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'''Martin Bojowald''' (* [[18. Februar]] [[1973]] in [[Jülich]]) ist ein deutscher [[Physiker]]. Bojowald hat die [[Schleifenquantengravitation]] auf den kosmologischen Anfang angewandt. | [[Datei:Corect rotation.jpg|mini|''Forget the Big Bang: Now it's''<br>{{Kapitälchen|the Big Bounce}}<div class="center">Titelseite des</div> [[Scientific American|SciAm]], 10/2008.<ref>[https://www.scientificamerican.com/article/big-bang-or-big-bounce/ ''Big Bang or Big Bounce?: New Theory on the Universe's Birth''], in: Scientific American, Oktober 2008, S. 44-51: ''Follow the Bouncing Universe''.</ref>]] | ||
Bojowald forscht und lehrt | '''Martin Bojowald''' (* [[18. Februar]] [[1973]] in [[Jülich]]) ist ein deutscher [[Physik#Theoretische Physik|theoretischer Physiker]]. Bojowald hat die von ihm weiterentwickelte [[Schleifenquantengravitation]] (SQG), englisch Loop quantum gravity (LQG), auf den [[Kosmologie|kosmologischen]] Anfang angewandt, „um die ultimative Grenzfrage der Kosmologie zu lösen“<ref>Harald Zaun: [https://www.heise.de/tp/features/Die-Ewigkeit-vor-dem-Urknall-3434089.html?view=print ''Die Ewigkeit vor dem Urknall'']. In Telepolis vom 9. April 2004</ref>, und zwar mit Hilfe der Mathematik: | ||
{{Zitat | |||
|Text=Ich hatte an mathematischen Methoden zur Beschreibung des Universums gearbeitet. In einer der Gleichungen konnte man ein Vorzeichen frei wählen, plus oder minus. Mir fiel auf, dass man das Minus als Zeit vor dem Urknall und das Plus als Zeit nach dem Urknall interpretieren konnte. | |||
|Quelle=[[Max Rauner]]: Das umgekrempelte Universum. Interview mit Martin Bojowald. In: ''Die Zeit'', 23. Dezember 2008. | |||
|ref=<ref>[https://www.zeit.de/2009/01/N-Interview-Bojowald/komplettansicht ''Max Rauner: Interview Bojowald'']</ref> | |||
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Bojowald vertritt die Theorie des [[Big Bounce]], eines von der [[Urknall]]-Theorie abweichenden zyklischen Modells. Hierbei wird der Big Bang als ein ''Großer Rückprall'' (Big Bounce) interpretiert. Demnach hätte das Weltall weder Anfang noch Ende. Es war immer schon da. Ein sich unter dem Einfluss der Gravitation bis zu einer höchsten Dichte kontrahierendes Universum [[Implosion|implodiert]] in einem [[Big Crunch]] (Kollaps), woraufhin es zu einem ''Big Bounce'' (großen Rückprall) kommt. Eine neue Expansionsphase beginnt, bis die Gravitation die Ausdehnung wieder stoppt und es zu einer erneuten Kontraktion kommt.<ref>''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, S. 136, {{Google Buch|BuchID=-WNqAgAAQBAJ}}.</ref> Diese zyklischen Phasen: Kontraktion eines Vorgängeruniversums bis zum Big Crunch (Kollaps) – Rückprall (Big Bounce), Expansion eines Nachfolgeuniversums, Rekollaps ..., wiederholen sich nach diesem Modell in einem ewigen Kreislauf: | |||
{{Zitat | |||
|Text=Der Urknall wäre demnach die explosive Folge einer noch früheren Implosion, verursacht durch exotische [[Quantenkosmologie|Quanteneffekte]]. | |||
|Autor=Martin Bojowald | |||
|Quelle=[[Spektrum der Wissenschaft]], Mai 2009, S. 26-32. | |||
|ref=<ref> [https://www.spektrum.de/magazin/der-ur-sprung-des-alls/987527 ''Der Ur-Sprung des Alls'']</ref> | |||
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Bojowald forscht über [[Quantengravitation|Gravitationsphysik]] und lehrt theoretische Physik am “Institute for Gravitation and the Cosmos” der [[Pennsylvania State University]]. | |||
== Leben == | == Leben == | ||
