Wie sich Sterne in nahe gelegenen Galaxien bilden
Physik-News vom 22.12.2020
Wie Sterne genau entstehen, ist nach wie vor eines der grossen Rätsel der Astrophysik. Eine UZH-Studie analysiert bisherige Beobachtungsdaten neu und kommt zum Schluss: In den nah gelegenen Galaxien bilden sich die Sterne typischerweise proportional zur Menge des dort vorhandenen Gases. Dies deutet darauf hin, dass die Netto-Gaszufuhr aus kosmischen Entfernungen der Hauptantrieb für die galaktische Sternentstehung ist.
Sterne werden in dichten Wolken aus molekularem Wasserstoffgas geboren, das den interstella-ren Raum der meisten Galaxien durchdringt. In den letzten Jahren hat sich das physikalische Verständnis dieses komplexen Prozesses erheblich verbessert. Was allerdings letztendlich der Auslöser für die Sternbildung in den Galaxien ist, bleibt dennoch eine offene Frage.
Publikation:
Robert Feldmann
The link between star formation and gas in nearbygalaxies
Communications Physics, 7 December 2020
DOI: 10.1038/s42005-020-00493-0
https://rdcu.be/cbNUPIm Prinzip beeinflussen zwei Hauptfaktoren die Entstehung von Sternen: die Menge des in den Galaxien verfügbaren molekularen Gases und die Geschwindigkeit, mit der vorhandenes interstel-lares Gas in Sterne umgewandelt wird. Eine genaue Bestimmung dieser Hauptfaktoren, das Ziel zahlreicher Beobachtungen, ist daher von enormer Bedeutung. Allerdings stellt die Analyse die-ser Beobachtungen einige Herausforderungen und gegenwärtige Studien weisen widersprüchli-che Ergebnisse auf. Das liegt auch daran, dass sich Gasmassen in vielen Galaxien angesichts der derzeitigen Nachweisgrenzen nicht zuverlässig messen lassen.
Infos zum Bild
Die Abbildung zeigt die Visualisierung des Gases in und um eine milchstrassenähnliche Galaxie (Mitte) im heutigen Universum, wie sie von einer kosmologischen Simulation des Autors vorhergesagt wird. Dichter, atomarer und molekularer Wasserstoff bildet typischerweise eine ausgedehnte Scheibe, hier in bläulich-violett in der Mitte des Bildes. Sterne (weiss) bilden sich überall in der Gasscheibe. Zusätzliche Sternentstehung kann in Satellitengalaxien stattfinden, hier zu sehen an den Positionen oben rechts und unten links. Heisses Gas mit geringer Dichte (grüne und rote Farbtöne) kann in grossen Entfernungen gefunden werden, bis hin zum Rand des Halos aus dunkler Materie, der die Hauptgalaxie (weisser Kreis) umgibt. Das Bild zeigt auch eine grosse Anzahl von Substrukturen aus dunkler Materie (violett), von denen die meisten frei von Gas und Sternen sind.
Sternentstehung hängt vom gesamten Gasreservoir ab
In einer Studie des Instituts für Computergestützte Wissenschaften der Universität Zürich wurde nun ein neuer Ansatz gewählt: Die statistische Methode, die auf der Bayes'schen Modellierung basiert, kann Galaxien mit nicht erfassten Mengen an molekularem oder atomarem Wasserstoff korrekt und ohne Verzerrung der Daten in die Analyse einbeziehen. Das Ergebnis zeigt, dass molekulares und atomares Gas in typischen Galaxien innerhalb von 1 beziehungsweise 10 Milli-arden Jahren für die Sternentstehung aufgebraucht wird. Bei extrem aktiven Galaxien – soge-nannten Starburst-Galaxien – werden dagegen viel kürzere Zeitskalen festgestellt.
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Entstehung von Sternen tatsächlich direkt von der insgesamt vorhandenen Gasmasse abhängt. Sterngeburten werden also von der Menge an Gas bestimmt, welche aus verschiedenen kosmischen Entfernungen in die Galaxie eintritt oder sie verlässt“, sagt Robert Feldmann, Professor am Zentrum für Theoretische Astrophysik und Kosmo-logie der Universität Zürich. Die um ein Vielfaches höhere Aktivität in Starbursts dagegen scheint einen anderen physikalischen Ursprung wie etwa intergalaktische Wechselwirkungen oder Instabi-litäten in galaktischen Scheiben, zu haben.
Künftige Datenanalysen bei weit entfernten Galaxien
Die vorliegende Analyse basiert auf Beobachtungsdaten von nahen Galaxien. Der Gasgehalt in weit entfernten Galaxien quer durch die kosmische Geschichte könnte mit dem Atacama-Large-Millimeter/Submillimeter-Array, dem Square-Kilometer-Array und anderen Observatorien unter-sucht werden. Daher ist es entscheidend, weitere statistische und datenwissenschaftliche Metho-den zu entwickeln, um die physikalischen Prozesse in entfernten Galaxien exakt abbilden zu können. „Nur so werden die Geheimnisse der Entstehung von Sternen vollständig aufgedeckt“, sagt Feldmann.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Zürich via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.