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Die '''Kirlian-''' oder '''Koronaentladungsfotografie''' (auch '''Hochfrequente Hochspannungsfotografie''') ist ein [[Fotografie|fotografisches]] Verfahren zur [[Visualisierung]] von Glimm- oder [[Koronaentladung]]en. Das Verfahren wurde von dem | Die '''Kirlian-''' oder '''Koronaentladungsfotografie''' (auch '''Hochfrequente Hochspannungsfotografie''') ist ein [[Fotografie|fotografisches]] Verfahren zur [[Visualisierung]] von Glimm- oder [[Koronaentladung]]en. Das Verfahren wurde von dem sowjetisch-armenischen Ehepaar [[Semjon Dawidowitsch Kirlian|Semjon Kirlian]] und [[Walentina Chrissanowna Kirliana|Walentina Kirliana]] ab 1937 entwickelt. | ||
Technisch angewendet werden die zugrundeliegenden Effekte bei [[Koronakamera]]s, welche beispielsweise bei [[Hochspannungsleitung]]en Korona-Entladungen optisch sichtbar machen können. Weitere Anwendungsgebiete der Kirlianfotografie sind [[Kunst]] und [[Werbung]]. | Technisch angewendet werden die zugrundeliegenden Effekte bei [[Koronakamera]]s, welche beispielsweise bei [[Hochspannungsleitung]]en Korona-Entladungen optisch sichtbar machen können. Weitere Anwendungsgebiete der Kirlianfotografie sind [[Kunst]] und [[Werbung]]. | ||
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== Geschichte und Entwicklung == | == Geschichte und Entwicklung == | ||
Der sowjetische Elektrotechnik-Ingenieur Semjon Davidowitsch Kirlian entdeckte 1937 diese Art der Fotografie durch Zufall, als er einen medizinischen Apparat reparieren sollte, und ließ das Verfahren 1949 mehrmals patentieren. Später forschte er weiter mit seiner Ehefrau Walentina Kirliana und dem Arzt [[Ruben Stepanow]] an der Kirlianfotografie. | Der sowjetische Elektrotechnik-Ingenieur Semjon Davidowitsch Kirlian entdeckte 1937 diese Art der Fotografie durch Zufall, als er einen medizinischen Apparat reparieren sollte, und ließ das Verfahren 1949 mehrmals patentieren. Später forschte er weiter mit seiner Ehefrau Walentina Kirliana und dem Arzt [[Ruben Stepanow]] an der Kirlianfotografie. | ||
[[Datei:A Kirlian Photography, male 1989.jpg|150px|thumb|männlicher Daumen]] [[Datei:A Kirlian Photography, female 1989.jpg|150px|thumb|weiblicher Daumen]] | |||
== Funktionsweise == | == Funktionsweise == | ||
Als Folge der [[Elektrische Feldstärke|elektrischen Feldstärke]] kommt es in Gasen, wie auch der Luft, zu einer [[Ionisierung]] und daher zu einer [[Gasentladung]]. Dabei darf die elektrische Feldstärke nicht zu hoch sein, um die sogenannte [[Koronaentladung]] beziehungsweise [[Glimmentladung]] zu ermöglichen. Diese zählen zu den schwächsten elektrischen Entladungen und sind, wie fast alle Gasentladungen, mit Lichterscheinungen unterschiedlicher Stärke verbunden, die durch fotografische Verfahren abgebildet werden können. Technisch verwendet werden die durch schwache elektrische Entladungen hervorgerufenen Lichterscheinungen beispielsweise in [[Glimmlampe]]n und [[Plasmalampe]]n. | Als Folge der [[Elektrische Feldstärke|elektrischen Feldstärke]] kommt es in Gasen, wie auch der Luft, zu einer [[Ionisierung]] und daher zu einer [[Gasentladung]]. Dabei darf die elektrische Feldstärke nicht zu hoch sein, um die sogenannte [[Koronaentladung]] beziehungsweise [[Glimmentladung]] zu ermöglichen. Diese zählen zu den schwächsten elektrischen Entladungen und sind, wie fast alle Gasentladungen, mit Lichterscheinungen unterschiedlicher Stärke verbunden, die durch fotografische Verfahren abgebildet werden können. Technisch verwendet werden die durch schwache elektrische Entladungen hervorgerufenen Lichterscheinungen beispielsweise in [[Glimmlampe]]n und [[Plasmalampe]]n. | ||
