Die Raychaudhuri-Gleichung (oder Landau-Raychaudhuri-Gleichung) ist ein grundlegendes Ergebnis der allgemeinen Relativitätstheorie und beschreibt die Bewegung benachbarter Teilchen.
Die Gleichung ist ein grundlegendes Lemma für das Singularitäten-Theorem und für die Analyse exakter Lösungen der allgemeinen Relativitätstheorie. Sie bestätigt zudem auf einfache Weise unsere intuitive Vorstellung, dass die lokale Wirkung der Gravitation in der allgemeinen Relativitätstheorie dem newtonschen Gravitationsgesetz entspricht: eine allgemeine Anziehungskraft zwischen Paaren von ‘Teilchen’ (nun als Masse und Energie verstanden).
Die Weltlinien der betrachteten Teilchen werden durch ein zeitartiges und normiertes vierdimensionales Vektorfeld $ X $ beschreiben. Die Beschreibung durch ein Vektorfeld impliziert, dass sich die Weltlinien nicht schneiden, die Teilchen also nicht kollidieren. Die Weltlinien der Teilchen müssen nicht notwendig Geodäten sein, so dass die Gleichung auch im Falle äußerer Kraftfelder gültig ist.
Aus dem metrischen Tensor $ g_{ab} $ und dem Vektorfeld wird der Tensor
konstruiert, welcher als metrischer Tensor auf den zum Vektorfeld orthogonalen Hyperflächen aufgefasst werden kann.
Das grundsätzliche Untersuchungsobjekt der Raychaudhuri-Gleichung ist nun die Projektion der kovarianten Ableitung des Vektorfelds auf die orthogonalen Hyperflächen:
Dieser Tensor wird aufgespalten in seinen symmetrischen Anteil, den Expansionstensor
und seinen antisymmetrischen Anteil, den Vortizitätstensor
Abgeleitete Größen sind
Mittels dieser Größen lautet die Raychaudhuri-Gleichung
Ein Punkt über einer Größe bezeichnet dabei die Ableitung nach der Eigenzeit, d. h. $ {\dot {X}} $ bezeichnet das Beschleunigungsfeld der Teilchen.
$ R_{mn}\,X^{m}\,X^{n} $ ist die Spur des Gezeitentensors („tidal tensor“), sie wird auch Raychaudhuri-Skalar genannt.
Die Raychaudhuri-Gleichung ist die dynamische Gleichung der Ausdehnung des Vektorfeldes. Dabei beschreibt der Expansionsskalar die Änderungsrate des Volumens eines kleinen Balls aus Materie, bezüglich der Zeit eines mitbewegten Beobachters im Zentrum des Balls:
Der Scherungstensor beschreibt die Deformation einer kugelförmigen Wolke hin zu einer ellipsoiden Form.
Der Vortizitätstensor beschreibt eine Verdrillung naher Weltlinien, was sich anschaulich als Rotation der Wolke auffassen lässt.
Anschaulich lässt sich anhand der Vorzeichen feststellen, welche Terme eine Expansion beschleunigen und welche Terme einen Kollaps bewirken:
In den meisten Fällen ist die Lösung der Gleichung eine ewige Expansion oder ein totaler Kollaps der Wolke. Es können jedoch auch stabile oder instabile Gleichgewichtszustände existieren:
Angenommen, die starke Energiebedingung gelte in einer Raumzeit-Region und $ X $ sei ein zeitartiges, geodätisches (d. h. $ {\dot {X}}=0 $) normiertes Vektorfeld mit verschwindender Vortizität (d. h. $ \omega =0 $). Dies beschreibt beispielsweise die Weltlinien von Staubteilchen in kosmologischen Modellen, in denen die Raumzeit nicht rotiert, wie dem staubgefüllten Friedmann-Universum.
Dann lautet die Raychaudhuri-Gleichung
Der Term $ R_{mn}\,X^{m}\,X^{n} $ ist aufgrund der starken Energiebedingung größer oder gleich Null, sodass die gesamte rechte Seite immer negativ oder Null ist, weshalb der Expansionsskalar mit der Zeit nicht zunehmen kann.
Da die letzten beiden Terme nichtnegativ sind, gilt:
Wenn man diese Ungleichung integriert, erhält man
Falls der Anfangswert $ \theta _{0} $ des Expansionsskalars negativ ist, konvergieren die Geodäten nach einer Eigenzeit von maximal $ -3/\theta _{0} $ in einer Kaustik (d. h. $ \theta $ geht gegen minus unendlich). Dies muss nicht auf eine starke Krümmungssingularität hinweisen, es bedeutet jedoch, dass das Modell zur Beschreibung der Staubwolke ungeeignet wird. In einigen Fällen wird sich die Singularität in geeigneten Koordinaten als physikalisch wenig schwerwiegend erweisen.
Es gibt auch eine optische Version der Raychaudhuri-Gleichung für Scharen lichtartiger Geodäten, sogenannter Nullgeodäten, die durch ein lichtartiges Vektorfeld $ U $ beschrieben werden:
Dabei ist $ T_{\mu \nu } $ der Energie-Impuls-Tensor. Die Hüte über den Symbolen bedeuten, dass die Größen nur in transversaler Richtung betrachtet werden.
Setzt man die Nullenergiebedingung $ T_{\mu \nu }U^{\mu }U^{\nu }\geq 0 $ voraus, so bilden sich Kaustiken, bevor der affine Parameter der Geodäten $ 2/{\widehat {\theta }}_{0} $ erreicht.