Abū Alī al-Husain ibn Abd Allāh ibn Sīnā (arabisch أبو علي الحسين بن عبد الله ابن سينا, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value); * um 980 in Afschana (Afšana) bei Buchara in der persischen Provinz Chorasan; † Juni 1037 in Hamadan) – kurz Ibn Sina und latinisiert Avicenna – war ein persischer Arzt, Physiker, Philosoph, Dichter, Jurist, Mathematiker, Astronom, Alchemist und Musiktheoretiker. Er zählt zu den berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit und hat insbesondere die Geschichte und Entwicklung der Medizin maßgeblich geprägt. Einige seiner philosophischen Ausarbeitungen wurden von späteren Mystikern des Sufismus rezipiert.
Avicennas Vater war ein aus der chorasanischen Stadt Balch stammender ismailitischer Steuereintreiber, der sich im Dorf Afschāna bei Buchara im persischen Samanidenreich niederließ und dort Abū Alīs Mutter Setāra heiratete. Abū Alī und ein Bruder wurden in Afschāna geboren, anschließend zog die Familie nach Buchara.
Da seine Muttersprache Persisch war, lernte er zuerst Arabisch, die damalige Verkehrssprache. Danach wurden ihm zwei Lehrer zugewiesen, die ihm den Koran und Literatur näher bringen sollten. Bereits im Alter von zehn Jahren konnte er den Koran auswendig und hatte viele Werke der Literatur studiert und sich dadurch die Bewunderung seiner Umgebung erworben. Während der nächsten sechs Jahre studierte er autodidaktisch die Rechte (Jura), Philosophie, Logik, Werke des Euklid und den Almagest. Von einem gelehrten Gemüsehändler lernte er indische Mathematik und Algebra. Er wandte sich im Alter von 17 Jahren der Medizin zu und studierte sowohl ihre Theorie als auch ihre Praxis. Er beschrieb die Heilkunst als „nicht schwierig“. Avicenna vertiefte sich auch in metaphysische Probleme, besonders in die Werke des Aristoteles, wobei ihm die Schriften von al-Farabi besonders halfen.
Da er sich im Alter von 18 Jahren bereits einen Ruf als Arzt erarbeitet hatte, nahm ihn der samanidische Herrscher Nuh ibn Mansur (976–997) in seine Dienste auf. Zum Dank wurde ihm erlaubt, die königliche Bibliothek mit ihren seltenen und einzigartigen Büchern zu nutzen. So gelang es ihm, im Alter von 21 Jahren sein erstes Buch zu verfassen.
Abū Alī al-Husain ibn Abdullāh ibn Sīnā verlor 1002 seinen Vater und 1005 mit dem Aussterben der samanidischen Dynastie seine Anstellung. Wahrscheinlich verließ er Buchara bereits, als die Stadt 999 an die türkischen Qarachaniden fiel, und wanderte über Nischapur und Merv in Chorasan nach Choresm aus. Über das reiche Oasengebiet südlich des Aralsees herrschte damals Ali ibn Mamun, dem Avicenna in Kath diente, bis er 1012 floh, um nicht in den Dienst des Sultans Mahmud von Ghazni treten zu müssen. Nach erneuter Wanderung durch verschiedene Städte Chorasans kam er noch 1013 nach Gorgan (arabisch: Dschurdschan) nahe dem Kaspischen Meer. Angezogen hatte ihn der Ruhm des dortigen Herrschers Qabus, der als Förderer der Wissenschaft galt. Der Fürst aus der Dynastie der Ziyariden war jedoch kurz vor Avicennas Ankunft ermordet worden. In Gorgan hielt Avicenna Vorlesungen in Logik und Astronomie, schrieb den ersten Teil des Qānūn und traf seinen Freund und Schüler al-Dschuzdschani.
In Ray (Persien), wo er sich 1014–1015 aufhielt und im Dienst der Buyiden stand, gründete Avicenna eine medizinische Praxis und verfasste 30 kurze Werke. Als Ray belagert wurde, floh er nach Hamadan. Dort behandelte er eine reiche Frau, wurde Leibarzt und medizinischer Berater des Buyiden Schams ad-Daula und stieg schließlich sogar zu dessen Wesir auf. Eine Meuterei von Soldaten führte zu seiner Absetzung und Verhaftung. Doch als der Emir wieder einmal an einer Kolik litt, soll Avicenna zur Behandlung herangezogen und nach erfolgreicher Heilung freigelassen und wieder in sein altes Amt eingesetzt worden sein.
