Eine dichteste Kugelpackung ist die geometrische Anordnung unendlich vieler Kugeln gleicher Größe im 3-dimensionalen Raum in der Weise, dass diese einander nur berühren und nicht überlappen und dabei den verbleibenden Leerraum minimal lassen. Eine solche Anordnung ergibt sich, wenn viele Kugeln schichtweise gestapelt werden. Innerhalb einer Schicht berührt dabei jede Kugel sechs Nachbarkugeln. Die Packungsdichte einer dichtesten Kugelpackung ist:
Historisch geht das Problem auf Sir Walter Raleigh zurück. Dieser stellte die Frage, wie denn in einem Schiff Kanonenkugeln in der dichtesten Weise zu stapeln wären. Im Jahre 1611 stellte dann Johannes Kepler seine berühmte Vermutung auf: Die größtmögliche Packungsdichte einer beliebigen Anordnung von unendlich vielen Kugeln im 3-dimensionalen Raum ist die obige Zahl. Diese Keplersche Vermutung wurde 1831 von Carl Friedrich Gauß für Anordnungen bewiesen, bei denen die Kugeln auf einem Gitter liegen. Erst 1998 gelang es dem amerikanischen Mathematiker Thomas Hales, für den allgemeinen Fall die Vermutung mittels eines Computerbeweises zu zeigen. Jedoch wird von Teilen der mathematischen Fachwelt dieser Beweis noch nicht anerkannt.
Die Betrachtung einer endlichen Zahl von Kugeln führt zur Theorie der endlichen Kugelpackungen, einem nicht weniger komplexen Problem der Mathematik.
Dichteste Kugelpackungen treten in Kristallstrukturen auf und sind daher in der Kristallographie und in der Werkstoffkunde und Kristallchemie von Bedeutung.
Eine dichteste Kugelpackung besteht aus hexagonalen Kugel-Schichten. In einer dieser Schichten (mit A gekennzeichnet) gibt es zwei Arten dreieckiger Leerstellen, eine mit der Spitze nach unten (mit B gekennzeichnet) und eine mit der Spitze nach oben (mit C gekennzeichnet). Auf diese Schicht kann jetzt eine weitere hexagonal dichtest gepackte Kugelschicht so gelegt werden, dass alle Kugeln entweder in den B- oder den C-Lücken sitzen. Eine Struktur, die durch eine entsprechende Stapelung dieser Kugelschichten entsteht, wobei dieselbe Schicht nicht zweimal aufeinander folgen darf, heißt dichteste Kugelpackung. Üblicherweise wird sie durch die Reihenfolge der Stapel beschrieben. Es gibt prinzipiell unendlich viele Möglichkeiten für die Bildung einer dichtesten Kugelpackung. Unabhängig von der Reihenfolge der Schichten berührt dabei jede Kugel immer zwölf Nachbarn (Kusszahl: 12), sechs in der eigenen Schicht, sowie drei je in der darüberliegenden und der darunterliegenden.
Stapelt man die Schichten in einer beliebigen Reihenfolge aufeinander, so hat der Kristall mindestens eine dreizählige Achse in Stapelrichtung. Er hat damit mindestens die Raumgruppe $ \ P3m1 $ oder $ \ R3m1 $. Bei entsprechender Stapelung können aber auch höhersymmetrische Strukturen entstehen. Insgesamt sind folgende neun Raumgruppen möglich: $ \ P3m1,\,P{\bar {3}}m1,\,P{\bar {6}}m2,\,P6_{3}mc,\,P6_{3}/mmc,\,R3m1,\,R{\bar {3}}m1,\,F{\bar {4}}3m,\,Fm{\bar {3}}m $.
Die Anordnung von Atomen in einer dichtesten Kugelpackung entspricht einem wichtigen Grundprinzip bei der Bildung von Kristallen: dem Prinzip der Minimierung des Volumens. Dabei spricht man auch dann von einer dichtesten Kugelpackung, wenn die Atome nicht exakt auf den theoretisch vorgegebenen Positionen liegen.
Die Struktur vieler Metalle entspricht einer dichtesten Kugelpackung. Besondere Bedeutung haben dabei die hexagonal dichteste Kugelpackung (hcp) und die kubisch dichteste Kugelpackung (ccp). Prinzipiell gibt es unendlich viele Schichtfolgen und damit unendlich viele verschiedene dichteste Kugelpackungen.
Die hexagonal dichteste Kugelpackung hat die Schichtfolge ABABAB... . Dies führt zur Raumgruppe $ \ P6_{3}/mmc $. Dieser Strukturtyp hat die Nummer A3 in den Strukturberichten und wird auch Magnesium-Typ genannt. Unter anderem kristallisieren Beryllium, Scandium und Titan in diesem Strukturtyp.