Martin Bojowald absolvierte 1992 sein Abitur am [[Stiftisches Gymnasium Düren|Stiftischen Gymnasium in Düren]]. Anschließend studierte er Physik an der [[RWTH Aachen|Technischen Hochschule Aachen]] mit dem Diplom-Abschluss 1998 bei [[Hans A. Kastrup]]. Bei Kastrup wurde er im Jahr 2000 mit einer Dissertation über ''Quantum geometry and symmetry'' als Fellow des [[Deutsche Forschungsgemeinschaft]]-Graduiertenkollegs ''Strong and electroweak interactions at high energies'' promoviert. Als [[Post-Doktorand]] arbeitete er von 2000 bis 2003 am ''Center for Gravitation and Geometry'' der [[Pennsylvania State University]] (Penn State) in den [[Vereinigte Staaten|USA]]. Zwischen 2003 und 2005 war er Wissenschaftler (Junior Staff Scientist) am [[Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik]] in [[Golm (Potsdam)|Golm bei Potsdam]] | Martin Bojowald absolvierte 1992 sein Abitur am [[Stiftisches Gymnasium Düren|Stiftischen Gymnasium in Düren]]. Anschließend studierte er Physik an der [[RWTH Aachen|Technischen Hochschule Aachen]] mit dem Diplom-Abschluss 1998 bei [[Hans A. Kastrup]]. Bei Kastrup wurde er im Jahr 2000 mit einer Dissertation über ''Quantum geometry and symmetry'' als Fellow des [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|Deutsche-Forschungsgemeinschaft]]-Graduiertenkollegs ''Strong and electroweak interactions at high energies'' promoviert. Als [[Post-Doktorand]] arbeitete er von 2000 bis 2003 am ''Center for Gravitation and Geometry'' der [[Pennsylvania State University]] (Penn State) in den [[Vereinigte Staaten|USA]]. | ||
Zwischen 2003 und 2005 war er Wissenschaftler (Junior Staff Scientist) am [[Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik]] in [[Golm (Potsdam)|Golm bei Potsdam]]. | |||
2006 wurde er [[Assistant Professor]] am Institut für Gravitation und Kosmologie (Institute for Gravitation and the Cosmos, IGC) der Pennsylvania State University bei [[Abhay Vasant Ashtekar]], einem der Pioniere der Schleifenquantengravitation. Er ist dort seit 2009 als [[Associate Professor]] tätig | |||
== Werk == | == Werk == | ||
Bojowald | Bojowald versucht, mit mathematischen Methoden den Ursprung des Universums zu ergründen. Nach der von ihm weiterentwickelten [[Schleifenquantengravitation]] verläuft die [[Raumzeit]] nicht wie in [[Einstein]]s [[Allgemeine Relativitätstheorie|Allgemeiner Relativitätstheorie]] (ART) beschrieben kontinuierlich, sondern [[Gitter (Geometrie)|diskret]], in kleinsten [[Planck-Einheiten]]: | ||
{{Zitat | |||
|Text=Aus der Quantenphysik wissen wir, dass Materie aus Atomen besteht. Die Schleifenquantengravitation, kurz Loop-Theorie, teilt auch den Raum und die Zeit in kleinste Einheiten auf, quasi in „Raumzeit-Atome“. Die sind so klein, dass man sie wohl niemals direkt beobachten kann. Wir reden von Schleifen, aber der Name ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass diese kleinsten Einheiten verhindern, dass das Universum im Urknall auf die Größe null schrumpft. | |||
|Quelle= [[Max Rauner]]: Das umgekrempelte Universum. Interview mit Martin Bojowald. In: ''Die Zeit'', 01/2009. | |||
|ref=<ref>[https://www.zeit.de/2009/01/N-Interview-Bojowald/komplettansicht ''Interview Bojowald'']</ref> | |||
}}[[Datei:Qantenkosmologie-001.jpg|mini|Der Kollaps ([[Big Crunch]]) eines Vorgänger-Universums X führt durch einen Rückprall (Big Bounce) zur Entstehung eines Nachfolge-Universums Y.]] | |||