Sein Leben in jener Zeit war anstrengend: Tagsüber war er mit Diensten für den Emir beschäftigt, während er einen großen Teil der Nächte mit Vorlesungen und dem Diktieren von Notizen für seine Bücher verbrachte. Studenten sammelten sich in seinem Haus, um Ausschnitte aus seinen zwei Hauptwerken zu lesen, dem Kitāb al-Schifā und dem Qānūn.
Nach dem Tod Schams ad-Daulas (1021) bot Avicenna dem Kakuyiden-Emir ʿAlā ad-Daula Muḥammad von Isfahan seine Dienste an und wurde deswegen vom neuen Herrscher Hamadans in der nahen Burg Fardajān eingekerkert. Als ʿAlā ad-Daula vier Monate später gegen Hamadan marschierte (1023), kam Avicenna frei und zog zusammen mit seinem Freund al-Dschuzdschani und zwei Sklaven nach Isfahan, wo ihn ʿAlā ad-Daula 1024 willkommen hieß. Er verbrachte seine letzten Jahre im Dienst des Kakuyiden, den er in wissenschaftlichen und literarischen Fragen beriet. Ihm widmete er eine Zusammenfassung der Philosophie in persischer Sprache namens Dāneschnāme-ye ‘Alā’ī („Das Buch des Wissens für ʿAlā ad-Daula“). Außerdem begleitete er ihn auf Kriegszügen. Freunde rieten ihm, sich zu schonen und ein gemäßigtes Leben zu führen, aber das entsprach nicht Avicennas Charakter: „Ich habe lieber ein kurzes Leben in Fülle als ein karges langes Leben“ antwortete er. Erschöpft starb Avicenna im Juni 1037 im Alter von 57 Jahren entweder an der Ruhr oder an Darmkrebs. Angeblich wurde sein Ende durch eine übermäßige Gabe eines Medikaments durch einen Schüler beschleunigt. Er wurde in Hamadan begraben, wo seit 1951 ein für ihn errichtetes Mausoleum steht.[1]
Es wird behauptet, dass Avicenna 21 Haupt- und 24 Nebenwerke in Philosophie, Medizin, Theologie, Geometrie, Astronomie und anderen Gebieten vollendet hat. Andere Autoren schreiben Avicenna 99 Bücher zu: 16 über Medizin, 68 über Theologie und Metaphysik, 11 über Astronomie und 4 über das Drama. Die meisten von ihnen waren arabisch; aber auch in seiner Muttersprache Persisch schrieb er eine große Auswahl philosophischer Lehren, genannt Dāneschnāme-ye ‘Alā’ī, und eine kurze Abhandlung über den Puls.
Der Qānūn at-Tibb (Kanon der Medizin; arabisch القانون في الطب, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)) ist das bei weitem berühmteste von Avicennas Werken, woraus auch sein Beiname al-Qānūni herrührt. Das Werk ist mehrfach unterteilt. Die Hauptunterteilung sind die fünf Bücher:
Im die Medizin systematisch zusammenfassenden Qānūn wird beispielsweise beschrieben, dass Tuberkulose ansteckend ist und dass Krankheiten von Wasser und Erde übertragen werden können. Er gibt eine wissenschaftliche Diagnose von Ankylostomiasis (Hakenwurmbefall) und beschreibt die Bedingungen des Auftretens von Eingeweidewürmern. Der Qānūn behandelt die Wichtigkeit von Diäten, den Einfluss des Klimas und der Umwelt auf die Gesundheit und den chirurgischen Gebrauch von peroral zugeführten Anästhetika. Avicenna rät Chirurgen, Krebs in seinen frühesten Stadien zu behandeln und sicherzustellen, dass alles kranke Gewebe entfernt worden ist. Erstmals wird von ihm die Harnfistel, wie sie bei Verletzungen der Harnblase durch die Geburt auftreten kann beschrieben.[2] Des Weiteren wird die Anatomie des Auges richtig beschrieben, und es werden verschiedene Augenkrankheiten (wie Katarakt) beschrieben. Außerdem werden Symptome ansteckender und sexuell übertragbarer Krankheiten genannt sowie auch diejenigen von Diabetes mellitus. Das Herz wird als Pumpe aufgefasst.
