Christian Gerthsen

Gedenkstein, Invalidenstraße 110, in Berlin-Mitte

Christian Jörgen Gerthsen[1] (* 21. November 1894 in Hörup auf Alsen, Provinz Schleswig-Holstein, Deutsches Reich; † 8. Dezember 1956 in Karlsruhe) war ein deutscher Physiker. Bekannt ist er vor allem als Verfasser des Lehrbuches Gerthsen Physik.

Leben

Von 1913 bis 1914 studierte Gerthsen an der Universität Heidelberg und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Ersten Weltkrieg leistete er Militärdienst, 1919–1920 setzte er sein Studium dann an der Universität Göttingen und ab 1920 an der Universität Kiel fort. Er promovierte dort 1922 bei Walther Kossel mit einer Arbeit Ueber die elektrostatische Deutung der Eigenschaften von Lösungen und blieb bis 1930 dessen Assistent. 1929 folgte die Habilitation mit einer Arbeit zur Prüfung des Feldverlaufes an der K-Schale mittels H-Strahlen. Daraufhin ging er als Privatdozent an die Universität Tübingen.[2]

1932 ging er an die Universität Gießen, wo er zum Ordinarius für Experimentalphysik ernannt wurde. 1939 wechselte er an die Universität Berlin, wo er Direktor des I. Physikalischen Instituts wurde.[3] Außerdem war Gerthsen Leiter des Vierjahresplaninstituts Nr. 32 für Atombauforschung in Berlin KW-7, Reichstagufer 7–8.[4]

Sein heute als Standardlehrbuch geltendes Grundkursbuch entstand aus Niederschriften seiner Vorlesungen von 1946/47 in Berlin und erschien erstmals 1948.[5] (Es wird seitdem von anderen Autoren in mehr als 20 Editionen weitergepflegt.) Im selben Jahr ging Gerthsen an die TH Karlsruhe, wo er den Wiederaufbau des Fachbereichs Physik und des Physikalischen Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg leitete. In den 1950er Jahren regte er den Bau eines modernen Physikhörsaales an. Bis zu seinem Tod 1956 blieb er Institutsdirektor.[6] Seit 1951 war er ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.[7]

Werk

In Gießen untersuchte Gerthsen atomare Stoßprozesse. Dabei betrachtete er unter anderem die Anregung von Kernreaktionen und die Emission von Röntgenstrahlung. Ihm kam die Idee des Tandembeschleunigers.

Später führte er unter anderem Streuversuche mit geladenen Teilchen durch. Zu deren Auswertung verwendete er als einer der ersten das Geiger-Müller-Zählrohr. Er konnte damit den von der Quantenmechanik vorhergesagten Austauscheffekt experimentell beweisen.

Schriften

  • mit Karl Bechert Atomphysik, Bd. 1, Allgemeine Grundlagen, De Gruyter, 1944, 1955, 1959, Bd. 2, De Gruyter 1944, 1959, 1963, Bd. 3 Theorie des Atombaus, De Gruyter 1954, 1963, Bd. 4, mit Arnold Flammersfeld Theorie des Atombaus, 2. Teil, De Gruyter 1954, 1963, 1984
  • Physik, Volk u. Wissen, 1948, 1951, Springer, 1956, 1958, weitere Auflagen mit Hans Otto Kneser, Springer, ab 1960, mit Kneser und Helmut Vogel, 17. Auflage, 1993, 2001, sowie in den neuesten Auflage:
  • Dieter Meschede: Gerthsen Physik. 25. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2015, ISBN 978-3-662-45976-8 (Hardcover), ISBN 978-3-662-45977-5 (eBook).
  • mit Max Pollermann Einführung in das physikalische Praktikum zum Studium der Physik als Nebenfach, Springer, 1953
  • mit Max Pollermann Einführung in das physikalische Praktikum, Springer, 1960, 1964, 1967
  • mit Max Pollermann Einführung in das Physikalische Praktikum. Für Mediziner und das Anfängerpraktikum, Springer-Verlag, 1982

