Pfeilung

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Pfeilung

Pfeilung nennt man den Winkel zwischen Tragflügel und Flugzeugquerachse in der Draufsicht. Sie wird an der Vorderkante (Vorderkantenpfeilung), der Hinterkante (Hinterkantenpfeilung) und bei einem Viertel der Flügeltiefe (t/4-Pfeilung) gemessen.

Die Idee zur Tragflächenpfeilung im Zusammenhang mit dem Überschallflug ging 1935 von Adolf Busemann aus.[1]

Positive Pfeilung

bei konstantem Flügelquerschnitt und unendlicher Streckung

Abb. 1: Aufteilung der Geschwindigkeiten
Datei:Pfeilung Stromlinien Euler.png
Abb. 2: Gekrümmte Stromlinien am gepfeilten Tragflügel
Abb. 3: Druckverteilung einer reinen 2D-Rechnung im Normalschnitt (rot) gegenüber der transformierten Druckverteilung des Profilschnitts (grün).
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Ein Flügel mit unendlicher Streckung und ohne Zuspitzung habe überall den gleichen Querschnitt. Dadurch sind hier die Vorderkante und die Hinterkante – und somit auch die Linie bei einem Viertel der Flügeltiefe (t/4-Linie) – parallel und deren Pfeilungswinkel $ \phi $ gleich. Die Anströmgeschwindigkeit $ U_{\infty } $ kann dann in eine Komponente $ U_{n} $ senkrecht (normal) zum Flügel und eine Komponente $ U_{t} $ tangential dazu aufgeteilt werden (s. Abb. 1), die gemäß den Eulergleichungen keinen Einfluss auf die Umströmung hat.

Dadurch wird es möglich, die Umströmung des Flügels anhand eines einzigen Schnitts zu behandeln. Die Richtung der Strömung liegt dabei im Allgemeinen nicht in der Ebene des Schnitts. Abb. 2 zeigt die gekrümmten Strömungslinien, die die Schnittfläche schneiden; dennoch sind sie in jedem parallelen Querschnitt bis auf eine Parallelverschiebung die gleichen. Die Strömungsgrößen in der Schnittebene sind also in diesem Fall zwar dreidimensionale Größen, aber nur von zwei Variablen abhängig: der Höhe über der Flügelunterkante und der Tiefe in Bezug auf den Flügelquerschnitt.

Da $ \textstyle U_{n}=U_{\infty }\,\cos \phi $ geringer ist als $ \textstyle U_{\infty } $ sind der Auftrieb, der Auftriebsgradient und der Druckwiderstand gegenüber einem ungepfeilten Flügel reduziert. Diese Effekte, die von der schrägen Anströmung der Flügelkante unter dem allgemeineren Schiebewinkel $ \beta $ abhängen, bezeichnet man als Cosinus-Beta-Effekte. Beim Pfeilflügel sinkt überdies der Wellenwiderstand stärker ab als der Auftrieb und so steigt bei transsonischer Anströmung das Gleitverhältnis des Flügels. Die kritische Machzahl und die Machzahl des Widerstandsanstiegs steigen ebenfalls an.

Die Krümmung der Stromlinien am Grenzschichtrand führt zu dreidimensionalen Geschwindigkeitsprofilen in der Grenzschicht. Durch die darin vorhandenen Wendepunkte wird die Grenzschicht reibungslos instabil. Insbesondere führen Querströmungswirbel zu einer eine Querströmungsinstabilität, deren Anfachung am gepfeilten Flügel üblicherweise den Übergang vom laminaren in den turbulenten Zustand der Grenzschicht auslöst. Der Einfluss der zweidimensionalen Tollmien-Schlichting-Wellen tritt hier in den Hintergrund. Dadurch vollzieht sich der laminar-turbulente Übergang nahe der Tragflügelnase. Tragflügel üblicher Pfeilung werden nahezu vollturbulent umströmt.

mit endlicher Streckung

Beim endlichen Flügel führt die Pfeilung zu einer Veränderung der Auftriebsverteilung.