Die Materia Medica („Medizinisches Material“) des Qānūn enthält 760 Medikamente mit Angaben zu deren Anwendung und Wirksamkeit. Avicenna war der erste, der Regeln aufstellte, wie ein neues Medikament zu prüfen sei, bevor es Patienten verabreicht wird.
Avicenna bemerkte die enge Beziehung zwischen Gefühlen und dem körperlichen Zustand, befasste sich im Sinne der griechischen Humoralpathologie mit der positiven physischen und psychischen Wirkung der Musik auf Patienten und stellte auch Beziehungen der menschlichen Temperamente zu den unterschiedlichen modalen Tonsystemen und tradierten Melodien her,[3] die sich heute noch in den Dastgahha der persischen und Maqamat der arabischen Musik finden.[4] Zu den vielen psychischen Störungen, die er im Qānūn beschreibt, gehört auch die Liebeskrankheit. Wie es heißt, habe Avicenna die Krankheit des Prinzen von Gorgan diagnostiziert, der bettlägerig war und dessen Leiden die örtlichen Ärzte verwirrte. Avicenna bemerkte ein Flattern im Puls des Prinzen, als er die Adresse und den Namen seiner Geliebten erwähnte. Der große Arzt hatte ein einfaches Heilmittel: Der Kranke sollte mit seiner Geliebten vereint werden.
Vor 1180 entstand, verfasst von Guido von Arezzo dem Jüngeren, ein Liber mitits[5] genannter Purgiertraktat, der die medizinische Avicenna-Rezeption einleitete.[6] Ebenfalls im 12. Jahrhundert (vor 1187) wurde der Kanon von Gerhard von Cremona in Toledo ins Lateinische übersetzt. Das Werk, von dem 1470 im gesamten Abendland 15–30 lateinische Ausgaben existierten, galt bis ins 17. Jahrhundert als wichtiges Lehrbuch der Medizin. 1493 erschien es in Neapel in einer hebräischen Fassung, 1593 wurde es als eines der ersten persischen Werke in Rom in arabischer Sprache gedruckt. 1650 wurde der Kanon zum letzten Mal an den Universitäten von Löwen und Montpellier benutzt.
An der Universität Wien musste Pius Nikolaus von Garelli (Dr. med. et phil. der Universität Bologna) zur Aufnahme in die medizinische Fakultät noch am 18. Februar 1696 eine feierliche „Repetition“ über einen Abschnitt des Canon des Avicenna mit anschließender Argumentation der Gründe abhalten, die für oder wider die darin enthaltenen Thesen sprechen.[7]
Avicenna beschäftigte sich in seinem Werk Liber Primus Naturalium mit der Frage, ob Ereignisse wie Krankheiten oder Missbildungen Zufallsereignisse sind und ob sie natürliche Ursachen haben.[8] Er analysierte dies am Beispiel Polydaktylie. Seine Erkenntnis war: Wenn ein Ereignis selten ist, hat es unabhängig davon eine natürliche Ursache, auch wenn eine solche unnatürlich erscheint. Krankheiten oder Missbildungen werden von Avicenna am Beispiel Polydaktylie unter neuem Vorzeichen gesehen: Sie sind keine übernatürlichen und keine zufälligen Phänomene. Die Erkenntnis, dass solche Phänomene natürlich sind, ist ein fundamentaler Schritt in Richtung einer konsequent naturalistischen Betrachtung medizinischer Phänomene. Avicennas Folgerung, allen medizinischen Phänomenen natürliche Ursachen zuzuschreiben, war damit der Aufklärung in Europa um 700 Jahre voraus.[9]
Neben dem Kanon und dem Liber Primus Naturalium gibt es noch 14 weitere medizinische Werke Avicennas, von denen acht in Versen geschrieben sind. Sie enthalten unter anderem die 25 Zeichen der Erkennung von Krankheiten, hygienische Regeln, nachgewiesene Arzneien, anatomische Notizen. Unter seinen Prosa-Werken fand die Abhandlung über Herzmedikamente besondere Beachtung.
Avicenna beschäftigte sich auch mit Naturwissenschaften. In der Astronomie arbeitete er seinem Schüler al-Dschuzdschani zufolge an Ptolemäus’ Sternenmodell und vermutete, dass die Venus der Erde näher stehe als die Sonne. Die Astrologie lehnte er ab, weil ihre Brauchbarkeit nicht empirisch nachweisbar und sie mit der islamischen Theologie unvereinbar sei. Avicenna zitierte einige Passagen aus dem Koran, um dieses Urteil religiös zu untermauern.