Im Rahmen der SQG entwickelte der Kosmologe Bojowald die Big-Bounce-Theorie, nach der das Universum auch vor dem Urknall schon existierte. Im kosmologischen Standard-Modell der [[Allgemeine Relativitätstheorie|ART]] stellt der Urknall dagegen eine [[Singularität (Astronomie)|Singularität]] dar, an der Einsteins ART an ihre Grenzen stößt, denn Dichte und Temperatur gehen gegen [[Unendlich (Mathematik)|Unendlich]]. Das Big-Bounce-Modell umgeht diese Singularität. Bojowald bemüht das Bild eines umgestülpten Luftballons. Wie in einem umgestülpten Luftballon<ref>Max Rauner: ''[https://www.zeit.de/2009/01/N-Interview-Bojowald/komplettansicht Das umgekrempelte Universum].'' Interview mit Martin Bojowald. In: ''Die Zeit'' 01/2009.</ref>, seien Raum- und Zeitrichtungen invertiert, und man habe es mit einem kontrahierenden, kollabierenden Universum jenseits des Urknalls zu tun. Der durch die SQG hinzukommende neue Aspekt ist nach Bojowald ein repulsives Verhalten (''Big Bounce'', Rücküprall) der Gravitation bei allerkleinsten Abständen im Bereich der [[Planck-Skala|Planck-Dimensionen]]: | |||
{{Zitat | |||
|Text=Wie ein poröser Schwamm , der nur eine begrenzte Menge Wasser aufnehmen kann und in vollgesogenem Zustand Überschusswasser ausstößt, so wirkt das Zeitgitter abstoßend, sobald an einem Zeitpunkt zu viel Energie lokalisiert zu werden droht. […] Wegen der Kleinheit der Zeitschritte kann ein Zeitgittersehr viel Energie aufnehmen, aber nicht beliebig viel. Dies wird am Urknall bedeutend, dem höchst-energetischen Ereignis im Universum. […] Ein Überschuss an Energie kann nur verhindert werden, indem der Kollaps des Universums selbst, also die Ursache für den Energiezuwachs, gestoppt und in Expansion umgekehrt wird. | |||
|Autor=Martin Bojowald | |||
|Quelle= ''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, S. 137-138. | |||
|ref=<ref>{{Google Buch|BuchID=-WNqAgAAQBAJ}}</ref> | |||
}} | |||
Im Rahmen seines Modells gab Bojowald auch eine neue Interpretation der [[Inflation (Kosmologie)|Inflationstheorie]] des Universums.<ref>Martrin Bojowald: ''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-10-003910-1, S. 177-183, {{Google Buch|BuchID=-WNqAgAAQBAJ}}.</ref> | |||
== Hang zum Metaphysischen == | |||
„Längst hat sich innerhalb der [[Astrophysik]] und Kosmologie ein subtiler Trend zum [[Metaphysik|Metaphysischen]] abgezeichnet.“<ref>Harald Zaun: [https://www.heise.de/tp/features/Die-Ewigkeit-vor-dem-Urknall-3434089.html?view=print ''Die Ewigkeit vor dem Urknall'']. In Telepolis vom 9. April 2004.</ref> So tastet sich auch der Kosmologe Martin Bojowald in seinem populärwissenschaftlichen Bestseller ''Zurück vor den Urknall''<ref>''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-10-003910-1, {{Google Buch|BuchID=-WNqAgAAQBAJ}}.</ref> bis an die Grenzen der [[Empirie]] heran und überschreitet sie sogar. Er zitiert unter anderem Fragestellungen der antiken [[Naturphilosophie|Naturphilosophen]], der [[Vorsokratiker]], wie [[Parmenides]], [[Zenon]], [[Leukipp]], [[Demokrit]] und versucht, mit Hilfe seiner quantentheoretischen Gleichungen Antworten darauf zu geben: | |||
{{Zitat | |||
|Text=[Bojowald] reizt das [[Spekulation (Philosophie)|Spekulative]] bis zum letzten aus und verlässt dabei ruhig einmal den Boden des [[Rationalität|Rationalen]] und schwebt in höheren Sphären – dies scheint in der Kosmologie seit einigen Jahren salonfähig zu sein wie nie zuvor. | |||
|Quelle=Harald Zaun: [https://www.heise.de/tp/features/Die-Ewigkeit-vor-dem-Urknall-3434089.html?view=print ''Die Ewigkeit vor dem Urknall'']. In Telepolis vom 9. April 2004. | |||
}} | |||
Sein Hang zum Phantastischen zeigt sich auch darin, dass er in sein Buch, über Abschnitte verstreut und in Kursivschrift gesetzt, eine [[Science-Fiction]]-Novelle eingearbeitet hat.<ref>''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-10-003910-1; Seiten 199,275,277, {{Google Buch|BuchID=-WNqAgAAQBAJ}}.</ref> Sie illustriert seine Theorien. Sie erzählt von der Sonde [[Martin Kruskal|Kruskal]], die in allerfernster Zukunft ein [[Schwarzes Loch]] durchdringt und von dem Versuch der letzten Zivilisation, die [[Feinabstimmung der Naturkonstanten|Anfangsparameter]] des kollabierenden Vorgängeruniversums über den nächsten Big Bounce hinüberzuretten und somit die ''kosmischen Vergesslichkeit''<ref>Maike Pollmann: [https://www.spektrum.de/news/kosmische-vergesslichkeit/893586 ''Kosmische Vergesslichkeit''], Spektrum der Wissenschaft, News vom 2. Juli 2007.</ref> zu überwinden. Gelänge dies, so würde das Nachfolgeuniversum Erinnerungen an das Vorgängeruniversum bewahren und ihm gleichen. | |||
