Sprungtemperatur: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''Sprungtemperatur''' oder '''kritische Temperatur''' (<math>T_\mathrm{C}</math>) bezeichnet man die [[Temperatur]], unterhalb der ein System von [[Quantenmechanik|quantenmechanischen]] Effekten dominiert wird. Insbesondere gelten in diesen Bereichen die bekannten quantenmechanischen Statistiken, die [[Bose-Einstein-Statistik]] und die [[Fermi-Dirac-Statistik]].
Als '''Sprungtemperatur''' oder '''kritische Temperatur''' (<math>T_\mathrm{c}</math>) bezeichnet man die [[Temperatur]], unterhalb der ein System von [[Quantenmechanik|quantenmechanischen]] Effekten dominiert wird.<ref>{{Literatur
|Autor = Wolfgang Finkelnburg
|Titel = Einführung in die Atomphysik
|Auflage = 4.
|Verlag = Springer-Verlag
|Ort = Berlin / Göttingen / Heidelberg
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Unterhalb dieser kritischen Temperatur sind die das System formenden Konstituenten delokalisiert, das heißt, es liegt ein [[makroskopischer Quantenzustand]] vor. Anschaulich kann man sich das so vorstellen, dass die Ausdehnung der einzelnen [[Wellenpaket]]e mit abnehmender Temperatur so groß wird, dass sie sich gegenseitig „überlappen“ und somit nicht mehr unterscheidbar sind.
Unterhalb dieser kritischen Temperatur sind die das System formenden Konstituenten delokalisiert, das heißt, es liegt ein [[makroskopischer Quantenzustand]] vor. Anschaulich kann man sich das so vorstellen, dass die Ausdehnung der einzelnen [[Wellenpaket]]e mit abnehmender Temperatur so groß wird, dass sie sich gegenseitig „überlappen“ und somit nicht mehr unterscheidbar sind.


Derartige makroskopische Quantenzustände sind [[Supraleiter|Supraleitung]] und [[Suprafluidität|Supraflüssigkeit]] sowie der allgemeinere Fall eines [[Bose-Einstein-Kondensat]]s.
Derartige makroskopische Quantenzustände sind [[Supraleiter|Supraleitung]] und [[Suprafluidität|Supraflüssigkeit]] sowie der allgemeinere Fall eines [[Bose-Einstein-Kondensat]]s.<ref>{{Literatur
|Autor = Wolfgang Finkelnburg
|Titel = Einführung in die Atomphysik
|Auflage = 4.
|Verlag = Springer-Verlag
|Ort = Berlin / Göttingen / Heidelberg
|Datum = 1956
|Sprache = de
|Umfang = 545
|Kommentar = Die Supraflüssigkeit des Helium II
|Kapitel = VII.17.
|Seiten = 493
|Fundstelle = Abs. b)
|JahrEA = 1948
}}</ref>


==Beispiele==
== Geschichte ==
===Sprungtemperaturen von Supraflüssigkeiten===
Am 8. April 1911 machte [[Heike Kamerlingh Onnes ]] bei Experimenten mit flüssigem Helium die Entdeckung, dass beim Unterschreiten einer Sprungtemperatur (von 4,183 K), also etwas unterhalb des Siedepunkts von Helium, in Quecksilber der Widerstand für elektrischen Strom verschwindet. Damit hatte Kamerlingh Onnes einerseits die [[Supraleitung ]] und andererseits die damit in Zusammenhang stehende Sprungtemperatur entdeckt. Seine Forschungen der Eigenschaften von Materie bei tiefen Temperaturen wurden 1913 mit dem [[Liste_der_Nobelpreisträger_für_Physik|Nobelpreis für Physik]] ausgezeichnet.
 
== Beispiele ==
=== Sprungtemperaturen von Supraflüssigkeiten ===
Es sind nur zwei Arten von Supraflüssigkeiten im Labor verfügbar.
Es sind nur zwei Arten von Supraflüssigkeiten im Labor verfügbar.
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!Supraflüssigkeit
!Supraflüssigkeit
!Sprungtemperatur ''T''<sub>C</sub>
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|[[Helium-4]] (<sup>4</sup>He)
|[[Helium-4]] (<sup>4</sup>He)
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Die Sprungtemperatur von Helium-3 ist bedeutend kleiner als die von Helium-4, da sich in diesem Fall zwei Heliumteilchen zu einem Paar ([[Cooper-Paar]]) zusammenfinden müssen. Ein solches Paar ist bei höheren Temperaturen instabil und würde durch [[Phonon]]en aufgebrochen werden.
Die Sprungtemperatur von Helium-3 ist bedeutend kleiner als die von Helium-4, da sich in diesem Fall zwei Heliumteilchen zu einem Paar ([[Cooper-Paar]]) zusammenfinden müssen. Ein solches Paar ist bei höheren Temperaturen instabil und würde durch [[Phonon]]en aufgebrochen werden.