Er beschrieb die Wasserdampfdestillation zur Erzeugung von Ölen bzw. öligen Auszügen. Andererseits stand er der damaligen Chemie, der Alchemie, relativ skeptisch gegenüber und glaubte nicht an einen Stein der Weisen. Alchemistisch erzeugtes Gold war, wie er in seinem Kitab al-Schifa schrieb,[10] nur eine Imitation und er bestritt die Gleichheit natürlicher und künstlicher Stoffe. Sie war in den frühen Übersetzungen oft der Meteorologica von Aristoteles beigefügt, da die Herausgeber sie für aristotelisch hielten, und übte einen beträchtlichen Einfluss auf die alchemistische Literatur aus als Gegenpol, gegenüber dem man sich rechtfertigte. Einige der ihm später zugeschriebenen alchemistischen Schriften sind spätere Unterschiebungen (wie De anima in arte alkemia), beeinflussten aber z. B. Roger Bacon.
In der Geologie gab er zwei Ursachen für die Entstehung von Bergen an: „Entweder entstehen sie durch das Aufbäumen von Erdschichten, wie es bei schweren Erdbeben geschieht, oder sie sind die Folge von Wasser, das neue Wege suchte und Täler herausgewaschen hat, wo weichere Gesteinsschichten zu finden sind … Dies muss jedoch eine große Zeit in Anspruch nehmen, in der die Berge selbst geringer werden könnten.“
Auch in der Physik war Avicenna vielfältig tätig; so verwendete er Thermometer, um die Temperatur bei seinen Experimenten zu messen, und stellte eine Theorie über Bewegung auf. Darin befasste er sich mit der Kraft und der Bahnneigung eines Geschosses und zeigte, dass ein Geschoss sich in einem Vakuum ewig fortbewegt. In der Optik argumentierte er, dass die Lichtgeschwindigkeit endlich sei, und gab eine Beschreibung des Regenbogens.
Avicenna beschäftigte sich ausgiebig mit philosophischen Fragen, sowohl mit Metaphysik als auch mit Logik und Ethik. Seine Kommentare zu Werken des Aristoteles enthielten konstruktive Kritik an dessen Auffassungen und schufen Voraussetzungen für eine neue Aristoteles-Diskussion. Avicennas philosophische Lehren werden sowohl von westlichen als auch von muslimischen Forschern als weiterhin aktuell eingeschätzt.
Avicenna schrieb seine frühesten Arbeiten in Buchara unter dem Einfluss von al-Farabi. Das erste, ein Kompendium über die Seele (arabisch مقالة فى النفس, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)), ist eine kurze Abhandlung, die er den samanidischen Herrschern widmete und in der er sich mit neuplatonischem Gedankengut beschäftigte. Das zweite ist die Philosophie für den Prosodisten (arabisch الحكمة العروضية, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)), in der er sich mit der Metaphysik des Aristoteles auseinandersetzt.
Nach seinem Aufbruch aus Buchara verfasste Avicenna weitere philosophische Werke, darunter das Buch der Heilung (arabisch كتاب الشفاء, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)), eine wissenschaftliche Enzyklopädie. Es handelt sich dabei hauptsächlich um „die Heilung der Seele von Irrtum“[11]. Das Buch behandelt überdies Arithmetik, Astronomie, Geometrie, Logik, Musik, Naturwissenschaften, Philosophie und Psychologie. Es wurde sowohl von hellenistischen Denkern wie Aristoteles und Claudius Ptolemäus als auch von arabischsprachigen muslimischen Geistes- und Naturwissenschaftlern wie al-Farabi und al-Biruni beeinflusst. Das Werk stieß allerdings nicht überall in der islamischen Welt auf ungeteilte Zustimmung und es wurde, wie der Philosoph Ernst Bloch schreibt, immer wieder auch als ketzerisch verfolgt: „Avicennas philosophische Enzyklopädie wurde 1150 auf Befehl des Kalifen von Bagdad verbrannt; auch später wurde jedes erreichbare Exemplar vernichtet, vom Urtext gibt es nur Bruchstücke“.[12] Im 12. Jahrhundert entstand auch eine lateinische (Teil-) Übersetzung des Werkes (Assepha bzw. Sufficientia[13]).[14]
Avicennas zweites Werk war das Buch des Wissens für ‘Alā’ ad-Daula (persisch دانشنامهٔ علائى, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)), in dem er seinem Gönner eine Zusammenfassung seiner Philosophie auf der Grundlage des Buchs der Heilung bietet. Ein Teil dieser Arbeit erschien 1490 in Pavia.
