Molekulare Ratsche: Unterschied zwischen den Versionen

Molekulare Ratsche: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine '''molekulare Ratsche''' oder auch '''Brownsche Ratsche''' ist eine gedachte Nanomaschine, die aus [[Brownsche Molekularbewegung|brownscher Molekularbewegung]] (also aus [[Wärme]]) gerichtete Bewegung erzeugt. Dies kann nur funktionieren, wenn zusätzlich von außen Energie in das System gebracht wird. Solche Systeme werden in der Literatur meistens '''Brownsche Motoren'''  (siehe Literatur/Links) genannt.  
Eine '''molekulare Ratsche''' oder auch '''Brownsche Ratsche''' ist eine gedachte Nanomaschine, die aus [[Brownsche Molekularbewegung|brownscher Molekularbewegung]] (also aus [[Wärme]]) gerichtete Bewegung erzeugt. Dies kann nur funktionieren, wenn zusätzlich von außen Energie in das System gebracht wird. Solche Systeme werden in der Literatur meistens '''Brownsche Motoren'''  (siehe Literatur/Links) genannt.


Eine molekulare Ratsche ohne von außen zugeführte Energie wäre ein [[Perpetuum Mobile]] zweiter Art und funktioniert somit nicht. Der Physiker [[Richard Feynman]] zeigte in einem [[Gedankenexperiment]] 1962 als erster, wie eine molekulare Ratsche prinzipiell aussehen könnte, und erklärte, warum sie nicht funktioniert.
Eine molekulare Ratsche ohne von außen zugeführte Energie wäre ein [[Perpetuum Mobile]] zweiter Art und funktioniert somit nicht. Der Physiker [[Richard Feynman]] zeigte in einem [[Gedankenexperiment]] 1962 in seinen Vorlesungen, wie eine molekulare Ratsche prinzipiell aussehen könnte, und erklärte mit Hilfe der [[Maxwell-Boltzmann-Verteilung]], warum sie nicht funktioniert. Das Gedankenexperiment ist mit dem von [[Maxwells Dämon]] verwandt.
 
Das Modell wurde schon vor Feynman um 1900 von [[Gabriel Lippmann]] diskutiert und von [[Marian Smoluchowski]] 1912 erklärt.<ref>[https://web.archive.org/web/20180621224639/http://www.eleceng.adelaide.edu.au/Groups/parrondo/faq.htmll Webseite von Parrondos Paradoxon von Derek Abbott], webarchive</ref><ref>Smoluchowski, Experimentell nachweisbare, der üblichen Thermodynamik widersprechende Molekularphänomene, Physikalische Zeitschrift, Band 13, 1912, S. 1068–1080</ref> Feynmans Lösung wurde von Juan Manuel Rodriguez Parrondo und Pep Español kritisiert.<ref>Parrondo, Espanol, Critique of Feynman's analysis of the ratchet as an engine, American Journal of Physics, Band 64, 1996, S. 1125–1130</ref> Nach den Autoren nahm Feynman inkorrekterweise quasistatische Bedingungen beim Fall mit unterschiedlichen Temperaturen an. Ihre eigene Analyse veröffentlichten Parrondo, Davis und Derek Abbott 2000.<ref>Abbott, Davis, Parrondo: The problem of detailed balance for the Feynman-Smoluchowski Engine and the multiple pawl paradox, in: Unsolved Problems of Noise and Fluctuations. American Institute of Physics, 2000, S. 213–218</ref> Eine weitere neuere und einflussreiche Analyse stammt von Marcelo Magnasco (1993)<ref>Magnasco, Forced Thermal Ratchets, Physical Review Letters, Band 71, 1993, S. 1477–1481.</ref> und Magnasco und Stolovitzky zeigten 1998, dass der Wirkungsgrad kleiner als der ideale Wirkungsgrad nach Carnot ist, im Gegensatz zur Analyse von Feynman.<ref>Marcelo Magnasco, Gustavo Stolovitzky: Feynman's Ratchet and Pawl, Journal of Statistical Physics, Band 93, 1998, S. 615.</ref> Aus seinen Arbeiten zu diesem Themenkreis entwickelte Parrondo das nach ihm benannte [[Parrondo-Paradoxon]] als eine Art diskrete Version.
 
