Wilhelm Schickard (* 22. April 1592 in Herrenberg; † 23. Oktober 1635 in Tübingen) war ein deutscher Astronom, Geodät und Mathematiker. Er lehrte Hebräisch und Astronomie an der Universität Tübingen. Er gebrauchte seinen Namen auch in den Varianten Schickhart, Schickhard, Schickart, Schickardt und daraus latinisierten Formen.
Wilhelm Schickard wurde als Sohn des Schreiners Lucas Schickhardt und der Pfarrerstochter Margarete Gmelin geboren und war der Neffe des Baumeisters Heinrich Schickhardt und von Wilhelm Gmelin. Er besuchte die Klosterschule in Bebenhausen und wurde 1610 in das Tübinger Stift aufgenommen. An der Universität Tübingen erwarb er 1611 den Magistergrad und studierte anschließend Theologie. Ab 1613 war er Vikar an mehreren Orten in Württemberg, bis er 1614 zum Diakon nach Nürtingen berufen wurde. Dort lernte ihn im Jahr 1617 Johannes Kepler kennen, der nach Tübingen gekommen war, um seine Mutter in einem Hexenprozess zu verteidigen. Für Keplers Werk Harmonice mundi schuf er einige Kupferstiche und Holzschnitte.
Schickard gehörte in Tübingen zum Freundeskreis des chiliastischen Juristen und Theosophen Tobias Heß. Zu diesem Kreis zählten beispielsweise auch Johann Valentin Andreae, Christoph Besold, Wilhelm Bidembach von Treuenfels, Abraham Hölzel, Thomas Lansius und Samuel Hafenreffer sowie Johann Jakob Heinlin, der nach Schickards Tod zunächst seine Professur an der Tübinger Universität vertrat.
Das hier abgebildete Porträt von 1632 befindet sich in der Sammlung der Professorenportraits der Universität Tübingen.
Im Jahr 1619 wurde er als Professor für Hebräisch an die Universität Tübingen berufen. Bei seiner Lehrtätigkeit suchte er nach einfachen Verfahren, den Schülern das Lernen zu erleichtern. So schuf er die Rota Hebræa, eine Darstellung der hebräischen Konjugation in Form zweier drehbarer Scheiben, die übereinander gelegt werden und die jeweiligen Formen in Fenstern erscheinen lassen. Zum Studium der hebräischen Sprache schuf er das Horologium Hebræum, die hebräische Uhr, ein Lehrbuch des Hebräischen in 24 Kapiteln, die jeweils in einer Stunde zu erlernen waren. Dieses Buch war das bekannteste Buch Schickards und wurde bis zum Jahr 1731 immer wieder neu aufgelegt. Im Jahr 1627 schrieb er ein Lehrbuch zum Erlernen des Hebräischen auf deutsch, den Hebräischen Trichter.
Neben seinem Lehramt für Hebräisch beschäftigte er sich mit Astronomie. 1623 erfand er ein Astroscopium, einen aus Papier gefertigten Kegel, in dessen Innerem der Sternenhimmel abgebildet war. Er entwickelte u.a. eine Theorie der Mondbahn, welche die genauesten Ephemeriden seiner Zeit lieferten. Er war der erste, der Meteorbahnen aus gleichzeitigen Beobachtungen von verschiedenen Standorten bestimmte.[1] Seine grafischen Methoden zur Berechnung von Finsternissen und im Kopernikanischen System wurden viel benutzt.
Schickard war ein begabter Mechaniker und baute seine Instrumente vielfach selbst – Kepler nannte ihn in einem Brief deshalb auch einen beidhändigen Philosophen.[2] 1623 baute er die erste Rechenmaschine (von ihm Rechenuhr genannt), um astronomische Rechnungen zu erleichtern. Die Maschine beherrschte das Addieren und Subtrahieren von bis zu sechsstelligen Zahlen, einen „Speicherüberlauf“ signalisierte sie durch das Läuten einer Glocke. Um komplexere Berechnungen (Multiplikation, Division) zu ermöglichen, waren Napiersche Rechenstäbchen (auch Nepersche Stäbchen genannt) in Form von Zylindern – ähnlich den späteren Rechenkästen von Caspar Schott – darauf angebracht, die zur Unterstützung der weiteren Rechenschritte auf der Addiermaschine dienten. Die Konstruktion war bis zum 20. Jahrhundert verloren, und erst 1960 wurde eine funktionierende Replik hergestellt. Hinweise auf die Maschine samt Zeichnungen von Schickard fanden sich im Nachlass von Kepler (Schickard versprach Kepler ein Exemplar, das aber durch Feuer vernichtet wurde)[3] und auch im Nachlass von Schickard selbst.[4] Schickard kannte die Schriften von Napier und war selbst ein früher Vertreter der Verwendung von Logarithmen.