Avicenna verfasste außerdem das Buch der Ratschläge und Erinnerungen (arabisch كتاب الاشارات و التنبيهات, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)), ein Werk, das sein Denken über eine Vielzahl von logischen und metaphysischen Themen vorstellt. Ein anderes Werk ist Das Urteil (arabisch کتاب الانصاف, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)), das sich von den anderen Arbeiten durch seine Radikalität und seine Vermischung von aristotelischem Gedankengut und Neuplatonismus unterscheidet. Sein letztes Werk ist Die östliche Philosophie (arabisch الحكمة المشرقية, DMG {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)), das er in den späten 1020ern schrieb; es ist weitgehend verloren.
Die frühe islamische Philosophie, die sich noch eng am Koran orientierte, unterschied klarer als Aristoteles zwischen Wesen und Existenz. Avicenna entwickelte eine umfassende metaphysische Weltbeschreibung, indem er neuplatonisches Gedankengut mit aristotelischen Lehren verband. Das Verhältnis von Stoff und Form verstand er so, dass im Stoff (materia) die Möglichkeiten der Formen (essentiae) bereits enthalten sind. Gott sei notwendig an sich, alles andere Sein notwendig durch anderes. «Gott ist das einzige Sein, bei dem Essenz (Wesen) und Existenz (Dasein) nicht zu trennen sind und das daher notwendig an sich ist.» Alles andere Sein sei bedingt notwendig und lasse sich in Ewiges und Vergängliches unterteilen. Gott schuf durch seine geistige Tätigkeit die Weltschöpfung. Der Intellekt des Menschen habe die Aufgabe, den Menschen zu erleuchten. In der Frage der Ideen oder Allgemeinbegriffe vertrat Avicenna auf Platon aufbauend die These, dass diese ante rem (also vor der Erschaffung der Welt) bereits im Verstand Gottes sind, in re effektiv in der Natur zu finden sind und post rem auch in der menschlichen Erkenntnis. Mit dieser Unterscheidung zwischen ante rem, in re und post rem wurde Avicenna für den abendländischen Universalienstreit von großer Bedeutung. Avicenna bestritt Gottes Interesse an Einzelereignissen sowie eine Erschaffung der Welt in der Zeit. In Berufung auf den Koran lehnte er auch die Idee einer vorgeburtlichen Existenz der menschlichen Seele ab, führte aber mit philosophischen Argumenten die Unsterblichkeit der menschlichen Seele ein.[15] Diese Auslegung wurde bereits zu Lebzeiten von seinen orthodoxen Gegnern kritisiert, weil sich nach dieser Auffassung eine unendliche Menge menschlicher Seelen ansammeln müsse.[16]
Drei lateinische Fassungen der Metaphysik wurden 1493, 1495 und 1546 in Venedig gedruckt.
Avicenna widmete sich der Logik sowohl in islamischer Philosophie als auch in der Medizin mit großer Hingabe und entwickelte sogar ein eigenes logisches System, das auch als „Avicennische Logik“ bezeichnet wird. So war Avicenna wohl einer der ersten, die es wagten, Aristoteles zu kritisieren und von ihm unabhängige Abhandlungen zu verfassen. Besondere Kritik erhielt die Schule von Bagdad von ihm, da sie sich zu sehr auf Aristoteles begründete. Er untersuchte die Theorien von Definition und Klassifikation, sowie die Quantifikation von Prädikaten und kategorische logische Aussagen. Den Syllogismen, insbesondere den logischen Schlüssen bestehend aus zwei Prämissen und einer Konklusion (Beispiel: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Daher ist Sokrates sterblich) gab er Veränderungsformen wie „immer“, „meistens“ oder „manchmal“ bei. – Er entwickelte eine neue Theorie im Hypothetischen Syllogismus, ebenso bestehend aus drei Sätzen, bei denen der erste verbunden mit dem zweiten (beide bedingt) die im dritten Satz genannte (ebenfalls bedingte) Konsequenz haben. (Beispiel: Wenn ich nicht aufstehe, verliere ich meine Arbeit. Wenn ich nicht arbeite, habe ich kein Geld. Daher habe ich kein Geld, wenn ich nicht aufstehe.) Diese Theorie bildete die Basis zur Risikofaktoranalyse. – In der Frage der Induktion bzw. Deduktion war Avicenna gewissermaßen gespalten. Während er in der Philosophie sich auf die Deduktion verließ, d. h. von einem allgemein gültigen Satz auf Spezialformen schloss (z. B. Alle Menschen sind sterblich – Daher ist auch Sokrates sterblich), wendete er in der Medizin als einer der ersten die Methode der Induktion an. Er schloss von der Diagnose eines spezifischen Syndroms auf viele andere Syndrome. Damit begründete er eine neuartige wissenschaftliche Methode.
