Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) | |
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Rechtsform: | Stiftung des bürgerlichen Rechts |
Zweck: | Förderung des evolutionären Humanismus |
Vorsitz: | Herbert Steffen (1. Vorsitzender) Michael Schmidt-Salomon (Vorstandssprecher) |
Bestehen: | seit 30. März 2004 |
Stifter: | Herbert Steffen |
Sitz: | Oberwesel |
Website: | www.giordano-bruno-stiftung.de |
Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) ist eine gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts, die sich die Förderung des evolutionären Humanismus zum Ziel gesetzt hat. Sie wurde 2004 vom Unternehmer Herbert Steffen gegründet. Vorstandssprecher der Stiftung ist Michael Schmidt-Salomon. Von Beginn an war die nach Giordano Bruno benannte Stiftung insbesondere dem Werk des Religions- und Kirchenkritikers Karlheinz Deschner verpflichtet. Sitz der Stiftung ist Oberwesel in Rheinland-Pfalz.
Die Stiftung ist nach dem Dominikaner Giordano Bruno benannt, der im Jahre 1600 als Ketzer auf dem Scheiterhaufen hingerichtet wurde. Die Gründer der Stiftung entschieden sich für Bruno als Namensgeber, da er eine damals „unzeitgemäße Philosophie“ vertreten habe, in der sich bereits „Grundzüge einer nicht-dualistischen, naturalistischen Welterkenntnis“, „Überlegungen zur biologischen Abstammungslehre“ und Elemente einer „evolutionär-humanistischen Ethik“ finden, welche auch „die Rechte nichtmenschlicher Organismen einschließen“. Zudem seien von Bruno „wesentliche Impulse für die Entwicklung der modernen Religionskritik“ ausgegangen.[1]
Die Giordano-Bruno-Stiftung hat nach eigenen Angaben eine naturalistische, weltlich-humanistische und religionskritische Ausrichtung und vertritt die Ansicht, dass Religionen „die kulturelle Evolution der Menschheit bis heute auf unheilvolle Weise beeinflussen“.[2] Sie fordert eine „Leitkultur Humanismus und Aufklärung“, um sowohl den Überlegungen einer „deutschen (christlichen) Leitkultur“ als auch einem politisch indifferenten Multikulturalismus entgegenzutreten.[3][4] Die Stiftung sammelt Erkenntnisse der Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften, um ihre Bedeutung für das humanistische Anliegen eines „friedlichen und gleichberechtigten Zusammenlebens der Menschen im Diesseits“ herauszuarbeiten. Auf diese Weise sollen die „Grundzüge einer säkularen, evolutionär-humanistischen Ethik“ entwickelt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.[5][6]
Die Philosophie, welcher sich die Stiftung unter dem Begriff des evolutionären Humanismus verschrieben sieht, kann auf Julian Huxley, den Mitbegründer der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union, zurückgeführt werden.
Michael Schmidt-Salomon will in seinen Schriften, unter anderem mit dem im Auftrag der Stiftung verfassten Manifest des evolutionären Humanismus, die aus seiner Sicht unhaltbare Fixierung auf ältere Humanismus-Verständnisse überwinden. Man habe heute gesehen, „dass einige traditionelle Ideale des Humanismus der wissenschaftlichen Entzauberung nicht standhalten konnten“. Trotzdem müssten die gemeinsamen Utopien nicht aufgegeben werden, sondern das heute vorliegende Wissen im Sinne dieser humanistischen Utopien produktiv verarbeitet werden. Er plädiert daher für einen evolutionären Humanismus mit klarem naturalistischen Profil, mit dessen Entwicklung anstelle eines „blauäugigen“ Humanismus man sich einer größeren Erfolg versprechenden Lösung von Problemen der Menschheit zuwenden könne.[7][8]
Der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO), in dem die gbs Mitglied ist und zu dessen Gründung sie beigetragen hat, bezeichnet sich als Interessenvertretung von konfessionsfreien Menschen in Deutschland. Der KORSO setzt sich gegen die Diskriminierung konfessionsfreier und nichtreligiöser Gruppen und Individuen sowie für die Gleichstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie für die Trennung von Staat und Kirche ein.[9][10]
September 2011 wurde der Sitz der Stiftung von Mastershausen im Hunsrück nach Oberwesel in Rheinland-Pfalz verlegt und befindet sich nun im „Haus Weitblick“.[11][12]
Stiftungsorgane sind der Vorstand, das Kuratorium und der wissenschaftliche Beirat.