Dies erinnert an [[Nietzsche]]s [[Mystik|mystischen]], kosmologischen Gedanken<ref>[https://studienart.gko.uni-leipzig.de/weltraum/2017/06/28/weltraumphilosophie/ ''Weltraumphilosophie'']. Auf dem Server des [[Institut für Kunstpädagogik (Leipzig)|Instituts für Kunstpädagogik]], Leipzig, 28. JUNI 2017.</ref> der ''[[Ewige Wiederkunft#Die kosmologische Hypothese|Ewigen Wiederkunft]] des Gleichen''.<ref>''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-10-003910-1, S-308</ref> Dazu bemerkt Martin Bojowald in einem Aufsatz für [[Nature Physics]]: | |||
{{Zitat | |||
|Text=An eternal recurrence of the same is prevented by intrensic cosmic forgetfulness. | |||
|Übersetzung=Eine ewige Wiederkehr des Gleichen wird durch die innewohnende kosmische Vergesslichkeit verhindert. | |||
|Quelle=Martin Bojowald: ''What happened before the Big Bang ?'' In: Nature Physics, 3, 523–525 (2007), S. 525. | |||
|ref=<ref>[https://doi.org/10.1038/nphys654 What happened before the Big Bang ?] In: [[Nature Physics]], 3, (2007), S. 525</ref> | |||
}} | |||
Er hofft, dass in Zukunft auch experimentell gesichertes Wissen über das Universum vor dem Urknall möglich sein werde.<ref>''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-10-003910-1, S. 342.</ref> | |||
== Kritische Stimmen == | |||
So meint [[Hermann Nicolai (Physiker)|Hermann Nicolai]], Direktor am Potsdamer Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, in einem Gespräch mit dem [[Der Spiegel|Spiegel]]<ref>Markus Becker: [https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/vor-dem-urknall-blick-in-gottes-letzten-schlupfwinkel-a-416441.html ''Vor dem Urknall. Blick in Gottes letzten Schlupfwinkel'']. In: Spiegel Wissenschaft, 29. Mai 2006.</ref>, dass das Big-Bounce-Modell [[Abhay Vasant Ashtekar|Ashtekars]] und seiner Kollegen zwar wesentlich näher an den Moment des Urknalls heranreiche als bisherige Versuche, so nahe, dass mit dem Auftreten von [[Quantengravitation]]s-Effekten zu rechnen sei. Jedoch sei es zu simplistisch. Es bestehe aus einer drastischen Vereinfachung der Gleichungen. | |||
Die wahre Natur des Urknalls, meint Nicolai, bleibe das große Rätsel.<ref>Gesa Graser und Verena Smykalla: [https://vitruv.uni-tuebingen.de/ilias3/data/pr01/lm_data/lm_1171/ArtikelUrknall.html ''Die Wissenschaft, der liebe Gott und die Frage was vor dem Urknall war''], auf dem Server der Uni Tübingen, November 2008.</ref> | |||
== Ehrungen == | |||
* April 1995–Juni 1998: [[Studienstiftung des deutschen Volkes]] | |||
* 2005: [[Porträt]] in [[Nature]], der renommierten wissenschaftlichen Wochenzeitschrift.<ref>Quirin Schiermeier: [https://doi.org/10.1038/433012a ''The long-distance thinker'']. In: Nature 433, 12 (2005).</ref> | |||
* Basilis Xanthopoulos-Preis 2007.<ref>[https://www.aei.mpg.de/388736/top-german-researchers-honored-with-prestigious-xanthopoulos-award ''Deutsche Spitzenforscher mit international prestigeträchtigen Xanthopoulos Award ausgezeichnet'']. Auf: Server des Max Planck Institituts für Gravitationsphysik, 31. Juli 2007.</ref> | |||
* [[National Science Foundation|NSF Career Award]] 2008: "Effective Descriptions in Cosmology" | |||
* Teaching Award 2009, Penn State Society of Physics Students | |||