Avicenna hatte in Buchara einen Großteil seiner Ausbildung für den Koran und die islamische Religion verwendet. Es heißt, er habe bereits mit 10 Jahren den Koran auswendig gekannt.[17] Er verfasste fünf Abhandlungen über verschiedene Suren, die generell voll Respekt sind. Nur seine philosophischen Tätigkeiten brachten ihn manchmal in Konflikt mit der islamischen Orthodoxie: Ausgehend von der Seelenlehre des Aristoteles differenzierte er die drei Seelenvermögen weiter aus und ordnete sie der Weltseele unter. Damit widersprach er zentralen Glaubensinhalten, was ihm die Feindschaft sunnitischer Theologen einbrachte. Wie die christlichen Scholastiker nach ihm versuchte Avicenna die griechische Philosophie mit seiner Religion, die Vernunft mit dem Glauben zu verbinden. So benutzte er philosophische Lehren, um die islamischen Glaubenssätze wissenschaftlich zu unterlegen. Obwohl er sowohl Religion als auch Philosophie als zwei notwendige Teile der ganzen Wahrheit auffasste, argumentierte er, dass die islamischen Propheten mehr Bedeutung als die antiken Philosophen haben sollten.[18] Ein zentrales Problem seiner Theologie ist die Theodizee, die Frage nach der Existenz des Bösen in der ursprünglich von einem gütigen und allmächtigen Gott geschaffenen Welt. Da Gott ewig ist, der Mensch jedoch nur eine begrenzte Lebenszeit zur Verfügung hat, ist die sittliche Verantwortung des Menschen eine große Verantwortung, in der seine Würde liegt.[19]
Der Kanon wurde um die Mitte des 12. Jahrhunderts von Gerhard von Cremona in Toledo ins Lateinische übersetzt. Indem Gerhard den Namenszusatz al-raïs mit princeps („Fürst“) und im Explicit des Kanons mit rex („König“) übersetzte, trug er zu der besonders in Italien seit dem 14. Jahrhundert verbreiteten Legende bei, dass Avicenna ein „Fürst von Cordoba“ oder von Sevilla gewesen sei. Daher erscheint Avicenna in bildlichen Darstellungen oft mit Krone und Zepter[20] und wurde auch in der islamischen Welt oft als „fürstlicher Meister“ (türkisch Scheikü'r-Reis)[21] dargestellt. Etwa zur gleichen Zeit wie Gerhards Übersetzung entstand in der Übersetzerschule von Toledo eine dem Erzbischof Johannes von Toledo (1151–1166) gewidmete Übersetzung des Kitāb al-Schifā, die zunächst durch den jüdischen Philosophen Abraham ibn Daud bzw. Avendauth (Avendarith israelita philosophus) aus dem Arabischen ins Spanische und dann durch Dominicus Gundisalvi aus dem Spanischen ins Lateinische übertragen wurde. Aus dieser Übersetzung hat besonders das sechste Buch über die Seele unter dem Titel Liber sextus naturalium die philosophischen Debatten der Scholastik seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachhaltig geprägt. Eine selbständige Übersetzung speziell des achten Buches über die Tiere wurde in der Zeit nach 1220 von Michael Scotus in Italien angefertigt und Friedrich II. gewidmet: ein in Melfi entstandenes, kaiserlich autorisiertes Exemplar ist im Kolophon auf den 9. August 1232 datiert.
