Ahnighito (Meteorit)

Ahnighito (Meteorit)

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Robert Peary und der Ahnighito-Meteorit, 1897
Der Meteorit Ahnighito (im Hintergrund), „Frau“ (vorne) und „Hund“ (auf dem Ständer) im American Museum of Natural History
Der Meteorit Ahnighito im American Museum of Natural History

Der Meteorit Ahnighito (auch „Saviksue“ oder „Zelt“[1]) ist ein Eisenmeteorit. Er wird als mittlerer Oktaedrit der Gruppe III AB klassifiziert und besteht aus 91 % Eisen,[2] 7,58 % Nickel, 19,2 ppm Gallium, 36,0 ppm Germanium und 5,0 ppm Iridium.[3] Robert Peary fand ihn 1897 in Grönland und transportierte ihn nach New York. Heute befindet sich der Ahnighito in der Arthur Ross Hall of Meteorites des American Museum of Natural History in New York. Er ist weltweit der größte in einem Museum ausgestellte Meteorit.

Mit einem Gewicht von 31 t ist der Ahnighito der drittgrößte Meteorit, der bisher entdeckt wurde. Der mit ca. 60 t größte in einem Stück erhaltene Meteorit, der Hoba-Meteorit[4], befindet sich in Namibia, auf dem Gelände der „Hoba“-Farm in der Nähe von Grootfontein. Ein 37 t schweres Fragment[5] des Campo-del-Cielo-Meteoriten, das zweitgrößte Meteoritenbruchstück,[6] liegt an der Grenze zwischen den Provinzen Chaco und Santiago del Estero in Argentinien.

Beschreibung

Der Meteorit Ahnighito ist die Hauptmasse des Cape-York-Meteoriten, der ursprünglich wahrscheinlich 200 t wog. Der Cape-York-Meteorit, der beim Eintritt in die Erdatmosphäre vor fast 10.000 Jahren über der Melville-Bucht zerbrach, ist nach dem Ort seiner Entdeckung, dem grönländischen Kap York im Verwaltungsbezirk Avanersuaq benannt. Insgesamt wurden bisher 12 Teile des Cape-York-Meteoriten mit einem Gesamtgewicht von 58 t gefunden.[7] Außer dem Ahnighito befinden sich im American Museum of Natural History zwei weitere Teilstücke des Cape-York-Meteoriten, „Frau“ (Woman) mit einem Gewicht von 3 t und „Hund“ (Dog) mit 400 kg Gewicht.[8] Der 3,4 m × 2,1 m × 1,7 m große Ahnighito steht in der Arthur-Ross-Halle des American Museum of Natural History auf massiven Säulen, die durch den Fußboden hindurch bis auf den Fels unterhalb des Museums reichen. 2003 ist die Ausstellung neu gestaltet worden, so dass die Säulen heute nicht mehr sichtbar sind.[9]

Der Meteorit ist ca. 4,6 Milliarden Jahre alt und war etwa 93 Millionen Jahre der Kosmischen Strahlung ausgesetzt. Er ist damit vor deutlich kürzerer Zeit von seinem Mutterkörper getrennt worden als andere Oktaedriten der chemischen Gruppe III AB, die in der Regel ein weitaus höheres Bestrahlungsalter von etwa 650 Millionen Jahren aufweisen.[2] Die Oberfläche des dunkelbraunen Meteoriten ist mit grünlichen Einschlüssen überzogen. Alle Troilit-Einschlüsse sind in der gleichen Richtung orientiert und zeigen den Einfluss der Schwerkraft während der Verfestigung.[2] Einige Stellen des Meteoriten sind angeschliffen, poliert und mit methanolhaltiger Salpetersäure angeätzt worden, um die Widmanstätten-Strukturen und die am Ahnighito besonders deutlichen Neumann-Linien sichtbar zu machen.

