Gleichgewichtstemperatur: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Gleichgewichtstemperatur''' gibt diejenige [[Temperatur]] an, die sich nach genügend langer Zeit in einem System von selbst einstellt. In der Astronomie sind die Gleichgewichtstemperaturen von Gaswolken und Planetenoberflächen wichtig.
Die '''Gleichgewichtstemperatur''' ist die Temperatur eines offenen Systems im [[Fließgleichgewicht]] aus eingebrachter und abgegebener [[Leistung (Physik)|Leistung]] – nicht zu verwechseln mit „im [[Thermodynamisches Gleichgewicht|thermodynamischen Gleichgewicht]]“, wie es das Konzept der [[Temperatur]] vorsieht. In der Astronomie sind die Gleichgewichtstemperaturen von Gaswolken und Planetenoberflächen wichtig.


== Gleichgewichtstemperatur einer Planetenoberfläche ==
== Gleichgewichtstemperatur einer Planetenoberfläche ==
Unter den Annahmen, dass  
Unter den Annahmen, dass  
#der Planet keine eigenen Energiequellen hat,
#der Planet keine eigenen [[Energie]]<nowiki/>quellen hat, sich nicht erwärmt oder abkühlt,
#die eingestrahlte [[Energie]] wieder vollständig abgestrahlt wird,
#der Anteil <math>\eta</math> der den Planeten treffenden Strahlungsleistung mit gleicher Wellenlänge reflektiert wird, also nur der Anteil <math>(1-\eta)</math> absorbiert wird,  
#die [[Atmosphäre (Astronomie)|Atmosphäre]] wie ein schwarzer Körper strahlt und
#die Oberfläche eine einheitliche Temperatur hat (schnelle Rotation, effizienter Wärmetransport in polare Regionen),
#der Anteil <math>\eta</math> der Energie als sichtbares Licht reflektiert wird und nicht zu einer Erwärmung der Planetenoberfläche beitragen kann,
#die Oberfläche im Infraroten eine Emissivität von 1 hat, also wie ein schwarzer Körper strahlt,  
gilt mit den Bezeichnungen
#<math>R</math> für den Planetenradius,
#<math>d</math> für den Abstand von der [[Sonne]],
#<math>T</math> für die Temperatur,  
#<math>\sigma=5,67\cdot 10^{-8}W/(m^2 K^4)</math> für die [[Stefan-Boltzmann-Konstante]] und
#<math>L=L_{sun}=3,8\cdot 10^{26}J/s</math> die Leuchtkraft der Sonne.


für die pro Sekunde absorbierte Sonnenenergie der Ausdruck
und mit den Bezeichnungen
:<math>L=L_\text{sun} = 3{,}83\cdot 10^{26}\,\mathrm{J/s}</math> für die Leuchtkraft der Sonne,
:<math>d</math> für den Abstand von der [[Sonne]],
:<math>R</math> für den Planetenradius,
:<math>T</math> für die Temperatur und
:<math>\sigma=5{,}67\cdot 10^{-8}\,\mathrm{W}/(\mathrm{m}^2 \mathrm{K}^4)</math> für die [[Stefan-Boltzmann-Konstante]],


:<math>L_{in}=(1-\eta)\cdot\frac{\pi R^2 L}{4\pi d^2}</math>
gilt zunächst für die absorbierte Strahlungsleistung
:<math>L_\text{in}=(1-\eta)\pi R^2 \frac{L}{4\pi d^2}</math>


Hier ist die Leuchtkraft <math>L</math> der Sonne auf die ganze Kugel mit Radius <math>d</math> verteilt, mit dieser Dichte nimmt aber die ganze Planetenoberfläche <math>\pi R^2</math> Energie auf. Von der theoretisch möglichen Energie gehen durch Reflexion <math>\eta\cdot 100 %</math> verloren. Die abgestrahlte Energie pro Sekunde ist
und für die Leistung der thermischen Abstrahlung


:<math>L_{out}=4\pi R^2\sigma T^4</math>
:<math>L_\text{out}=4\pi R^2\sigma T^4</math>.


Die Gleichung für die abgestrahlte Leistung folgt aus dem Produkt der Oberfläche <math>4\pi R^2</math> und der Temperatur <math>T</math> in vierter Potenz mit der Proportionalitätskonstante <math>\sigma</math>.
Die Gleichgewichtsbedingung <math>L_\text{in}=L_\text{out}</math> ergibt
 
Die Gleichgewichtsbedingung <math>L_{in}=L_{out}</math> ergibt


:<math>T=\sqrt[4]{\frac{(1-\eta)\cdot L}{16\pi d^2 \sigma}}</math>
:<math>T=\sqrt[4]{\frac{(1-\eta)\cdot L}{16\pi d^2 \sigma}}</math>