Avicennas Kompendium Dāneschnāme-ye ʿAlā’ī wurde zwar nicht direkt ins Lateinische übersetzt, wurde jedoch indirekt einflussreich für die lateinische Tradition, nämlich dank der Verwendung durch Al-Ghazali als Vorlage für dessen Schrift Maqāṣid al-falāsifa (Die Absichten der Philosophen, 1094), in der dieser seinem Angriff auf die Lehren Ibn Sinās, Al-Farābīs und anderer „Philosophen“ (Tahāfut al-falāsifa, Die Inkohärenz der Philosophen, 1095, lat. Destructio philosophorum) zunächst eine Darstellung von Grundbegriffen der Logik, Metaphysik, Theologie und Physik aus den Lehren dieser Philosophen vorhergeschickt hatte. Maqāṣid al-falāsifa wurde bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Toledo ins Lateinische übersetzt, wohl von Dominicus Gundisalvi, und kursierte dann in einer der Handschriften unter dem Titel Liber Algazelis de summa theoricae philosophiae. Die lateinischen Leser kannten die Abhängigkeit von Avicennas Dāneschnāme-ye ʿAlā’ī nicht, sondern hielten das Buch für eine Darlegung genuiner Lehre Al-Ghazālīs, was dann dazu führte, dass der letztere auch von solchen Autoren besondere Wertschätzung erfuhr, die mit der von ihm bekämpften Traditionslinie sympathisierten.[22]
Avicenna unrichtig zugeschrieben wurde eine unter dem Titel Liber Avicennae in primis et secundis substantiis et de fluxu entis oder auch De intelligentiis verbreitete, platonisierende Schrift des 12. Jahrhunderts, die unter anderem aus Dionysius Areopagita, Augustinus und Avicenna schöpft und jedenfalls von einem christlichen lateinischen Autor stammt, wahrscheinlich von Dominicus Gundisalvi. Avicenna zugeschrieben wurde ferner auch ein Liber de causis primis et secundis, der in der Nachfolge des pseudo-aristotelischen Liber de causis steht und ebenfalls im 12. Jahrhundert in Toledo entstand.
In der lateinischen Scholastik wurde Avicenna zu dem – nach Averroes – angesehensten Vertreter der Persischen Philosophie und Vermittler der aristotelischen Philosophie und Naturkunde. Seine Werke wurden nicht nur an den Artistenfakultäten und von Theologen wie Thomas von Aquin und Johannes Duns Scotus, sondern seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert auch und besonders an den medizinischen Fakultäten, und dort dann sowohl unter medizinischen wie auch philosophischen Fragestellungen rezipiert, wobei besonders Montpellier in Frankreich und Bologna in Italien eine Schlüsselrolle spielten. In Montpellier gehörte der Kanon seit 1309 (und bis 1557) zum medizinischen Pflichtprogramm. In Bologna wurde die Rezeption maßgeblich von Taddeo Alderotti († 1295), Professor seit 1260, initiiert, dessen Schüler Dino del Garbo die Ansätze in Bologna, Siena, Padua und Florenz weiterführte. Dinos Schüler Gentile da Foligno wiederum, der vornehmlich in Siena und Perugia wirkte, verfasste den ersten annähernd vollständigen lateinischen Kommentar des Kanon, ein Unterrichtswerk, das dann bis ins 16. Jahrhundert große Wirkung entfaltete.
Neue lateinische Übersetzungen des Kanon und weiterer, bis dahin zum Teil unübersetzter Schriften Avicennas fertigte Andrea Alpago († 1522) aus Belluno an. Alpago war rund dreißig Jahre lang als Arzt an der venezianischen Gesandtschaft in Damaskus tätig und studierte dort arabische Handschriften der Werke von Avicenna und Averroes und ihrer arabischen Kommentatoren. Seine Bearbeitung des Kanon, die 1527 erstmals im Druck erschien, entstand als kritische Revision und Glossierung der etablierten Übersetzung von Gerhard von Cremona. Sie wurde seit der Erstausgabe in mehr als 30 Neuauflagen und Neuausgaben gedruckt. Der Kanon blieb bis ins 17. Jahrhundert eines der Hauptwerke der medizinischen Wissenschaft.
