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[[Datei:Lunar libration with phase2.gif|mini|250px|Libration: Anblick des [[Mond]]es über 27 Tage, was täglich einem Foto entspricht und so den Mond in allen [[Mondphase|Phasen]] von Neu- über Vollmond bis Neumond zeigt. Außerdem ist seine Winkel- und Größenschwankung zwischen [[Erdnähe|Erdnähe und -ferne]] zu sehen.]] | |||
In der [[Astronomie]] bezeichnet '''Libration''' eine echte oder scheinbare Taumelbewegung eines [[Mond (Trabant)|Mondes]], gesehen von seinem Zentralkörper. | In der [[Astronomie]] bezeichnet '''Libration''' eine echte oder scheinbare Taumelbewegung eines [[Mond (Trabant)|Mondes]], gesehen von seinem Zentralkörper. | ||
Fast alle größeren Monde des Sonnensystems befinden sich in einer [[Gebundene Rotation|gebundenen Rotation]] um ihren Zentralplaneten, das heißt, sie drehen sich während eines Umlaufs um den Planeten auch einmal um die eigene Achse. Deshalb wenden diese Monde ihrem Planeten im Prinzip immer dieselbe Seite zu. Da die Monde allerdings nicht auf exakten Kreisbahnen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ihre Planeten umkreisen, während die Eigenrotation eine konstante Winkelgeschwindigkeit aufweist, und da sich ein Beobachter auf dem Planeten nicht exakt auf der Verbindungslinie der Massenzentren befinden muss, sieht der Beobachter im Laufe eines „Monats“ nicht immer ''exakt'' dieselbe Seite des Mondes. | Fast alle größeren Monde des Sonnensystems befinden sich in einer [[Gebundene Rotation|gebundenen Rotation]] um ihren Zentralplaneten, das heißt, sie drehen sich während eines Umlaufs um den Planeten auch einmal um die eigene Achse. Deshalb wenden diese Monde ihrem Planeten im Prinzip immer dieselbe Seite zu. Da die Monde allerdings nicht auf exakten Kreisbahnen mit konstanter [[Winkelgeschwindigkeit]] ihre Planeten umkreisen, während die Eigenrotation eine konstante Winkelgeschwindigkeit aufweist, und da sich ein Beobachter auf dem Planeten nicht exakt auf der Verbindungslinie der Massenzentren befinden muss, sieht der Beobachter im Laufe eines „Monats“ nicht immer ''exakt'' dieselbe Seite des Mondes. Beim Erdmond sind durch die verschiedenen Effekte, die zu dieser Taumelbewegung führen, von der Erdoberfläche aus im Laufe der Zeit insgesamt 59 Prozent der Mondoberfläche zu sehen. | ||
== Beschreibung == | == Beschreibung == | ||
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;Optische Libration | ;Optische Libration | ||
* Die ''Libration in [[Selenografische Länge|Länge]]'' zeigt sich als seitliche Drehung von maximal 7,9 Grad und entsteht vor allem durch die leicht [[Ellipsenbahn|elliptische]] [[Umlaufbahn]] des Mondes. Wäre die Mondbahn kreisförmig, so wäre seine [[Winkelgeschwindigkeit]] („Grad pro Sekunde“) immer gleich. Wegen der elliptischen Bahn ändert sich die Entfernung zwischen Erde und Mond (''[[Perizentrumsdistanz]]'') während eines Umlaufs und damit auch die Winkelgeschwindigkeit. Sie ist umso größer, je kleiner die Entfernung – also am größten in [[Erdnähe]]. Die [[Rotation (Physik)|Rotationsgeschwindigkeit]] des Mondes um seine eigene Achse bleibt jedoch konstant. Deswegen rotiert der Mond in Erdnähe scheinbar zu langsam und, wenn er weiter entfernt ist, schneller als seine Bahnbewegung. Weitere kleine Librationseffekte entstehen durch die Veränderung der Mondumlaufbahn wegen der Anziehungskräfte von Sonne und Planeten. | * Die ''Libration in [[Selenografische Länge|Länge]]'' zeigt sich als seitliche Drehung von maximal 7,9 Grad und entsteht vor allem durch die leicht [[Ellipsenbahn|elliptische]] [[Umlaufbahn]] des Mondes. Wäre die Mondbahn kreisförmig, so wäre seine [[Winkelgeschwindigkeit]] („Grad pro Sekunde“) immer gleich. Wegen der elliptischen Bahn ändert sich die Entfernung zwischen Erde und Mond (''[[Perizentrumsdistanz]]'') während eines Umlaufs und damit auch die Winkelgeschwindigkeit. Sie ist entsprechend dem [[Keplersche Gesetze|2. Keplerschen Gesetz]] umso größer, je kleiner die Entfernung – also am größten in [[Erdnähe]]. Die [[Rotation (Physik)|Rotationsgeschwindigkeit]] des Mondes um seine eigene Achse bleibt jedoch konstant. Deswegen rotiert der Mond in Erdnähe scheinbar zu langsam und, wenn er weiter entfernt ist, schneller als seine Bahnbewegung. Weitere kleine Librationseffekte entstehen durch die Veränderung der Mondumlaufbahn wegen der Anziehungskräfte von Sonne und Planeten. | ||
