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[[Datei:Capillary Flow Experiment.jpg|mini|Kapillarfluss-Experiment zur Untersuchung von kapillarem Fluss und Phänomenen auf der [[Internationale Raumstation|Internationalen Raumstation]].]] | [[Datei:Capillary Flow Experiment.jpg|mini|Kapillarfluss-Experiment zur Untersuchung von kapillarem Fluss und Phänomenen auf der [[Internationale Raumstation|Internationalen Raumstation]].]] | ||
'''Kapillarität''' oder '''Kapillareffekt''' (lat. ''capillaris'', das Haar betreffend) ist das Verhalten von Flüssigkeiten | '''Kapillarität''' oder '''Kapillareffekt''' (lat. ''capillaris'', das Haar betreffend) ist das Verhalten von Flüssigkeiten bei Kontakt mit [[Kapillare]]n, also genügend engen Röhren, Spalten oder Hohlräumen in Feststoffen. Der Effekt wird durch die Wechselwirkung zwischen der [[Oberflächenspannung]] der Flüssigkeit ([[Kohäsion (Chemie)|Kohäsion]]) und der [[Grenzflächenspannung]] zwischen der Flüssigkeit und der festen Oberfläche hervorgerufen ([[Adhäsion]]). | ||
Da das Gewicht der Flüssigkeit in engen Hohlräumen gering ist, überwiegt die '''Kapillarkraft''' gegenüber der [[Schwerkraft]] und hilft etwa Bäumen dabei, Wasser aus den Wurzeln bis zu 100 Meter hoch aufsteigen zu lassen (siehe ''[[Wassertransport in Pflanzen]]''). | |||
Kapillarität bewirkt, dass flüssiges [[Wachs]] im [[Docht]] zur Flamme aufsteigt und dass sich [[Porosität|poröse]] Materialien wie [[Mauerziegel|Ziegel]], [[Textilien]] und [[Papier]] mit Wasser vollsaugen. | |||
In nicht-porösem Material müssen feine Spalte vorliegen, um Wasser aufsteigen zu lassen. So steigt Wasser in einer engen Glasröhre und in genügend feinem Sand gegen die Gravitationskraft nach oben. | |||
== Effekte == | == Effekte == | ||
[[Datei:Capillarity.svg|150px|mini| | [[Datei:Capillarity.svg|150px|mini|Da Glas ein [[Polarität (Chemie)|polares]] Material ist, steigt Wasser (links) in engen Glasröhren hoch, während Quecksilber (rechts) absinkt.]] | ||
''Kapillaraszension'' (Aufstieg) tritt bei [[Flüssigkeit]]en auf, die das Material des Kapillargefäßes [[Benetzung|benetzen]], wie beispielsweise [[Wasser]] auf Glas oder auf Papierfasern. Das Wasser steigt in einem Glasröhrchen auf und bildet eine ''konkave'' [[Grenzfläche|Oberfläche]] ([[Meniskus (Hydrostatik)|Meniskus]]). Dieses Verhalten ist auf die [[Adhäsion]]skraft (Kraft, die zwischen zwei Stoffen wirkt) zurückzuführen. | |||
''Kapillardepression'' (Abstieg) tritt auf, wenn die Flüssigkeit das Material der Gefäßoberfläche nicht benetzt. Beispiele dafür sind [[Quecksilber]] auf Glas oder Wasser auf einer fettigen Oberfläche. Solche Flüssigkeiten haben in einem Röhrchen einen niedrigeren Pegel als in der Umgebung und eine ''[[Konvexe Fläche|konvex]]'' geformte Oberfläche. | |||
Bis zu einem gewissen Mindestdurchmesser gilt, dass je kleiner der Durchmesser der Kapillaren, desto größer sind der Kapillardruck und die Steighöhe, siehe Formel und Tabelle unten. | Bis zu einem gewissen Mindestdurchmesser gilt, dass je kleiner der Durchmesser der Kapillaren, desto größer sind der Kapillardruck und die Steighöhe, siehe Formel und Tabelle unten. | ||
Schwämme und Wischtücher haben ein großes Saugvermögen, solange ihre Struktur dem Kapillarsog standhält und nicht zusammenfällt. | |||
In einem Röhrchen steigt die Flüssigkeit aufgrund von [[Adhäsion]]skräften an der Wandung des Röhrchens und somit lediglich bis zu dessen Ende, selbst wenn die Kapillarität eine größere Steighöhe erlaubte. | In einem Röhrchen steigt die Flüssigkeit aufgrund von [[Adhäsion]]skräften an der Wandung des Röhrchens und somit lediglich bis zu dessen Ende, selbst wenn die Kapillarität eine größere Steighöhe erlaubte. | ||