Dante Alighieri versetzt in seiner Göttlichen Komödie (Inferno 4,143) Avicenna zusammen mit seinen beiden muslimischen Glaubensbrüdern Averroes und Saladin in das „edle Schloss“ (nobile castello) im Limbus der Hölle, wo ansonsten nur Personen der vorchristlichen heidnischen Antike, insbesondere Philosophen und Dichter der griechischen und römischen Welt, angesiedelt sind: er teilt dort mit ihnen das Schicksal, durch eine tugendhafte Lebensführung zwar der ewigen Verdammnis entgangen zu sein, da er sonst in einem der tieferen Kreise der eigentlichen Hölle zu strafen wäre, zugleich aber mangels Teilhabe am Sakrament der Taufe von der Erlösung ins Paradiso ausgeschlossen zu sein und deshalb einen Zustand ohne Strafe, aber in ewiger Gottesferne, erleiden zu müssen. Dass er und seine beiden Glaubensbrüder im Unterschied zu ihren heidnischen Leidensgenossen der vorchristlichen Zeit die christliche Lehre bereits kannten und sich zur Taufe hätten entscheiden können, ihr Beharren in einem anderen Glauben folglich auf eigener Wahl beruhte und sie trotzdem nicht mit ihren übrigen Glaubensbrüdern zur Strafe in einem tiefer gelegenen Kreis der Hölle verdammt sind, bringt die besondere Wertschätzung zum Ausdruck, die Dante ihnen entgegenbrachte.
Porträts Avicennas befinden sich unter anderem in der Halle der medizinischen Fakultät der Sorbonne, auf dem tadschikischen 20-Somoni-Geldschein und im Mailänder Dom in einem Kirchenfenster, gestiftet Mitte des 15. Jahrhunderts von der Apothekerzunft Mailands.
Weiters befinden sich Statuen Avicennas im tadschikischen Duschanbe und an seinem Geburtsort in Afschana bei Buchara im heutigen Usbekistan.
In der Moderne wird Avicenna auch in der Belletristik rezipiert. So studiert in Noah Gordons Bestseller Der Medicus der Protagonist des Romans bei Avicenna Medizin. Im historischen Roman Die Straße nach Isfahan[23] von Gilbert Sinoué ist Avicenna die Hauptfigur; geschildert wird sein gesamter Lebensweg.
Seit Beginn des Wintersemesters 2014/15 fördert das Avicenna-Studienwerk muslimische Studierende mit einem staatlichen Stipendium.[24] Es ist damit das 13. Begabtenförderungswerk in Deutschland und unter diesen, neben dem katholischen Cusanuswerk, dem Evangelischen Studienwerk Villigst und dem jüdischen Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk, das vierte konfessionell geprägte.[25]
Im Jahr 2005 wurde in Deutschland der Avicenna-Preis-Verein[26] von Mitgliedern aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft unter der Initiative von Yaşar Bilgin, dem Vorsitzenden der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung, gegründet. Der Preis wird in regelmäßigen Abständen verliehen und zeichnet Initiativen von Personen oder Institutionen zur interkulturellen Verständigung aus. Mitglieder der Jury sind hochrangige Mitglieder aus Politik und Gesellschaft. Im Jahr 2012 gehörte der Jury unter anderem Rita Süssmuth, die ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages, an.
Erstmals wurde der Preis im Jahr 2009[27] an die Allianz der Zivilisationen, engl. Alliance of Civilizations (AoC), verliehen, die 2005 auf Initiative der spanischen und türkischen Regierungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen gegründet wurde. Stellvertretend nahm ihn der frühere portugiesische Staatschef Jorge Sampaio entgegen. 2012 wurde der Preis an die Friedensnobelpreisträgerin aus dem Jahr 2003, die iranische Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Shirin Ebadi, in der Frankfurter Paulskirche verliehen.[28]
Carl von Linné benannte ihm zu Ehren die Gattung Avicennia aus der Pflanzenfamilie der Akanthusgewächse (Acanthaceae).[29][30][31] Auch die Avicenna Bay in der Antarktis trägt seinen Namen.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Avicenna |
ALTERNATIVNAMEN | Abu Ali Sina (persisch); Abū Alī al-Husayn ibn Abdullāh ibn Sīnā; Abu Ali Hussein ibn Sina-e Balkhi |
KURZBESCHREIBUNG | persischer Arzt, Philosoph, Theologe, Physiker, Mathematiker und Wissenschaftler |
GEBURTSDATUM | um 980 |
GEBURTSORT | Afschāna bei Buchara, Chorasan, Samanidenreich (heute Usbekistan) |
STERBEDATUM | Juni 1037 |
STERBEORT | Hamadan, Kakuyidenreich (heute Iran) |