* Für die ''Libration in [[Selenografische Breite|Breite]]'' ist der Winkel der Rotationsachse des Mondes gegenüber dem Lot zur Mondbahnebene (nicht gegenüber dem Lot der Erdbahnebene!) verantwortlich. Er beträgt 6,7 Grad und bewirkt ein scheinbares vertikales Kippen des Mondes, so dass man abwechselnd über seinen [[Mondnordpol|Nord]]- und Südpol hinweg sehen kann. | * Für die ''Libration in [[Selenografische Breite|Breite]]'' ist der Winkel der Rotationsachse des Mondes gegenüber dem Lot zur Mondbahnebene (nicht gegenüber dem Lot der Erdbahnebene!) verantwortlich. Er beträgt 6,7 Grad und bewirkt ein scheinbares vertikales Kippen des Mondes, so dass man abwechselnd über seinen [[Mondnordpol|Nord]]- und Südpol hinweg sehen kann. | ||
* Die ''[[Parallaxe|parallaktische]]'' oder ''tägliche Libration'' entsteht durch die [[Erdrotation]] und macht etwa ein Grad aus. Von Mondaufgang bis Monduntergang dreht sich die Erde um 180 Grad. Dabei bewegt sich jeder Punkt der Erdoberfläche, je nach geografischer Breite, um bis zu 12.756 km (einen [[Erdradius|Erddurchmesser]]). Ein Beobachter sieht den Mond bei Mondaufgang also von einer etwas anderen Position aus und damit unter einem anderen Betrachtungswinkel als 12 Stunden später, wenn der Mond untergeht. | * Die ''[[Parallaxe|parallaktische]]'' oder ''tägliche Libration'' entsteht durch die [[Erdrotation]] und macht etwa ein Grad aus. Von Mondaufgang bis Monduntergang dreht sich die Erde um 180 Grad. Dabei bewegt sich jeder Punkt der Erdoberfläche, je nach geografischer Breite, um bis zu 12.756 km (einen [[Erdradius|Erddurchmesser]]). Ein Beobachter sieht den Mond bei Mondaufgang also von einer etwas anderen Position aus und damit unter einem anderen Betrachtungswinkel als 12 Stunden später, wenn der Mond untergeht. | ||
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== Berechnung == | == Berechnung == | ||
Die optische Libration lässt sich in guter Näherung aus den [[Himmelsmechanik|himmelsmechanischen]] Eigenschaften des Erde-Sonne-Mond-Systems berechnen. Vernachlässigt man in erster Näherung den Einfluss der Sonne, so erhält man aus der Lösung des [[Zweikörperproblem]]s Erde-Mond folgende Werte: | Die optische Libration lässt sich in guter Näherung aus den [[Himmelsmechanik|himmelsmechanischen]] Eigenschaften des Erde-Sonne-Mond-Systems berechnen. Vernachlässigt man in erster Näherung den Einfluss der Sonne, so erhält man aus der Lösung des [[Zweikörperproblem]]s Erde-Mond folgende Werte: | ||
* Für die ''Libration in Länge'' ist die „[[Mittelpunktsgleichung|Große Ungleichheit]]“ relevant. Dies ist die Differenz zwischen [[Wahre Anomalie|wahrer Anomalie]] <math>T</math>, d.h. dem Winkel zwischen Perigäum und Mond von der Erde gesehen, und [[Mittlere Anomalie|mittlerer Anomalie]] <math>M</math>, d.h. dem Winkel zwischen Perigäum und „mittlerem“ Mond. Der ''mittlere Mond'' bewegt sich dabei mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit <math>\omega_m=\frac{2 \pi}{P_a}</math>, wobei <math>P_a</math> für den ''anomalistischen Monat'' steht. Die ''Große Ungleichheit'' genügt dann näherungsweise für kleine Exzentrizitäten der Formel <math>G=T-M=2 \epsilon \sin (\omega_m t)</math> in [[Bogenmaß]], wobei <math>\epsilon</math> die numerische Exzentrizität