Wolfgang Deppert (* 6. August 1938 in Liegnitz) ist ein deutscher Philosoph und Unitarier.
Wolfgang Deppert wurde in Liegnitz/Schlesien am 6. August 1938 geboren. Seine Mutter ist die Pianistin und Sängerin Elisabeth Deppert, geb. Simons, und sein Vater der Landwirt Karl Nikolaus Deppert. Nach dem Umzug seiner Familie nach Danzig-Langfuhr kam er dort 1944 zur Schule. Durch die Flucht seiner Familie kam er mit fünf Geschwistern nach verschiedenen Stationen in Berlin, Delitzsch und Bernburg schließlich im Februar 1946 in das Fischerdorf Bellin am Selenter See, wo er gut 8 Jahre in der Baracke 2 des Flüchtlingslagers auf dem Fliegerhorst wohnte. In Bellin besuchte er von 1946 bis 1950 die Volksschule und nach einer Aufnahmeprüfung in Selent zusammen mit seiner älteren Schwester Magarete Deppert von 1950 bis 1954 mit dem Erreichen der Mittleren Reife die gehobene Abteilung der Bürgerschule zu Lütjenburg.
Ende März 1954 fuhr sein Vater Karl Deppert mit ihm auf dem Sozius des Zündapp-Motorrades des Bruders Friedrich Deppert nach Kiel, um eine Schlosser-Lehrstelle zu finden. Vater Karl Deppert wurde sich schließlich mit dem Maschinenbaumeister Hans Weimann in Kiel-Oppendorf einig, dass Wolfgang Deppert dort seine Lehre am 1. April 1954 beginnt. Um dies zu ermöglichen, zog Wolfgang Deppert noch Ende März ins Kieler katholische Lehrlingsheim Kolpinghaus in der Schönkirchener Straße in Kiel-Dietrichsdorf ein. Von dort aus war die Lehrstelle in Kiel-Oppendorf mit dem Fahrrad leicht zu erreichen. Durch diesen Umzug wurde im Zuge des Barackenräumungsprogramms der Umzug seiner ganzen Familie aus dem Barackenlager Belliner Fliegerhorst nach Schönkirchen in die Prandtlstraße 22a schon sehr bald möglich.
Direkt im Anschluss an den Abschluss der dreieinhalb-jährigen Schlosserlehre bei der Firma Hans Weimann in Kiel-Oppendorf am 30. September 1957 trat Deppert bei den Kieler Hohwaldtswerken als frisch gebackener Maschinenschlossergeselle eine Stelle im Großmotorenbau für 5 Monate an, um damit gewisse Zugangsbedingungen für das Studium an der Staatlichen Ingenieurschule in Kiel zu erfüllen und aus entsprechenden Gründen blieb Deppert weitere 5 Monate bei den Kieler Howaldtswerken diesmal aber in der Gießerei und der Modelltischlerei bis zum 16. August 1958. Danach arbeitete Deppert bis zum Beginn seines Studiums an der Staatlichen Ingenieurschule Kiel zu Ostern 1959 noch als Schlossergeselle bei der Kieler Firma HAGENUK.
Deppert schloss den Besuch der Staatlichen Ingenieurschule Kiel durch sein Ingenieurexamen 1962 ab und wurde am 31. Januar 1962 Maschinenbauingenieur. Im gleichen Jahr wurde ihm durch das Kieler Kultusministerium auf sein Ersuchen hin die Hochschulzugangsberechtigung für das Physikstudium an der Kieler Universität erteilt, das er 1968 mit dem Diplom abschloss. Danach wurde er Assistent im Philosophischen Seminar der Universität am Lehrstuhl von Kurt Hübner und promovierte 1975 in theoretischer Elementarteilchenphysik. Nach seiner Habilitation im Fach Philosophie über den Zeitbegriff organisierte er 1985 den internationalen Hermann-Weyl-Kongress in Kiel.
Von 1991 bis 2004 nahm er neben seinen Lehrverpflichtungen an der Kieler Universität einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Lübeck wahr. Auf Initiative von Professoren der Universität Leipzig lehrte Deppert dort vom Wintersemester 1991 bis Sommersemester 1993 Philosophie und Wissenschaftstheorie. Während dieser Zeit verpflichtete ihn Rudolf Bahro, an dessen neugegründetem Institut für Sozialökologie an der Humboldt-Universität zu Berlin Vorlesungen und Seminare zu halten. 1995 wurde er zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Kiel ernannt. Im Sommersemester 1995 war er Gastdozent am Soziologischen Institut der Karl-Franzens-Universität Graz.