=== Sprungtemperaturen von einigen Supraleitern ===
=== Sprungtemperaturen einiger Supraleiter ===
[[Chemisches Element|Elemente]] haben eine Sprungtemperatur von bis zu 9,25 Kelvin ([[Niob]]) bei Normaldruck, bei Hochdruckexperimenten sogar bis zu 20 Kelvin ([[Lithium]], 50 Gigapascal). Eine Übersicht über die einzelnen Sprungtemperaturen bietet die [[Liste der Sprungtemperaturen chemischer Elemente]]
[[Chemisches Element|Elemente]] haben bei Normaldruck Sprungtemperaturen von bis zu 9,25&nbsp;K ([[Niob]]), in Hochdruckexperimenten wurden bis zu 20&nbsp;K ([[Lithium]], 50&nbsp;GPa) nachgewiesen. Eine Übersicht über die Sprungtemperaturen bietet die [[Liste der Sprungtemperaturen chemischer Elemente]].


In [[chemische Verbindung|Verbindungen]] und [[Legierung|Legierungen]] kann die Sprungtemperatur bis zu 40 [[Kelvin]] betragen, in sogenannten [[Hochtemperatursupraleiter]]n sogar 130 Kelvin.
In [[Chemische Verbindung|Verbindungen]] und [[Legierung|Legierungen]] kann die Sprungtemperatur bis zu 40&nbsp;K betragen, in [[Hochtemperatursupraleiter]]n sogar bis zu 130&nbsp;K.


==Berechnung der Sprungtemperatur==
== Berechnung der Sprungtemperatur ==
Die Konstituenten eines Systems sind genau dann delokalisiert, wenn ihre [[thermische Wellenlänge|thermische (De-Broglie-)Wellenlänge]] <math>\lambda_\mathrm{deBroglie}</math> größer wird als der mittlere Abstand ''d''.
Die Konstituenten eines Systems sind genau dann delokalisiert, wenn ihre [[Thermische Wellenlänge|thermische (De-Broglie-)Wellenlänge]] <math>\lambda_\mathrm{deBroglie}</math> größer wird als der mittlere Abstand ''d''.


Die De-Broglie-Wellenlänge eines Teilchens mit dem [[Impuls (Physik)|Impuls]] ''p'' und der [[kinetische Energie|kinetischen Energie]] <math>E_\mathrm{kin} = p^2/(2m)</math> ist gegeben durch:
Die De-Broglie-Wellenlänge eines Teilchens mit dem [[Impuls (Physik)|Impuls]] ''p'' und der [[Kinetische Energie|kinetischen Energie]] <math>E_\mathrm{kin} = p^2/(2m)</math> ist gegeben durch:
: <math> \lambda_\mathrm{deBroglie} = \frac{h}{p} = \frac{h}{\sqrt{2m\,E_\mathrm{kin}}} </math>
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Unter der vereinfachten Annahme <math>E_\mathrm{kin} = k\,T</math> ergibt sich somit:
Unter der vereinfachten Annahme <math>E_\mathrm{kin} = k\,T</math> ergibt sich somit:
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: <math> d = n^{-1/3} </math>
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Die Sprungtemperatur stellt gerade den kritischen Grenzfall <math>\lambda_\mathrm{deBroglie} = d</math> dar. Gleichsetzung der beiden Ausdrücke und Auflösung nach der Sprungtemperatur liefert:
Die Sprungtemperatur stellt gerade den kritischen Grenzfall <math>\lambda_\mathrm{deBroglie} = d</math> dar. Gleichsetzung der beiden Ausdrücke und Auflösung nach der Sprungtemperatur liefert:
: <math> T_\mathrm{C} = \frac{h^2\,n^{2/3}}{2\,m\,k} </math>
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== Einzelnachweise ==
<references />
 
 
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[[Kategorie:Supraleitung]]
[[Kategorie:Supraleitung]]
[[Kategorie:Schwellenwert (Temperatur)]]
[[Kategorie:Schwellenwert (Temperatur)]]

Aktuelle Version vom 20. Februar 2022, 22:34 Uhr

Als Sprungtemperatur oder kritische Temperatur ($ T_{\mathrm {c} } $) bezeichnet man die Temperatur, unterhalb der ein System von quantenmechanischen Effekten dominiert wird.[1] Insbesondere gelten in diesen Bereichen die bekannten quantenmechanischen Statistiken, die Bose-Einstein-Statistik und die Fermi-Dirac-Statistik.