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In einem sich verjüngenden Rohr treibt die Oberflächenspannung einen Flüssigkeitsfilm in Richtung des kleineren Durchmessers, was bei einer Pipette die Entleerung befördert. | In einem sich verjüngenden Rohr treibt die Oberflächenspannung einen Flüssigkeitsfilm in Richtung des kleineren Durchmessers, was bei einer Pipette die Entleerung befördert. | ||
Eine grobkörnige, [[kapillarbrechende Schicht]] verhindert aufsteigende Nässe in Bauwerken bzw. | Ein Gefäß kann sich restlos entleeren, wenn ein Lappen zu beiden Seiten des Rands herunterhängt. Die Flüssigkeit steigt durch Kapillarkraft im Textil auf, tritt über den Rand und verteilt sich im gesamten Lappen. Die Flüssigkeit außerhalb des Gefäßes wird durch die Schwerkraft nach unten gezogen und saugt die Flüssigkeit im Gefäß über die [[Heberwirkung]] in den Kapillaren nach, sobald sie sich ausreichend tief unter dem Flüssigkeitsspiegel im Gefäß befindet. | ||
Eine grobkörnige, [[kapillarbrechende Schicht]] verhindert aufsteigende Nässe in Bauwerken und wird als [[Frostschutzschicht]] unter [[Straßendecke]]n eingebaut. | |||
== Molekulare Betrachtung == | |||
Grundsätzlich beruht der Effekt der Kapillarität auf den Molekularkräften, die innerhalb eines Stoffes ([[Kohäsion (Chemie)|Kohäsionskräfte]]) und an der Grenzfläche zwischen einer Flüssigkeit, einem festen Körper (Gefäßwand) und einem Gas (z. B. Luft) auftreten ([[Adhäsion]]skräfte). Häufig hat der Kapillareffekt auch die Bedeutung von [[Oberflächenspannung]]. | |||
Im Innern eines Körpers heben sich die auf ein bestimmtes [[Molekül]] wirkenden Kräfte aus seiner Umgebung gegenseitig auf. An den Rändern jedoch ergibt sich eine resultierende Kraft, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Material entweder in die Flüssigkeit hinein oder aus ihr heraus gerichtet ist. Ist die Wirkung der Gefäßwandung gegenüber den Kohäsionskräften in der Flüssigkeit klein, dann zeigt die resultierende Kraft ins Innere der Flüssigkeit. Deren Oberfläche ist an der Kontaktstelle zur Wand nach unten gekrümmt und benetzt die Gefäßwand nicht (z. B. Quecksilber im Glasgefäß). Ist jedoch die Wirkung der Gefäßwandung gegenüber den Kohäsionskräften in der Flüssigkeit groß, dann zeigt die resultierende Kraft in die Gefäßwandung hinein, und die Flüssigkeit ist am Rande nach oben gebogen. Die Flüssigkeit benetzt die Wandung (z. B. Wasser oder Petroleum im Glasgefäß). | |||
== Praktische Anwendungen == | |||
'''Füller:''' Ein Beispiel für eine Anwendung ist der Füller oder [[Füllfederhalter]]: Dessen Tintenleiter speichert Tinte und ersetzt die an der Federspitze verbrauchte Tinte mittels Kapillarkräften. Dabei wird Tinte aus einem Reservoir nachgefördert und zugleich die Belüftung dieses Reservoirs ermöglicht. Auch [[Schreibfeder|Schreibfedern]] speichern Tinte mittels Kapillarkräften, entweder in einem Loch oder in einem Spalt zwischen der eigentlichen Feder und einer Überfeder, um von dort durch die Kapillarwirkung durch einen sehr feinen Schlitz an die Spitze transportiert zu werden. | |||
[[Datei:Pilot Urban MR Retro Pop M Fountain Pen (no clip).jpg|mini|Ein Kapillarspalt in der Stahlfeder eines Füllfederhalters führt die [[Tinte]] vom kreisförmigen Zutrittsloch zur Schreibspitze der Feder. Da die Kapillarkraft gegenüber der Schwerkraft überwiegt, schreibt ein Füller in jeder Lage.]] | |||