  • Positive Pfeilung ($ \phi $ > 0) führt zu einer ca-Überhöhung im Außenbereich und zu einer Reduktion im Bereich der Flügelwurzel.
  • Negative Pfeilung ($ \phi $ < 0) führt zu einer ca-Überhöhung im Bereich der Flügelwurzel und zu einer Reduktion im Außenbereich.

Diese Deformation der Auftriebsverteilung führt zu einer Erhöhung des induzierten Widerstandes, welche durch geeignete Schränkung und Tiefenverteilung verhindert werden muss.

Beim positiv gepfeilten Flügel kommt es auch zu einer Verschlechterung des Abreißverhaltens, da das camax hier zuerst an der Flügelspitze erreicht wird und der Strömungsabriss dort (sowohl im Bereich der Querruder als auch am „hinteren“ Teil des Flügels) zuerst auftritt. Ein weiterer negativer Effekt ist das Abfließen von Grenzschichtmaterial Richtung Flügelspitze, welches dort zu einer Grenzschichtaufdickung und zu einer größeren Ablöseneigung führt. Geeignete Gegenmaßnahmen sind hier die Verwendung von Grenzschichtzäunen, Sägezähnen an der Flügelvorderkante (vgl. F-4 Phantom II), die Verwindung des Flügels und die Anpassung des Profils. Ein positiv gepfeilter Flügel führt außerdem zu einer erhöhten Richtungsstabilität sowie zu einem positiven Schiebe-Roll-Moment.

Die Dreidimensionalität des endlichen Flügels führt zu einer lokalen Entpfeilung der Isobaren an der Flügelwurzel sowie in der Nähe des Randbogens. Die Isobaren müssen aus Symmetriegründen z. B. an der Flügelwurzel senkrecht zur Symmetrieebene liegen. Damit verliert ein realer Flügel in diesen Bereichen die Vorteile der Pfeilung. Um diesen Nachteil auszugleichen wird versucht das Konzept der „geraden Isobaren“ umzusetzen, in dem die Profilform lokal in diesen Bereichen so angepasst wird, so dass ein über die gesamte Spannweite gerader Isobarenverlauf erzielt wird. Ein weiterer Effekt des Pfeilflügels ist die geringere Böenempfindlichkeit. Diese ergibt sich aus dem verminderten Auftriebsanstieg, der direkt proportional zum Böenlastvielfachen ist.

Die Pfeilung braucht an einem Flügel nicht konstant zu verlaufen. Entweder sind die einzelnen Flügelabschnitte unterschiedlich gepfeilt, oder der Tragflügel kann geschwenkt werden (Schwenkflügler).

Negative Pfeilung

Luftstrom an negativ und positiv gepfeilten Tragflächen am Beispiel der Grumman X-29

Die Pfeilung ist in der Regel positiv (beide Kanten der Tragflächen sind nach hinten gezogen), es gibt jedoch seit Beginn des praktischen Einsatzes der Pfeilung auch Konstruktionen mit negativer Pfeilung. Wie im Bild gezeigt läuft der Luftstrom bei dieser Flügelgeometrie zum Rumpf hin anstatt vom Rumpf weg, wie bei herkömmlichen Konstruktionen. Dadurch kann der Luftstrom an Flügelspitzen und dahinterliegenden Steuerflächen wesentlich langsamer sein, bevor die laminare Strömung abreißt (Strömungsabriss, engl. stall) und damit der Auftrieb verloren geht. Dadurch kann eine außerordentliche Manövrierbarkeit erreicht werden, wenn die Trag- und Steuerflächen in einem viel steileren Winkel zum Luftstrom angestellt werden. Das Flugzeug hat auch bei wesentlich geringerer Fluggeschwindigkeit noch genügend Luftstrom über den Steuerflächen von Seiten- und Höhenruder. Deshalb wird diese Tragflächengeometrie bei extrem wendigen Abfangjägern eingesetzt.

