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'''Wladimir Naumowitsch Gribow''' ({{ | '''Wladimir Naumowitsch Gribow''' ({{ruS|Владимир Наумович Грибов}}, wiss. [[Transliteration]] ''Vladimir Naumovič Gribov'', im Englischen zitiert als Vladimir Gribov; * [[25. März]] [[1930]] in [[Sankt Petersburg|Leningrad]]; † [[13. August]] [[1997]] in [[Budapest]]) war ein führender [[Russland|russischer]] theoretischer Physiker, der sich mit [[Hochenergiephysik]] und [[Quantenfeldtheorie]] (QFT) beschäftigte. | ||
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Gribow schloss sein Studium in Leningrad 1952 ab, fand als Jude zunächst keine Anstellung an der Universität und war danach zwei Jahre Lehrer an einer Abendschule. 1954 war er am [[Joffe-Institut]] (damals Physikalisch-Technisches Institut, PTI) in Leningrad, wo er | Gribow schloss sein Studium in Leningrad 1952 ab, fand als Jude zunächst keine Anstellung an der Universität und war danach zwei Jahre Lehrer an einer Abendschule. 1954 war er am [[Joffe-Institut]] (damals Physikalisch-Technisches Institut, PTI) in Leningrad, wo er bald de facto (wenn auch nicht offiziell<ref>Offizieller Chef war Ilja Shmuskevich, der Gribow auch einstellte</ref>) die theoretische Abteilung leitete. Ab Ende der 1950er Jahre nahm er an den berühmten wöchentlichen Seminaren von [[Lew Dawidowitsch Landau|Lew Landau]] in Moskau teil, wo er auch [[Isaak Jakowlewitsch Pomerantschuk|Isaak Pomerantschuk]] traf, mit dem er sich eng befreundete und mit dem er zusammenarbeitete. 1971 wurde die Theorieabteilung des PTI, an dem Gribow war, Teil des Instituts für Kernphysik (LNPI) in [[Gattschina]] bei Leningrad. In Leningrad führte er ein weithin in der Sowjetunion (und auch international) bekanntes Seminar über Quantenfeldtheorie und Elementarteilchenphysik,<ref>gekennzeichnet dadurch, dass die Diskussion, wie auch in den Seminaren anderer führender russischer Wissenschaftler wie dem von Landau, ein offenes Ende hatte und teilweise sehr heftig geführt wurde, wobei formal jeder Diskutant ohne Ansehen der Person gleichberechtigt war und allein die Physik im Vordergrund stand. Auch ausländische Gäste konnten von Gribow mitten im Vortrag unterbrochen und ohne Ansehen der Person „korrigiert“ werden.</ref> er selbst durfte aber über Jahrzehnte nicht ins Ausland reisen.<ref>Allerdings war er bei einer frühen CERN-Konferenz 1962 in der sowjetischen Delegation</ref> Er war zwar kein offener Dissident, war aber als unabhängiger und kritischer Geist bekannt.<ref>Belawin erinnert sich im „Gribov Memorial Volume“ das Gribow auf die Bitte, sich vorsichtiger zu äußern, da man möglicherweise abgehört würde, antwortete, dass das wahrscheinlich sei, ebenso wahrscheinlich sei aber, dass die Mikrofone in der Sowjetunion nicht funktionieren würden. Weiter erwähnt er, dass sich Gribow auf einer Konferenz in den 1970er Jahren ostentativ freundschaftlich mit [[Andrei Dmitrijewitsch Sacharow|Andrei Sacharow]] unterhielt, als dieser von anderen schon gemieden wurde, da er in Ungnade gefallen war.</ref> Ab 1980 war er Professor am Landau-Institut für Theoretische Physik in [[Moskau]] und ab den 1990er Jahren gleichzeitig Wissenschaftsrat am Zentralinstitut für Physikalische Forschung der Akademie der Wissenschaften Ungarns. Außerdem war er u. a. Ende der 1990er Jahre Gastprofessor am Institut für Kernphysik der [[Universität Bonn]]. | ||
1991 erhielt er den [[Sakurai-Preis]], er erhielt den [[Humboldt-Forschungspreis|Alexander von Humboldt Preis]] und gewann (als erster) 1971 den [[Landau-Preis]] der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Sowjetischen Akademie der Wissenschaften]]. Er war Mitglied der [[American Academy of Arts and Sciences]], der [[Ungarische Akademie der Wissenschaften|Ungarischen Akademie der Wissenschaften]] und korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften. | 1991 erhielt er den [[Sakurai-Preis]], er erhielt den [[Humboldt-Forschungspreis|Alexander von Humboldt-Preis]] und gewann (als erster) 1971 den [[Landau-Preis]] der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Sowjetischen Akademie der Wissenschaften]]. Er war Mitglied der [[American Academy of Arts and Sciences]], der [[Ungarische Akademie der Wissenschaften|Ungarischen Akademie der Wissenschaften]] und korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften. | ||