'''Papier:''' [[Papier]] saugt durch den Kapillareffekt die Tinte auf; es ist sogar möglich, über Kopf zu schreiben. Auf glatten Oberflächen wie etwa Glas ist Schreiben mit einem Füller kaum möglich, da die Tinte die Glasoberfläche nur oberflächlich benetzt, aber nicht aufgenommen wird. | |||
'''Pflanzen:''' In Bäumen und anderen Pflanzen wird das Wasser von den Wurzeln aufgenommen und dann bis in die Krone transportiert, wo es aus den [[Spaltöffnung]]en der Blätter (oder Nadeln) verdunstet oder für die [[Photosynthese]] benötigt wird. Die Verdunstung im oberen Bereich der Pflanze bewirkt einen [[Transpirationssog]], Kohäsionskräfte des Wassers in der Pflanze verhindern ein Abreißen des Flüssigkeitsstroms, und der Kapillareffekt begünstigt mit dem [[Osmose|osmotischen]] Effekt ([[Wurzeldruck]]) den Aufstieg.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.proholz.at/zuschnitt/22/wassertransport-baum.htm |wayback=20110923061410 |text=proholz.at }}.</ref> Nach neuen Erkenntnissen können Bäume maximal 130 Meter hoch werden, da dann der osmotische Druck zusammen mit den Kapillarkräften nicht mehr ausreicht, die [[Gewichtskraft|Schwerkraft]] zu überwinden.<ref>George W. Koch, Stephen C. Sillett, Gregory M. Jennings, Stephen D. Davis: ''The limits to tree height''. In: ''[[Nature]].'' Band 428, 2004, S. 851–854, [[doi:10.1038/nature02417]].</ref> Siehe ''[[Wassertransport in Pflanzen]]'' | |||
'''Chemie:''' In der [[Papierchromatographie]] nutzt man den Kapillareffekt, indem eine Lösung auf ein Spezialpapier getropft wird und an diesem aufsteigt, wobei Bestandteile der Lösung mitgetragen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Laufweite können die Stoffe getrennt werden. | |||
'''Medizin:''' Um kleine Mengen Blut abzuzapfen, kann man einen kleinen Einstich in die Gefäße an den Fingern oder am Ohrläppchen vornehmen und an das austretende Blut ein dünnes Sammelröhrchen halten, in dem das Blut aufgrund des Kapillareffektes aufsteigt und somit gesammelt werden kann. | |||
'''Textilien:''' Eine ähnliche Saugwirkung wie beim Papier lässt sich auch bei [[Putzlappen]] bzw. Stoffen beobachten. Das Gleiche gilt auch für [[Badeschwamm|Schwämme]]. Für Papier, Putzlappen und Schwämme gilt dabei: Je größer die innere Oberfläche (pro Volumen), desto größer auch die Saugwirkung. | |||
[[Datei:SMD-chip-soldering-caption.svg|mini|Darstellung eines [[Surface-mounted device|SMD]]-Keramik-Vielschichtkondensators (MLCC) mit gut ausgebildeten Lötmenisken an den Löt-Anschlussflächen]] | |||
'''Löten:''' Auch beim [[Löten]] tritt der Effekt auf: Das flüssige Lot fließt durch die Kapillarwirkung beispielsweise in den Spalt von Kupferrohr[[fitting]]s. Zum Entlöten von elektronischen Bauelementen von [[Leiterplatte]]n wird häufig ein Drahtgeflecht, die [[Entlötlitze]], verwendet. | |||
An der Form des Lötkegels wird die Qualität des Lötergebnisses unmittelbar erkennbar. Sollte dieser nicht ''konkav'' und auf der Platine flach auslaufend sein, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine [[Löten#Kalte Lötstelle|kalte Lötstelle]]. Wegen der Kapillarität sind auch Lötungen „über Kopf“ möglich. | |||
[[Datei:Capillary flow brick.jpg|mini|Kapillarer Fluss in einem Backstein, mit einer Sorptivität von 5,0 mm min<sup>−1/2</sup> und einer Porosität 0,25.]] | |||
'''Bauwesen:''' Im Bauwesen spielt die Kapillarität eine herausragende Rolle. Ein Großteil der Maßnahmen zur [[Bauwerksabdichtung]] richtet sich gegen die in Bodenplatte und Wänden kapillar [[aufsteigende Feuchte]]. | |||