== Veröffentlichungen == | == Veröffentlichungen == | ||
* [ | * [https://inspirehep.net/literature/553086 ''Absence of a Singularity in Loop Quantum Gravity.''] In: Physical Review Letters, Bd. 86, S. 5227–5230, 2001. PDF-Download möglich auf [[INSPIRE-HEP]]. | ||
* [ | * [https://arxiv.org/abs/gr-qc/0206054 ''Inflation from Quantum Geometry.''] In: Physical Review Letters, Bd. 89, S. 261301, 2002. | ||
* [ | * [https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0509075.pdf Quantum geometry and the Schwarzschild singularity]. In: Classical and Quantum Gravity 23, pp. 391-411, 2006. Zusammen mit Abhay Ashtekar (download möglich). | ||
* '' | * [https://doi.org/10.1038/nphys654 ''What happened before the Big Bang ?''] In: [[Nature Physics]], 3, 523–525 (2007). | ||
* [ | * [https://doi.org/10.12942/lrr-2008-4 ''Loop Quantum Cosmology.'']. In: [[Living Reviews in Relativity]], 11, Article number: 4 (2008). (pdf-download möglich). | ||
* ''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-10-003910-1. | * [https://www.scientificamerican.com/article/big-bang-or-big-bounce/ ''Big Bang or Big Bounce?: New Theory on the Universe's Birth''], in: Scientific American, Oktober 2008, S. 44-51: ''Follow the Bouncing Universe''. | ||
* [https://www.spektrum.de/alias/pdf/sdw-09-05-s026-pdf/992248?file ''Der Ur-Sprung des Alls.''] Spektrum der Wissenschaft, Mai 2009, S. 26–32. (PDF; 828 kB, 7 S.) | |||
* ''Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-10-003910-1, {{Google Buch|BuchID=-WNqAgAAQBAJ}}. | |||
** Rezension von [[Markus Pössel]] in: [https://scilogs.spektrum.de/relativ-einfach/bojowald-rezension/ ''Spektrum SciLog''], 24. September 2012. | |||
** Rezension von [[Dagmar Röhrlich]]: [https://www.deutschlandfunk.de/zurueck-vor-den-urknall-100.html ''Zurück vor den Urknall''], Deutschlandfunk, 28. Juni 2009. | |||
* ''Canonical Gravity and Applications – Cosmology, Black Holes, and Quantum Gravity.'' Cambridge University Press 2010, ISBN 978-0-521-19575-1. | * ''Canonical Gravity and Applications – Cosmology, Black Holes, and Quantum Gravity.'' Cambridge University Press 2010, ISBN 978-0-521-19575-1. | ||
* [https://doi.org/10.1038/nphys1938 ''A twist on relativistic astrophysics'']. Nature Phys 7, 188–189 (2011). | |||
* ''Quantum Cosmology. A Fundamental Description of the Universe.'' Lecture Notes in Physics, Springer 2011, ISBN 978-1-4419-8276-6. | * ''Quantum Cosmology. A Fundamental Description of the Universe.'' Lecture Notes in Physics, Springer 2011, ISBN 978-1-4419-8276-6. | ||
* [ | * [https://www.wiley-vch.de/de/fachgebiete/naturwissenschaften/the-universe-a-view-from-classical-and-quantum-gravity-978-3-527-41018-7 ''The Universe: A View from Classical and Quantum Gravity'']. [[Wiley-VCH Verlag]] Berlin, 1. Auflage November 2012, ISBN 978-3-527-41018-7. | ||
* [https://af.booksc.eu/book/20952768/a685ea ''Back to the beginning of quantum spacetime.''] In: Physics Today 66, März 2013. (PDF; 793 kB, 8 S.) | |||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
* {{DNB-Portal|121592413}} | * {{DNB-Portal|121592413}} | ||
* [ | * (englisch) [https://www.researchgate.net/scientific-contributions/Martin-Bojowald-11264030 ''Bibliographie Bojowalds Veröffentlichungen''], auf [[Researchgate]]. | ||
* Johann Grolle: ''[ | * (englisch) [https://science.psu.edu/physics/people/mart ''Martin Bojowald, Professor of Physics''], auf der Webseite des ''PennState Eberly College of Science'', dem Physik-Departement der [[Pennsylvania State University]]. | ||
* | * Martin Bojowald (Video-Vortrag): [https://www.youtube.com/watch?v=GIoTUEyb8k8 ''War da was vor dem Urknall?'']. Auf: Faszination Astronomie Online, [[Haus der Astronomie]], 4. August 2020. | ||
