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[[Datei:Penguin diagram.JPG|mini|Beispiel eines Pinguin-Diagramms. Eingezeichnet ist ein einlaufendes Bottom-Quark (b) und auslaufendes Strange-Quark (s), in der Schleife ein Top-Quark (t) sowie ein W-Boson. Die Wechsel­wirkung unten ist ein Photonen­austausch mit einem weiteren Quark bzw. [[Paarerzeugung|Paar­erzeugung]] über ein virtuelles Photon. Es gibt auch Pinguin-Diagramme mit einem [[Z-Boson|Z<sup>0</sup>]] oder einem Gluon anstelle eines Photons.]] | |||
Als '''Pinguin-Diagramm''' wird eine spezielle Klasse von [[Feynman-Diagramm]]en bezeichnet, die mit etwas gutem Willen die Form eines Pinguins haben (siehe | Als '''Pinguin-Diagramm''' wird eine spezielle Klasse von [[Feynman-Diagramm]]en bezeichnet, die mit etwas gutem Willen die Form eines Pinguins haben (siehe Grafik). Solche Diagramme werden in der [[Teilchenphysik]] benutzt, um die verschiedensten Umwandlungsprozesse von [[Elementarteilchen]] zu beschreiben. Mit Pinguin-Diagrammen wird speziell der [[B-Meson]]en-Zerfall beschrieben, der dementsprechend auch ''Pinguin-Zerfall'' genannt wird. | ||
== Beschreibung == | == Beschreibung == | ||
[[Quark (Physik)|Quarks]] können sich nur über die Kopplung an ein [[W-Boson]] in Quarks mit anderem Flavor umwandeln. Da W-Bosonen elektrisch geladen sind, muss sich dabei die elektrische Ladung des Quarks um ±1 ändern. Wenn sich ein b-Quark durch Emission eines [[Virtuelles Teilchen|virtuellen]] W<sup>−</sup>-Bosons in ein leichteres Quark umwandelt, entsteht ein c-Quark oder (weitaus seltener) ein u-Quark. Beim Zerfall eines B-Mesons, das aus einem b-(Anti-)Quark und einem leichten (Anti-)quark (u oder d) besteht, entsteht daher in den meisten Fällen ein [[D-Meson]], das ein c-(Anti-)Quark und ein leichtes (Anti-)Quark enthält. | |||
In sehr seltenen Fällen tritt beim Zerfall eines B-Mesons ein [[Kaon|K-Meson]] auf, das aus einem s-(Anti-)Quark und einem leichten (Anti-)Quark besteht. Dies lässt sich nicht durch den einfachen Zerfall eines b-Quarks erklären,<ref name="rare-b">{{Literatur |Autor=Stephen Playfer, Sheldon Stone |Titel=Rare b Decays |Sammelwerk=International Journal of Modern Physics A |Band=10 |Nummer=29 |Verlag= |Datum=1995-05-29 |ISSN=0217-751X |Seiten=4107–4137 |Kommentar=High Energy Physics – Phenomenology, HEPSY 95-01 Mai 1995 |Online=[https://arxiv.org/pdf/hep-ph/9505392.pdf arxiv.org] |Format=PDF |KBytes=395 |arXiv=hep-ph/9505392 |DOI=10.1142/S0217751X9500190X}}</ref> wohl aber durch einen Prozess höherer Ordnung, der durch ein Pinguin-Diagramm beschrieben wird. Hierbei wird ein virtuelles W-Boson emittiert und wieder absorbiert, ferner ist ein virtuelles „up-artiges“ Quark (Quark mit elektrischer Ladung +{{Bruch|2|3}}) involviert. Auf diese Weise kann sich das b-Quark in ein s-Quark umwandeln. | |||
Das virtuelle „up-artige“ Quark kann auch ein [[Top-Quark]] sein und ist es aus kinematischen Gründen<ref name="rare-b" /> auch zum überwiegenden Teil.<ref group="Anm">Der Zerfall ist eine quantenmechanische Überlagerung aller möglichen Prozesse, die zum gleichen Endzustand führen. Daher kann man für ein spezifisches „Pinguin“-Ereignis nicht sagen, hier sei speziell ein virtuelles Top-Quark involviert gewesen. Virtuelle Top-Quarks liefern aber den größten Beitrag.</ref> Dies ist wichtig beispielsweise für Untersuchung der [[CP-Verletzung]], da sie im [[Standardmodell der Teilchenphysik]] durch das Vorkommen einer imaginären Phase im [[CKM-Matrix]]element des Top-Quarks erklärt werden kann. | |||