Bei oberirdischen Bauteilen haben kapillare Baustoffe demgegenüber den willkommenen Effekt, Feuchtigkeitsansammlungen großflächig zu verteilen. Wenn die Feuchtigkeit dabei eine Bauteiloberfläche erreicht, kann sie verdunsten. Durch den sogenannten [[Transpirationssog]] wird dann stetig Wasser nachgefördert, bis die [[Ausgleichsfeuchte]] erreicht ist. Kapillare Baustoffe können so auch größere Wassermengen aufnehmen und verteilen, die etwa als Folge eines [[Rohrbruch]]s Decken und Wände durchfeuchtet haben, bevor es zu Bauschäden und [[Schimmelbildung]] kommt. | |||
Im Winter wird gewöhnlich an [[Kältebrücke|kalten Stellen]] der Außenwand der [[Taupunkt]] der Innenraumluft unterschritten, so dass [[Kondensation|Kondensat]] entsteht, das beim [[Lüftung|lüften]] verdunstet und an die Außenluft abgegeben wird. Bildet sich zu viel Kondensat oder wird zu wenig gelüftet, dann sammelt sich die Feuchtigkeit in der Wand. | |||
Wände und Decken, die durchgehend aus kapillaraktiven Baustoffen bestehen, können die Feuchtigkeit [[Absorption (Chemie)|absorbieren]] und an die Außenseite der Wand oder in Räume mit geringerem Feuchtigkeitsanfall leiten, wo sie verdunstet. | |||
Sehr saugfähig sind traditionelle [[Backstein|Ziegelsteine]] und Kalksandsteine, eine deutlich geringere Kapillarwirkung besteht bei hartgebrannten Ziegelsteinen ([[Klinker]]), [[Porenbeton]] und [[Beton]]. Um den Kapillarstrom in Gebäuden zu unterbrechen, werden im Fundamentbereich wasserdichte Trennschichten wie z. B. [[Bitumen]]bahnen eingebaut. | |||
'''Önologie:''' | |||
In der [[Önologie]] werden zum Messen des Ethanolgehalts von Weinen [[Vinometer]] verwendet, in denen der Wein je nach Ethanolgehalt mehr oder weniger weit aufsteigt. Als nicht-polare Flüssigkeit setzt [[Ethanol]] die Kapillarkraft des Weines in einem Glasröhrchen herab. | |||
== Formel (Kapillargleichung) == | == Formel (Kapillargleichung) == | ||
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Die Steighöhe ''h'' einer Flüssigkeitssäule ist gegeben durch: | Die Steighöhe ''h'' einer Flüssigkeitssäule ist gegeben durch: | ||
: <math>h= | : <math>h = \frac{2\sigma\cos{\theta}}{\rho g r}</math> | ||
Dabei ist: | Dabei ist: | ||
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: ''r'' = [[Radius]] der Röhre | : ''r'' = [[Radius]] der Röhre | ||
Für eine wassergefüllte Glasröhre, die gegen die [[Luft]] auf Meereshöhe (1.013,25 hPa) offen ist, ist: | Für eine wassergefüllte Glasröhre, die gegen die [[Luft]] auf Meereshöhe (1.013,25 hPa) offen ist, ist: | ||
: ''<math>\sigma</math>'' = 0,0728 J/m² bei 20 °C | : ''<math>\sigma</math>'' = 0,0728 J/m² bei 20 °C | ||
: ''θ'' = 20° = 0,35 [[Bogenmaß|rad]] | : ''θ'' = 20° = 0,35 [[Bogenmaß|rad]] | ||
: ''ρ'' = 1000 kg/m³ | : ''ρ'' = 1000 kg/m³ | ||
: ''g'' = 9,81 m/s² | : ''g'' = 9,81 m/s² | ||
so ergibt sich für die Steighöhe: | so ergibt sich für die Steighöhe: | ||
: <math>h\approx \frac{1{,}4 \cdot 10^{-5} \mathrm{m}^{2}}{r}</math> | : <math>h\approx \frac{1{,}4 \cdot 10^{-5}\,\mathrm{m}^2}{r} \quad \Rightarrow \quad h\approx \frac{1{,}4 \cdot 10^{-5} \cdot 10^6\,\mathrm{mm}^{2}}{r} = 14\,\frac{\mathrm{mm}^2}{r}</math> | ||
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Die [[Washburn-Gleichung]] beschreibt kapillare Strömungen in [[Porosität|porösen]] Materialien ohne Berücksichtigung der [[Gravitation]]. | Die [[Washburn-Gleichung]] beschreibt kapillare Strömungen in [[Porosität|porösen]] Materialien ohne Berücksichtigung der [[Gravitation]]. | ||
