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'''Hans Meinhardt''' (* [[23. Dezember]] [[1938]]; † [[11. Februar]] [[2016]]) war ein deutscher [[Naturwissenschaftler]]. Meinhardt ist bekannt für seine Pionierarbeiten auf dem Gebiet der | '''Hans Meinhardt''' (* [[23. Dezember]] [[1938]] in [[Mühlhausen/Thüringen|Mühlhausen (Thüringen)]]; † [[11. Februar]] [[2016]] in [[Tübingen]]) war ein deutscher [[Naturwissenschaftler]]. Meinhardt ist bekannt für seine Pionierarbeiten auf dem Gebiet der [[Musterbildung#Biologie|Musterbildung in der Biologie]]. | ||
==Leben== | == Leben == | ||
Meinhardt studierte [[Physik]] in Heidelberg und Köln und [[Promotion (Doktor)|promovierte]] in Köln 1966. Anschließend arbeitete er zwei Jahre am [[CERN]] in [[Genf]] an [[Computersimulation]]en. Danach wandte er sich der [[Biologie]] zu und wechselte zum [[Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie]] in [[Tübingen]], an dem er bis zu seinem Tod wirkte. | Meinhardt studierte [[Physik]] in Heidelberg und Köln und [[Promotion (Doktor)|promovierte]] in Köln 1966. Seine Dissertation war über ein Thema der schwachen Wechselwirkung und speziell den [[Betazerfall]], worüber er am Zyklotron des [[Max-Planck-Institut für Kernphysik|Max-Planck-Instituts für Kernphysik]] in Heidelberg forschte. Anschließend arbeitete er zwei Jahre am [[CERN]] in [[Genf]] an [[Computersimulation]]en. Danach wandte er sich der [[Biologie]] zu und wechselte zum [[Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie]] (damals Max-Planck-Institut für Virusforschung) in [[Tübingen]], an dem er bis zu seinem Tod wirkte. | ||
==Wissenschaftlicher Beitrag== | == Wissenschaftlicher Beitrag == | ||
Meinhardt beschäftigte sich mit der Entstehung von [[Muster (Struktur)|Mustern]] an wachsenden [[Organismus|Organismen]], wie zum Beispiel auf dem Fell des [[Zebra]]s, auf den Schalen von [[Meeresschnecke]]n. Für die [[Extremitätenentwicklung#Mehrstufige Genaktivierung nach Meinhardt 1983/2009 und proximo-distales Differentiation front model nach Tabin und Wolpert 2007|Wirbeltier-Extremitätenentwicklung]] entwarf er 1983 ein Modell der mehrstufigen Genaktivierung<ref>Meinhardt, Hans 1983: A bootstrap model for the proximodistal pattern formation in vertebrate limbs. Journal of Embryological Experimental Morphology, 76, | Meinhardt beschäftigte sich mit der Entstehung von [[Muster (Struktur)|Mustern]] an wachsenden [[Organismus|Organismen]], wie zum Beispiel auf dem Fell des [[Zebra]]s, auf den Schalen von [[Meeresschnecke]]n. Anfangs befasste er sich in der Gruppe von [[Alfred Gierer]] in Tübingen mit Modellierung der Entwicklung von [[Süßwasserpolypen|Hydra]]. Für die [[Extremitätenentwicklung#Mehrstufige Genaktivierung nach Meinhardt 1983/2009 und proximo-distales Differentiation front model nach Tabin und Wolpert 2007|Wirbeltier-Extremitätenentwicklung]] entwarf er 1983 ein Modell der mehrstufigen [[Genregulation|Genaktivierung]]<ref>Meinhardt, Hans 1983: A bootstrap model for the proximodistal pattern formation in vertebrate limbs. Journal of Embryological Experimental Morphology, 76, 139–146</ref>, das er 2009 ausbaute<ref>Meinhardt, Hans 2009: Models for the Generation and Interpretation of Gradients. Cold Springs Harbor Perspectives in Biology 2009</ref>. Auch mit der Bildung von Mittellinien (Körperachsen) von [[Bilateria]]-[[Embryo]]s, dem ersten strukturbildenden Entwicklungsschritt, befasste er sich.<ref>Meinhardt, H. (2004). Different strategies for midline formation in bilaterians. Nat. Rev. Neurosci 5, 502–510.</ref> | ||
