Sir Roger Penrose OM (* 8. August 1931 in Colchester, Essex) ist ein englischer Mathematiker und theoretischer Physiker, dessen Arbeiten auf den Gebieten der mathematischen Physik und der Kosmologie hoch geachtet sind. Er hat sich auch in zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern zu Themen der Philosophie geäußert.
Roger Penrose ist der Sohn des medizinischen Genetikers Lionel Penrose (Begründer des Colchester Surveys zur Aufdeckung genetischer bzw. Umwelt-Ursachen von geistigen Erkrankungen) und von Margaret Leathes, einer Ärztin. Er ist Bruder des Physikers Oliver Penrose und des zehnfachen (1958–1969) britischen Schachmeisters und Psychologen Jonathan Penrose. Sein Vater wanderte 1939 nach London in Ontario, Kanada, aus (er war dort Direktor der psychiatrischen Klinik am Hospital), wo Penrose die Schule besuchte. 1945 kehrte die Familie nach England zurück, und Penrose besuchte das University College in London, wo sein Vater Professor für Genetik war. Nach dem Bachelor wechselte er an die Universität Cambridge, um in algebraischer Geometrie bei William Vallance Douglas Hodge zu arbeiten, wechselte dann aber zu John Arthur Todd, bei dem er 1957 promovierte. Daneben hörte er auch Physik-Kurse bei Paul Dirac und Hermann Bondi und wurde außerdem stark durch den Kosmologen Dennis Sciama beeinflusst. 1956/57 war er Assistenzprofessor am Bedford College in London, wechselte danach als Research Fellow an das St. John's College in Cambridge. 1959–1961 war er in den USA an der Princeton University und an der Syracuse University, danach 1961–1963 am King's College in Cambridge und 1963/4 als Gastprofessor an der University of Texas at Austin. 1964 wurde er Dozent am Birkbeck College in London und 1966 dort Professor für angewandte Mathematik. 1973 wurde er Rouse Ball Professor an der Oxford University. Von 1992 bis 1995 war Penrose Präsident der International Society on General Relativity and Gravitation. 1998 emeritierte er und wurde Geometrie-Professor am Gresham College in London.
Er war zweimal verheiratet, in erster Ehe von 1959 bis zur Scheidung 1981 mit der Amerikanerin Joan Isabel Wedge, mit der er drei Kinder hat, in zweiter Ehe (1988) mit der Schullehrerin Vanessa Thomas, mit der er zwei Kinder hat.[1]
In der Öffentlichkeit ist Penrose durch seine populärwissenschaftlichen Arbeiten bekannt: In mehreren Büchern (The Emperor's New Mind[2], Shadows of the Mind[3], The Large, the Small and the Human Mind[4]) setzt er sich mathematisch-physikalisch mit Problemen des Bewusstseins und der künstlichen Intelligenz auseinander.
Penrose führte Spin-Netzwerke ein, aus denen später die Theorie der Loop-Quantengravitation und die Twistor-Theorie entwickelt wurde. Insbesondere der Ausbau der Twistor-Theorie, die er begründete, war ihm eines der Hauptanliegen in seiner Wissenschaftler-Karriere und die er Basis einer umfassenden physikalischen Theorie der fundamentalen Wechselwirkungen und Teilchen sieht. Eine weitere grundlegende Erkenntnis in der Kosmologie geht auf ihn und Stephen Hawking zurück: der Satz von Hawking-Penrose, nach dem in der Einsteinschen Feldgleichungen notwendig Lösungen mit Singularitäten (z. B. Urknall oder Schwarze Löcher) existieren (siehe Singularitäten-Theorem). Nach Penrose sind Singularitäten aber immer durch Ereignishorizonte abgeschirmt und nackte Singularitäten kommen nicht vor (Cosmic Censorship Hypothese von Penrose). Schließlich machte Penrose 1979 mit der Weylkrümmungshypothese auch einen Vorschlag, wie der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik in der Kosmologie verwurzelt sein könnte, und wie somit einerseits der kosmologische Zeitpfeil, andererseits die beeindruckende beobachtete räumliche Homogenität und Isotropie des Universums erklärt werden könnte. Im Zusammenhang mit der allgemeinen Relativitätstheorie entwickelte er auch das Penrose-Diagramm, mit dem man die globale Struktur einer Raumzeit graphisch darstellen kann.
Penrose fordert die Entwicklung einer Theorie der Quantengravitation unter Berücksichtigung einer gewissen Nichtberechenbarkeit in der Welt der Quantenphänomene bzw. deren Deutungen und der Integration der Prinzipien der allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins. Diese neue Physik nennt er OR-Physik.
