/0921-5093(94)91025-1.
  • D. Shechtman, D. van Heerden, D. Josell: fcc Titanium in Ti-Al Multilayers. In: Materials Letters. 20, 1994, S. 329, doi:10.1016/0167-577X(94)90039-6
  • C. Giacovazzo (Hrsg.): Fundamentals of Crystallography. Oxford University Press, 1992, ISBN 0-19-855578-4, S. 223–226.
  • Charles Radin: Quasicrystals and Geometry. In: Notices AMS. 43, 1996, 416.
  • Charles Radin: A revolutionary material. In: Notices AMS. 60, Nr. 3, 2013, 310.

Weblinks

Commons: Quasikristalle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. B Ünal, V. Fournée, K. J. Schnitzenbaumer, C. Ghosh, C. J. Jenks, A. R. Ross, T. A. Lograsso, J. W. Evans, P. A. Thiel: Nucleation and growth of Ag islands on fivefold Al-Pd-Mn quasicrystal surfaces: Dependence of island density on temperature and flux. In: Physical Review B. 75. Jahrgang, 2007, S. 064205, doi:10.1103/PhysRevB.75.064205.
  2. The Nobel Prize in Chemistry 2011. Nobelprize.org (offizielle Homepage des Nobelpreises), abgerufen am 5. Oktober 2011 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  3. D. Shechtman, I. Blech, D. Gratias, J. Cahn: Metallic Phase with Long-Range Orientational Order and No Translational Symmetry. In: Physical Review Letters. 53, 1984, S. 1951–1953, doi:10.1103/PhysRevLett.53.1951.
  4. P. Kramer, R. Neri: On periodic and non-periodic space fillings of E(m) obtained by projection. In: Acta Crystallographica. A40. Jahrgang, Nr. 5, 1984, S. 580, doi:10.1107/S0108767384001203.
  5. Dov Levine, Paul Steinhardt: Quasicrystals: A New Class of Ordered Structures. In: Physical Review Letters. 53, 1984, S. 2477–2480, doi:10.1103/PhysRevLett.53.2477.
  6. Eintrag zu Quasikristalle. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 5. Oktober 2011.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Enrique Maciá, Jean- Marie Dubois, Patricia Ann Thiel: Quasicrystals. In: Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie. Wiley-VCH, Weinheim 2008, doi:10.1002/14356007.e22_e01.pub2.
  8. Luca Bindi, Paul J. Steinhardt, Nan Yao, Peter J. Lu: Natural Quasicrystals. In: Science 324, Nr. 5932, 2009, S. 1306–1309, doi:10.1126/science.1170827.
  9. Quasicrystals. Reaching maturity for technological applications (Seite 5, lib.dr.iastate.edu, abgerufen am 3. Juni 2016)

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