Meinhardt setzte grafische Computermodelle ein, um [[Partielle Differentialgleichung|Systeme partieller Differentialgleichungen]] zu finden, deren Lösungen den an den Lebewesen beobachteten Mustern entsprechen. Die Gleichungssysteme geben wiederum Hinweise auf die Struktur der unbekannten biochemischen Systeme, die die Muster hervorrufen. Die Arbeit Meinhardts, der lange zusammen mit [[Alfred Gierer]] publizierte, gehört zu den Pionierarbeiten auf dem Gebiet der phänotypischen Musterbildung. | Meinhardt setzte grafische Computermodelle ein, um [[Partielle Differentialgleichung|Systeme partieller Differentialgleichungen]] zu finden, deren Lösungen den an den Lebewesen beobachteten Mustern entsprechen. Die Gleichungssysteme geben wiederum Hinweise auf die Struktur der unbekannten biochemischen Systeme, die die Muster hervorrufen. Die Arbeit Meinhardts, der lange zusammen mit [[Alfred Gierer]] publizierte, gehört zu den Pionierarbeiten auf dem Gebiet der phänotypischen Musterbildung. | ||
Die Idee des [[Turing-Mechanismus]]', die den beiden Forschern 1972 noch nicht bekannt war, wurde unabhängig von Turings Arbeit von 1952 durch Meinhardt und Gierer formuliert und gleichzeitig maßgeblich erweitert. Ihr Modell von 1972<ref>Gierer, | Die Idee des [[Turing-Mechanismus]]', die den beiden Forschern 1972 noch nicht bekannt war, wurde unabhängig von Turings Arbeit von 1952 durch Meinhardt und Gierer formuliert und gleichzeitig maßgeblich erweitert.<ref>[http://dev.biologists.org/content/143/8/1231 Patrick Müller, Christiane Nüsslein-Volhard: Obituary: Hans Meinhardt (1938–2016)], Development, Band 143, 2016, S. 1231–1233</ref> Ihr Modell von 1972<ref>Alfred Gierer, Hans Meinhardt: A Theory of Biological Pattern Formation. Kybernetik, Band 12, 1972, S. 30–39</ref> erklärt erstens, wie eine lokale, sich selbst verstärkende Quelle ([[Aktivator (Biochemie)|Aktivator]]) für das [[Morphogen]] erzeugt werden kann und führt zweitens die [[Inhibitor|laterale Inhibition]] ein, wodurch neue Prinzipien der Musterbildung, z. B. Streifen, beschrieben werden konnten.<ref name="tib-15020">{{Internetquelle |autor=Hans Meinhardt, Alfred Gierer |url=https://av.tib.eu/media/15020 |titel=Aktivator-Inhibitor - Ein Modell zur biologischen Musterbildung |werk=av.tib.eu |abruf=2019-09-13}}</ref> Gierer und Meinhardt erweiterten ferner die musterbildenden chemische Diffusionsprozesse Turings auf Zellebene aus, so dass phänotypische Muster durch Zell-Zellreaktionen dargestellt werden konnten.<ref>Meinhardt, H., 1982. Models of Biological Pattern Formation. Academic Press, London</ref> Die Modelle wurden später in der Literatur Local activator lateral inhibitor models bzw. LALI-Modelle genannt. | ||
== Siehe auch == | == Siehe auch == | ||
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'''Artikel''' | '''Artikel''' | ||
* [https://www.researchgate.net/profile/Hans_Meinhardt ResearchGate Publikationsliste Hans Meinhardt] | * mit Gierer: ''A theory of biological pattern formation'', Kybernetik, Band 12, 1972, S. 30–39 | ||
* ''Eine Theorie der Steuerung räumlicher Zelldifferenzierung'', Biologie in unserer Zeit, 1979, Nr. 2, S. 33 | |||
* ''Generation of biological patterns and form: Some physical, mathematical, and logical aspects'', Progr. Biophys. Molec. Biol., Band 37, 1981, S. 1–47 | |||
* mit M. Klingler: ''A model for pattern formation on the shells of molluscs'', J. theor. Biol, Band 126, 1987, S. 63–69 | |||
* [http://www.scholarpedia.org/article/Gierer-Meinhardt_model Gierer-Meinhardt Model], Scholarpedia 2006 | |||
* ''Models of biological pattern formation: from elementary steps to the organization of embryonic axes'', Curr. Top. Dev. Biol., Band 81, 2008, S. 1–63 | |||
* ''Auf- und Abbauprozesse von Mustern in der Biologie: Strukturbildungsprozesse'', Biologie in unserer Zeit, Band 31, 2001, Nr. 1, S. 22–29 | |||
* ''Die Simulation der Embryonalentwicklung'', Spektrum der Wissenschaft, März 2010 | |||
Weitere Publikationen siehe: [https://www.researchgate.net/profile/Hans_Meinhardt ResearchGate Publikationsliste Hans Meinhardt] | |||
'''Interview''' | '''Interview''' | ||
* From observations to paradigms; the importance of theories and models. An Interview with Hans Meinhardt [http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.178.5653&rep=rep1&type=pdf Online] | * From observations to paradigms; the importance of theories and models. An Interview with Hans Meinhardt [http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.178.5653&rep=rep1&type=pdf Online] | ||
