Erstmals radioaktives Molekül im All lokalisiert
Physik-News vom 29.08.2018
Erstmalig hat ein internationales Forschungsteam ein radioaktives Molekül im All lokalisiert. Die Methodik kann künftig genutzt werden, um Stern-Explosionen aufzuspüren. Die entscheidenden Labordaten lieferten zwei Physiker der Universität Kassel.
Entdeckt wurde das Molekül namens Aluminium-Monofluorid in den Trümmern der Kollision zweier Sterne, die vor etwa 350 Jahren zum ersten Mal beobachtet wurde. Der radioaktive Teil des Moleküls ist ein Aluminium-Isotop (26Al), das bei der Sternenkollision freigesetzt wird und sich in der Umgebung der Sternreste zum Molekül Aluminium-Monofluorid (26AlF) umsetzt. Neueste Beobachtungsdaten von Radioteleskopen ordnete die Arbeitsgruppe Laborastrophysik der Universität Kassel von Prof. Dr. Thomas Giesen und seinem Doktoranden Alexander A. Breier definitiv dem radioaktiven Molekül Aluminium-Monofluorid zu. Es ist das erste Mal, dass Wissenschaftler ein radioaktives Molekül außerhalb des Sonnensystems nachweisen. Weil radioaktives Aluminium nur bei der Kollision oder der Explosion von Sternen freigesetzt werden kann, lässt sich die Methode künftig anwenden, um Stern-Explosionen oder -Kollisionen auch nach sehr langer Zeit eindeutig zu identifizieren.
Publikation:
Erstmals radioaktives Molekül im All lokalisiert
https://www.eso.org/public/germany/news/eso1826/
„Aluminium-Monofluorid hat eine Lebensdauer von etwa einer Million Jahren“, erläutert Giesen. „Leistungsfähige Teleskope können künftig Daten liefern, mit denen sich genau feststellen lässt, wo im All sich in den vergangenen Jahrmillionen solche Katastrophen ereignet haben. Diese Information ist wertvoll, weil sich damit die Anzahl erlöschender Sterne in unserer Galaxie ermittelt lässt. Zusammen mit dem Wissen, wie viele Sterne neu entstehen, kann man Aussagen über das Wachstum oder das Schrumpfen von Galaxien ableiten.“
Im konkreten Fall der beobachteten Sternüberreste fand die Kollision der beiden Sterne in rund 2000 Lichtjahren Entfernung zur Erde statt. Die rot leuchtenden Überreste des Objekts CK Vul im Sternbild Schwan konnten die Zeitgenossen von Ludwig XIV. noch mit bloßem Auge am Firmament sehen, inzwischen sind sie nur mit sehr starken Teleskopen zu beobachten. „Dieses durchaus seltene Ereignis gibt nun einen dramatischen Einblick in das Innere der Sterne, da die Kerne durch den Zusammenstoß offen liegen und die innere Kernmaterie freigesetzt wird“, erläutert Giesen. Die Entdeckung des Isotops gibt nicht nur Einblicke in den Fusionsprozess der Sterne; sie zeigt auch, dass die inneren Schichten eines Sterns, in denen schwere Elemente und radioaktive Isotope geschmiedet werden, durch Sternkollisionen aufgewühlt und ins All geworfen werden können. Dort bilden sie dann das Material für weitere kosmische Prozesse.
Das Molekül selber wurde anhand seines Frequenzspektrums entdeckt: Während das Molekül durch den Weltraum taumelt, sendet es Licht aus; mit der Methode der Spektralanalyse lässt sich ein charakteristisches Muster dieses Lichtsignals erfassen, eine Art Fingerabdruck, einzigartig bei jedem Molekül. Vor der Analyse in Kassel war das Spektrum von 26AlF jedoch unbekannt. Breier und Giesen reproduzierten daher den Fingerabdruck aus dem Kosmos auf der Erde. Da radioaktives Aluminium auf der Erde quasi nicht vorkommt, wandte Doktorand Breier einen Trick an und nutzte die Fingerabdruckdaten der reichlich vorhandenen, nicht radioaktiven und durch Labordaten bekannten 27AlF-Moleküle, um genaue Daten für das 26AlF-Molekül abzuleiten.
Hinweise auf radioaktives Aluminium im All hatte bislang die Auswertung von Gammastrahlen geliefert; die Wissenschaft konnte damit aber weder die Moleküle und damit die Stern-Explosionen lokalisieren noch auf die Entstehungsprozesse rückschließen. Für die jetzigen Beobachtungen sammelte das internationale Team unter Leitung von Dr. Tomasz Kaminski (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, USA) Daten der Großteleskope ALMA und NOEMA und wertete sie aus.
Neben Breier, Giesen und Kaminski waren weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und den USA, aus Polen, Australien und Frankreich beteiligt.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.