== | == Kapillaraufstieg zwischen zwei Glasplatten == | ||
Das Produkt der Schichtdicke (''d'') und der Höhe des Anstiegs (''h'') konstant ist (''d''·''h'' = konstant), die beiden Größen sind umgekehrt proportional. Die Wasseroberfläche zwischen den Scheiben ist Hyperbel. | |||
<gallery caption="Wasser zwischen zwei Glasplatten" widths="130px"> | |||
file:Kapilláris emelkedés 1.jpg | |||
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file:Kapilláris emelkedés 3.jpg | |||
file:Kapilláris emelkedés 4.jpg | |||
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''' | == Kapillarsperre == | ||
Eine '''Kapillarsperre''' ist eine Konstruktion, die verhindert, dass ein Kapillareffekt Flüssigkeit absaugen kann. Sie wird verwendet beispielsweise: | |||
''' | * bei [[Folienteich]]en, dort wird [[Teichfolie]] am Ufer hochgezogen, um zu verhindern, dass durch Kapillareffekte in Sand oder Erdreich Wasser aus dem Teich gesaugt wird.<ref>''Gartenteiche.'' S. 8 ({{Google Buch|BuchID=E0HymTyYtyoC|Seite=8}}), zuletzt abgerufen im Februar 2020.</ref> Die etwa 5 cm nach oben überstehende Folie wird mit Steinen, kapillarbrechendem Feinkies oder Betonmörtel abgedeckt oder durch Pflanzenbewuchs (wasserseitig und außerhalb des Teichs) oder einen Ufersteg [[Tarnung|getarnt]]. | ||
* Bei der Oberflächenabdichtung für Deponien und Altlasten werden Kapillarsperren zur Ableitung der Oberflächenabwässer eingesetzt.<ref>[https://www.springer.com/de/book/9783540655909 Die Kapillarsperre. Innovative Oberflächenabdichtung für Deponien und Altlasten]. Springer-Verlag 1999.</ref> Dabei wird ein '''Kapillarblock''' (eine grobkörnige Kiesschicht) aufgetragen und darüber eine feinkörnige Kapillarschicht (beispielsweise Sand). Bei Zusickerung von Wasser stellt sich im feinkörnigen Material ein höherer Wassergehalt ein als in den gröberen Poren im grobkörnigen Material. Das Wasser wird im feinkörnigen Material durch Kapillarkräfte in der Kapillarschicht gehalten, rinnt entlang der Böschungsneigung ab und wird am Böschungsfuß über [[Drainage (technische Systeme)|Drainagerohre]] abgeleitet (siehe<ref>Wolf-Ulrich Henken-Mellies, S. Melchior, B. Steinert: ''E 2-33 Kapillarsperren in Oberflächenabdichtungssystemen''; LGA Landesgewerbeanstalt Bayern, Grundbauinstitut, Nürnberg, 2010, [http://www.gdaempfehlungen.de/pdf/E2-33.pdf (PDF-Datei)]</ref>). | |||
* Eine [[Horizontalsperre]] hindert Wasser in Mauerwerk kapillar aufzusteigen, siehe dazu auch [[Aufsteigende Feuchte]]. | |||
* Eine [[kapillarbrechende Schicht]] erfüllt dies unterhalb der [[Gründung (Bauwesen)|Gründungssohle]] oder des [[Fußboden]]s eines Bauwerkes | |||
* Manchmal wird eine [[Dampfsperre]] bei [[Wärmedämmung]]en auch wasserdicht ausgeführt um gleichzeitig kapillares Saugen zu verhindern. | |||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
* {{Webarchiv |url=http://www-med-physik.vu-wien.ac.at/physik/ws95/w9570dir/w9576000.htm |wayback=20120326015005 |text=Vorlesung Medizinische Physik: Oberflächenspannung und Kapillarität, Veterinärmedizinische Universität Wien}} | * {{Webarchiv |url=http://www-med-physik.vu-wien.ac.at/physik/ws95/w9570dir/w9576000.htm |wayback=20120326015005 |text=Vorlesung Medizinische Physik: Oberflächenspannung und Kapillarität, Veterinärmedizinische Universität Wien }} | ||
== Literatur und Weblinks == | == Literatur und Weblinks == | ||