Eine Variante wurde von [[Léon Brillouin]] 1950<ref>Brillouin, Can the Rectifier Become a Thermodynamical Demon?, Physical Review, Band 78, 1950, S. 627–628.</ref>  vorgeschlagen: der durch Wärmerauschen in einem Widerstand erzeugte Strom wird in einer [[Diode]] gleichgerichtet und könnte prinzipiell Arbeit verrichten. Auch hier zeigt eine genaue Analyse, dass durch Wärmebewegung in der Diode eine elektromotorische Kraft erzeugt wird, die dem entgegenwirkt.
 
Eine experimentelle Überprüfung in einem granularen Gas (mit eingeschränkter Übertragbarkeit auf die molekulare Situation) wurde 2010 durch [[Detlef Lohse]] und Kollegen unternommen.<ref>Eshuis, van der Weele, Lohse, van der Meer: Experimental realization of a rotational ratchet in a granular gas, Phys. Rev. Lett., Band 104, 2010, S. 248001, PMID 20867337</ref>


== Molekulare Ratsche nach Feynman ==
== Molekulare Ratsche nach Feynman ==
[[Datei:Molekulare-ratsche.png|mini|Aufbau der molekularen Ratsche nach Feynman]]
[[Datei:Molekulare-ratsche.png|mini|Aufbau der molekularen Ratsche nach Feynman]]


Die Abbildung rechts zeigt den prinzipiellen Aufbau. Die Anordnung besteht aus einem Flügelrad (rechts) und einer Ratsche (links) mit Sperrzahn (grau). Die gesamte Maschine muss sehr klein sein (wenige [[Meter#Mikrometer|Mikrometer]]), damit die Stöße des umgebenden Gases einen nennenswerten Einfluss auf sie haben. Die Funktionsweise ist denkbar einfach: Ein Gasteilchen, das das Flügelrad beispielsweise so trifft, wie durch den grünen Pfeil markiert, bewirkt ein [[Drehmoment]], das sich über die Achse auf die Ratsche überträgt und diese eine Stellung weiterdrehen kann. Ein Teilchen, das wie durch den roten Pfeil markiert auftrifft, bewirkt keine Drehung, da der Sperrzahn die Ratsche blockiert. Die molekulare Ratsche sollte also aus [[Wärmeenergie]] eine gerichtete Bewegung erzeugen, was aber nach dem [[Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik|zweiten Hauptsatz der Thermodynamik]] nicht möglich ist.
Die Abbildung rechts zeigt den prinzipiellen Aufbau. Die Anordnung besteht aus einem Flügelrad (rechts) und einer [[Sperrklinke|Ratsche]] (links) mit Sperrzahn (grau). Die gesamte Maschine muss sehr klein sein (wenige [[Meter#Mikrometer|Mikrometer]]), damit die Stöße des umgebenden Gases einen nennenswerten Einfluss auf sie haben. Die Funktionsweise ist denkbar einfach: Ein Gasteilchen, das das Flügelrad beispielsweise so trifft, wie durch den grünen Pfeil markiert, bewirkt ein [[Drehmoment]], das sich über die Achse auf die Ratsche überträgt und diese eine Stellung weiterdrehen kann. Ein Teilchen, das wie durch den roten Pfeil markiert auftrifft, bewirkt keine Drehung, da der Sperrzahn die Ratsche blockiert. Die molekulare Ratsche sollte also aus [[Wärmeenergie]] eine gerichtete Bewegung erzeugen, was aber nach dem [[Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik|zweiten Hauptsatz der Thermodynamik]] nicht möglich ist.