Ab 1624 begann er auf seinen Reisen durch Württemberg als Schulaufseher für die Lateinschulen, das Land neu zu vermessen. Damit ihn dabei andere unterstützen konnten, schrieb er im Jahr 1629 eine Anweisung, wie künstliche Landtafeln zu machen seien. Dabei verwendete er die Methode der geodätischen Triangulation, die einige Jahre zuvor Willebrord Snell erfunden hatte.
Im Jahr 1631 starb der Astronomieprofessor Michael Mästlin, und Schickard wurde zu seinem Nachfolger bestellt. Er hielt von nun an die astronomischen Vorlesungen. Eine seiner wichtigsten Arbeiten betraf die Theorie der Mondbewegung. Zur Berechnung der Mondbahn veröffentlichte er 1631 die Ephemeris Lunaris, mit der man grafisch die Mondstellung am Himmel zu jedem Zeitpunkt bestimmen konnte. Er war überzeugter Anhänger des heliozentrischen Systems und erfand zu seiner Darstellung das erste Handplanetarium, das auf seinem Porträt von 1631 abgebildet ist. Er korrespondierte neben Kepler mit Astronomen und Wissenschaftlern wie Ismael Boulliau und Pierre Gassendi.
Nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 besetzten die kaiserlichen Truppen auch Tübingen, mit ihnen kam die Pest. Im Herbst 1634 starb erst Schickards Mutter an Misshandlungen durch Soldaten, dann starben seine Frau und seine drei Töchter an der Pest, ihm blieb nur sein neunjähriger Sohn. Schickard, der zur Jahreswende selbst an der Pest erkrankte und sich wieder erholte, gelang es, sich mit der Besatzungsmacht zu arrangieren. Im Auftrag von Graf Gronsfeld, der sich für seine mathematischen und mehr noch für seine geodätischen Arbeiten interessierte, führte er von Februar bis Juli 1635 im Gebiet Stuttgart–Herrenberg–Tübingen und im Gebiet Sinzheim–Bruchsal–Pforzheim Vermessungen durch. Mitte Oktober erkrankte er erneut, am 23. Oktober 1635 starb er und wurde am folgenden Tag begraben, sein Sohn am Tag darauf. Sein Nachbar und Patenonkel seiner Kinder, Thomas Lansius, bewahrte den Nachlass mehrere Jahre verschnürt in seinem Keller auf, bis ihn Schickards Bruder Lucas entgegennehmen konnte.[5]
Der Mondkrater Schickard wurde bereits 1651 von Giovanni Riccioli auf seiner Mondkarte benannt.
Die hier abgebildete Skizze der Rechenmaschine findet sich im Schickardschen Skizzenbuch in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. Die Maschine wurde von dem Tübinger Logiker Bruno von Freytag-Löringhoff 1957 rekonstruiert. Rekonstruierte Exemplare können im Tübinger Stadtmuseum, im Computermuseum des Wilhelm-Schickard-Instituts für Informatik in Tübingen und im Arithmeum in Bonn besichtigt werden. Den Mechanismus seiner Rechenmaschine kann man auch im Heinz Nixdorf MuseumsForum (Computermuseum) in Paderborn ausprobieren. Das nach ihm benannte Wilhelm-Schickard-Institut für Informatik befindet sich an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Willhelm Schickard ist Namensgeber der Wilhelm-Schickard-Schule in Tübingen (kaufmännische berufliche Schule) und gilt als einer der Namensgeber des 1962 eröffneten Schickhardt-Gymnasiums in Herrenberg.
Im Jahr 1989 wurde die 1955 gegründete Forschungsgesellschaft für Uhren- und Feingerätetechnik zu Ehren von Wilhelm Schickard und Philipp Matthäus Hahn in Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e. V. (HSG) umbenannt.[6]
Im Technologiepark Karlsruhe gibt es seit 1993 eine Wilhelm-Schickard-Straße.[7]
Personendaten | |
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NAME | Schickard, Wilhelm |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Astronom und Mathematiker, Professor für biblische Sprachen, Astronomie und Mathematik |
GEBURTSDATUM | 22. April 1592 |
GEBURTSORT | Herrenberg |
STERBEDATUM | 23. Oktober 1635 |
STERBEORT | Tübingen |