* H. Schubert: '' Kapillarität in porösen Feststoffsystemen''. Springer, Berlin 1982, ISBN 3-540-11835-7 | * H. Schubert: '' Kapillarität in porösen Feststoffsystemen''. Springer, Berlin 1982, ISBN 3-540-11835-7. | ||
* Valentin L. Popov: ''Kontaktmechanik und Reibung. Ein Lehr- und Anwendungsbuch von der Nanotribologie bis zur numerischen Simulation''. Springer, 2009 | * Valentin L. Popov: ''Kontaktmechanik und Reibung. Ein Lehr- und Anwendungsbuch von der Nanotribologie bis zur numerischen Simulation''. Springer, 2009, ISBN 978-3-540-88836-9. | ||
* {{TIBAV |15673 |Linktext=YOUNGscher Randwinkel und Kapillarität | * {{TIBAV |15673 |Linktext=YOUNGscher Randwinkel und Kapillarität – wie hoch steigt Wasser in einer Kapillare? | ||
|Herausgeber=Lauth |Jahr=2013 |DOI=10.5446/15673}} | |Herausgeber=Lauth |Jahr=2013 |DOI=10.5446/15673}} | ||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references /> | ||
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{{SORTIERUNG:Kapillaritat}} | {{SORTIERUNG:Kapillaritat}} | ||
[[Kategorie:Stoffeigenschaft]] | [[Kategorie:Stoffeigenschaft]] | ||
[[Kategorie:Oberflächenphysik]] | [[Kategorie:Oberflächenphysik]] |
Kapillarität oder Kapillareffekt (lat. capillaris, das Haar betreffend) ist das Verhalten von Flüssigkeiten bei Kontakt mit Kapillaren, also genügend engen Röhren, Spalten oder Hohlräumen in Feststoffen. Der Effekt wird durch die Wechselwirkung zwischen der Oberflächenspannung der Flüssigkeit (Kohäsion) und der Grenzflächenspannung zwischen der Flüssigkeit und der festen Oberfläche hervorgerufen (Adhäsion). Da das Gewicht der Flüssigkeit in engen Hohlräumen gering ist, überwiegt die Kapillarkraft gegenüber der Schwerkraft und hilft etwa Bäumen dabei, Wasser aus den Wurzeln bis zu 100 Meter hoch aufsteigen zu lassen (siehe Wassertransport in Pflanzen).
Kapillarität bewirkt, dass flüssiges Wachs im Docht zur Flamme aufsteigt und dass sich poröse Materialien wie Ziegel, Textilien und Papier mit Wasser vollsaugen.
In nicht-porösem Material müssen feine Spalte vorliegen, um Wasser aufsteigen zu lassen. So steigt Wasser in einer engen Glasröhre und in genügend feinem Sand gegen die Gravitationskraft nach oben.
Kapillaraszension (Aufstieg) tritt bei Flüssigkeiten auf, die das Material des Kapillargefäßes benetzen, wie beispielsweise Wasser auf Glas oder auf Papierfasern. Das Wasser steigt in einem Glasröhrchen auf und bildet eine konkave Oberfläche (Meniskus). Dieses Verhalten ist auf die Adhäsionskraft (Kraft, die zwischen zwei Stoffen wirkt) zurückzuführen.
Kapillardepression (Abstieg) tritt auf, wenn die Flüssigkeit das Material der Gefäßoberfläche nicht benetzt. Beispiele dafür sind Quecksilber auf Glas oder Wasser auf einer fettigen Oberfläche. Solche Flüssigkeiten haben in einem Röhrchen einen niedrigeren Pegel als in der Umgebung und eine konvex geformte Oberfläche.
Bis zu einem gewissen Mindestdurchmesser gilt, dass je kleiner der Durchmesser der Kapillaren, desto größer sind der Kapillardruck und die Steighöhe, siehe Formel und Tabelle unten.
Schwämme und Wischtücher haben ein großes Saugvermögen, solange ihre Struktur dem Kapillarsog standhält und nicht zusammenfällt.
In einem Röhrchen steigt die Flüssigkeit aufgrund von Adhäsionskräften an der Wandung des Röhrchens und somit lediglich bis zu dessen Ende, selbst wenn die Kapillarität eine größere Steighöhe erlaubte.
In einem sich verjüngenden Rohr treibt die Oberflächenspannung einen Flüssigkeitsfilm in Richtung des kleineren Durchmessers, was bei einer Pipette die Entleerung befördert.
