Anorthosit

Anorthosit

Version vom 3. November 2017, 16:15 Uhr von imported>Aka (Halbgeviertstrich)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Lichtreflex in einem Labradorit-Kristall in einem kanadischen Anorthosit, Bildausschnitt ca. 2,5 × 2,0 cm
Anorthosite im Streckeisendiagramm
Anorthositfels in Norwegen (Jibbeheia in der Provinz Rogaland)
Anorthosit aus Südfinnland
Anorthosit von Sirevåg (Kommune Hå) in Norwegen
Der Genesis-Stein. Ein Stück Anorthosit vom Mond, mitgebracht von Apollo 15.

Anorthosite (auch Plagioklasite[1]) sind leukokrate plutonische Gesteine, die sich durch einen sehr hohen Anteil von Plagioklasen auszeichnen.[2] Sie fallen oft durch intensiv irisierende Lichtreflexe in ihren Kristallen auf.

Mineralbestand und Zusammensetzung

Der bestimmende Plagioklasanteil von mehr als 90 Vol.-% wird durch Anorthit (CaAl2Si2O8 (90–100 % Anorthit)) und ähnliche Mitglieder seiner Gruppe, wie Andesin oder Labradorit gebildet. Es handelt sich um einen Ca-reichen Feldspat.
Die Feldspäte der Anorthosite sind meistens großkörnig und schillern je nach Lichteinfall lebhaft. Die Wirkung ihrer spektakulären Lichtreflexe wird auch als „labradorisieren“ bezeichnet. Der wissenschaftliche Begriff für diese Erscheinung lautet Pseudochromasie.[3]

Als weitere mineralische Bestandteile treten Ortho- und Klinopyroxen, Olivin und weitere Mafite wie Titanomagnetit, Almandin sowie Eisen bzw. Kupfersulfide, ferner die Minerale Biotit, Korund und Rutil auf. Manche Vererzungen sind abbauwürdig.

Je nach Feldspartart unterscheidet man zwischen Andesin-Anorthosit oder Labradorit-Anorthosit. Das ist die gebräuchlichste Unterscheidungsweise bei dieser Gesteinsgruppe.

Nach den Anteilen einiger akzessorischer Mineralanteile bezeichnet man auch:

  • Gabbro-Anorthosite; mit Mafitgehalten zwischen 10 und 22,5 Prozent
  • noritische Anorthosite; Gehalt an Orthopyroxen höher als Klinopyroxen
  • troktolithische Anorthosite, Olivingehalt höher als die Pyroxenanteile.

Ferner werden zwei weitere Typen beschrieben:

  • Zwei-Plagioklas-Anorthosit; aus den Feldspäten Bytownit und Andesin
  • quarzführende Anorthosite; je nach Quarzgehalt ein Übergang zu den Tonaliten.

Namensgebung und frühe Beschreibungen

Der Gesteinsname leitet sich von der Feldspatart Anorthit ab. Ein veralteter Name lautet Anortholith und wurde durch Thomas Sterry Hunt 1864 zitiert.[2]

Bei der geologischen Erkundung der Region um Château-Richer in der kanadischen Provinz Québec untersuchte Thomas Sterry Hunt einen kristallinen Komplex mit einer Flächenausdehnung von etwa 125 Quadratkilometern. Seine Ergebnisse publizierte er 1855 unter dem Titel Examinations of some feldspathic rocks (Phil. Mas., Ser. 4, 9, Seite 354–363) und beschrieb damit nach heutiger Terminologie ein Massiv aus Andesin-Anorthosit.[4] Später erfolgte eine erneute Erkundung durch William Edmond Logan in diesem Gebiet.

Die wissenschaftliche Erstbeschreibung des Gesteins stammt jedoch aus dem Jahr 1863 von Thomas Sterry Hunt und erschien in dem Werk Géologie du Canada der Commission géologique du Canada unter der Redaktionsleitung von William Edmond Logan.[5][6][7] Dieses Vorkommen ist heute als Anorthosit-Komplex bzw. als Grenville-Orogen der kanadischen Grenville-Provinz bekannt.

Vorkommen

Terrestrische Vorkommen

Anorthosite kommen in einzelnen Plutonen vor, jedoch wesentlich häufiger als Band oder Lage in Gabbrovorkommen.

Bedeutende Lagerstätten des Gesteins finden sich in Kanada (bei Ottawa), der Ukraine (bei Golowino), in Finnland (bei Ylämaa und Nuijamaa) und Norwegen (bei Sokndal und Hå).

Extraterrestrische Vorkommen

Der überwiegende Teil der primären Mondkruste, insbesondere auf den Hochlagen, besteht aus Anorthosit. Infolge der unzähligen Impakte von Partikeln aus dem Weltraum über große Zeiträume sind jedoch die oberen Gesteinsstrukturen stark verändert worden. Aufschmelzungen und mechanische Zertrümmerungen haben an der Mondoberfläche nur wenige unveränderte Anorthositlagen erhalten und die ursprünglichen Gesteinsstrukturen verändert. Dieser Vorgang wird als Impaktmetamorphose bezeichnet.[8] Durch seine Kristallstruktur enthält der dortige Anorthosit relativ große Mengen an dem damit kompatiblen schweren Spurenelement Europium.[9]

Verwendung

Anorthosite sind ein wichtiger Ausgangsstoff für die Steinwolleherstellung. Aufgrund ihrer auffälligen optischen Effekte werden sie für die Innengestaltungen und für Grabmäler verwendet.

Natursteinsorten

  • Blue Eyes, (Kanada, bei Nain)
  • Wolga Blue (Russischer Labrador), (Ukraine, Region Schytomyr)
  • Spektrolit, (Finnland, Ylämaa)

Literatur

  • IUGS: Igneous Rocks. A Classification and Glossary of Terms. Hrsg.: R.W. Le Maitre et al. Cambridge University Press, Cambridge 2004, ISBN 0-521-61948-3.
  • Friedrich Müller: INSK kompakt. Ebner Verlag, Ulm.
  • Raymond Perrier: Les roches ornementales. Edition pro roc, Ternay 2004, ISBN 2-9508992-6-9.
  • Roland Vinx: Gesteinsbestimmung im Gelände. Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, München 2005, ISBN 3-8274-1513-6.
  • Wolfhard Wimmenauer: Petrographie der magmatischen und metamorphen Gesteine. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-432-94671-6.

Weblinks

Wiktionary: Anorthosit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vinx: Gesteinsbestimmung, 2005, S. 191
  2. 2,0 2,1 R.W. LeMaitre & IUGS: Igneous Rocks 2004, S. 57
  3. Perrier: roches ornementales. S. 180
  4. Thomas Feininger: Geology and Geophysics of the "Type" Anorthosite, Château-Richer, Quebec. In: 'The Canadian Mineralogist. Vol. 31 (1993), S. 849–859
  5. F. Y. Loewinson-Lessing, E. A. Struve: Petrografičeskij slovar’. Leningrad, Moskva 1937, S. 27
  6. Christy Vodden: Commission géologique du Canada. Pierre à pierre: Les 150 premières années de la Commission géologique du Canada. Ottawa 1992 abgerufen am 10. Mai 2010
  7. T. Sterry Hunt: On Norite or Labradorite Rock. In: American Journal of Science and Arts. Vol. XLVIII, Nov. 1869. S. 2 (Fußnote), abgerufen am 10. Mai 2010
  8. Wolfhard Wimmenauer: Petrographie, 1985, S. 90
  9. Spektrum der Wissenschaft November 2009, S. 42–51, Die zwei Gesichter des Mondes