Er war zweimal verheiratet und hatte einen Sohn Lenja Gribow, der ein aufstrebender theoretischer Physiker war<ref>u.a. war er Mitverfasser des Übersichtsartikels von L.V.Gribov, E. Levin, M.Ryskin, ''Semihard processes in QCD'', Physics Reports, Bd.100, 1983, S. | Er war zweimal verheiratet und hatte einen Sohn Lenja Gribow, der ein aufstrebender theoretischer Physiker war<ref>u. a. war er Mitverfasser des Übersichtsartikels von L.V.Gribov, E. Levin, M. Ryskin, ''Semihard processes in QCD'', Physics Reports, Bd. 100, 1983, S. 1–100</ref> aber bei einem Bergunfall im Pamir-Gebirge ums Leben kam, was Gribow schwer traf. In zweiter Ehe war er mit der Ungarin Julia Nyiri verheiratet. | ||
Ihm zu Ehren vergibt die Europäische Physikalische Gesellschaft seit 2001 die [[Gribov Medal]]. | Ihm zu Ehren vergibt die Europäische Physikalische Gesellschaft seit 2001 die [[Gribov Medal]]. | ||
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Gribow nahm in Kreisen der theoretischen Physik in der Sowjetunion aufgrund seiner allseits bewunderten physikalischen Intuition eine herausragende Stellung ein, vergleichbar mit der Landaus in den 1950er Jahren und der der ebenfalls mit dem Landau-Seminar verbundenen Physiker [[Arkadi Beinussowitsch Migdal|Arkadi Migdal]] und Pomerantschuk. Er war der Gründer einer einflussreichen Schule theoretischer Elementarteilchenphysiker in Leningrad. | Gribow nahm in Kreisen der theoretischen Physik in der Sowjetunion aufgrund seiner allseits bewunderten physikalischen Intuition eine herausragende Stellung ein, vergleichbar mit der Landaus in den 1950er Jahren und der der ebenfalls mit dem Landau-Seminar verbundenen Physiker [[Arkadi Beinussowitsch Migdal|Arkadi Migdal]] und Pomerantschuk. Er war der Gründer einer einflussreichen Schule theoretischer Elementarteilchenphysiker in Leningrad. | ||
Ende der 1950er Jahre entwickelte er mit Pomerantschuk (nach dem es benannt ist) das [[Pomeron]]-Konzept in der Theorie der starken Wechselwirkung, ein hypothetisches neutrales<ref>sowohl elektrisch als auch was die starke Wechselwirkung anbelangt.</ref> Teilchen, das das Hochenergieverhalten der Streuquerschnitte erklären soll. <ref>Heute werden dahinter vielfach [[Gluon]]en-Bälle vermutet</ref> In den 1960er Jahren war er einer der führenden Wissenschaftler in der damals viel untersuchten [[Tullio Regge|Regge]]-Theorie, baute diese zu einer Feldtheorie aus (Reggeon Calculus, ab 1968) und schuf gleichzeitig Verbindungen zu Quantenfeldtheorien<ref>Das Reggeon-Kalkül beschrieb den Austausch mehrere Pomeronen, von Gribov feldtheoretisch als Leiter-Diagramme von Mesonen beschrieben</ref> | Ende der 1950er Jahre entwickelte er mit Pomerantschuk (nach dem es benannt ist) das [[Pomeron]]-Konzept in der Theorie der starken Wechselwirkung, ein hypothetisches neutrales<ref>sowohl elektrisch als auch was die starke Wechselwirkung anbelangt.</ref> Teilchen, das das Hochenergieverhalten der Streuquerschnitte erklären soll.<ref>Heute werden dahinter vielfach [[Gluon]]en-Bälle vermutet</ref> In den 1960er Jahren war er einer der führenden Wissenschaftler in der damals viel untersuchten [[Tullio Regge|Regge]]-Theorie, baute diese zu einer Feldtheorie aus (Reggeon Calculus, ab 1968) und schuf gleichzeitig Verbindungen zu Quantenfeldtheorien.<ref>Das Reggeon-Kalkül beschrieb den Austausch mehrere Pomeronen, von Gribov feldtheoretisch als Leiter-Diagramme von Mesonen beschrieben</ref> Diese Untersuchungen zum Hochenergieverhalten der starken Wechselwirkungen wurden jedoch ab etwa 1973 durch die Erfolge der [[Quantenchromodynamik]] (QCD) ins Abseits gedrängt, die sich im Bereich kurzer Abstände („[[Asymptotische Freiheit]]“) als störungstheoretisch gut zugänglich erwies. Gribow untersuchte aber in den 1970er Jahren weiterhin nichtstörungstheoretische Aspekte nichtabelscher [[Eichtheorie]]n ([[Yang-Mills-Theorie]]). Er fand dort eine Struktur im Raum der Eichfreiheitsgrade, die auch bei lorentzkovarianter Eichfixierung bestand (Gribov Copies, 1977).