Bereits während des Zweiten Weltkriegs wurde an Flugzeugen mit negativer Tragflächenpfeilung geforscht. Es machte damals Probleme, die Materialbelastungen bei hohen Geschwindigkeiten sicher abzuleiten. In neuerer Zeit gibt es durch Faserverbundwerkstoffe (zum Beispiel kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) die technischen Voraussetzungen, Tragflächen mit negativer Pfeilung zu konstruieren, die auch hohen Torsions- und Scherkräften standhalten. Segelflugzeuge mit dieser Flügelgeometrie, vorwiegend Doppelsitzer, gibt es seit vielen Jahrzehnten. Das hat aber den Grund, dass die Tragflügelwurzel, also der Anschluss an den Rumpf, nach hinten gelegt wird, damit der zweite Sitz vor dem Holm Platz findet.

Beispiele

  • Vorder- und Hinterkante der Tragflächen negativ gepfeilt:
Grumman X-29
    • Cornelius XFG-1 (Schwanzloser Lastensegler)
    • DFS 42 (Versuchsgleiter)
    • FTAG Esslingen E11[2] (Doppelsitzersegelflugzeug zur Untersuchung von extremer Vorpfeilung)
    • Grumman X-29 (Experimentalflugzeug)
    • HFB 320 (Zivilmaschine)
    • Junkers Ju 287 (Prototyp)
    • SAT SR-10 (Prototyp, Jettrainer)
    • Schleicher ASK 13 (Segelflugzeug)
    • Schleicher K 7 (Segelflugzeug)
    • Suchoi Su-47 (Experimentalflugzeug)

Anwendung

Schlierenfoto eines Modells mit geradem Tragflügel bei Mach 1,2. Gut zu sehen ist der Stau an der Flügelvorderkante.
Schlierenfoto eines Modells mit gepfeiltem Tragflügel bei Mach 1,2. Es existiert kein Stau an der Flügelvorderkante.

Das Ausmaß der Pfeilung von Tragflächen hängt von der zu erwartenden Luftströmungsgeschwindigkeit um die Tragflächen ab. Hier muss ein Kompromiss zwischen einem hohen Auftrieb bei niedrigen Geschwindigkeiten für den Start (geringe Pfeilung) gegenüber dem niedrigen Strömungswiderstand und geringen Verwirbelungen bei Reisegeschwindigkeit (starke Pfeilung) gefunden werden, mit dem Ziel, eine laminare Luftströmung über alle Steuerflächen in allen zu erwartenden Fluglagen zu erreichen. Zeichnet man den Luftdruck und die jeweils dazugehörenden Geschwindigkeiten in ein Koordinatensystem, so ergibt sich innerhalb der Linien ein gedachter Bereich, in dem das Flugzeug sicher eingesetzt werden kann. Diese Hüllkurve, als Flugenveloppe bezeichnet, ist für jedes Flugzeugmodell unterschiedlich und hängt neben vielen anderen Faktoren zu einem entscheidenden Maße von der Tragflügelgeometrie und damit der Pfeilung ab.

Vereinfachend sind die folgenden grundlegenden Auslegungen anzuführen: Flugzeuge, deren überwiegende Einsatzgebiete in geringer Höhe und bei eher niedrigen Geschwindigkeiten liegen, sollten ohne Pfeilung ausgestattet sein. Verkehrsflugzeuge, die nur in großen Höhen schnell (d. h. transsonisch) fliegen, aber nahe Meereshöhe eher im mittleren Geschwindigkeitsbereich liegen, erhalten eine mittlere Pfeilung.

Die Concorde, die nur in großen Höhen sehr schnell (Mach 2, d. h. supersonisch) flog, hatte stark gepfeilte Flügel.

Literatur

  • Adolf Busemann: Aerodynamischer Auftrieb bei Überschallgeschwindigkeit. Vortrag auf der 5. Volta-Tagung in Rom, 1935.
  • Ernst Götsch: Luftfahrzeugtechnik. Motorbuchverlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-613-02912-5.

Fußnoten

  1. Werner Heinzerling: Flügelpfeilung und Flächenregel, zwei grundlegende deutsche Patente der Flugzeugaerodynamik, München ohne Jahr, (Deutsches Museum). online (PDF; 10 MB)
  2. Foto der FTAG E11 der Akaflieg der HS Esslingen

Weblinks