Literatur

Weblinks

Commons: Christian Gerthsen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gerthsen, Christian Jörgen. In: sa.dk. Rigsarkivet, abgerufen am 15. Dezember 2021 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  2. Archives for the History of Quantum Physics: Author Catalog. In: amphilsoc.org. American Philosophical Society, abgerufen am 15. Dezember 2021 (englisch).
  3. I. Physikalisches Institut der JLU Giessen: „Geschichte des Lehrstuhls für Physik“
  4. Liste der VJPI@1@2Vorlage:Toter Link/www.unterirdisch-forum.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)Vorlage:Toter Link/archivebot
  5. Vorwort von Christian Gerthsen: „Physik“. Volk und Wissen Verlags GmbH, Berlin/Leipzig 1948
  6. Universität Karlsruhe (TH): „Zum 50. Todestag von Professor Dr. Christian Gerthsen“, Pressemeldung 135 vom 4. Dezember 2006 / le
  7. Mitglieder der HAdW seit ihrer Gründung 1909. Christian Gerthsen. In: Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Abgerufen am 6. Juli 2016.


Die News der letzten Tage

27.03.2023
Atomphysik
So entstehen Fussballmoleküle im Weltall
Seit Langem wird vermutet, dass im All sogenannte Fullerene und deren Abkömmlinge entstehen können – grosse Kohlenstoffmoleküle in Fussball-, Schüssel- oder Röhrchenform.
23.03.2023
Teilchenphysik
Verbessertes ATLAS-Ergebnis gibt Aufschluss über das W-Boson
Das W-Boson ist ein Elementarteilchen, das 1983 am CERN entdeckt wurde und das für die Vermittlung der sogenannten schwachen Wechselwirkung verantwortlich ist.
22.03.2023
Sterne | Exoplaneten
Heiße Sandwolken auf einem jungen Gasriesen, der zwei Sterne umkreist
Ein internationales Forscherteam untersuchte mit dem James Webb Space Telescope (JWST) die Chemie des jungen, heißen Gasriesenplaneten VHS 1256 b.
21.03.2023
Kometen und Asteroiden | Satelliten und Sonden
Planetenwehr: Einschlag von DART auf dem Asteroiden Dimorphos
Mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO haben zwei Teams von Astronomen und Astronominnen die Nachwirkungen der Kollision zwischen der NASA-Raumsonde Double Asteroid Redirection Test (DART) und dem Asteroiden Dimorphos beobachtet.
21.03.2023
Teilchenphysik | Quantenphysik
Ein exotischer Quantenlicht-Zustand
Lichtteilchen, auch Photonen genannt, interagieren normalerweise nicht miteinander.
20.03.2023
Teilchenphysik
Erstmals Neutrinos aus einem Teilchenbeschleuniger beobachtet
Neutrinos gehören zu den am häufigsten vorkommenden Teilchen im Kosmos, geben Forschenden jedoch nach wie vor viele Rätsel auf.
20.03.2023
Monde | Astrobiologie
Leben auf fernen Monden
Flüssiges Wasser gehört zu den wichtigsten Bedingungen für die Entstehung von Leben, wie wir es auf der Erde kennen.
10.03.2023
Atomphysik | Festkörperphysik | Quantenphysik
Die Topologie rotierender Moleküle
Die seltsamen topologischen Eigenschaften einiger Formen von Materie werden seit Jahrzehnten erforscht.
10.03.2023
Thermodynamik | Optik
Heißer als unendlich heiß – Lichtpulse können sich wie ein exotisches Gas verhalten
In der heutigen Gesellschaft werden täglich riesige Mengen von Daten übertragen – meist in Form optischer Pulse, die durch Glasfasern geleitet werden.
08.03.2023
Sonnensysteme | Astrophysik
Das fehlende Bindeglied für Wasser im Sonnensystem
Astronomen und Astronominnen haben mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) gasförmiges Wasser in der planetenbildenden Scheibe um den Stern V883 Orionis entdeckt.
08.03.2023
Monde | Raumfahrt
Wegbereiter für Langzeitmissionen auf dem Mond
Als potenzielle Orte für zukünftige Basislager sind die Lavahöhlen auf dem Mond von großem Interesse.