* Max Rauner: ''[ | * Markus Becker: [https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/vor-dem-urknall-blick-in-gottes-letzten-schlupfwinkel-a-416441.html ''Vor dem Urknall. Blick in Gottes letzten Schlupfwinkel'']. In: Spiegel Wissenschaft, 29. Mai 2006. | ||
* Quirin Schiermeier: | * Gesa Graser und Verena Smykalla: [https://vitruv.uni-tuebingen.de/ilias3/data/pr01/lm_data/lm_1171/ArtikelUrknall.html ''Die Wissenschaft, der liebe Gott und die Frage was vor dem Urknall war''], auf dem Server der Uni Tübingen, November 2008. | ||
* [[Harald Zaun]]: ''[https://www.heise.de/tp/features/Die-Allgemeine-Relativitaetstheorie-versagt-an-der-Singularitaet-3381588.html Die Allgemeine Relativitätstheorie versagt an der Singularität!]'' Interview. In: ''Telepolis'', 29. Juni 2009. | * Johann Grolle: ''[https://www.spiegel.de/spiegel/a-616056.html Eine Zeit vor unserer Welt]''. In: ''Der Spiegel'' 14/2009. | ||
* [ | * Kim Hermann: [https://www.weltderphysik.de/gebiete/universum/die-zeit-ist-mehr-als-nur-eine-variable/ ''Die Zeit ist mehr als nur eine Variable''.] Interview mit Martin Bojowald, in: ''Welt der Physik'', 18. November 2020. | ||
* Maike Pollmann: [https://www.spektrum.de/news/reise-durch-den-urknall/990290 Reise durch den Urknall ''Reise durch den Urknall''], Interview. In: spektrumdirekt, 27. April 2009. | |||
* Max Rauner: ''[https://www.zeit.de/2009/01/N-Interview-Bojowald/komplettansicht Das umgekrempelte Universum].'' Interview. In: ''Die Zeit'', 23. Dezember 2008. | |||
* (englisch) Quirin Schiermeier: [https://doi.org/10.1038/433012a The long-distance thinker.] In: Nature 433, 12 (2005). ([[Porträt]]). | |||
* Christopher Schrader und D. Schöneberg: [https://www.sueddeutsche.de/wissen/kosmologie-der-urknall-war-nicht-der-anfang-1.387996 ''Der Urknall war nicht der Anfang'']. ''Der Physiker Martin Bojowald hat in die Zeit vor dem Urknall geblickt – mit Hilfe der Mathematik''. Ein Interview, in: Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 2010. | |||
* [[Gert Scobel]]: [https://www.youtube.com/watch?v=T1lWIQ05W4k 3sat - scobel ''Urknall-Theorien: Universum ohne Anfang? (1/6)''], Gespräch mit Martin Bojowald, ab 7:20, [[scobel (Fernsehsendung)]], auf Youtube, 8. Mai 2009. | |||
* [[Lee Smolin]]: [https://www.einstein-online.info/spotlight/hintergrundunabhaengigkeit/ ''Schauspiel auf veränderlicher Bühne: Hintergrundunabhängigkeit und Quantengravitation'']. In: Einstein Online Band 01 (2005), 01-1132. | |||
* [[Harald Zaun]]: [https://www.heise.de/tp/features/Der-Zeitpfeil-vor-dem-Urknall-3381558.html ''Der Zeitpfeil vor dem Urknall'']. In: [[Telepolis]], 27. Juni 2009. | |||
** [https://www.heise.de/tp/features/Die-Allgemeine-Relativitaetstheorie-versagt-an-der-Singularitaet-3381588.html ''Die Allgemeine Relativitätstheorie versagt an der Singularität!'']. ''Interview mit dem deutschen Astrophysiker Martin Bojowald über Raumzeitatome und den Anfang der Welt, den es nicht gegeben haben soll''. In: ''Telepolis'', 29. Juni 2009. | |||
** [https://www.heise.de/tp/features/Die-Ewigkeit-vor-dem-Urknall-3434089.html?view=print ''Die Ewigkeit vor dem Urknall'']. In Telepolis vom 9. April 2004. | |||
== Einzelnachweise == | |||
<references /> | |||
{{Normdaten|TYP=p|GND=121592413|LCCN= | {{Normdaten|TYP=p|GND=121592413|LCCN=no2001051598|VIAF=67326903}} | ||
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Martin Bojowald (* 18. Februar 1973 in Jülich) ist ein deutscher theoretischer Physiker. Bojowald hat die von ihm weiterentwickelte Schleifenquantengravitation (SQG), englisch Loop quantum gravity (LQG), auf den kosmologischen Anfang angewandt, „um die ultimative Grenzfrage der Kosmologie zu lösen“[2], und zwar mit Hilfe der Mathematik:
„Ich hatte an mathematischen Methoden zur Beschreibung des Universums gearbeitet. In einer der Gleichungen konnte man ein Vorzeichen frei wählen, plus oder minus. Mir fiel auf, dass man das Minus als Zeit vor dem Urknall und das Plus als Zeit nach dem Urknall interpretieren konnte.“
Bojowald vertritt die Theorie des Big Bounce, eines von der Urknall-Theorie abweichenden zyklischen Modells. Hierbei wird der Big Bang als ein Großer Rückprall (Big Bounce) interpretiert. Demnach hätte das Weltall weder Anfang noch Ende. Es war immer schon da. Ein sich unter dem Einfluss der Gravitation bis zu einer höchsten Dichte kontrahierendes Universum implodiert in einem Big Crunch (Kollaps), woraufhin es zu einem Big Bounce (großen Rückprall) kommt. Eine neue Expansionsphase beginnt, bis die Gravitation die Ausdehnung wieder stoppt und es zu einer erneuten Kontraktion kommt.[4] Diese zyklischen Phasen: Kontraktion eines Vorgängeruniversums bis zum Big Crunch (Kollaps) – Rückprall (Big Bounce), Expansion eines Nachfolgeuniversums, Rekollaps ..., wiederholen sich nach diesem Modell in einem ewigen Kreislauf:
„Der Urknall wäre demnach die explosive Folge einer noch früheren Implosion, verursacht durch exotische Quanteneffekte.“
Bojowald forscht über Gravitationsphysik und lehrt theoretische Physik am “Institute for Gravitation and the Cosmos” der Pennsylvania State University.
Martin Bojowald absolvierte 1992 sein Abitur am Stiftischen Gymnasium in Düren. Anschließend studierte er Physik an der Technischen Hochschule Aachen mit dem Diplom-Abschluss 1998 bei Hans A. Kastrup. Bei Kastrup wurde er im Jahr 2000 mit einer Dissertation über Quantum geometry and symmetry als Fellow des Deutsche-Forschungsgemeinschaft-Graduiertenkollegs Strong and electroweak interactions at high energies promoviert. Als Post-Doktorand arbeitete er von 2000 bis 2003 am Center for Gravitation and Geometry der Pennsylvania State University (Penn State) in den USA. Zwischen 2003 und 2005 war er Wissenschaftler (Junior Staff Scientist) am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Golm bei Potsdam.
2006 wurde er Assistant Professor am Institut für Gravitation und Kosmologie (Institute for Gravitation and the Cosmos, IGC) der Pennsylvania State University bei Abhay Vasant Ashtekar, einem der Pioniere der Schleifenquantengravitation. Er ist dort seit 2009 als Associate Professor tätig
Bojowald versucht, mit mathematischen Methoden den Ursprung des Universums zu ergründen. Nach der von ihm weiterentwickelten Schleifenquantengravitation verläuft die Raumzeit nicht wie in Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie (ART) beschrieben kontinuierlich, sondern diskret, in kleinsten Planck-Einheiten:
„Aus der Quantenphysik wissen wir, dass Materie aus Atomen besteht. Die Schleifenquantengravitation, kurz Loop-Theorie, teilt auch den Raum und die Zeit in kleinste Einheiten auf, quasi in „Raumzeit-Atome“. Die sind so klein, dass man sie wohl niemals direkt beobachten kann. Wir reden von Schleifen, aber der Name ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass diese kleinsten Einheiten verhindern, dass das Universum im Urknall auf die Größe null schrumpft.“
Im Rahmen der SQG entwickelte der Kosmologe Bojowald die Big-Bounce-Theorie, nach der das Universum auch vor dem Urknall schon existierte. Im kosmologischen Standard-Modell der ART stellt der Urknall dagegen eine Singularität dar, an der Einsteins ART an ihre Grenzen stößt, denn Dichte und Temperatur gehen gegen Unendlich. Das Big-Bounce-Modell umgeht diese Singularität. Bojowald bemüht das Bild eines umgestülpten Luftballons. Wie in einem umgestülpten Luftballon[7], seien Raum- und Zeitrichtungen invertiert, und man habe es mit einem kontrahierenden, kollabierenden Universum jenseits des Urknalls zu tun. Der durch die SQG hinzukommende neue Aspekt ist nach Bojowald ein repulsives Verhalten (Big Bounce, Rücküprall) der Gravitation bei allerkleinsten Abständen im Bereich der Planck-Dimensionen:
