Hans-Jürgen Treder (* 4. September 1928 in Berlin; † 18. November 2006 in Potsdam) war einer der führenden theoretischen Physiker und Astrophysiker in der DDR und international anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Gravitationsphysik (Allgemeine Relativitätstheorie und deren Erweiterungen) und Kosmologie. Außerdem beschäftigte er sich mit Wissenschaftsgeschichte und -philosophie.
Treder interessierte sich schon früh für Physik und zeigte seine hohe Begabung. Noch als Schüler suchte er 1944 Kontakt zu Werner Heisenberg in Berlin, der ihn auch empfing und mit ihm diskutierte. Beim Volkssturm als Jugendlicher für Kurierdienste eingesetzt, prägte er sich dank seines fotografischen Gedächtnisses Verhaftungslisten ein und warnte die Betroffenen.[1] Nach dem Krieg studierte er an der Humboldt-Universität Berlin Physik und Philosophie. 1956 wurde er promoviert und war dann ab 1957 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Mathematik der Akademie der Wissenschaften. Gleich nach der Habilitation 1962 wurde er 1963 Professor für Theoretische Physik an der Humboldt-Universität und Direktor am Akademie Institut für Reine Mathematik. Mit Arbeiten über Gravitationsstrahlung errang er damals internationale Anerkennung. 1965 war er wesentlich an der Organisation der Konferenz zur 50-Jahr-Feier der Veröffentlichung von Einsteins Feldgleichungen beteiligt.[2]
1966 wurde er ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften und wurde Direktor der Sternwarte Babelsberg der Akademie der Wissenschaften. Nach der Umorganisation 1969 leitete er das neu gegründete Zentralinstitut für Astrophysik (ZIAP), in dem die vorher selbständigen Observatorien in Potsdam, die Sternwarte Babelsberg, die Sternwarte Sonneberg und das Karl-Schwarzschild-Observatorium Tautenburg zusammengefasst wurden. Bis 1973 leitete er auch den Forschungsbereich Kosmische Physik[3] der Akademie der Wissenschaften, worin die Astrophysik und Geophysik zusammengefasst wurde. Danach gab er das aus Gesundheitsgründen auf und konzentrierte sich auf die Leitung des ZIAP. Er machte es nicht nur zu einem Zentrum der theoretischen Gravitationsphysik, sondern integrierte auch zum Beispiel Magnetohydrodynamik (in Zusammenarbeit mit Max Steenbeck) – die in der Astrophysik gleich nach der Gravitationstheorie in den Modellbildungen eine wichtige Rolle spielte – und Geophysik (in Zusammenarbeit mit Hans Ertel), was auch später in Potsdam prägend war. Zu Einsteins 100. Geburtstag 1979 gelang es ihm in Abstimmung mit dem Nachlassverwalter von Einstein Otto Nathan das Sommerhaus von Einstein in Caputh als Gästehaus der Akademie zu sichern. 1982 übergab er das ZIAP an seinen Nachfolger Karl-Heinz Schmidt. Treder wurde Direktor des von ihm gegründeten Einstein-Laboratoriums der Akademie in Potsdam-Caputh, was er bis 1992 blieb. Er veröffentlichte in den letzten Jahren seines Lebens mit seinem Freund, dem Geophysiker Wilfried Schröder, viele Arbeiten in der Geo- und Kosmosphysik, einschließlich der solaren Variabilität. Hinzu kommt die Edition des Buches Einstein and geophysics sowie einiger Bände der Werke von Hans Ertel. Schwerpunkte ihrer Arbeiten waren auch die solaren Minima (Spörer, Maunder und Dalton Minima) sowie die physikalischen Konsequenzen für die solare Aktivität. Treder war Vorsitzender der internationalen Gesellschaft „History of Geophysics and Cosmical Physics“.
Treder genoss in der DDR hohe Anerkennung (er erhielt u. a. den Nationalpreis der DDR) und das volle Vertrauen der politischen Führung, und er genoss Privilegien wie volle Reisefreiheit und einen eigenen Wagen mit Chauffeur.
Entscheidungen, die Treder als Leiter des ZIAPs traf, waren in der wissenschaftlichen Gemeinschaft umstritten. So ordnete er 1969 den Austritt aller Astronomen der DDR aus der Astronomischen Gesellschaft, der für den gesamten deutschsprachigen Raum zuständigen Berufsvertretung der Astronomen, an. 1969 beschloss er die Schließung der Sternwarte Sonneberg und sprach ein Beobachtungsverbot an den großen Teleskopen der Sternwarte aus,[4] was bei Beachtung zum Abbruch einer der längsten fotografischen Beobachtungsreihen der Welt (Sonneberger Fotoplattenarchiv) geführt hätte. Nach Intervention von Wolfgang Wenzel und internationalen Protesten korrigierte er jedoch später beide Entscheidungen.
Rufe aus dem Westen lehnte Treder ab, er war nicht nur bekennender Marxist, sondern fühlte sich auch der Wissenschaftsgeschichte Berlins eng verbunden, über die er später einige Bücher schrieb. Er entfaltete eine hohe wissenschaftliche Produktivität und veröffentlichte knapp 500 Einzelbeiträge und mehr als 20 Monographien. Unter anderem befasste er sich intensiv (zunächst auf Anregung von Gustav Hertz) mit dem Machschen Prinzip, über das er 1972 eine Monographie veröffentlichte.
Er wohnte später auf dem Gelände der Sternwarte Babelsberg, wurde aber zunehmend eigenbrötlerischer[1] und konnte nach der Wende seine führende Rolle in der Wissenschaftsorganisation nicht behalten; aus der er sich allerdings schon in den 1980er Jahren zurückgezogen hatte, als er sich zunehmend der Wissenschaftsgeschichte und der Wissenschaftsphilosophie zuwandte (er führte z. B. einen Briefwechsel mit Karl Popper).
Treder war Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.
Monographien über Gravitationsphysik:
Zur Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaftsphilosophie und populärere Schriften von Treder:
Bücher mit Robert Rompe:
Online zugängliche Aufsätze von Treder:
Personendaten | |
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NAME | Treder, Hans-Jürgen |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Physiker und Astrophysiker |
GEBURTSDATUM | 4. September 1928 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 18. November 2006 |
STERBEORT | Potsdam |