Der Vorstand besteht (Stand: 2015) aus Herbert Steffen und Michael Schmidt-Salomon, das Kuratorium aus der ehemaligen Unternehmerin Bibi Binot, dem Mathematiker Robert Maier, dem Ingenieur Shiro Sonada, dem Künstler Jacques Tilly, dem Biologen Heiner Holtkötter, dem Philosophen Hermann Josef Schmidt sowie dem Psychologen und ehemaligen Unternehmer Wolf Steinberger.[13]
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats sind oder waren u. a.:
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Die Mitglieder der Stiftungsorgane, derzeit ungefähr 60 Personen (überwiegend Wissenschaftler, einige Schriftsteller und Künstler), üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Dem „Freundes- und Förderkreis“ der Stiftung gehören zurzeit über 5700 Personen aus 30 Ländern an.[16]
Im Jahr 2007 richtete die Stiftung ein internes Forum ein, um die Kommunikation zwischen den Vorstands-, Beirats- und Fördermitgliedern der Stiftung zu erleichtern.[17]
Im Jahr 2008 hatte die Stiftung einen Etat von rund 116.000 Euro, wobei infolge der Finanzkrise erstmals keine Erträge aus dem Stiftungsvermögen flossen. Stattdessen handelte es sich ausschließlich um Spenden, hauptsächlich seitens des Förderkreises und des Vorstands.[18] Über die Höhe des Stiftungsvermögens selbst erteilt die gbs keine Auskunft.
Die Stiftung versucht, das Gedankengut des „evolutionären Humanismus“ zu verbreiten, indem sie kostenlose Informationen anbietet und sich bemüht, an jeder Hochschule einen „Studentischen Vertreter“ zu gewinnen. Ferner haben sich Regionalgruppen gebildet, die formal Mitglied im Förderkreis der Stiftung sind.
Die Giordano-Bruno-Stiftung unterstützte den deutschen Islamwissenschaftler Sven Kalisch in dem Konflikt, der mit dem Verlust des ersten Lehrstuhls für die Ausbildung islamischer Religionslehrer endete,[19] ferner die Atheist Bus Campaign, eine Werbekampagne, die das Bewusstsein für den Atheismus fördern soll.[20][21] Im Rahmen des Darwinjahres 2009 stellte die Stiftung die Evolutionstheorie und ihre weltanschaulichen Konsequenzen in den Vordergrund.[22]
2013 war die Giordano-Bruno-Stiftung Mitausrichter des Deutschen Humanistentages in Hamburg.[23]
Unter anderem anlässlich der Kampagne gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz[24][25] gab es Kooperationen mit dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten, dem Humanistischen Verband Deutschlands und dem Bund für Geistesfreiheit Bayern.
Die Stiftung bringt seit 2007 im Alibri Verlag eine bisher (Stand: 2015) sechsbändige Schriftenreihe heraus.[26]
Die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland, die von der Giordano-Bruno-Stiftung bei ihrer Gründung maßgeblich gefördert wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, wissenschaftlich erfassbare Informationen zu verschiedenen Weltanschauungen zu erheben, auszuwerten, zusammenzufassen und zu veröffentlichen.[27][28]
Der Humanistische Pressedienst (hpd) versteht sich als säkular-humanistisch geprägter Pressedienst im Internet, er ging auf Initiative des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) und der gbs im August 2006 online. Chefredakteur ist seit dem 25. Oktober 2013 Frank Nicolai[29], der Carsten Frerk ablöste.[30] Als weitere Redakteure werden unter anderem Michael Schmidt-Salomon und der Verleger des Alibri Verlags Gunnar Schedel genannt.[31] Nach einer Satzungsänderung im Jahr 2009 schied der HVD aus dem Trägerverein aus. Der HVD Berlin-Brandenburg ist seit 2016, gemeinsam mit dem Koordinierungsrat säkularer Organisationen wieder Träger.[32]
Die Redaktion des Pressedienstes besteht heute zum Großteil aus Mitgliedern der gbs und anderer humanistischer Organisationen wie des IBKA oder des Bundes für Geistesfreiheit. Der Pressedienst will konfessions- und religionsfreien Menschen mit humanistischen Weltbildern oder Lebensauffassungen eine Stimme und Plattform geben: „Er versteht sich zudem als Plattform für das breite Spektrum säkularer Bestrebungen im gesamten deutschsprachigen Raum.“[31] Der hpd veröffentlicht seine Beiträge regelmäßig auf seiner Internetpräsenz mit einem Newsticker. Dabei handelt es sich überwiegend um Nachrichten, die säkular-humanistisch geprägte Weltbilder betreffen, und um Kommentare zu aktuellen Ereignissen auf nationaler oder internationaler Ebene sowie um Hintergrundberichte oder Porträts von Humanisten verschiedenster Richtungen und Religionskritikern. Neben den eigenen Artikeln berichtet der hpd auch über Artikel anderer Pressedienste, die Religion, Ethik, Fundamentalismus und Ähnliches betreffen.