== Auflösung des Paradoxons ==
== Auflösung des Paradoxons ==
Der Sperrzahn funktioniert nur, wenn er mit einer Feder gegen die Ratsche gedrückt wird. Auch er unterliegt dem Bombardement der Brownschen Molekularbewegung. Wird er durch diese ausgelenkt, schlägt er auf die Ratsche, was zu einem Nettodrehmoment entgegen der zuvor angenommen Drehrichtung führt. Die Wahrscheinlichkeit für die Auslenkung des Sperrzahns, die groß genug ist, um eine Ratschenposition zu überspringen, ist <math>\exp(-\Delta E/k_\mathrm{B}T)</math>, wobei <math>\Delta E</math> die Energie ist, die benötigt wird, um die Feder des Sperrzahns auszulenken, <math>T</math> ist die Temperatur und <math>k_\mathrm{B}</math> die [[Boltzmann-Konstante]]. Die Drehung über das Flügelrad muss aber auch die Feder spannen, um in die nächste Position der Ratsche zu gelangen; das heißt, die Wahrscheinlichkeit ist ebenfalls <math>\exp(-\Delta E/k_\mathrm{B}T)</math>. Folglich dreht sich die Ratsche im Mittel nicht.
Der Sperrzahn funktioniert nur, wenn er mit einer Feder gegen die Ratsche gedrückt wird. Auch er unterliegt dem Bombardement der Brownschen Molekularbewegung. Wird er durch diese ausgelenkt, schlägt er auf die Ratsche, was zu einem Nettodrehmoment entgegen der zuvor angenommenen Drehrichtung führt. Die Wahrscheinlichkeit für die Auslenkung des Sperrzahns, die groß genug ist, um eine Ratschenposition zu überspringen, ist <math>\exp(-\Delta E/k_\mathrm{B}T)</math>, wobei <math>\Delta E</math> die Energie ist, die benötigt wird, um die Feder des Sperrzahns auszulenken, <math>T</math> ist die Temperatur und <math>k_\mathrm{B}</math> die [[Boltzmann-Konstante]]. Die Drehung über das Flügelrad muss aber auch die Feder spannen, um in die nächste Position der Ratsche zu gelangen; das heißt, die Wahrscheinlichkeit ist ebenfalls <math>\exp(-\Delta E/k_\mathrm{B}T)</math>. Folglich dreht sich die Ratsche im Mittel nicht.


Anders sieht es aus, wenn ein Temperaturunterschied zwischen Flügelscheibe und Ratsche vorliegt. Ist die Umgebung des Flügelrades wärmer als die der Ratsche, dreht sich die molekulare Ratsche wie zuvor angenommen. Ist die Umgebung der Ratsche wärmer, dreht sich die Maschine in die entgegengesetzte Richtung. Die Vorrichtung wäre dann eine [[Wärmekraftmaschine]].
Anders sieht es aus, wenn ein Temperaturunterschied zwischen Flügelscheibe und Ratsche vorliegt. Ist die Umgebung des Flügelrades wärmer als die der Ratsche, dreht sich die molekulare Ratsche wie zuvor angenommen. Ist die Umgebung der Ratsche wärmer, dreht sich die Maschine in die entgegengesetzte Richtung. Die Vorrichtung wäre dann eine [[Wärmekraftmaschine]].


== Brownsche Motoren ==
== Brownsche Motoren ==
Der Begriff ''Brownsche Motoren'' wurde 1995 vom Physiker [[Peter Hänggi (Physiker)|Peter Hänggi]] ([[Universität Augsburg]]) geprägt, um damit die gerichtete Bewegung in periodischen Systemen mit räumlicher und/oder zeitlicher [[Symmetriebrechung]] unter Ausnützung der Quelle der thermischen Brownschen Bewegung zu charakterisieren. Dabei ist wichtig, dass diese Systeme fernab vom thermischen Gleichgewicht operieren. Damit ergibt sich kein Widerspruch zum [[2. Hauptsatz der Thermodynamik]].
Der Begriff ''Brownsche Motoren'' wurde 1995 vom Physiker [[Peter Hänggi (Physiker)|Peter Hänggi]] ([[Universität Augsburg]]) geprägt, um damit die gerichtete Bewegung in periodischen Systemen mit räumlicher und/oder zeitlicher [[Symmetriebrechung]] unter Ausnützung der Quelle der thermischen Brownschen Bewegung zu charakterisieren. Dabei ist wichtig, dass diese Systeme fernab vom thermischen Gleichgewicht operieren. Damit ergibt sich kein Widerspruch zum [[2. Hauptsatz der Thermodynamik]].