Für die [[Erde]] resultiert dies mit <math>\eta=0</math> im Wert <math>T=277 K</math>, mit <math>\eta=0,3</math> in <math>T=255 K</math>, beobachtet wird aber <math>T=288 K</math>. Diese höhere Temperatur ist auf den [[Treibhauseffekt]] zurückzuführen. Besonders stark ist dieser auf der [[Venus (Planet)|Venus]], wo die berechnete Temperatur bei <math>253 K</math>, der gemessene Wert aber bei <math>740 K</math> liegt. Ein umgekehrter Effekt findet sich bei [[Mars (Planet)|Mars]], der eine deutlich dünnere Atmosphäre als die beiden vorgenannten hat: Dort liegt die berechnete Temperatur von <math>225K</math> geringfügig höher als die tatsächlich beobachteten <math>213K</math>.
Dies ergibt <math>T=277 \,\mathrm{K}</math> für die [[Erde]], wenn sie auch für die einkommende kurzwellige Strahlung als schwarzer Körper mit <math>\eta=0</math> angenommen wird, und <math>T=255\,\mathrm{K}</math>, wenn realistischer <math>\eta=0{,}3</math> angesetzt wird. Beobachtet wird aber an der Erdoberfläche <math>T=288 \,\mathrm{K}</math>. Diese höhere Temperatur ist auf den [[Treibhauseffekt]] zurückzuführen. Die Fläche mit einer dem Strahlungsgleichgewicht entsprechenden Temperatur befindet sich in der höheren Atmosphäre. Besonders stark ist der Treibhauseffekt auf der [[Venus (Planet)|Venus]], wo die mit <math>\eta=0{,}76</math> (Wolkenoberfläche, gemessen<ref>R. Haus et al.: ''Radiative energy balance of Venus based on improved models of the middle and lower atmosphere.'' Icarus 272, 2016, [[doi:10.1016/j.icarus.2016.02.048]].</ref>) und <math>\eta=0{,}1</math> (fiktiver Ozean, eisfrei, wolkenlos) berechneten Temperaturen bei 250 bzw. 318&nbsp;K liegen, die Bodentemperatur aber bei 740&nbsp;K.


== Literatur ==
== Einzelnachweis ==
* H. Nussbaumer, H. M. Schmid: ''Astronomie''. ISBN 3-7281-2910-0
<references />


[[Kategorie:Astrophysik]]
[[Kategorie:Astrophysik]]
[[Kategorie:Thermodynamik]]
[[Kategorie:Thermodynamik]]

Aktuelle Version vom 11. Februar 2021, 10:58 Uhr

Die Gleichgewichtstemperatur ist die Temperatur eines offenen Systems im Fließgleichgewicht aus eingebrachter und abgegebener Leistung – nicht zu verwechseln mit „im thermodynamischen Gleichgewicht“, wie es das Konzept der Temperatur vorsieht. In der Astronomie sind die Gleichgewichtstemperaturen von Gaswolken und Planetenoberflächen wichtig.

Gleichgewichtstemperatur einer Planetenoberfläche

Unter den Annahmen, dass

  1. der Planet keine eigenen Energiequellen hat, sich nicht erwärmt oder abkühlt,
  2. der Anteil $ \eta $ der den Planeten treffenden Strahlungsleistung mit gleicher Wellenlänge reflektiert wird, also nur der Anteil $ (1-\eta ) $ absorbiert wird,
  3. die Oberfläche eine einheitliche Temperatur hat (schnelle Rotation, effizienter Wärmetransport in polare Regionen),
  4. die Oberfläche im Infraroten eine Emissivität von 1 hat, also wie ein schwarzer Körper strahlt,

und mit den Bezeichnungen

$ L=L_{\text{sun}}=3{,}83\cdot 10^{26}\,\mathrm {J/s} $ für die Leuchtkraft der Sonne,
$ d $ für den Abstand von der Sonne,
$ R $ für den Planetenradius,
$ T $ für die Temperatur und
$ \sigma =5{,}67\cdot 10^{-8}\,\mathrm {W} /(\mathrm {m} ^{2}\mathrm {K} ^{4}) $ für die Stefan-Boltzmann-Konstante,

gilt zunächst für die absorbierte Strahlungsleistung

$ L_{\text{in}}=(1-\eta )\pi R^{2}{\frac {L}{4\pi d^{2}}} $

und für die Leistung der thermischen Abstrahlung

$ L_{\text{out}}=4\pi R^{2}\sigma T^{4} $.

Die Gleichgewichtsbedingung $ L_{\text{in}}=L_{\text{out}} $ ergibt

$ T={\sqrt[{4}]{\frac {(1-\eta )\cdot L}{16\pi d^{2}\sigma }}} $

Dies ergibt $ T=277\,\mathrm {K} $ für die Erde, wenn sie auch für die einkommende kurzwellige Strahlung als schwarzer Körper mit $ \eta =0 $ angenommen wird, und $ T=255\,\mathrm {K} $, wenn realistischer $ \eta =0{,}3 $ angesetzt wird. Beobachtet wird aber an der Erdoberfläche $ T=288\,\mathrm {K} $. Diese höhere Temperatur ist auf den Treibhauseffekt zurückzuführen. Die Fläche mit einer dem Strahlungsgleichgewicht entsprechenden Temperatur befindet sich in der höheren Atmosphäre. Besonders stark ist der Treibhauseffekt auf der Venus, wo die mit $ \eta =0{,}76 $ (Wolkenoberfläche, gemessen[1]) und $ \eta =0{,}1 $ (fiktiver Ozean, eisfrei, wolkenlos) berechneten Temperaturen bei 250 bzw. 318 K liegen, die Bodentemperatur aber bei 740 K.

Einzelnachweis

  1. R. Haus et al.: Radiative energy balance of Venus based on improved models of the middle and lower atmosphere. Icarus 272, 2016, doi:10.1016/j.icarus.2016.02.048.