Der Name des Diagramms geht auf den britischen theoretischen Physiker [[John Ellis (Physiker)|John Ellis]] zurück. Nach seiner eigenen Schilderung vereinbarte er eine Wette, dass er, wenn er beim [[Dartspiel]] verlieren würde, in seiner nächsten Fachveröffentlichung das Wort „Pinguin“ verwenden müsste. Ellis verlor die Wette und nannte in der Veröffentlichung, an der er gerade arbeitete<ref>{{Literatur|Autor=J. Ellis, M. K. Gaillard, D. V. Nanopoulos, S. Rudaz|Titel=The phenomenology of the next left-handed quarks|Sammelwerk=Nuclear Physics B|Band=131| | Es gibt verschiedene „Pinguin“-Arten. Wird beim Zerfall eines B-Mesons ein virtuelles [[Gluon]] abgestrahlt, spricht man von einem [[Quantenchromodynamik|QCD]]-Pinguin. Wird stattdessen ein [[Photon]] oder [[Z-Boson|Z<sup>0</sup>]] abgestrahlt, handelt es sich um einen [[Elektroschwache Wechselwirkung|elektroschwachen]] Pinguin. Das abgestrahlte Photon kann auch reell sein: So wurde der Zerfall B → K*γ beobachtet (K* steht hier für verschiedene angeregte K-Meson-Zustände).<ref name="PDG-b" /> | ||
== Experimentelle Beobachtung == | |||
Im Jahr 1993 wurde am [[Teilchendetektor]] CLEO-II des ''Cornell Electron [[Speicherring|Storage Ring]]'' der [[Cornell-Universität]] in Ithaca zum ersten Mal ein B-Mesonen-Zerfall, der einen „Pinguin“ beinhaltet, in einem [[Teilchenbeschleuniger]] beobachtet. | |||
== Namensgebung == | |||
Der Name des Diagramms geht auf den britischen theoretischen Physiker [[John Ellis (Physiker)|John Ellis]] zurück. Nach seiner eigenen Schilderung vereinbarte er eine Wette, dass er, wenn er beim [[Dartspiel]] verlieren würde, in seiner nächsten Fachveröffentlichung das Wort „Pinguin“ verwenden müsste. Ellis verlor die Wette und nannte in der Veröffentlichung, an der er gerade arbeitete,<ref>{{Literatur |Autor=J. Ellis, M. K. Gaillard, D. V. Nanopoulos, S. Rudaz |Titel=The phenomenology of the next left-handed quarks |Sammelwerk=Nuclear Physics B |Band=131 |Datum=1977 |Seiten=285–307 |DOI=10.1016/0550-3213(77)90374-1}}</ref> das Diagramm „Pinguin-Diagramm“<ref>{{Literatur |Autor=Nico Serra, Tom Blake |Titel=Chasing new physics with electroweak penguins |Sammelwerk=CERN Courier |Datum=2013-05-22 |Online=[http://cerncourier.com/cws/article/cern/53421 cerncourier.com]}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Mikhail A. Shifman |Hrsg=Mikhail A. Shifman |Titel=Foreword to ITEP lectures in particle physics |Sammelwerk=ITEP Lectures in Particle Physics and Field Theory |Band=1 |Verlag=World Scientific |Ort=Singapore |Datum=1999 |Seiten=v-xi |arXiv=hep-ph/9510397}}</ref>. Das erste solche Diagramm stammte von [[Arkady Vainshtein]], [[Walentin Iwanowitsch Sacharow]] und [[Michail Schifman]]. | |||
== Literatur == | == Literatur == | ||
* {{Literatur | |||
|Autor=Hartmut Machner | |||
|Titel=Einführung in die Kern- und Elementarteilchenphysik | |||
|Verlag=Wiley-VCH | |||
|Ort=Weinheim | |||
|Datum=2005 | |||
|ISBN=3-527-40528-3 | |||
|Seiten=384}} | |||
* {{Literatur | |||
|Autor=Uwe Reichert | |||
|Titel=Pinguine im Teilchenzoo | |||
|Sammelwerk=[[Spektrum der Wissenschaft]] | |||
|Nummer=4 | |||
|Datum=1994-04 | |||
|Seiten=24 | |||
|Online=[https://www.spektrum.de/magazin/pinguine-im-teilchenzoo/821507 spektrum.de]}} | |||
* {{Literatur | |||
|Autor=P. Koppenburg, Z. Dolezal, M. Smizanska | |||
|Titel=Rare decays of b hadrons | |||
|Sammelwerk=Scholarpedia | |||
|Band=11 | |||
|Nummer=6 | |||
|Datum=2016 | |||
|Seiten=32643 | |||
|DOI=10.4249/scholarpedia.32643}} | |||
== Weblinks == | |||
* Kelly Izlar: [https://www.symmetrymagazine.org/article/june-2013/the-march-of-the-penguin-diagrams ''The march of the penguin diagrams''], Symmetry 2013 | |||
== Anmerkungen == | |||
<references group="Anm" /> | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references> | ||