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Richard P. Feynman: ''[[Feynman-Vorlesungen über Physik|The Feynman Lectures on Physics]].'' Band 1, Kapitel 46, Addison-Wesley, 1963, ISBN 0-201-02116-1
* Richard P. Feynman: ''[[Feynman-Vorlesungen über Physik|The Feynman Lectures on Physics]].'' Band 1, Kapitel 46, Addison-Wesley, 1963, ISBN 0-201-02116-1
* R. Dean Astumian und Peter Hänggi: [http://www.physik.uni-augsburg.de/theo1/hanggi/Papers/309.pdf ''Brownian Motors''] (PDF, 473&nbsp;kB). In: ''[[Physics Today]].'' Band 55, 2002, S. 33–39, [[doi:10.1063/1.1535005]].
* R. Dean Astumian und Peter Hänggi: [http://www.physik.uni-augsburg.de/theo1/hanggi/Papers/309.pdf ''Brownian Motors''] (PDF; 1,9&nbsp;MB). In: ''[[Physics Today]].'' Band 55, 2002, S. 33–39, [[doi:10.1063/1.1535005]].
* Peter Hänggi, Fabio Marchesoni und Franco Nori: [http://www.physik.uni-augsburg.de/theo1/hanggi/History/BrownianmotorsAnnPhys.pdf ''Brownian Motors''] (PDF, 416&nbsp;kB). In: ''[[Annalen der Physik]] (Leipzig)'' Band 14, 2005, S. 51–70, [[doi:10.1002/andp.200410121]].
* Peter Hänggi, Fabio Marchesoni und Franco Nori: [http://www.physik.uni-augsburg.de/theo1/hanggi/History/BrownianmotorsAnnPhys.pdf ''Brownian Motors''] (PDF, 416&nbsp;kB). In: ''[[Annalen der Physik]] (Leipzig)'' Band 14, 2005, S. 51–70, [[doi:10.1002/andp.200410121]].
* Peter Hänggi und Fabio Marchesoni: [http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/0807/0807.1283v2.pdf ''Artificial Brownian motors: Controlling transport on the nanoscale''] (PDF, 4,0&nbsp;MB). In: ''[[Reviews of Modern Physics]].'' Band 81, 2009, S. 387–442, [[doi:10.1103/RevModPhys.81.387]].
* Peter Hänggi und Fabio Marchesoni: [http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/0807/0807.1283v2.pdf ''Artificial Brownian motors: Controlling transport on the nanoscale''] (PDF; 3,8&nbsp;MB). In: ''[[Reviews of Modern Physics]].'' Band 81, 2009, S. 387–442, [[doi:10.1103/RevModPhys.81.387]].


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Brownian ratchets|Molekulare Ratschen}}
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== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Statistische Physik]]
[[Kategorie:Statistische Physik]]
[[Kategorie:Gedankenexperiment]]
[[Kategorie:Gedankenexperiment]]

Aktuelle Version vom 6. November 2021, 15:51 Uhr

Eine molekulare Ratsche oder auch Brownsche Ratsche ist eine gedachte Nanomaschine, die aus brownscher Molekularbewegung (also aus Wärme) gerichtete Bewegung erzeugt. Dies kann nur funktionieren, wenn zusätzlich von außen Energie in das System gebracht wird. Solche Systeme werden in der Literatur meistens Brownsche Motoren (siehe Literatur/Links) genannt.

Eine molekulare Ratsche ohne von außen zugeführte Energie wäre ein Perpetuum Mobile zweiter Art und funktioniert somit nicht. Der Physiker Richard Feynman zeigte in einem Gedankenexperiment 1962 in seinen Vorlesungen, wie eine molekulare Ratsche prinzipiell aussehen könnte, und erklärte mit Hilfe der Maxwell-Boltzmann-Verteilung, warum sie nicht funktioniert. Das Gedankenexperiment ist mit dem von Maxwells Dämon verwandt.

Das Modell wurde schon vor Feynman um 1900 von Gabriel Lippmann diskutiert und von Marian Smoluchowski 1912 erklärt.[1][2] Feynmans Lösung wurde von Juan Manuel Rodriguez Parrondo und Pep Español kritisiert.[3] Nach den Autoren nahm Feynman inkorrekterweise quasistatische Bedingungen beim Fall mit unterschiedlichen Temperaturen an. Ihre eigene Analyse veröffentlichten Parrondo, Davis und Derek Abbott 2000.[4] Eine weitere neuere und einflussreiche Analyse stammt von Marcelo Magnasco (1993)[5] und Magnasco und Stolovitzky zeigten 1998, dass der Wirkungsgrad kleiner als der ideale Wirkungsgrad nach Carnot ist, im Gegensatz zur Analyse von Feynman.[6] Aus seinen Arbeiten zu diesem Themenkreis entwickelte Parrondo das nach ihm benannte Parrondo-Paradoxon als eine Art diskrete Version.

Eine Variante wurde von Léon Brillouin 1950[7] vorgeschlagen: der durch Wärmerauschen in einem Widerstand erzeugte Strom wird in einer Diode gleichgerichtet und könnte prinzipiell Arbeit verrichten. Auch hier zeigt eine genaue Analyse, dass durch Wärmebewegung in der Diode eine elektromotorische Kraft erzeugt wird, die dem entgegenwirkt.