Die Giordano-Bruno-Stiftung initiierte nach der Verleihung ihres ersten Ethik-Preises an Paola Cavalieri und Peter Singer im Juni 2011 einen Neustart des Great Ape Project im deutschsprachigen Raum. Die Initiative der Stiftung und Kampagne Grundrechte für Menschenaffen wird von Colin Goldner geleitet.
2007 wurde der Zentralrat der Ex-Muslime gegründet, welcher es sich zum Ziel gesetzt hat, eine „politische Vertretung der Interessen all jener Menschen“ zu sein, die sich „vom muslimischen Glauben abgewandt haben oder diesem niemals angehörten, obwohl sie einem so genannten ‚muslimischen Herkunftsland‘ entstammten“. Die Gründung des Zentralrates wurde von der gbs mitinitiiert, welche das Projekt auch unterstützt.[33]
So organisierte die gbs im Jahre 2008 zusammen mit dem Zentralrat der Ex-Muslime unter dem Motto „Aufklären statt verschleiern“ die „Kritische Islamkonferenz“, welche als kritische Gegenveranstaltung zur Deutschen Islamkonferenz angelegt ist.[34][35] Der Zentralrat und die gbs bemängeln, dass sich die Deutsche Islamkonferenz einseitig auf strenggläubige Muslime und „verbandsislamische Kräfte“ fixiere. Dadurch würden insbesondere die Interessen jener Migranten aus islamischen Ländern negiert, die gerade wegen der islamischen Repression und der religiösen Vorschriften in ihren Heimatländern nach Deutschland gekommen seien. Diese Migranten würden durch eine politisch erzwungene „Muslimisierung“ entmündigt und ausgegrenzt. Als Bestandteile einer solchen Muslimisierung sehen die gbs und der Zentralrat den Bau von Moscheen, die Einführung eines Islamunterrichts an Schulen und eine „islamkonforme Berichterstattung“.[36][37] All dies fördere nicht die Integration, sondern unterstütze die Verfestigung einer Parallelgesellschaft. Ziel der Kritischen Islamkonferenz solle es hingegen sein, „integrationswidrige Verhaltensweisen wie den Kopftuchzwang oder Zwangsheiraten zu bekämpfen und die sprachliche und berufliche Integration der Migranten voranzutreiben.“[38][39]
2013 wurde das Projekt Evokids in Zusammenarbeit mit der Universität Gießen gestartet.[40] Es zielt darauf ab, Kindern in der Grundschule nicht nur die Schöpfungsgeschichte im Religionsunterricht zu lehren, sondern auch die Grundprinzipien der Evolutionstheorie. Die frühe Beschäftigung mit dem Thema sei notwendig, um ein „fundiertes Menschenbild zu entwickeln“, so Dittmar Graf, Professor für Biodidaktik.[41] Außerdem wurde ein Preis für „herausragende Arbeiten zur Entwicklung innovativer Unterrichtsmaterialien und -konzepte zum Gebiet Evolution, Evolutionstheorie, Erdgeschichte und/oder Menschheitsgeschichte“ für die Grundschule verliehen. Das Preisgeld beträgt insgesamt 5000 Euro.[42]
Zum 80. Geburtstag des Schriftstellers Karlheinz Deschner im Jahre 2004 gab der Vorsitzende der Stiftung die Einrichtung des Deschner-Preises bekannt. Die Stiftung beschloss, ab 2006/7, dem Jahr der Herausgabe von Deschners neuntem Band der Kriminalgeschichte des Christentums, alle zwei Jahre den mit 10.000 Euro dotierten Förderpreis zu vergeben. Mit dem Preis sollen Personen oder Organisationen ausgezeichnet werden, „die in besonderem Maße zur Stärkung des säkularen, wissenschaftlichen und humanistischen Denkens und Handelns beitragen“.[43] Als erster Preisträger des „Deschner-Preises“ wurde am 12. Oktober 2007 Richard Dawkins ausgezeichnet.[44][45][46]
Als weitere Auszeichnung wird der Ethik-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung verliehen. Dieser ist ebenfalls mit 10.000 Euro dotiert und steht nach Aussage der Stiftung „für die Entwicklung positiver Alternativen im Sinne des evolutionären Humanismus“.[43]
Gefördert wird von der Stiftung der alle zwei Jahre vergebene Blasphemie-Kunstpreis „Der freche Mario“, mit dem drei literarische Kunstwerke ausgezeichnet werden, die übernatürliche Vorstellungen auf die Schippe nehmen und zur Aufklärung und Freiheit der Gesellschaft beitragen sollen. Der Preis wird seit einem Karikaturenstreit im Jahr 2006 verliehen, der zu einer weltweiten Diskussion um Religions-, Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit führte.[47][48][49][50]
Die Benennung der Stiftung nach Giordano Bruno wurde gelegentlich in der Presse kritisiert; dieser sei kein Atheist, sondern Pantheist – und Dominikaner – gewesen.[51] So stehe Brunos Weltanschauung laut dem Philosophen Wilhelm Schmidt-Biggemann eher für Religion und Metaphysik als für Aufklärung und Positivismus.[51] Dem entgegnet die Stiftung, sie vertrete keine atheistische, sondern vielmehr eine naturalistische Position, die mit Brunos Pantheismus kompatibel sei. Aus diesem Grund habe die Stiftung an einem Gott, der mit den Naturgesetzen in Einklang stehe, nichts zu kritisieren.[52]
Der Stiftung wurde vom FAZ-Journalisten Thomas Thiel vorgeworfen, sie vertrete einen „platten Naturalismus“ oder „Szientismus“.[51] In diesem Zusammenhang werden auch die Angriffe des Biologen und Mitglieds im Beirat der gbs Ulrich Kutschera gegen die Geisteswissenschaften kritisiert, die durch den Humanistischen Pressedienst verteidigt wurden, dass nichts in den Geisteswissenschaften Sinn ergebe außer im Licht der Biologie.[53]
Ende 2011 trat der Philosoph Norbert Hoerster aus dem Beirat der Stiftung aus. Hoerster erklärte in einem Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, er lehne die von ihrem Sprecher Schmidt-Salomon vertretenen Inhalte, die Kampagnen und den Argumentationsstil ab. Wenig überzeugend finde er zudem den „Neuen Atheismus“ des Biologen Richard Dawkins, den auch die Stiftung vertrete. „Ich sehe nicht, wieso ausgerechnet die Evolutionstheorie den Gottesglauben widerlegen, ja ersetzen kann“, schrieb Hoerster.[54] Dem hielt der Blogger Harald Stücker entgegen, dass die Aufgabe der Evolutionstheorie nicht die Widerlegung oder der Ersatz des Gottesglaubens sei, sondern die Erklärung der Natur.[55] Der Anwendung des wissenschaftlichen Sparsamkeitsprinzips entsprechend sei eine Konsequenz der Evolutionstheorie, dass die Gotteshypothese zur Erklärung der Entstehung und Entwicklung der Arten unnötig werde. Zudem sehe sich die Stiftung keinem „neuen Atheismus“, sondern dem evolutionären Humanismus verpflichtet.[56] Zum Kommentar in der FAZ erklärte Schmidt-Salomon, zwei Hauptdissens-Punkte seien von Hoerster gut markiert worden. Der eine betreffe die philosophische Herangehensweise, der andere die mediale Strategie. Laut Schmidt-Salomon würde Hoerster die Ansicht vertreten, man könne philosophische Probleme lösen, indem man „fast ausschließlich philosophisch argumentiert“. Die Stiftung ginge jedoch von einer „Einheit des Wissens“ aus, wobei die Philosophie mit Natur- und Sozialwissenschaften verknüpft werden solle.[57]
Im Januar 2017 veröffentlichte die Stiftung eine Meldung über eine Studie, wonach der Großteil der muslimischen Lehramtsstudenten nicht an die Evolutionstheorie glauben würde. Der Vorstandssprecher bezeichnete das Ergebnis als „katastrophal“ und forderte „eine stärkere Berücksichtigung der Evolutionstheorie im Unterricht“. Die Meldung wurde kritisiert, da die Stichprobe der Studie mit 39 muslimischen Studierenden zu klein, die Daten zu alt (2007 und 2009) und das ermittelnde Institut fowid als ein Projekt der Stiftung nicht neutral seien.[58][59]