<ref name="PDG-b"> | |||
{{Internetquelle |autor=P. A. Zyla et al. ([[Particle Data Group]]) |url= https://pdg.lbl.gov/2021/listings/rpp2021-list-B-plus-minus.pdf |titel=2020 Review of Particle Physics, Particle listing B<sup>−</sup>-Meson |werk=Prog. Theor. Exp. Phys. 2020, 083C01 (2020) |hrsg=Particle Data Group |sprache=en |abruf=2021-08-29}} sowie analog für das [https://pdg.lbl.gov/2021/listings/rpp2021-list-B-zero.pdf B<sup>0</sup>-Meson] | |||
</ref> | |||
</references> | |||
[[Kategorie:Quantenfeldtheorie]] | [[Kategorie:Quantenfeldtheorie]] | ||
[[Kategorie:Diagramm]] | [[Kategorie:Diagramm]] |
Als Pinguin-Diagramm wird eine spezielle Klasse von Feynman-Diagrammen bezeichnet, die mit etwas gutem Willen die Form eines Pinguins haben (siehe Grafik). Solche Diagramme werden in der Teilchenphysik benutzt, um die verschiedensten Umwandlungsprozesse von Elementarteilchen zu beschreiben. Mit Pinguin-Diagrammen wird speziell der B-Mesonen-Zerfall beschrieben, der dementsprechend auch Pinguin-Zerfall genannt wird.
Quarks können sich nur über die Kopplung an ein W-Boson in Quarks mit anderem Flavor umwandeln. Da W-Bosonen elektrisch geladen sind, muss sich dabei die elektrische Ladung des Quarks um ±1 ändern. Wenn sich ein b-Quark durch Emission eines virtuellen W−-Bosons in ein leichteres Quark umwandelt, entsteht ein c-Quark oder (weitaus seltener) ein u-Quark. Beim Zerfall eines B-Mesons, das aus einem b-(Anti-)Quark und einem leichten (Anti-)quark (u oder d) besteht, entsteht daher in den meisten Fällen ein D-Meson, das ein c-(Anti-)Quark und ein leichtes (Anti-)Quark enthält.
In sehr seltenen Fällen tritt beim Zerfall eines B-Mesons ein K-Meson auf, das aus einem s-(Anti-)Quark und einem leichten (Anti-)Quark besteht. Dies lässt sich nicht durch den einfachen Zerfall eines b-Quarks erklären,[1] wohl aber durch einen Prozess höherer Ordnung, der durch ein Pinguin-Diagramm beschrieben wird. Hierbei wird ein virtuelles W-Boson emittiert und wieder absorbiert, ferner ist ein virtuelles „up-artiges“ Quark (Quark mit elektrischer Ladung +2⁄3) involviert. Auf diese Weise kann sich das b-Quark in ein s-Quark umwandeln.
Das virtuelle „up-artige“ Quark kann auch ein Top-Quark sein und ist es aus kinematischen Gründen[1] auch zum überwiegenden Teil.[Anm 1] Dies ist wichtig beispielsweise für Untersuchung der CP-Verletzung, da sie im Standardmodell der Teilchenphysik durch das Vorkommen einer imaginären Phase im CKM-Matrixelement des Top-Quarks erklärt werden kann.
Es gibt verschiedene „Pinguin“-Arten. Wird beim Zerfall eines B-Mesons ein virtuelles Gluon abgestrahlt, spricht man von einem QCD-Pinguin. Wird stattdessen ein Photon oder Z0 abgestrahlt, handelt es sich um einen elektroschwachen Pinguin. Das abgestrahlte Photon kann auch reell sein: So wurde der Zerfall B → K*γ beobachtet (K* steht hier für verschiedene angeregte K-Meson-Zustände).[2]
Im Jahr 1993 wurde am Teilchendetektor CLEO-II des Cornell Electron Storage Ring der Cornell-Universität in Ithaca zum ersten Mal ein B-Mesonen-Zerfall, der einen „Pinguin“ beinhaltet, in einem Teilchenbeschleuniger beobachtet.
Der Name des Diagramms geht auf den britischen theoretischen Physiker John Ellis zurück. Nach seiner eigenen Schilderung vereinbarte er eine Wette, dass er, wenn er beim Dartspiel verlieren würde, in seiner nächsten Fachveröffentlichung das Wort „Pinguin“ verwenden müsste. Ellis verlor die Wette und nannte in der Veröffentlichung, an der er gerade arbeitete,[3] das Diagramm „Pinguin-Diagramm“[4][5]. Das erste solche Diagramm stammte von Arkady Vainshtein, Walentin Iwanowitsch Sacharow und Michail Schifman.