Neben seiner Lehrtätigkeit am Philosophischen Seminar der Universität Kiel wurde er im Sommersemester 1996 zum Mitglied des Lehrkörpers des Graduiertenkollegs „Integrative Umweltbewertung“ des Ökologie-Zentrums der Universität Kiel berufen und im WS 1997/98 zum dortigen Vertrauensdozenten der Friedrich-Naumann-Stiftung. Deppert rief an der Universität Kiel diverse interdisziplinäre Arbeitsgruppen ins Leben, darunter den Arbeitskreis für interdisziplinäre Forschung und Lehre, die interdisziplinäre Forschungsgruppe „Die SE-Problematik“ und den Sokrates-Studien Organisationsverein, durch den das Sokrates-Jahr 2002 anlässlich der 2400-jährigen Wiederkehr von Sokrates’ Todesjahr organisiert wurde. Seit 2003 ist Deppert pensioniert. Im Jahr 2005 wurde er zum Gründungsrektor des Sokrates-Universitäts-Vereins e. V. gewählt.
Seit vielen Jahren ist Deppert bei den Unitariern aktiv. Er hat in Kiel die unitarische Jugendgruppe Kieler Sturmvogel gegründet und aufgebaut. Er war Leiter des Geistigen Rates der Deutschen Unitarier, hat in Kiel die Regionalgruppe des Hilfswerks der Deutschen Unitarier (HDU) gegründet und aufgebaut und ist Gemeindeleiter der Unitarier in Kiel.
Seit 1977 ist Deppert Mitglied der FDP, zuerst in Kiel, seit 1998 in Hamburg, wo er Mitglied des Landesvorstandes war. 2002 kandidierte er für die FDP zum Deutschen Bundestag.
Wolfgang Deppert gründete 1982 das Sinfonieorchester Klingberger Symphoniker, dessen musikalischer Leiter er seitdem ist.
Im Jahre 1988 heiratete Wolfgang Deppert die Kieler Redakteurin Ulrike Dotzer. Aus dieser Ehe gingen die Söhne Max Amadeus und Konrad Duwald Deppert hervor, die beide den Beruf des mathematisch versierten Informatikers wählten.
Wolfgang Deppert war eine der drei Vertrauenspersonen der Volksinitiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“ in Schleswig-Holstein.[1] Diese war mit ihrem Volksbegehren und dann am 28. September 1998 mit ihrem Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform erfolgreich.
Als Philosoph arbeitete Deppert auf folgenden Schwerpunktgebieten: Erkenntnistheorie – Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften, der Medizin, der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften – Erforschung der Entwicklung des begrifflichen Denkens und des Individualitätsbewusstseins bei den Vorsokratikern bis hin zu Sokrates – Sokratesforschung – Umdeutung des Verständnisses platonischer Werke – Ethik – Religionsphilosophie – Philosophie des politischen Liberalismus.
Beiträge Depperts zur Erkenntnistheorie sind:
Da der Versuch, einen Begriff vom Begriff zu bestimmen, in einen unendlichen Regress führt, hat Deppert zur Kennzeichnung und zur Abgrenzung von anderen sprachlichen Elementen drei Merkmale von Begriffen eingeführt:
Das zweiseitige Merkmal der Begriffe erklärt Begriffe zu solchen sprachlichen Elementen, die je nach Hinsicht entweder etwas Einzelnes oder etwas Allgemeines darstellen.
Das strukturierende Merkmal der Begriffe bewirkt, dass bei der Anwendung von Begriffen auf Existenzbereiche diese in elementfremde Klassen eingeteilt oder strukturiert werden.
Das systembildende Merkmal der Begriffe zeichnet Begriffe dadurch aus, dass sie miteinander zu hierarchischen oder zu ganzheitlichen Begriffssystemen verbunden werden können
Im Gegensatz zu hierarchischen Begriffssystemen, in denen Zirkel streng verboten sind, sind ganzheitliche Begriffssysteme durch die Form der wechselseitigen Bedeutungsabhängigkeiten untereinander bestimmt. Die Bedeutung des Begriffes „wahr“ kann nicht erfasst werden, ohne den Begriff „falsch“ in irgendeiner Art und Weise darauf zu beziehen.
Im Rahmen eines hierarchischen Begriffssystems lässt sich Erkenntnis als die Kenntnis eines gelungenen Versuches der Zuordnung von etwas Einzelnem zu etwas Allgemeinem verstehen (Allgemeines und Einzelnes). Das Fundament einer hierarchischen Begriffspyramide besteht in diesem Fall aus den undefinierten Grundbegriffen, die untereinander aufgrund ihrer gegenseitigen Bedeutungsabhängigkeit ganzheitliche Begriffssysteme ausbilden oder sich sogar als mythogene Ideen erweisen.