Geschichte

Seit Jahrhunderten verwendeten die in der Nähe lebenden Inuit das Eisen des Meteoriten für die Herstellung von Werkzeugen und Harpunen.[10][11] Erste Gerüchte über die Existenz des Meteoriten gab es in wissenschaftlichen Kreisen bereits 1818. Der britische Konteradmiral und Polarforscher John Ross begegnete auf der Suche nach der Nordwestpassage in Nordwestgrönland einem Stamm der Inuit, der zu seinem Erstaunen Messerklingen, Harpunenspitzen und gravierte Werkzeuge aus meteoritischem Eisen besaß. Fünf Expeditionen zwischen 1818 und 1883 gelang es nicht, die Herkunft des Eisens zu klären. Die befragten Inuit weigerten sich, den Fundort der Meteoriten preiszugeben. Robert Peary überzeugte sie schließlich, indem er ihnen Gewehre und andere Gegenstände anbot, die aus Eisen gefertigt waren.

Die Inuit hatten bereits versucht, einen Teil des Oberkörpers der „Frau“, der durch das ständige Abmeißeln kleiner Fragmente über die Jahrhunderte vom Rumpf getrennt worden war, abzutransportieren. Als sich der Hundeschlitten mit dem Meteoritenstück auf dem Packeis befand, brach plötzlich das Eis und der Kopf der „Frau“ verschwand im Wasser. Seitdem wurde kein Versuch mehr unternommen, weitere Teile wegzuschaffen.

Verladen des Meteoriten

Im Mai 1894 erreichte Robert Peary mit seinen lokalen Führern zu Fuß die Fundstelle auf der Meteoriteninsel an der Melville-Bucht. Im Sommer 1894 versuchte er mit seinem Schiff „Falcon“ die Melville-Bucht zu erreichen, um die beiden kleineren Meteoriten „Frau“ und „Hund“ zu verladen, die sich etwa 7 km vom Ahnighito entfernt auf dem Festland befanden.[12] Wegen des ungewöhnlich kalten Polarsommers 1894 scheiterte Pearys Versuch, Kap York zu erreichen. Im August 1895, auf seiner dritten Reise nach Grönland, gelang es ihm mit Hilfe von hölzernen Schlitten, die beiden Meteoriten „Frau“ und „Hund“ zu seinem Schiff „Kite“ ziehen und verladen zu lassen. Es waren die ersten Grönland-Meteoriten, die in den Vereinigten Staaten eintrafen.

Für seine fünfte Fahrt nach Grönland 1896 charterte Peary das Dampfschiff „Hope“, um den Meteoriten nach New York zu bringen, Kunst- und Kulturgegenstände für ethnographische Ausstellungen zu sammeln und Erfahrungen für die Erreichung des Nordpols zu sammeln. Seine Frau Josephine Diebitsch Peary[13] und seine dreijährige Tochter Marie Ahnighito Peary[14] begleiteten ihn auf der Expedition. Mit hydraulischen Hebeböcken und der Unterstützung durch 100 Inuit konnte Peary eine Rampe zur Verladung auf die „Hope“ anlegen und den Meteoriten in sechs Tagen über eine schwere, mit Gegengewichten ausgestattete Brückenkonstruktion an Bord ziehen lassen. Dort wurde der Meteorit bis über den Kiel herabgelassen und fest verkeilt, um den Schwerpunkt des Schiffes so tief wie möglich zu legen. Am 20. August 1897 war der Meteorit verladen, und am 30. September 1897[15] erreichte die „Hope“ Brooklyn. Der Ahnighito verblieb auf der Marinewerft in Brooklyn, bis Pearys Frau ihn 1904 für 40.000 US-Dollar an das American Museum of Natural History verkaufte.

Minik in New York kurz nach seiner Ankunft

Bei dem Transport des Meteoriten nach New York waren sechs Inuit mit an Bord, deren Schicksal die Schattenseiten der Entdeckungsgeschichte belegt. Die Inuit erkrankten nach wenigen Wochen und starben, nur ein kleiner Junge, Minik Wallace, überlebte. Als sein Vater an Tuberkulose verstarb, täuschte man dem Jungen ein Begräbnis nach traditionellem Ritus vor. Als 16-Jähriger musste Minik Wallace feststellen, dass das Skelett seines Vaters in der anthropologischen Sammlung des Museums ausgestellt war, unweit des Ahnighito.[16]