'''Bücher''' | '''Bücher''' | ||
* ''Models of Biological Pattern formation'', 1982 | * ''Models of Biological Pattern formation'', Academic Press 1982 | ||
* ''The Algorithmic Beauty of Sea Shells'', | * ''The Algorithmic Beauty of Sea Shells'', 2. erweiterte Auflage, Springer, Berlin, Heidelberg, New York 1998, 3. Auflage 2003, ISBN 3-540-63919-5. (Deutsche Ausgabe: ''Wie Schnecken sich in Schale werfen'') | ||
== Literatur == | |||
* Patrick Müller, [[Christiane Nüsslein-Volhard]]: [http://dev.biologists.org/content/143/8/1231 ''Obituary: Hans Meinhardt (1938–2016)''], Development, Band 143, 2016, S. 1231–1233 | |||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
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Hans Meinhardt (* 23. Dezember 1938 in Mühlhausen (Thüringen); † 11. Februar 2016 in Tübingen) war ein deutscher Naturwissenschaftler. Meinhardt ist bekannt für seine Pionierarbeiten auf dem Gebiet der Musterbildung in der Biologie.
Meinhardt studierte Physik in Heidelberg und Köln und promovierte in Köln 1966. Seine Dissertation war über ein Thema der schwachen Wechselwirkung und speziell den Betazerfall, worüber er am Zyklotron des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg forschte. Anschließend arbeitete er zwei Jahre am CERN in Genf an Computersimulationen. Danach wandte er sich der Biologie zu und wechselte zum Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie (damals Max-Planck-Institut für Virusforschung) in Tübingen, an dem er bis zu seinem Tod wirkte.
Meinhardt beschäftigte sich mit der Entstehung von Mustern an wachsenden Organismen, wie zum Beispiel auf dem Fell des Zebras, auf den Schalen von Meeresschnecken. Anfangs befasste er sich in der Gruppe von Alfred Gierer in Tübingen mit Modellierung der Entwicklung von Hydra. Für die Wirbeltier-Extremitätenentwicklung entwarf er 1983 ein Modell der mehrstufigen Genaktivierung[1], das er 2009 ausbaute[2]. Auch mit der Bildung von Mittellinien (Körperachsen) von Bilateria-Embryos, dem ersten strukturbildenden Entwicklungsschritt, befasste er sich.[3]
Meinhardt setzte grafische Computermodelle ein, um Systeme partieller Differentialgleichungen zu finden, deren Lösungen den an den Lebewesen beobachteten Mustern entsprechen. Die Gleichungssysteme geben wiederum Hinweise auf die Struktur der unbekannten biochemischen Systeme, die die Muster hervorrufen. Die Arbeit Meinhardts, der lange zusammen mit Alfred Gierer publizierte, gehört zu den Pionierarbeiten auf dem Gebiet der phänotypischen Musterbildung.
Die Idee des Turing-Mechanismus', die den beiden Forschern 1972 noch nicht bekannt war, wurde unabhängig von Turings Arbeit von 1952 durch Meinhardt und Gierer formuliert und gleichzeitig maßgeblich erweitert.[4] Ihr Modell von 1972[5] erklärt erstens, wie eine lokale, sich selbst verstärkende Quelle (Aktivator) für das Morphogen erzeugt werden kann und führt zweitens die laterale Inhibition ein, wodurch neue Prinzipien der Musterbildung, z. B. Streifen, beschrieben werden konnten.[6] Gierer und Meinhardt erweiterten ferner die musterbildenden chemische Diffusionsprozesse Turings auf Zellebene aus, so dass phänotypische Muster durch Zell-Zellreaktionen dargestellt werden konnten.[7] Die Modelle wurden später in der Literatur Local activator lateral inhibitor models bzw. LALI-Modelle genannt.
Artikel
Weitere Publikationen siehe: ResearchGate Publikationsliste Hans Meinhardt
Interview
Bücher
Personendaten | |
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NAME | Meinhardt, Hans |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Naturwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 23. Dezember 1938 |
GEBURTSORT | Mühlhausen/Thüringen |
STERBEDATUM | 11. Februar 2016 |
STERBEORT | Tübingen |