Ein Gefäß kann sich restlos entleeren, wenn ein Lappen zu beiden Seiten des Rands herunterhängt. Die Flüssigkeit steigt durch Kapillarkraft im Textil auf, tritt über den Rand und verteilt sich im gesamten Lappen. Die Flüssigkeit außerhalb des Gefäßes wird durch die Schwerkraft nach unten gezogen und saugt die Flüssigkeit im Gefäß über die Heberwirkung in den Kapillaren nach, sobald sie sich ausreichend tief unter dem Flüssigkeitsspiegel im Gefäß befindet.
Eine grobkörnige, kapillarbrechende Schicht verhindert aufsteigende Nässe in Bauwerken und wird als Frostschutzschicht unter Straßendecken eingebaut.
Grundsätzlich beruht der Effekt der Kapillarität auf den Molekularkräften, die innerhalb eines Stoffes (Kohäsionskräfte) und an der Grenzfläche zwischen einer Flüssigkeit, einem festen Körper (Gefäßwand) und einem Gas (z. B. Luft) auftreten (Adhäsionskräfte). Häufig hat der Kapillareffekt auch die Bedeutung von Oberflächenspannung.
Im Innern eines Körpers heben sich die auf ein bestimmtes Molekül wirkenden Kräfte aus seiner Umgebung gegenseitig auf. An den Rändern jedoch ergibt sich eine resultierende Kraft, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Material entweder in die Flüssigkeit hinein oder aus ihr heraus gerichtet ist. Ist die Wirkung der Gefäßwandung gegenüber den Kohäsionskräften in der Flüssigkeit klein, dann zeigt die resultierende Kraft ins Innere der Flüssigkeit. Deren Oberfläche ist an der Kontaktstelle zur Wand nach unten gekrümmt und benetzt die Gefäßwand nicht (z. B. Quecksilber im Glasgefäß). Ist jedoch die Wirkung der Gefäßwandung gegenüber den Kohäsionskräften in der Flüssigkeit groß, dann zeigt die resultierende Kraft in die Gefäßwandung hinein, und die Flüssigkeit ist am Rande nach oben gebogen. Die Flüssigkeit benetzt die Wandung (z. B. Wasser oder Petroleum im Glasgefäß).
Füller: Ein Beispiel für eine Anwendung ist der Füller oder Füllfederhalter: Dessen Tintenleiter speichert Tinte und ersetzt die an der Federspitze verbrauchte Tinte mittels Kapillarkräften. Dabei wird Tinte aus einem Reservoir nachgefördert und zugleich die Belüftung dieses Reservoirs ermöglicht. Auch Schreibfedern speichern Tinte mittels Kapillarkräften, entweder in einem Loch oder in einem Spalt zwischen der eigentlichen Feder und einer Überfeder, um von dort durch die Kapillarwirkung durch einen sehr feinen Schlitz an die Spitze transportiert zu werden.
Papier: Papier saugt durch den Kapillareffekt die Tinte auf; es ist sogar möglich, über Kopf zu schreiben. Auf glatten Oberflächen wie etwa Glas ist Schreiben mit einem Füller kaum möglich, da die Tinte die Glasoberfläche nur oberflächlich benetzt, aber nicht aufgenommen wird.
Pflanzen: In Bäumen und anderen Pflanzen wird das Wasser von den Wurzeln aufgenommen und dann bis in die Krone transportiert, wo es aus den Spaltöffnungen der Blätter (oder Nadeln) verdunstet oder für die Photosynthese benötigt wird. Die Verdunstung im oberen Bereich der Pflanze bewirkt einen Transpirationssog, Kohäsionskräfte des Wassers in der Pflanze verhindern ein Abreißen des Flüssigkeitsstroms, und der Kapillareffekt begünstigt mit dem osmotischen Effekt (Wurzeldruck) den Aufstieg.[1] Nach neuen Erkenntnissen können Bäume maximal 130 Meter hoch werden, da dann der osmotische Druck zusammen mit den Kapillarkräften nicht mehr ausreicht, die Schwerkraft zu überwinden.[2] Siehe Wassertransport in Pflanzen
Chemie: In der Papierchromatographie nutzt man den Kapillareffekt, indem eine Lösung auf ein Spezialpapier getropft wird und an diesem aufsteigt, wobei Bestandteile der Lösung mitgetragen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Laufweite können die Stoffe getrennt werden.
Medizin: Um kleine Mengen Blut abzuzapfen, kann man einen kleinen Einstich in die Gefäße an den Fingern oder am Ohrläppchen vornehmen und an das austretende Blut ein dünnes Sammelröhrchen halten, in dem das Blut aufgrund des Kapillareffektes aufsteigt und somit gesammelt werden kann.