der Mondbahn ist. In Grad ergibt sich numerisch | * Für die ''Libration in Länge'' ist die „[[Mittelpunktsgleichung|Große Ungleichheit]]“ relevant. Dies ist die Differenz zwischen [[Wahre Anomalie|wahrer Anomalie]] <math>T</math>, d. h. dem Winkel zwischen Perigäum und Mond von der Erde gesehen, und [[Mittlere Anomalie|mittlerer Anomalie]] <math>M</math>, d. h. dem Winkel zwischen Perigäum und „mittlerem“ Mond. Der ''mittlere Mond'' bewegt sich dabei mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit <math>\omega_m=\frac{2 \pi}{P_a}</math>, wobei <math>P_a</math> für den ''anomalistischen Monat'' steht. Die ''Große Ungleichheit'' genügt dann näherungsweise für kleine Exzentrizitäten der Formel <math>G=T-M=2 \epsilon \sin (\omega_m t)</math> in [[Bogenmaß]], wobei <math>\epsilon</math> die numerische Exzentrizität der Mondbahn ist. In Grad ergibt sich numerisch | ||
::<math>G=6{,}29^\circ \sin (\omega_m t)</math>. | ::<math>G=6{,}29^\circ \sin (\omega_m t)</math>. | ||
* Für die ''Libration in Breite'' ist die Achsneigung des Mondes gegenüber seiner Bahn verantwortlich und daher ist <math>B=-\eta \sin (\gamma)</math>, wobei <math>\eta</math> die Achsneigung ist und <math>\gamma</math> den Winkel zwischen Mond und dem aufsteigenden Knoten der Mondbahn bezeichnet. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Achsneigung des Mondes und die Bahnneigung die Knoten miteinander teilen, sodass immer <math>\eta =5{,}145^\circ +1{,}543^\circ =6{,}688^\circ </math>, d.h. Bahnneigung (5,145°) und Neigung der Mondachse gegen die Ekliptik (1,543°) addieren sich zur Achsneigung (siehe [[Mondbahn#Cassinische Gesetze|Cassinische Gesetze]]). Daher ist | * Für die ''Libration in Breite'' ist die Achsneigung des Mondes gegenüber seiner Bahn verantwortlich und daher ist <math>B=-\eta \sin (\gamma)</math>, wobei <math>\eta</math> die Achsneigung ist und <math>\gamma</math> den Winkel zwischen Mond und dem aufsteigenden Knoten der Mondbahn bezeichnet. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Achsneigung des Mondes und die Bahnneigung die Knoten miteinander teilen, sodass immer <math>\eta =5{,}145^\circ +1{,}543^\circ =6{,}688^\circ </math>, d. h. Bahnneigung (5,145°) und Neigung der Mondachse gegen die Ekliptik (1,543°) addieren sich zur Achsneigung (siehe [[Mondbahn#Cassinische Gesetze der Mondrotation|Cassinische Gesetze]]). Daher ist | ||
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:Die Periode dieser Libration ist der ''drakonitische Monat''. | :Die Periode dieser Libration ist der ''drakonitische Monat''. | ||
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:Maximale Libration in Länge von etwa 7,72° kann nur vorkommen, wenn die Apsidenlinie in einem bestimmten Winkel zur Achse Erde-Sonne steht. | :Maximale Libration in Länge von etwa 7,72° kann nur vorkommen, wenn die Apsidenlinie in einem bestimmten Winkel zur Achse Erde-Sonne steht. | ||
* Die ''Libration in Länge'' unterliegt Schwankungen, da sich die Bahnneigung des Mondes mit einer Periode von 173 Tagen zwischen 4,6° und 5,3° ändert. Die Periode von 173 Tagen ist dabei die Zeit, in der sich die Knotenlinie in Bezug auf die Sonne um 180° dreht (ein halbes ''[[Finsternisjahr]]''). | * Die ''Libration in Länge'' unterliegt Schwankungen, da sich die Bahnneigung des Mondes mit einer Periode von 173 Tagen zwischen 4,6° und 5,3° ändert. Die Periode von 173 Tagen ist dabei die Zeit, in der sich die Knotenlinie in Bezug auf die Sonne um 180° dreht (ein halbes ''[[Finsternisjahr]]''). | ||
== Entdeckungsgeschichte == | |||