Bei Koronaentladungen können die damit verbundenen Lichterscheinungen so schwach sein, dass sie nur unter bestimmten Bedingungen wie | Bei Koronaentladungen können die damit verbundenen Lichterscheinungen so schwach sein, dass sie nur unter bestimmten Bedingungen wie abgedunkelten Räumen beziehungsweise nur mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln wie Koronakameras optisch festgestellt werden können. | ||
Elektrische Entladungen sind nicht an bestimmte Formen oder Materialien der Objekte gebunden und können von allen [[Elektrische Leitfähigkeit|elektrisch leitfähigen]] Materialien wie Metallen, aber auch von lebenden Organismen wie Tieren und Pflanzen ausgehen. Bei ebenen, elektrisch leitfähigen Oberflächen treten fast homogene elektrische Feldstärken und eine über die Fläche fast gleichmäßige Entladung auf. Allerdings sind auch in diesen Fällen durch geringe Unebenheiten in der nur scheinbar ebenen Oberfläche unterschiedliche Entladungsmuster optisch erkennbar. Bei Kanten oder Spitzen treten wegen des Randeffektes höhere elektrische Feldstärken auf, mit der Folge, dass an jenen Punkten beziehungsweise Bereichen die elektrischen Entladungen bevorzugt einsetzen. | Elektrische Entladungen sind nicht an bestimmte Formen oder Materialien der Objekte gebunden und können von allen [[Elektrische Leitfähigkeit|elektrisch leitfähigen]] Materialien wie Metallen, aber auch von lebenden Organismen wie Tieren und Pflanzen ausgehen. Bei ebenen, elektrisch leitfähigen Oberflächen treten fast homogene elektrische Feldstärken und eine über die Fläche fast gleichmäßige Entladung auf. Allerdings sind auch in diesen Fällen durch geringe Unebenheiten in der nur scheinbar ebenen Oberfläche unterschiedliche Entladungsmuster optisch erkennbar. Bei Kanten oder Spitzen treten wegen des Randeffektes höhere elektrische Feldstärken auf, mit der Folge, dass an jenen Punkten beziehungsweise Bereichen die elektrischen Entladungen bevorzugt einsetzen. | ||
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== Ablauf == | == Ablauf == | ||
In einen abgedunkelten Raum wird eine Metallplatte gelegt. Auf dieser wird ein [[Isolator (Elektrotechnik)|Isolator]], zum Beispiel eine dünne Keramikplatte, befestigt. Auf der Isolationsplatte wird nun der zu belichtende Film angebracht, mit der fotoempfindlichen Seite nach oben. Auf den Film kommt das zu fotografierende Objekt, zum Beispiel ein Blatt oder auch ein Mensch.<ref>Einar Göhring: [http://www.aerzteblatt.de/pdf/95/27/a1743.pdf ''Kirlian-Fotografie: Filigrane Kristalle, mit Licht gemalt.''] In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' 95, Heft 27, 3. Juli 1998, S. A-1743.</ref> Wichtig dabei ist, dass das Objekt ein elektrischer Leiter | In einen abgedunkelten Raum wird eine Metallplatte gelegt. Auf dieser wird ein [[Isolator (Elektrotechnik)|Isolator]], zum Beispiel eine dünne Keramikplatte, befestigt. Auf der Isolationsplatte wird nun der zu belichtende Film angebracht, mit der fotoempfindlichen Seite nach oben. Auf den Film kommt das zu fotografierende Objekt, zum Beispiel ein Blatt oder auch ein Mensch.<ref name=":0">Einar Göhring: [http://www.aerzteblatt.de/pdf/95/27/a1743.pdf ''Kirlian-Fotografie: Filigrane Kristalle, mit Licht gemalt.''] In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' 95, Heft 27, 3. Juli 1998, S. A-1743.</ref> Wichtig dabei ist, dass das Objekt ein elektrischer Leiter ist. An die Metallplatte wird anschließend eine [[Hochspannung]] von etwa 20.000 [[Volt (Einheit)|Volt]] angelegt, die beispielsweise aus einem [[Tesla-Transformator]] gewonnen wird. Je nach benötigter [[Belichtung (Fotografie)|Belichtungsdauer]] wird die elektrische Spannung für einige Bruchteile von Sekunden (etwa 100 μs) eingeschaltet. Es entsteht rund um das Objekt eine [[Koronaentladung]]. | ||
Da bei Koronaentladungen nur geringe [[Elektrischer Strom|elektrische Ströme]] fließen, sind diese Entladungen im Regelfall ungefährlich. | Da bei Koronaentladungen nur geringe [[Elektrischer Strom|elektrische Ströme]] fließen, sind diese Entladungen im Regelfall ungefährlich. | ||
== Alternativmedizinische Anwendung == | == Alternativmedizinische Anwendung == | ||
In einem [[Alternativmedizin|alternativmedizinischen]] Ansatz sollen mit der Kirlianfotografie Rückschlüsse auf die [[elektrische Leitfähigkeit]] der Körperoberfläche gezogen werden, um zu beurteilen, ob so genannte Leitbahnen ([[Meridian (TCM)|Meridiane]] im Sinne der [[Traditionelle chinesische Medizin|traditionellen chinesischen Medizin]]) blockiert seien. Dazu werden vorwiegend Hände und Füße abgebildet,<ref>Krista Federspiel: [http://www.focus.de/gesundheit/news/mystische-verfahren-gefahrenquellen_aid_144668.html ''Mystische Verfahren: Gefahrenquellen.''] In: ''Focus Magazin.'' 17. Januar 1994, online auf focus.de, abgerufen am 12. Januar 2017.</ref> weil die Meridiane nach der [[Akupunktur]]lehre an Fingerkuppen und Zehen beginnen und enden sollen. Durch den Vergleich der Kirlianfotografien von Menschen mit bekannten Krankheiten mit solchen von Menschen, bei denen keine Krankheit bekannt war, wird dann nach krankheitstypischen Abweichungen gesucht, und manche [[Heilpraktiker]] glauben, dies [[Diagnose|diagnostisch]] nutzen zu können.<ref>Helmut Hildebrandt: ''Pschyrembel. Wörterbuch Naturheilkunde und alternative Heilverfahren.'' 2. Auflage. de Gruyter, Berlin 2000, ISBN 3-11-016609-7.</ref> Im [[Deutsches Ärzteblatt|Deutschen Ärzteblatt]] werden [[Reproduzierbarkeit]] und diagnostische Aussagekraft der Kirlianfotografie dagegen klar verneint.<ref name=":0" /><ref>[[Edzard Ernst]]: ''Medizin: Komplementärmedizinische Diagnoseverfahren.'' In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' Jahrgang 102, Heft 44, 4. November 2005, S. A 3034–3037. Auf Aerzteblatt.de ([https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=48961 PDF]; 55 kB), abgerufen am 13. August 2021.</ref> | |||
Durch den Vergleich der | |||
== Gefahren == | == Gefahren == |
Die Kirlian- oder Koronaentladungsfotografie (auch Hochfrequente Hochspannungsfotografie) ist ein fotografisches Verfahren zur Visualisierung von Glimm- oder Koronaentladungen. Das Verfahren wurde von dem sowjetisch-armenischen Ehepaar Semjon Kirlian und Walentina Kirliana ab 1937 entwickelt.
Technisch angewendet werden die zugrundeliegenden Effekte bei Koronakameras, welche beispielsweise bei Hochspannungsleitungen Korona-Entladungen optisch sichtbar machen können. Weitere Anwendungsgebiete der Kirlianfotografie sind Kunst und Werbung.
Der sowjetische Elektrotechnik-Ingenieur Semjon Davidowitsch Kirlian entdeckte 1937 diese Art der Fotografie durch Zufall, als er einen medizinischen Apparat reparieren sollte, und ließ das Verfahren 1949 mehrmals patentieren. Später forschte er weiter mit seiner Ehefrau Walentina Kirliana und dem Arzt Ruben Stepanow an der Kirlianfotografie.
Als Folge der elektrischen Feldstärke kommt es in Gasen, wie auch der Luft, zu einer Ionisierung und daher zu einer Gasentladung. Dabei darf die elektrische Feldstärke nicht zu hoch sein, um die sogenannte Koronaentladung beziehungsweise Glimmentladung zu ermöglichen. Diese zählen zu den schwächsten elektrischen Entladungen und sind, wie fast alle Gasentladungen, mit Lichterscheinungen unterschiedlicher Stärke verbunden, die durch fotografische Verfahren abgebildet werden können. Technisch verwendet werden die durch schwache elektrische Entladungen hervorgerufenen Lichterscheinungen beispielsweise in Glimmlampen und Plasmalampen.
Bei Koronaentladungen können die damit verbundenen Lichterscheinungen so schwach sein, dass sie nur unter bestimmten Bedingungen wie abgedunkelten Räumen beziehungsweise nur mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln wie Koronakameras optisch festgestellt werden können.
Elektrische Entladungen sind nicht an bestimmte Formen oder Materialien der Objekte gebunden und können von allen elektrisch leitfähigen Materialien wie Metallen, aber auch von lebenden Organismen wie Tieren und Pflanzen ausgehen. Bei ebenen, elektrisch leitfähigen Oberflächen treten fast homogene elektrische Feldstärken und eine über die Fläche fast gleichmäßige Entladung auf. Allerdings sind auch in diesen Fällen durch geringe Unebenheiten in der nur scheinbar ebenen Oberfläche unterschiedliche Entladungsmuster optisch erkennbar. Bei Kanten oder Spitzen treten wegen des Randeffektes höhere elektrische Feldstärken auf, mit der Folge, dass an jenen Punkten beziehungsweise Bereichen die elektrischen Entladungen bevorzugt einsetzen.
Die Leuchterscheinungen, die auf der Fotografie von der Elektrode, wie zum Beispiel einem Finger ausgehen, sind in diesem Sinne keine „geheimnisvollen Strahlen“, sondern selbstleuchtende Entladungskanäle infolge einer Gasentladung. Die Entladung wird beeinflusst durch die Form der Elektroden, Verteilung der elektrischen Leitfähigkeit, Feuchtigkeit im Gas, Verdampfung und andere physikalische Faktoren; auch spielt die Beschaffenheit der Oberfläche eine Rolle.
In einen abgedunkelten Raum wird eine Metallplatte gelegt. Auf dieser wird ein Isolator, zum Beispiel eine dünne Keramikplatte, befestigt. Auf der Isolationsplatte wird nun der zu belichtende Film angebracht, mit der fotoempfindlichen Seite nach oben. Auf den Film kommt das zu fotografierende Objekt, zum Beispiel ein Blatt oder auch ein Mensch.[1] Wichtig dabei ist, dass das Objekt ein elektrischer Leiter ist. An die Metallplatte wird anschließend eine Hochspannung von etwa 20.000 Volt angelegt, die beispielsweise aus einem Tesla-Transformator gewonnen wird. Je nach benötigter Belichtungsdauer wird die elektrische Spannung für einige Bruchteile von Sekunden (etwa 100 μs) eingeschaltet. Es entsteht rund um das Objekt eine Koronaentladung.
Da bei Koronaentladungen nur geringe elektrische Ströme fließen, sind diese Entladungen im Regelfall ungefährlich.
In einem alternativmedizinischen Ansatz sollen mit der Kirlianfotografie Rückschlüsse auf die elektrische Leitfähigkeit der Körperoberfläche gezogen werden, um zu beurteilen, ob so genannte Leitbahnen (Meridiane im Sinne der traditionellen chinesischen Medizin) blockiert seien. Dazu werden vorwiegend Hände und Füße abgebildet,[2] weil die Meridiane nach der Akupunkturlehre an Fingerkuppen und Zehen beginnen und enden sollen. Durch den Vergleich der Kirlianfotografien von Menschen mit bekannten Krankheiten mit solchen von Menschen, bei denen keine Krankheit bekannt war, wird dann nach krankheitstypischen Abweichungen gesucht, und manche Heilpraktiker glauben, dies diagnostisch nutzen zu können.[3] Im Deutschen Ärzteblatt werden Reproduzierbarkeit und diagnostische Aussagekraft der Kirlianfotografie dagegen klar verneint.[1][4]
Wie bei allen Experimenten mit Hochspannung kann es durch unsachgemäße Anwendung zu Stromunfällen kommen. Besonders gefährdet sind Personen mit Herzschrittmacher oder Herzschwäche. Bei unzureichender Belüftung können sich durch den Vorgang der Gasentladung in Luft schädliche Gase wie Stickstoffdioxid oder Ozon ansammeln.