Weitere Bruchstücke des Cape-York-Meteoriten

Insgesamt sind zwölf Bruchstücke des Cape-York-Meteoriten bekannt.[17] 1963 wurde von dem dänischen Meteoritenforscher Vagn Buchwald auf der Insel Agpalilik ein weiteres großes Bruchstück des Cape-York-Meteoriten entdeckt. Der Agpalilik-Meteorit (wahrscheinlich der „Mann“) wiegt rund 20 t und befindet sich im Geologischen Museum der Universität Kopenhagen. Weitere kleinere Bruchstücke sind z. B. der 3 t schwere Savik-I-Meteorit, der 1913 von Knud Rasmussen gefunden wurde; der 48 kg schwere Thule-Meteorit, den der Geologe Mark Meier 1955 entdeckte; der 7,8 kg schwere Savik-II-Meteorit und das 250 kg Tunorput-Fragment, das 1984 von dem Jäger Jeremias Petersen im Meer gefunden wurde.[18][19] Durch Vergleich der chemischen Zusammensetzungen erkannte Vagn Buchwald die Zugehörigkeit eines Fragments, welches in der Nähe eines alten Inuitlagers auf der zur Ellesmere-Insel gehörenden Knud-Halbinsel in Kanada gefunden wurde, zu dem Cape-York-Meteoriten. Dieses 1,6 kg Bruchstück, das den Namen Akpohon erhielt, ist anscheinend über 600 km vom Ort seines Falls bis zu seinem Fundort in Kanada transportiert worden.[2]

Literatur

  • Monica M. Grady: Catalogue of Meteorites. 5. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2000, ISBN 978-0-521-66303-8
  • Emersleben, Otto: Robert Edwin Peary: ein amerikanischer Traum vom Pol. Verlag Neues Leben, Berlin 1991, ISBN 3-355-01289-0.
  • Fleming, Fergus: Neunzig Grad Nord. Der Traum vom Pol. Piper, München 2004, ISBN 3-492-24205-7.
  • Harper, Kenn: Die Seele meines Vaters. Minik – Der Eskimo von New York. Mit einem Vorwort von Kevin Spacey. Diana Verlag, München/Zürich 2001, ISBN 3-453-19143-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der Meteorit wurde von den Inuit „Zelt“ genannt, Marie Ahnighito Peary erklärte den Namen Ahnighito, den sie selbst als Mittelname trug, wie folgt: „Es ist der Name der Eskimofrau, die meine erste Fellkleidung (als Snowbaby) anfertigte. Der Name lautet meist Arnakittoq.“ aus Nunatsiaq News, Taissumani: A Day in Arctic History, Sept. 12, 1893 – The „Snowbaby“ is Born in Greenland.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Montréal Planetarium, Cape York
  3. History of Meteorites, Cape York, Astronomical Research Network 2006
  4. Sternwarte Singen e. V., Meteorit Hoba (Memento vom 28. Juni 2009 im Internet Archive)
  5. Montréal Planetarium, Campo del Cielo
  6. Mike Jensen: Largest Meteorites in the World
  7. Peter Seroka: Mineralienportrait Eisen, Eisen in Grönland
  8. Discovery of Cape York Iron Meteorite (PDF; 369 kB) Meteoritical Bulletin, Nr. 28, Moskau 1963
  9. Natural History, Arthur Ross Hall of Meteorites reopens September 20 (Memento vom 8. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
  10. T. A. Rickard: The Use of Meteoric Iron. In: The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. Nr. 71, 1941, S. 55–66.
  11. V. F. Buchwald: On the Use of Iron by the Eskimos in Greenland. In: Materials Characterization. Nr. 29, 1992, S. 139–176
  12. American Museum of Natural History, Fragments of Cape York
  13. Women and the American Experience, Josephine Diebitsch Peary (Memento vom 7. August 2007 im Internet Archive)
  14. Women and the American Experience, Marie Peary Stafford (1893–1978) (Memento vom 7. August 2007 im Internet Archive)
  15. Mark Bostick: The Cape York Misconception
  16. Kenn Harper: Die Seele meines Vaters: Minik – Der Eskimo von New York. Diana Verlag, München Zürich 2001, ISBN 3-453-19143-9.
  17. Greenlandic Meteorites (Memento vom 9. Juni 2007 im Internet Archive)
  18. The Meteoritical Society, Cape York
  19. V. F. Buchwald: Thermal Migration III: Its Occurrence in Cape York and Other Iron Meteorites, Meteoritics, Bd. 22, S. 343
  20. Meteoritical Bulletin Database, Cape York