Unterhalb dieser kritischen Temperatur sind die das System formenden Konstituenten delokalisiert, das heißt, es liegt ein makroskopischer Quantenzustand vor. Anschaulich kann man sich das so vorstellen, dass die Ausdehnung der einzelnen Wellenpakete mit abnehmender Temperatur so groß wird, dass sie sich gegenseitig „überlappen“ und somit nicht mehr unterscheidbar sind.

Derartige makroskopische Quantenzustände sind Supraleitung und Supraflüssigkeit sowie der allgemeinere Fall eines Bose-Einstein-Kondensats.[2]

Geschichte

Am 8. April 1911 machte Heike Kamerlingh Onnes bei Experimenten mit flüssigem Helium die Entdeckung, dass beim Unterschreiten einer Sprungtemperatur (von 4,183 K), also etwas unterhalb des Siedepunkts von Helium, in Quecksilber der Widerstand für elektrischen Strom verschwindet. Damit hatte Kamerlingh Onnes einerseits die Supraleitung und andererseits die damit in Zusammenhang stehende Sprungtemperatur entdeckt. Seine Forschungen der Eigenschaften von Materie bei tiefen Temperaturen wurden 1913 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

Beispiele

Sprungtemperaturen von Supraflüssigkeiten

Es sind nur zwei Arten von Supraflüssigkeiten im Labor verfügbar.

Supraflüssigkeit Sprungtemperatur $ T_{\mathrm {c} } $
Helium-4 (4He) 2,1768 K
Helium-3 (3He) 0,0026 K

Die Sprungtemperatur von Helium-3 ist bedeutend kleiner als die von Helium-4, da sich in diesem Fall zwei Heliumteilchen zu einem Paar (Cooper-Paar) zusammenfinden müssen. Ein solches Paar ist bei höheren Temperaturen instabil und würde durch Phononen aufgebrochen werden.

Sprungtemperaturen einiger Supraleiter

Elemente haben bei Normaldruck Sprungtemperaturen von bis zu 9,25 K (Niob), in Hochdruckexperimenten wurden bis zu 20 K (Lithium, 50 GPa) nachgewiesen. Eine Übersicht über die Sprungtemperaturen bietet die Liste der Sprungtemperaturen chemischer Elemente.

In Verbindungen und Legierungen kann die Sprungtemperatur bis zu 40 K betragen, in Hochtemperatursupraleitern sogar bis zu 130 K.

Berechnung der Sprungtemperatur

Die Konstituenten eines Systems sind genau dann delokalisiert, wenn ihre thermische (De-Broglie-)Wellenlänge $ \lambda _{\mathrm {deBroglie} } $ größer wird als der mittlere Abstand d.

Die De-Broglie-Wellenlänge eines Teilchens mit dem Impuls p und der kinetischen Energie $ E_{\mathrm {kin} }=p^{2}/(2m) $ ist gegeben durch:

$ \lambda _{\mathrm {deBroglie} }={\frac {h}{p}}={\frac {h}{\sqrt {2m\,E_{\mathrm {kin} }}}} $

Unter der vereinfachten Annahme $ E_{\mathrm {kin} }=k\,T $ ergibt sich somit:

$ \lambda _{\mathrm {deBroglie} }={\frac {h}{\sqrt {2m\,k\,T}}} $

Der mittlere Abstand d ergibt sich aus der Teilchenzahldichte n wie folgt:

$ d=n^{-1/3} $

Die Sprungtemperatur stellt gerade den kritischen Grenzfall $ \lambda _{\mathrm {deBroglie} }=d $ dar. Gleichsetzung der beiden Ausdrücke und Auflösung nach der Sprungtemperatur liefert:

$ T_{\mathrm {c} }={\frac {h^{2}\,n^{2/3}}{2\,m\,k}} $

Einzelnachweise