Die kubisch dichteste Kugelpackung hat die Schichtfolge ABCABC... . Dies führt zur Raumgruppe $ Fm{\bar {3}}m $. Dieser Strukturtyp hat die Nummer A1 in den Strukturberichten und wird auch Kupfer-Typ genannt. Neben Kupfer kristallisieren unter anderem auch Silber und Gold in diesem Strukturtyp.
Insbesondere die leichteren Lanthanoiden und schwerere Actinoiden nehmen bei Standardbedingungen noch eine weitere dichteste Kugelpackung mit der Schichtfolge ABACABAC... an. Diese hat dieselbe Raumgruppe wie die hcp-Struktur, aber mit vier Atomen in der Elementarzelle, und zwar auf (0,0,0) / (0,0,1/2) (Wyckoff-Position 2a) und (1/3,2/3,3/4) / (2/3,1/3,1/4) (Wyckoff-Position 2d). Sie wird daher auch double hexagonal closest packed (dhcp)-Struktur genannt. Praseodym oder Curium sind Elemente, die in diesem Strukturtyp kristallisieren.
Bei realen Kristallen gibt es oft Abweichungen in der Reihenfolge der Schichten von der Idealstruktur. Dieser Baufehler wird Stapelfehler genannt.
Viele Kristallstrukturen mit überwiegend ionischem Bindungstyp beruhen auf einer dichtesten Kugelpackung eines Teils der Ionen und der Einlagerung der anderen Ionen in den Lücken. Sind diese Einlagerungsionen zu groß für die Lücke, wird die Kugelpackung entsprechend deformiert. Die Art und das Ausmaß dieser Deformation hängen dabei von dem Größenverhältnis der Gerüstionen zu den Einlagerungsionen ab. Für einige Stöchiometrien gibt es Beziehungen um aus den Ionenradien sogenannte Toleranzfaktoren zu berechnen. Anhand dieser Toleranzfaktoren kann man Vorhersagen über die Struktur und Verhalten des jeweiligen Systems ableiten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Perowskit-Struktur.
Als Polytype werden Kristalle bezeichnet, die eine Stapelfolge mit langer Wiederholungseinheit besitzen. Beispiele dafür sind Zinksulfid (ZnS) mit mehr als 150 polytypen Formen und Siliciumcarbid (SiC). Diese Polytype verfügen zum Teil über extrem große Gitterkonstanten. So hat das Polytyp von SiC mit der Bezeichnung 393R die Gitterkonstanten a = 3,079 Å und c = 989,6 Å.
Nicht jede als Strukturtyp vorkommende Kugelpackung ist eine dichteste Kugelpackung. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Strukturtyp A2 (Wolfram-Typ), der auch oft kubisch raumzentriertes Gitter genannt wird (bcc). Diese Kugelpackung hat eine Packungsdichte von $ {\tfrac {1}{8}}\pi {\sqrt {3}}\approx 0{,}680\approx 68\% $. Unter anderem kristallisieren alle Alkalimetalle in diesem Strukturtyp. Demgegenüber ist der Strukturtyp Ah (α-Polonium), der auch kubisch primitives Gitter (sc) genannt wird, eher selten. Er kommt als Strukturtyp von Hochdruckmodifikationen einiger Elemente vor. Die Packungsdichte beträgt: $ {\tfrac {\pi }{6}}\approx 0{,}5236\approx 52\% $
In zwei Dimensionen bewies Joseph-Louis Lagrange 1773, dass die hexagonale Anordnung die dichteste Kugelpackung mit Kugeln auf einem Gitter ist. Lässt man auch andere als Gitterpackungen zu bewies dies Axel Thue 1910 (vervollständigt durch László Fejes Tóth, Kurt Mahler, Beniamino Segre 1940)[1]. Der dreidimensionale Fall ist die inzwischen bewiesene Kepler-Vermutung (wobei den Fall von Gitterpackungen schon Carl Friedrich Gauß 1831 erledigte), in höheren Dimensionen ist das Problem weitgehend offen. Die dichtesten Gitterpackungen sind bis zur Dimension d=8 im euklidischen Raum bekannt.[2] Dabei bestimmten Alexander Nikolajewitsch Korkin und Jegor Iwanowitsch Solotarjow[3][4] die dichtesten Gitterpackungen in den Dimensionen 4 und 5 und Hans Blichfeldt 1934 die Dimensionen 6, 7 und 8. Darüber hinaus ist fast nichts sicher bekannt. Das berühmte Leech-Gitter in 24 Dimensionen und das E8-Gitter (benannt nach der exzeptionellen Liegruppe E8, dessen Wurzelsystem es ist) in acht Dimensionen wurden häufig als dichteste Kugelpackung vermutet, insbesondere nach Entwicklung neuer oberer Schranken für dichteste Kugelpackungen durch Noam Elkies und Henry Cohn (2003), und 2016 kündigte Maryna Viazovska einen Beweis an.
Dichte Kugelpackungen in höheren Dimensionen haben große Bedeutung für die Kodierungstheorie (fehlerkorrigierende Codes).