Robert Wichard Pohl (* 10. August 1884 in Hamburg; † 5. Juni 1976 in Göttingen) war ein deutscher Physiker.
Robert Wichard Pohl wurde in Hamburg geboren als Sohn des Schiffbau-Ingenieurs Eugen Robert Pohl und dessen Frau Martha, Tochter von Wichard Lange, dem Gründer der Privatschule Dr. Wichard Lange, und Enkelin von Wilhelm Middendorff, der zusammen mit Friedrich Fröbel den ersten Deutschen Kindergarten gegründet hatte.
Nach Besuch der Dr. Wichard Lange Schule trat er 1895 in die Gelehrtenschule des Johanneums ein, die er 1903 mit dem Abitur verließ, um im Sommersemester 1903 in Heidelberg Naturwissenschaften zu studieren. Dort lernte er auch James Franck kennen, mit dem ihn bis zu dessen Tod im Jahr 1964 eine enge Freundschaft verband. Zum Wintersemester 1903 ging er an die Universität Berlin, um Physik zu studieren. Schon im Sommersemester 1904 arbeitete er im Physikalischen Institut bei Emil Warburg an dem Thema, das seine Doktorarbeit wurde.[1] Dort entstand auch seine erste Veröffentlichung[2] angeregt durch Bernhard Walter vom Hamburger Physikalischen Staatslaboratorium, bei dem er im Folgenden in den Ferien arbeitete, vor allem bei der Suche nach der Beugung von Röntgenstrahlen.[3]
Er wurde im Sommer 1906 zum Dr. Phil. promoviert und unterrichtete danach als Assistent im physikalischen Praktikum unter dem Direktor des Instituts Heinrich Rubens. Es entstanden gemeinsame Arbeiten mit James Franck über die Ionenbeweglichkeit in Gasen und zur Frage der Geschwindigkeit von Röntgenstrahlen. Ab 1909 arbeitete er über den normalen und den selektiven photoelektrischen Effekt von Metallen, ab 1910 gemeinsam mit Peter Pringsheim,[4] darunter die praktisch wichtige Arbeit zur Herstellung von Metallspiegeln.[5] 1910 erschien eine Monographie über die Fernübertragung von Bildern[6] und 1912 erfolgte die Habilitation. In einem Nachtrag enthält die Habilitationsschrift[7] eine Besprechung der Laueschen Entdeckung der Röntgenbeugung.
Nach der Habilitation begann Pohl Experimentalphysik-Vorlesungen zu halten, die er auch dazu benützte, privat eine Sammlung von Vorführungs-Instrumenten anzulegen. Auch wurden von ihm Experimente in Sitzungen der Physikalischen Gesellschaft vorgeführt.[8] Bis zum Anfang des Krieges hatte er 54 Arbeiten veröffentlicht, zusätzlich zu den drei Büchern.[4][6][7]
Bei Kriegsausbruch versuchte Pohl vergeblich, als Freiwilliger angenommen zu werden, wurde aber aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt. Sein Angebot, zusammen mit Erich Regener in zwei Reservelazaretten aus eigenen Mitteln Röntgen-Apparaturen aufzustellen und zu betreiben, wurde dankbar angenommen. Anfang November fand er die Möglichkeit bei den Funkern an der Entdeckung feindlicher Sendestationen zu arbeiten. Daraus wurde eine Anstellung als Oberingenieur bei der Verkehrstechnischen Prüfungskommission (VPK) im Hauptmannsrang, die er bis Kriegsende ausfüllte.