Deppert löst das Problem, dass alle Begründungen Begründungsendpunkte benötigen, durch sein Konzept der mythogenen Ideen, die sich als solche Begründungsendpunkte bestimmen lassen, in denen existentielles und begriffliches Denken zusammenfallen. Außerdem fallen in einer mythogenen Idee Einzelnes und Allgemeines in einer Vorstellungseinheit zusammen. Mythogene Ideen sind darum keine Begriffe, weil sie nicht je nach Hinsicht ein Einzelnes oder ein Allgemeines darstellen, wie es für alle Begriffe gilt. Sie sind stets beides zugleich, so wie die Menschen in der mythischen Zeit durch ihr mythisches zyklisches Zeitbewusstsein Einzelnes nicht von Allgemeinem unterscheiden konnten.
Das Auswahlprinzip besagt, dass es in einem Begriffssystem funktional äquivalente Begriffe geben muss, deren tatsächliche Anwendbarkeit jedoch durch die Empirie ausgeschlossen ist. Deppert spricht hier, in Anlehnung an die Notationen der Kernphysik, von den so genannten begriffssystematischen Isotopen. Diese sind beim Kantverständnis von hoher Bedeutung: Kant musste, um die komparative Allgemeinheit der Begriffe Masse und Temperatur zu begründen, eine Denkmöglichkeit für masselose und temperaturlose Körper angeben. Die Bestimmung der empirischen Allgemeinheit wird stets nur durch ein apriorisches Prinzip möglich, und das ist eben das Auswahlprinzip.
Das erlebnishafte Bewusstwerden von Zusammenhängen bezeichnet Deppert als Zusammenhangserlebnisse[2]. Die von Hermann von Helmholtz dargestellten unbewussten Schlüsse gehen den von Deppert bezeichneten Zusammenhangserlebnissen zeitlich weit voraus, besitzen aber zu ihnen eine erstaunliche Ähnlichkeit, indem sie in den menschlichen Organismen ebenso ein geheimnisvoll wirksames Zusammenhangstiftendes voraussetzen. Die eingeführten Zusammenhangserlebnisse haben nach Deppert aber zusätzlich die grundsätzliche Eigenschaft, die Gefühlslage positiv zu verändern. Darum bestehe das Bestreben, Zusammenhangserlebnisse zu reproduzieren. Lässt sich ein Zusammenhangserlebnis zuverlässig reproduzieren, dann nennt Deppert das Bewusstwerden des erlebten Zusammenhangs eine Erkenntnis und die Fähigkeit, Zusammenhangserlebnisse zu reproduzieren, bezeichnet er als Rationalität. Da es verschiedene Methoden für die Reproduktion von Zusammenhangserlebnissen gäbe, unterscheidet Deppert verschiedene Arten von Rationalität:[3]
Die wissenschaftliche Rationalität zeichne sich besonders dadurch aus, dass sie uns gestatte, Zusammenhangserlebnisse – auch sehr komplizierte – durch die Aneinanderreihung einfachster Zusammenhangserlebnisse (einfachste Verstehensschritte) reproduzierbar zu machen. Es sei aber ein verhängnisvoller Fehler zu meinen, dass sich alle Arten von Zusammenhangserlebnissen mit Hilfe der wissenschaftlichen Rationalität reproduzieren ließen. Jede Rationalität besitze spezifische Methoden der Erkenntnisgewinnung, die zum Teil erst durch die eigene Erfahrung oder auch durch Vormachen erkannt, verstanden und dadurch auch geübt werden könnten.
In seiner Habilitationsschrift Zur Theorie des Zeitbegriffs (1984) hat Deppert eine ganze Reihe neuer wissenschaftstheoretischer Begrifflichkeiten ausgearbeitet:
In seinen frühesten philosophischen Arbeiten[4] hat Deppert damit begonnen, einen neuen Ethikbegriff zu entwickeln, den er als Individualistische Ethik bezeichnet und die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie nur aus Forderungen besteht, die ein Individuum, das bestimmte Voraussetzungen für sich selbst akzeptiert, aus Gründen der eigenen Sinnstiftung an sich selbst stellt. Daraus ist inzwischen eine ausgefeilte Wirtschafts- und Unternehmensethik geworden.[5][6] Die Religionsphilosophie gründet sich auf der Einsicht, dass der Begriff der Religiosität durch die evolutionär entstandene Fähigkeit der menschlichen Gehirne zur Kreativität und der dadurch ermöglichten Sinnstiftungsfähigkeit definiert ist. Dadurch erklären sich die frühen mythischen Formen in der Kulturgeschichte der Menschheit und die späteren Formen der sogenannten Offenbarungsreligionen sowie die neueren Formen der unitarischen Religiosität in den Naturwissenschaften und den Religionsgemeinschaften der Zukunft als Sinnstiftungsgemeinschaften.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Deppert, Wolfgang |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Philosoph und Vertreter der Unitarier |
GEBURTSDATUM | 6. August 1938 |
GEBURTSORT | Liegnitz |