Eine experimentelle Überprüfung in einem granularen Gas (mit eingeschränkter Übertragbarkeit auf die molekulare Situation) wurde 2010 durch Detlef Lohse und Kollegen unternommen.[8]

Molekulare Ratsche nach Feynman

Aufbau der molekularen Ratsche nach Feynman

Die Abbildung rechts zeigt den prinzipiellen Aufbau. Die Anordnung besteht aus einem Flügelrad (rechts) und einer Ratsche (links) mit Sperrzahn (grau). Die gesamte Maschine muss sehr klein sein (wenige Mikrometer), damit die Stöße des umgebenden Gases einen nennenswerten Einfluss auf sie haben. Die Funktionsweise ist denkbar einfach: Ein Gasteilchen, das das Flügelrad beispielsweise so trifft, wie durch den grünen Pfeil markiert, bewirkt ein Drehmoment, das sich über die Achse auf die Ratsche überträgt und diese eine Stellung weiterdrehen kann. Ein Teilchen, das wie durch den roten Pfeil markiert auftrifft, bewirkt keine Drehung, da der Sperrzahn die Ratsche blockiert. Die molekulare Ratsche sollte also aus Wärmeenergie eine gerichtete Bewegung erzeugen, was aber nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nicht möglich ist.

Auflösung des Paradoxons

Der Sperrzahn funktioniert nur, wenn er mit einer Feder gegen die Ratsche gedrückt wird. Auch er unterliegt dem Bombardement der Brownschen Molekularbewegung. Wird er durch diese ausgelenkt, schlägt er auf die Ratsche, was zu einem Nettodrehmoment entgegen der zuvor angenommenen Drehrichtung führt. Die Wahrscheinlichkeit für die Auslenkung des Sperrzahns, die groß genug ist, um eine Ratschenposition zu überspringen, ist $ \exp(-\Delta E/k_{\mathrm {B} }T) $, wobei $ \Delta E $ die Energie ist, die benötigt wird, um die Feder des Sperrzahns auszulenken, $ T $ ist die Temperatur und $ k_{\mathrm {B} } $ die Boltzmann-Konstante. Die Drehung über das Flügelrad muss aber auch die Feder spannen, um in die nächste Position der Ratsche zu gelangen; das heißt, die Wahrscheinlichkeit ist ebenfalls $ \exp(-\Delta E/k_{\mathrm {B} }T) $. Folglich dreht sich die Ratsche im Mittel nicht.

Anders sieht es aus, wenn ein Temperaturunterschied zwischen Flügelscheibe und Ratsche vorliegt. Ist die Umgebung des Flügelrades wärmer als die der Ratsche, dreht sich die molekulare Ratsche wie zuvor angenommen. Ist die Umgebung der Ratsche wärmer, dreht sich die Maschine in die entgegengesetzte Richtung. Die Vorrichtung wäre dann eine Wärmekraftmaschine.

Brownsche Motoren

Der Begriff Brownsche Motoren wurde 1995 vom Physiker Peter Hänggi (Universität Augsburg) geprägt, um damit die gerichtete Bewegung in periodischen Systemen mit räumlicher und/oder zeitlicher Symmetriebrechung unter Ausnützung der Quelle der thermischen Brownschen Bewegung zu charakterisieren. Dabei ist wichtig, dass diese Systeme fernab vom thermischen Gleichgewicht operieren. Damit ergibt sich kein Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Molekulare Ratschen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Webseite von Parrondos Paradoxon von Derek Abbott, webarchive
  2. Smoluchowski, Experimentell nachweisbare, der üblichen Thermodynamik widersprechende Molekularphänomene, Physikalische Zeitschrift, Band 13, 1912, S. 1068–1080
  3. Parrondo, Espanol, Critique of Feynman's analysis of the ratchet as an engine, American Journal of Physics, Band 64, 1996, S. 1125–1130
  4. Abbott, Davis, Parrondo: The problem of detailed balance for the Feynman-Smoluchowski Engine and the multiple pawl paradox, in: Unsolved Problems of Noise and Fluctuations. American Institute of Physics, 2000, S. 213–218
  5. Magnasco, Forced Thermal Ratchets, Physical Review Letters, Band 71, 1993, S. 1477–1481.
  6. Marcelo Magnasco, Gustavo Stolovitzky: Feynman's Ratchet and Pawl, Journal of Statistical Physics, Band 93, 1998, S. 615.
  7. Brillouin, Can the Rectifier Become a Thermodynamical Demon?, Physical Review, Band 78, 1950, S. 627–628.
  8. Eshuis, van der Weele, Lohse, van der Meer: Experimental realization of a rotational ratchet in a granular gas, Phys. Rev. Lett., Band 104, 2010, S. 248001, PMID 20867337