Stern-Kindheit prägt stellare Entwicklung
Physik-News vom 19.09.2022
In klassischen Modellen zur Sternentwicklung wurde bis heute der frühen Evolution der Sterne wenig Bedeutung zugemessen. Thomas Steindl vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck zeigt nun erstmals, dass die Biografie der Sterne durchaus durch ihre frühe Phase geprägt wird. Die Studie wurde in Nature Communications veröffentlicht.
Vom Baby bis zum Teenager: Sterne in ihren „jungen Jahren“ stellen die Wissenschaft vor große Herausforderungen. Der Prozess der Sternentstehung ist besonders komplex und schwer in theoretischen Modellen abzubilden. Eine der wenigen Möglichkeiten, um mehr über die Entstehung, die Struktur oder das Alter von Sternen zu erfahren, ist das Beobachten ihrer Schwingungen. „Vergleichbar mit der Erforschung des Erdinneren mithilfe der Seismologie können wir aus den Schwingungen von Sternen ebenso Aussagen über ihren inneren Aufbau und damit auch über ihr Alter treffen“, sagt Konstanze Zwintz. Die Astronomin gilt als Pionierin auf dem jungen Forschungsgebiet der Asteroseismologie und leitet die Forschungsgruppe „Sternentwicklung und Asteroseismologie“ am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck.
Publikation:
Steindl, T., Zwintz, K. & Vorobyov, E.
The imprint of star formation on stellar pulsations
Nat Commun 13, 5355 (2022)
DOI: 10.1038/s41467-022-32882-0
Die Lehre von Sternschwingungen hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt, nicht zuletzt da sich die Möglichkeiten der präzisen Beobachtung durch Teleskope im Weltraum wie TESS, Kepler und James Webb auf vielen Ebenen verbessert haben. Diese Fortschritte werfen nun auch neues Licht auf jahrzehntelang gängige Theorien zur Entwicklung von Sternen.
Mit neuem Modell zur Stunde Null des erwachsenen Sterns
Sterne werden als „Kinder“ bezeichnet, solange sie in ihrem Kern noch nicht Wasserstoff zu Helium verbrennen. In diesem Stadium befinden sie sich auf der so genannten Vorhauptreihe, nach dem Zünden werden sie erwachsen und wechseln auf die Hauptreihe. „Die Forschung zu Sternen hat sich bislang vor allem auf die Phase des erwachsenen Sterns – wie es beispielsweise unsere Sonne ist – fokussiert“, sagt Thomas Steindl, Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Konstanze Zwintz und Hauptautor der Studie. „Auch wenn es auf den ersten Blick nicht sehr intuitiv klingt, aber bislang wurde die Entwicklung der Vorhauptreihe kaum beachtet, da die Phase sehr turbulent und schwer zu modellieren ist. Erst die technologischen Fortschritte der letzten Jahre erlauben uns einen genaueren Blick in die Kindheit der Sterne – und damit auch auf jenen Moment, an dem der Stern beginnt Wasserstoff zu Helium zu fusionieren.“
In ihrer aktuellen Studie legen die beiden Innsbrucker Forscherinnen und Forscher nun ein Modell vor, mit dem die Phase vor dem Erwachsenwerden der Sterne realistisch abgebildet werden kann. Zugrunde liegt dabei das Open-Source-Sternentwicklungsprogramm MESA (Modules for Experiments in Stellar Astrophysics). Inspiriert durch einen Vortrag des Astronomen Eduard Vorobyov von der Universität Wien bei einer Tagung im Jahr 2019, verfeinerte Thomas Steindl in monatelanger Arbeit die Methode, wie mithilfe dieses Sternentwicklungscodes die chaotische Phase der frühen Sternentstehung nachgebildet werden kann, um anschließend deren spezifische Schwingungen vorherzusagen. „Unsere Daten zeigen, dass Sterne auf der Vorhauptreihe in ihrer Entwicklung einen sehr chaotischen Verlauf nehmen, den wir nun aber trotz seiner Komplexität auch in unserem neuen theoretischen Modell heranziehen können“, so Steindl.
Dadurch zeigt der Astronom, dass die Art und Weise der Entstehung des Sterns Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten auch nach dem Zünden auf der Hauptreihe hat: „Die Kindheit hat einen Einfluss auf das spätere Pulsieren des Sterns: Das klingt sehr simpel, es wurde aber tatsächlich bezweifelt. In den klassischen Theorien ging man davon aus, dass die Zeit vor dem Zünden schlicht irrelevant ist. Das stimmt so nicht: Vergleichbar mit einem Musikinstrument führen schon feinste Unterschiede im Zusammenbau zu signifikanten Änderungen im Ton. So beschreiben unsere modernen Modelle die Schwingungen in realen Sternen besser.“
Konstanze Zwintz freut sich über diese Entdeckung und blickt sehr optimistisch in die Zukunft: „Ich war bereits vor etwa 20 Jahren, als ich erstmals die Schwingung eines Sternes vor mir auf dem Bildschirm gesehen habe, überzeugt davon, die Bedeutsamkeit der frühen Sternentwicklung auf den ‚erwachsenen‘ Stern eines Tages belegen zu können. Dank der großartigen Arbeit von Thomas Steindl ist uns das nun gelungen: Definitiv ein Heureka-Moment für unsere Arbeitsgruppe und ein weiterer Grundstein für ein besseres Verständnis der Wachstumsschritte von Sternen.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Innsbruck via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.