Im Jahr 2010 interpretierte Penrose, gemeinsam mit Vahe Gurzadyan, Anomalien (nach ihnen konzentrische Kreise) in den WMAP-Daten der kosmischen Hintergrundstrahlung als Beweis für Aktivitäten vor dem Urknall (Kollisionen supermassiver schwarzer Löcher).[5] Er sieht das als Bestätigung eines von ihm vorgeschlagenen Modells zyklischer Universen (CCC, Conformal Cyclic Cosmology), das aufeinander folgende Universen vorsieht und somit im Gegensatz zum Modell der Paralleluniversen steht.[6] Demnach folgt auf das Ende eines expandierten Universums ein neuer Urknall, was eine Symmetrie bzw. konforme Transformation (das heisst im Wesentlichen skalenunabhängige) zwischen Anfang und Ende voraussetzt (das steht mit seiner Weylkrümmungshypothese zur Erklärung der Entropie des Universums in Verbindung). Da aber im bekannten Universum massive Teilchen vorhanden sind und dadurch Skalen definiert werden, postuliert er zudem, dass die Teilchen in der Endphase ihre Masse verlieren. Auch postuliert er zur Erklärung von Temperaturfluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung masselose Teilchen, die Gravitation vermitteln und Dunkle Materie ausmachen, und nennt sie Erebon nach Erebos.[7]
Noch als Student entdeckte Penrose 1955 die Penrose-Inversen von Matrizen.
Penrose entdeckte 1974 mehrere zueinander verwandte kleine nicht-periodische Mengen von Kacheln, insbesondere auch mehrere aperiodische Paare. Mit solchen Kacheln kann die Ebene parkettiert werden, aber keine dieser Parkettierungen ist periodisch (das heißt wiederholt sich auf exakt dieselbe Weise). Sie besitzen aber stets eine gewisse Ordnung und sind fünfzählig drehsymmetrisch. Sie werden daher quasiperiodisch genannt. Diese Penrose-Parkettierungen sind aus einer hierarchisch strukturierten Packung regelmäßiger Fünfecke (s. u.) abgeleitet. Eine Penrose-Pflasterung befindet sich im Eingangsbereich des Matheturms der TU Dortmund. 1984 wurden ähnliche Strukturen bei Quasikristallen gefunden.
Roger Penrose hat unter anderem das Penrose-Dreieck, ein Dreieck mit drei aufeinander stehenden rechten Winkeln, erfunden. Die Konstruktion, die in der Realität nicht möglich ist, hat den niederländischen Grafiker M. C. Escher zu den Bildern Wasserfall und Belvedere animiert.
In der Mathematik wird Schönheit oft mit Einfachheit in Verbindung gebracht. Penrose kommt hier zu dem Ergebnis, dass in der Mathematik nicht Einfachheit als solche schön ist, sondern vor allem unerwartete Einfachheit.[8]
Penrose versucht in mehreren Werken mit einer Drei-Welten-Lehre metaphysische Probleme populärwissenschaftlich zu beschreiben und seine Lösungsvorschläge zu erklären. Aus der ersten Welt des platonisch-mathematischen Logos ist die physikalische Realität nur ein kleiner Ausschnitt (es wären andere Naturgesetze denkbar). Die dritte, geistige Welt ist das Bewusstsein des Einzelnen.
Wie auch Stuart Hameroff auf der Suche nach „einer physikalischen Heimat für Bewusstsein“, schlägt Penrose ein – kontrovers diskutiertes – Modell vor, nach dem dieses im Wesentlichen auf derzeit im Einzelnen noch unbekannten quantenmechanischen Effekten wie EPR-Phänomenen, Quantenverschränkung oder Quanten-Nichtlokalität und Quantenkohärenz beruht, die er in den Mikrotubuli des Zellskelletts und der Schnittstelle mit dem Neuron lokalisiert.
Nach dieser Theorie führen subtile physikalische Prozesse auf Nanometerskala (10−9 m) im Grenzgebiet zwischen klassischer Physik und Quantenmechanik in einem hochentwickelten Nervensystem zu dem, was wir „Geist“ und „Bewusstsein“ nennen. Von anderen Quantenphysikern, Neurobiologen und Philosophen, wie Metzinger, Roth oder Koch, wird das Hameroff-Penrose-Modell allerdings abgelehnt.
Penrose schlug 2003 mit dem niederländischen Experimentalphysiker Dirk Bouwmeester vor, seine Hypothese des Einflusses der gravitativen Raumkrümmung auf die Superposition quantenmechanischer Zustände[9] an Nano-Spiegeln zu testen.[10][11]
Personendaten | |
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NAME | Penrose, Roger |
KURZBESCHREIBUNG | englischer Mathematiker und theoretischer Physiker |
GEBURTSDATUM | 8. August 1931 |
GEBURTSORT | Colchester, Essex, England |