„Wie ein poröser Schwamm , der nur eine begrenzte Menge Wasser aufnehmen kann und in vollgesogenem Zustand Überschusswasser ausstößt, so wirkt das Zeitgitter abstoßend, sobald an einem Zeitpunkt zu viel Energie lokalisiert zu werden droht. […] Wegen der Kleinheit der Zeitschritte kann ein Zeitgittersehr viel Energie aufnehmen, aber nicht beliebig viel. Dies wird am Urknall bedeutend, dem höchst-energetischen Ereignis im Universum. […] Ein Überschuss an Energie kann nur verhindert werden, indem der Kollaps des Universums selbst, also die Ursache für den Energiezuwachs, gestoppt und in Expansion umgekehrt wird.“
Im Rahmen seines Modells gab Bojowald auch eine neue Interpretation der Inflationstheorie des Universums.[9]
„Längst hat sich innerhalb der Astrophysik und Kosmologie ein subtiler Trend zum Metaphysischen abgezeichnet.“[10] So tastet sich auch der Kosmologe Martin Bojowald in seinem populärwissenschaftlichen Bestseller Zurück vor den Urknall[11] bis an die Grenzen der Empirie heran und überschreitet sie sogar. Er zitiert unter anderem Fragestellungen der antiken Naturphilosophen, der Vorsokratiker, wie Parmenides, Zenon, Leukipp, Demokrit und versucht, mit Hilfe seiner quantentheoretischen Gleichungen Antworten darauf zu geben:
„[Bojowald] reizt das Spekulative bis zum letzten aus und verlässt dabei ruhig einmal den Boden des Rationalen und schwebt in höheren Sphären – dies scheint in der Kosmologie seit einigen Jahren salonfähig zu sein wie nie zuvor.“
Sein Hang zum Phantastischen zeigt sich auch darin, dass er in sein Buch, über Abschnitte verstreut und in Kursivschrift gesetzt, eine Science-Fiction-Novelle eingearbeitet hat.[12] Sie illustriert seine Theorien. Sie erzählt von der Sonde Kruskal, die in allerfernster Zukunft ein Schwarzes Loch durchdringt und von dem Versuch der letzten Zivilisation, die Anfangsparameter des kollabierenden Vorgängeruniversums über den nächsten Big Bounce hinüberzuretten und somit die kosmischen Vergesslichkeit[13] zu überwinden. Gelänge dies, so würde das Nachfolgeuniversum Erinnerungen an das Vorgängeruniversum bewahren und ihm gleichen.
Dies erinnert an Nietzsches mystischen, kosmologischen Gedanken[14] der Ewigen Wiederkunft des Gleichen.[15] Dazu bemerkt Martin Bojowald in einem Aufsatz für Nature Physics:
„An eternal recurrence of the same is prevented by intrensic cosmic forgetfulness.“
„Eine ewige Wiederkehr des Gleichen wird durch die innewohnende kosmische Vergesslichkeit verhindert.“
Er hofft, dass in Zukunft auch experimentell gesichertes Wissen über das Universum vor dem Urknall möglich sein werde.[17]
So meint Hermann Nicolai, Direktor am Potsdamer Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, in einem Gespräch mit dem Spiegel[18], dass das Big-Bounce-Modell Ashtekars und seiner Kollegen zwar wesentlich näher an den Moment des Urknalls heranreiche als bisherige Versuche, so nahe, dass mit dem Auftreten von Quantengravitations-Effekten zu rechnen sei. Jedoch sei es zu simplistisch. Es bestehe aus einer drastischen Vereinfachung der Gleichungen.
Die wahre Natur des Urknalls, meint Nicolai, bleibe das große Rätsel.[19]
Personendaten | |
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NAME | Bojowald, Martin |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Physiker |
GEBURTSDATUM | 18. Februar 1973 |
GEBURTSORT | Jülich |