Im Februar 1916 erhielt er den Ruf nach Göttingen als außerordentlicher Professor (und Nachfolger von Eduard Riecke), konnte die Professur wegen des Krieges aber erst Anfang 1919 antreten. Im Umzugsgepäck waren mehr als 40 Kisten gefüllt mit Geräten für seine Vorlesungen. Aufgrund eines Rufs an die Technische Hochschule Stuttgart im September 1919 erhielt er in Göttingen im Dezember 1920 ein planmäßiges Ordinariat und wurde Direktor des 1. Physikalischen Instituts. Im Juni 1922 folgte ein Ruf aus Würzburg, den er auch ablehnte. Er hatte damit in der Blütezeit der Physik in Göttingen in den 1920er Jahren eines der drei Ordinariate für Physik neben James Franck (Direktor des 2. Physikalischen Instituts) und dem Theoretischen Physiker Max Born.
Weihnachten 1922 heiratete er Tussa Madelung, die Schwester von Erwin Madelung, der im Physikalischen Institut in Göttingen Assistent gewesen war, als Tussa mit ihrer Familie im Mai 1920 von Straßburg nach Göttingen zog. Sie hatten drei Kinder: Ottilie, Eleonore und Robert Otto, später Professor für Physik an der Cornell University.
Lichtelektrische Beobachtungen – allerdings nicht an Oberflächen wie in Berlin, sondern im Inneren von Isolatoren – begann Pohl mit seinem Assistenten Bernhard Gudden im Jahr 1919. (Die Arbeiten dieser Periode werden in[9](erster Teil) ausführlich beschrieben.) So entdeckten sie, dass Diamant-Kristalle bei Beleuchtung elektrisch leitend wurden.[10] Danach beobachteten sie denselben Effekt in dem Alkalihalogenid Natriumchlorid, allerdings erst nachdem dieses durch Bestrahlung mit Röntgenlicht eine Farbe angenommen hatte. Eine systematische Untersuchung dieser Färbungszentren an künstlich hergestellten Kristallen[11] führte zur Entdeckung der Farbzentren, die in der Folgezeit ausführlich untersucht wurden.[12] Durch den Einbau von drei Elektroden in einen Kaliumbromid-Kristall konnte 1938 mit Rudolf Hilsch das erste Modell eines Transistors mit Farbzentren gezeigt werden.[13]
Neben diesen Arbeiten in seinem Institut half er auch seinen wissenschaftlichen Kollegen bei ihrer Arbeit. Mit dem Zoologen Alfred Kühn untersuchte er den Farbensinn der Bienen,[14] für den Chemiker Adolf Windaus verwendete er optische Spektroskopie bei der Trennung des Ergosterins vom Cholesterin.[15] Dem Archäologen Kurt Müller half er, antike Vasen ohne störende Reflexe zu fotografieren.[16] Seinen Studenten Hans Joachim Pabst von Ohain unterstützte er tatkräftig, als dieser im Anschluss an seine Dissertation die ersten Versuche zum Strahlantrieb mit eigenen Mitteln im Institut anstellte.[17]
Die Einführungsvorlesung in die Physik war für ihn von Anfang an sehr wichtig, immer wieder beschrieb er in den wissenschaftlichen Zeitschriften neue Experimente, die er dafür ersonnen hatte und die er dann in seinen Lehrbüchern verwendete. Das erste Buch seiner berühmten Einführung in die Physik, die „Elektrizitätslehre“, erschien im Jahr 1927. 1930 erschien dann die „Mechanik und Akustik“, in der dritten Auflage erweitert durch die „Wärmelehre“. Der dritte Band, die „Optik“, wurde 1941 veröffentlicht, die 1954 in der neunten Auflage durch die „Atomphysik“ erweitert wurde.
In einem neuen Kapitel „Quantenoptik fester Körper“ werden die Arbeiten im Göttinger Institut zusammengefasst. Auch in der „Elektrizitätslehre“ werden von der 15. Auflage (1955) an elektrische Eigenschaften fester Körper behandelt, darunter auch Ergebnisse seiner Göttinger Arbeiten. Nach seinem Tod wurden die drei Bände auf zwei reduziert, wobei diese Kapitel entfernt werden. Beide Bände enthalten dafür eine DVD mit insgesamt 110 Experimenten, durchgeführt mit den ursprünglichen Geräten, 62 davon sind auch im Internet zu sehen.[18] Die DVD des zweiten Bandes enthält außerdem ein Video mit einer Biographie von Pohl, deren Autor Ekkehard Sieker ist. Diese DVD enthält auch ein Video zur Stromverstärkung in einem Drei-Elektroden–Kristall[13] sowie eine Audioaufnahme der Verleihung des Ehrendoktorwürde an Ernest Rutherford durch den Dekan Max Born (1931).
Seine Haltung zum Nazi-Regime hat Pohl in einem Lebenslauf auf Verlangen der Militärregierung beschrieben.[9](zweiter Teil) Danach gehörte er nie einer politischen Partei an, stand den Nationalsozialisten reserviert bis ablehnend gegenüber (er hatte Kontakte zum Goerdeler-Kreis, sein Kontaktmann, der Studienrat Hermann Kaiser, wurde im Januar 1945 hingerichtet)[19] und war von Anfang an von einer Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg überzeugt. Nach dem Krieg arbeitete er bis 1948 als Mitglied des Entnazifizierungs-Ausschusses am Wiederaufbau der Universität Göttingen.
Die Arbeiten des Pohlschen Instituts wurden erst kurz vor Ausbruch des Krieges im Ausland bekannt, als Pohl und sein Assistent Hilsch 1937 zu einer Konferenz über The conduction of electricity in solids nach Bristol eingeladen wurden.[12] 1946 erschien in den USA die erste zusammenfassende Veröffentlichung über Farbzentren.[20] Ihr folgten 1951 eine Einladung nach Urbana an die University of Illinois mit Besuchen bei den Bell Telephone Laboratories, dem Naval Research Laboratory und anderen Forschungseinrichtungen. Bei dieser Gelegenheit traf er wieder mit Franck zusammen, nach der erzwungenen Emigration Francks 1933 wurde ihre Freundschaft erneuert.[21] 1956 fand die erste International Color Center Conference am Argonne National Laboratory statt, der in den folgenden Jahren bis 1977 in dreijährigem Rhythmus weitere folgten.[22]
Die Bedeutung der Göttinger Arbeiten wurde 1980 vom Nobelpreisträger Nevill Mott zusammengefasst:[23]
„R. W. Pohl of Göttingen is in my view the real father of solid state physics.“
Nach seiner Emeritierung im Jahr 1952 widmete er sich weiter der Bearbeitung seiner Lehrbücher. In einem Interview mit seinem ehemaligen Schüler Heinz Pick im Jahr 1974 beschrieb Pohl einige seiner weiteren Erlebnisse in Göttingen im Einzelnen.[9]
Zu seinen Schülern und Mitarbeitern gehörten neben den erwähnten Gudden, Hilsch und Pick Erich Mollwo und Günther Glaser und zu seinen Doktoranden außerdem Josef Stuke, Fritz Stöckmann und Rudolf Ottmer.
Nach ihm benannt ist der seit 1979 verliehene Robert-Wichard-Pohl-Preis für Experimentalphysik und Physikdidaktik, ausgeschrieben von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Außerdem ist seit 1979 das Robert-Wichard-Pohl Institut an der Tongji-Universität, Shanghai, das durch die Stiftung Volkswagenwerk unterstützt wird, nach ihm benannt. Seit 1995 Befindet sich an seinem Wohnhaus in Göttingen, Klopstockstr. 4, eine Gedenktafel. Seit 2007 vergibt die Fakultät Physik der Uni Göttingen außerdem die Robert-Wichard-Pohl-Medaille an Dozenten der Fakultät für die beste Lehrleistung im vorangegangenen Semester.[24]
Personendaten | |
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NAME | Pohl, Robert Wichard |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Physiker |
GEBURTSDATUM | 10. August 1884 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | 5. Juni 1976 |
STERBEORT | Göttingen |