Textilien: Eine ähnliche Saugwirkung wie beim Papier lässt sich auch bei Putzlappen bzw. Stoffen beobachten. Das Gleiche gilt auch für Schwämme. Für Papier, Putzlappen und Schwämme gilt dabei: Je größer die innere Oberfläche (pro Volumen), desto größer auch die Saugwirkung.
Löten: Auch beim Löten tritt der Effekt auf: Das flüssige Lot fließt durch die Kapillarwirkung beispielsweise in den Spalt von Kupferrohrfittings. Zum Entlöten von elektronischen Bauelementen von Leiterplatten wird häufig ein Drahtgeflecht, die Entlötlitze, verwendet.
An der Form des Lötkegels wird die Qualität des Lötergebnisses unmittelbar erkennbar. Sollte dieser nicht konkav und auf der Platine flach auslaufend sein, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine kalte Lötstelle. Wegen der Kapillarität sind auch Lötungen „über Kopf“ möglich.
Bauwesen: Im Bauwesen spielt die Kapillarität eine herausragende Rolle. Ein Großteil der Maßnahmen zur Bauwerksabdichtung richtet sich gegen die in Bodenplatte und Wänden kapillar aufsteigende Feuchte. Bei oberirdischen Bauteilen haben kapillare Baustoffe demgegenüber den willkommenen Effekt, Feuchtigkeitsansammlungen großflächig zu verteilen. Wenn die Feuchtigkeit dabei eine Bauteiloberfläche erreicht, kann sie verdunsten. Durch den sogenannten Transpirationssog wird dann stetig Wasser nachgefördert, bis die Ausgleichsfeuchte erreicht ist. Kapillare Baustoffe können so auch größere Wassermengen aufnehmen und verteilen, die etwa als Folge eines Rohrbruchs Decken und Wände durchfeuchtet haben, bevor es zu Bauschäden und Schimmelbildung kommt.
Im Winter wird gewöhnlich an kalten Stellen der Außenwand der Taupunkt der Innenraumluft unterschritten, so dass Kondensat entsteht, das beim lüften verdunstet und an die Außenluft abgegeben wird. Bildet sich zu viel Kondensat oder wird zu wenig gelüftet, dann sammelt sich die Feuchtigkeit in der Wand. Wände und Decken, die durchgehend aus kapillaraktiven Baustoffen bestehen, können die Feuchtigkeit absorbieren und an die Außenseite der Wand oder in Räume mit geringerem Feuchtigkeitsanfall leiten, wo sie verdunstet.
Sehr saugfähig sind traditionelle Ziegelsteine und Kalksandsteine, eine deutlich geringere Kapillarwirkung besteht bei hartgebrannten Ziegelsteinen (Klinker), Porenbeton und Beton. Um den Kapillarstrom in Gebäuden zu unterbrechen, werden im Fundamentbereich wasserdichte Trennschichten wie z. B. Bitumenbahnen eingebaut.
Önologie: In der Önologie werden zum Messen des Ethanolgehalts von Weinen Vinometer verwendet, in denen der Wein je nach Ethanolgehalt mehr oder weniger weit aufsteigt. Als nicht-polare Flüssigkeit setzt Ethanol die Kapillarkraft des Weines in einem Glasröhrchen herab.
Die Steighöhe h einer Flüssigkeitssäule ist gegeben durch:
Dabei ist:
Für eine wassergefüllte Glasröhre, die gegen die Luft auf Meereshöhe (1.013,25 hPa) offen ist, ist:
so ergibt sich für die Steighöhe:
Kapillarenradius | Steighöhe |
---|---|
1000 mm | 0,014 mm |
100 mm | 0,14 mm |
10 mm | 1,4 mm |
1 mm | 14 mm |
0,1 mm | 140 mm |
0,01 mm | 1400 mm |
Die Washburn-Gleichung beschreibt kapillare Strömungen in porösen Materialien ohne Berücksichtigung der Gravitation.
Das Produkt der Schichtdicke (d) und der Höhe des Anstiegs (h) konstant ist (d·h = konstant), die beiden Größen sind umgekehrt proportional. Die Wasseroberfläche zwischen den Scheiben ist Hyperbel.
Eine Kapillarsperre ist eine Konstruktion, die verhindert, dass ein Kapillareffekt Flüssigkeit absaugen kann. Sie wird verwendet beispielsweise: