Paulingsche Verknüpfungsregeln

Paulingsche Verknüpfungsregeln

Version vom 9. April 2016, 18:46 Uhr von imported>Mabschaaf (wurde erl.)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Die Paulingschen Verknüpfungsregeln sind fünf Regeln, die 1929 von Linus Pauling veröffentlicht wurden.[1] Sie dienen dazu, die Kristallstruktur von ionisch aufgebauten Kristallen zu bestimmen und stellen damit eine der Grundlagen der Kristallchemie dar.[2]

1. Ein Koordinationspolyeder aus Anionen wird um jedes Kation geformt. Der Kation-Anion-Abstand wird durch die Summe der Ionenradien, die Koordinationszahl (kurz KZ) durch das Radienverhältnis (rK/rA) bestimmt.

Beispiele für Radienverhältnisse und zugehörige Koordinationspolyeder (die dichtesten Kugelpackungen haben eine Koordinationszahl von 12) sind:

Radienverhältnis KZ Polyeder Beispiel (Anionenkomplex oder Kristallstruktur)
< 0,155 2 lineare Koordination (NO2)2−
0,155-0,225 3 Dreieck (CO3)2−
0,225-0,414 4 Tetraeder Zinksulfid (ZnS)
0,414-0,732 6 Oktaeder Natriumchlorid (NaCl)
0,732-1,000 8 Hexaeder Cäsiumchlorid (CsCl)
1,000 12 kubisch: Kuboktaeder; hexagonal: Disheptaeder Kupfer (Cu) (kubisch)

2. Eine ionische Struktur ist stabil, wenn die Summe der Stärken der elektrostatischen Bindungen jedes Anions zu allen nächsten Kationen vom Betrag her gleich der Ladung dieses Anions sind. Dies bedeutet, dass eine stabile ionische Struktur die lokale elektrische Neutralität erhält. Mathematisch ausgedrückt gilt:

$ |\xi |=|\sum _{i}s_{i}| $
wobei $ \xi $ die Ladung des Anions ist und die Summe über die angrenzenden (nächsten) Kationen gebildet wird.

Für Kationen mit einem O2− Anion sind die Bindungsstärken beispielsweise:

Kation Radienverhältnis KZ Elektrostatische Bindungsstärke
Li+ 0,34 4 0,25
Mg2+ 0,47 6 0,33
Sc3+ 0,60 6 0,5

3. Gemeinsame Kanten und insbesondere Flächen zweier Koordinationspolyeder verringern die Stabilität der Struktur. Dieser Effekt ist größer, je größer die Ladung der Kationen und je kleiner die Koordinationszahl ist. Dieser Effekt rührt daher, dass die Kationen sich bei Flächenverknüpfung ihrer Koordinationspolyeder näher kommen als bei Kanten oder Spitzenverknüpfung. Die repulsive Wechselwirkung wird stärker. Er ist besonders ausgeprägt, wenn das Radienverhältnis nahe der unteren Schranke für die Polyederstabilität liegt.

4. In einem Kristall mit verschiedenen Kationen streben diejenigen mit hoher Valenz (hoher Ladung) und niedriger Koordinationszahl danach, keine Polyederelemente zu teilen. Daher sind in Alumosilikaten die Si4+- und Al3+-Tetraeder meist über Ecken, selten über Kanten miteinander verbunden.

5. Die Anzahl verschiedener Konstituenten (bzw. Bauelemente) eines Kristalls tendiert dazu möglichst klein zu sein. Das heißt zum Beispiel, dass für chemisch ähnliche Atome/Ionen ähnliche Umgebungen gebildet werden.

Einzelnachweise

  1. Linus Pauling: THE PRINCIPLES DETERMINING THE STRUCTURE OF COMPLEX IONIC CRYSTALS. In: Journal of the American Chemical Society. 51, 1929, S. 1010–1026, doi:10.1021/ja01379a006.
  2. Hermann Salmang, Horst Scholze, Rainer Telle: Keramik. Springer, 2006, ISBN 3-540-63273-5, S. 32 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Literatur

  • Linus Pauling: Die Natur der Chemischen Bindung. Nachdruck der 3. Auflage. Verlag Chemie, Weinheim. 1973, ISBN 3-527-25217-7. S. 507 ff.
  • Ulrich Müller: "Anorganische Strukturchemie." 4., durchgesehene Auflage. B.G. Teubner Verlag, Wiesbaden. 2004, ISBN 3-519-33512-3 S. 59 ff.