Die Entdeckung der Libration des Mondes wird üblicherweise [[Galileo Galilei]] 1632 zugeschrieben. In seinem ''Dialog über die zwei Weltsysteme''<ref>Galileo, Dialogue concerning the two chief world systems (Hrsg. Stillman Drake), University of California Press 1967, S. 65f (erster Tag)</ref> erwähnt er die parallaktische Libration und weitere Librationsformen in einem Brief von 1638.<ref>Heilbron, Galileo, Oxford UP 2010, S. 349</ref> Möglicherweise war sie schon vorher von [[Thomas Harriot]] und davor von [[William Gilbert]] beobachtet worden, die beide Mondkarten erstellten (Gilbert noch ohne Teleskop).<ref>S. Pumfrey, Harriot's maps of the Moon: new interpretations, Notes Rec. R. Soc., Band 63, 2009, S. 163–168, [https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsnr.2008.0062 Online ]</ref> Harriot kannte die später verschollene Karte und Schrift von Gilbert. | |||
Die Entdeckung der Libration der Länge wird meist [[Johannes Hevelius]] zugeschrieben (Selenographia 1647). Genauere Untersuchungen erfolgten unter anderem von [[Tobias Mayer]] (Kosmographische Nachrichten 1750). | |||
== Literatur == | == Literatur == | ||
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* [https://www.youtube.com/watch?v=PKRtZ89AMts Video der Libration des Mondes für das komplette Jahr 2014] | * [https://www.youtube.com/watch?v=PKRtZ89AMts Video der Libration des Mondes für das komplette Jahr 2014] | ||
* [https://www.youtube.com/watch?v=Cm7FGBSo9UY Video der Libration des Mondes für das komplette Jahr 2016] | * [https://www.youtube.com/watch?v=Cm7FGBSo9UY Video der Libration des Mondes für das komplette Jahr 2016] | ||
* [[Spektrum.de]]: Amateuraufnahmen [https://www.spektrum.de/alias/wunder-des-weltalls/libration-des-mondes/1548983] | |||
== Einzelnachweise == | |||
<references /> | |||
[[Kategorie:Erdmond]] | [[Kategorie:Erdmond]] | ||
[[Kategorie:Himmelsmechanik]] | [[Kategorie:Himmelsmechanik]] |
In der Astronomie bezeichnet Libration eine echte oder scheinbare Taumelbewegung eines Mondes, gesehen von seinem Zentralkörper.
Fast alle größeren Monde des Sonnensystems befinden sich in einer gebundenen Rotation um ihren Zentralplaneten, das heißt, sie drehen sich während eines Umlaufs um den Planeten auch einmal um die eigene Achse. Deshalb wenden diese Monde ihrem Planeten im Prinzip immer dieselbe Seite zu. Da die Monde allerdings nicht auf exakten Kreisbahnen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ihre Planeten umkreisen, während die Eigenrotation eine konstante Winkelgeschwindigkeit aufweist, und da sich ein Beobachter auf dem Planeten nicht exakt auf der Verbindungslinie der Massenzentren befinden muss, sieht der Beobachter im Laufe eines „Monats“ nicht immer exakt dieselbe Seite des Mondes. Beim Erdmond sind durch die verschiedenen Effekte, die zu dieser Taumelbewegung führen, von der Erdoberfläche aus im Laufe der Zeit insgesamt 59 Prozent der Mondoberfläche zu sehen.
Man unterscheidet folgende Arten der Libration, hier am Beispiel des Erdmondes:
Die optische Libration lässt sich in guter Näherung aus den himmelsmechanischen Eigenschaften des Erde-Sonne-Mond-Systems berechnen. Vernachlässigt man in erster Näherung den Einfluss der Sonne, so erhält man aus der Lösung des Zweikörperproblems Erde-Mond folgende Werte:
Die großen Störungen des Erde-Mond-Systems vornehmlich durch die Sonne bewirken zusätzliche Abweichungen, deren wichtigste die folgenden sind:
Die Entdeckung der Libration des Mondes wird üblicherweise Galileo Galilei 1632 zugeschrieben. In seinem Dialog über die zwei Weltsysteme[1] erwähnt er die parallaktische Libration und weitere Librationsformen in einem Brief von 1638.[2] Möglicherweise war sie schon vorher von Thomas Harriot und davor von William Gilbert beobachtet worden, die beide Mondkarten erstellten (Gilbert noch ohne Teleskop).[3] Harriot kannte die später verschollene Karte und Schrift von Gilbert.
Die Entdeckung der Libration der Länge wird meist Johannes Hevelius zugeschrieben (Selenographia 1647). Genauere Untersuchungen erfolgten unter anderem von Tobias Mayer (Kosmographische Nachrichten 1750).