<ref>Gribow interessierte dies vor allem im Zusammenhang mit dem [[Confinement]]-Problem der QCD</ref> Er war einer der ersten, die [[Instanton]]en als Tunnellösungen topologisch verschiedener Vakuumzustände in Eichtheorien interpretierten,<ref>Gribow misstraute der euklidischen Formulierung der QFT und suchte nach einer physikalischen Interpretation der 1977 von [[Alexander Markowitsch Poljakow|Alexander Poljakow]] und anderen entdeckten Instantonlösungen von [[Yang-Mills-Theorie]]n. Erinnerungen von Alexander Belawin im „Gribov Memorial Volume“</ref> unabhängig von [[Gerardus ’t Hooft]] und etwa zur gleichen Zeit. Nach [[Jakow Borissowitsch Seldowitsch|Seldowitsch]] nahm er auch die [[Hawking-Strahlung]] in Diskussionen mit diesem lange vor Hawking vorweg – Seldowitsch glaubte ihm damals allerdings nicht.<ref>Nach den Erinnerungen von Alexander Belawin im „Gribov Memorial Volume“</ref> Ende der 1960er Jahre entwickelte Gribow unabhängig von [[Richard Feynman]] das [[Parton (Physik)|Parton]]-Bild für [[Tiefinelastische Streuung|tiefinelastische]] Streuung an [[Hadron]]en.<ref>das modellunabhängig die damals dabei beobachtete Bjorken-Skalierung durch punktförmige Streuzentren (Partonen) erklärte</ref> Mit [[Lew Nikolajewitsch Lipatow|Lew Lipatow]] entwickelte er 1971 eine einflussreiche Theorie logarithmischer Korrekturen in der tiefinelastischen Elektron-Streuung an Hadronen und von Hochenergie-Experimenten mit Elektron-Positron-Vernichtung aus Evolutionsgleichungen<ref>„Evolution“ in Hinsicht auf den Impuls des übertragenen virtuellen Photons</ref> für die Strukturfunktionen ([[Quark (Physik)|Quark]]-Gluon Verteilungsfunktionen) der Hadronen, die eine der Grundlagen der störungstheoretischen Quantenchromodynamik (QCD) wurden ([[DGLAP-Gleichungen]]).<ref>Gribov, Lipatov, Physics Letters B 37, 1971, S. 78. Von Altarelli und [[Giorgio Parisi]] und Juri Dokshitzer 1977 weiter entwickelt.</ref> Mit [[Alexander Migdal]] untersuchte er 1968 das Skalierungsverhalten bei Phasenübergängen mit Ideen aus der Quantenfeldtheorie.<ref>Gribow selbst interessierte sich zwar mehr für Elementarteilchenphysik, diskutierte aber Probleme aus allen Bereichen der Physik und bezog viele Inspirationen aus der Festkörperphysik. Eine Devise an seinem Institut war auch, das ein Theoretiker sich niemals Fragen von Experimentatoren verweigern sollte.</ref> Ein Schwerpunkt seines Interesses in späteren Jahren waren Confinement-Mechanismen in nichtabelschen Eichtheorien, wobei er die Ansicht vertrat, das diese nicht wie vielfach vermutet durch Instanton- oder Monopol-Lösungen der klassischen Versionen der nichtabelschen Eichtheorien erklärbar wäre,<ref>Schon in den 1970er Jahren war er zu den Arbeiten von [[Ludwig Dmitrijewitsch Faddejew|Ludwig Faddejew]] und anderen zur Quantisierung von [[Soliton]]en kritisch eingestellt. Auch anderen anderswo weithin akzeptierten Konzepten setzte er lange Widerstand entgegen, z. B. dem Quarkkonzept.</ref> er führte sie vielmehr auf einen ähnlichen Abschirm-Mechanismus zurück, der auch in der Quantenelektrodynamik zu einer oberen Grenze für die Kernladung führt: Eine höhere Ladung erzeugt dort superkritische Felder mit spontaner Vakuumpolarisation (Erzeugung von Elektron-Positron-Paaren), aus der die Kernladung abgebaut wird. Zahlreiche theoretische Konzepte sind nach Gribov benannt (u. a. Froissart-Gribov Darstellung in der Regge-Theorie). | ||
Nach dem Überwechseln ans Landau Institut in Moskau war er trotz seines Rufs relativ isoliert, da er weiter eigenen Ideen zum Quark-Confinement folgte (seinem Hauptarbeitsgebiet seit Mitte der 1970er Jahre) und den in den 1980er Jahren aktuellen Ideen der Stringtheorie und integrabler<ref>das heißt exakt lösbarer</ref> (zweidimensionaler) Feldtheorien reserviert gegenüberstand.<ref>Belawin in „Gribov Memorial Volume“. Gribow hielt die Erfolge konformer Feldtheorien für Relikte der zweidimensionalen Natur dieser Theorien.</ref> Statt in Moskau organisierte er Anfang der 1980er Jahre Seminare in Odessa. | Nach dem Überwechseln ans Landau Institut in Moskau war er trotz seines Rufs relativ isoliert, da er weiter eigenen Ideen zum Quark-Confinement folgte (seinem Hauptarbeitsgebiet seit Mitte der 1970er Jahre) und den in den 1980er Jahren aktuellen Ideen der Stringtheorie und integrabler<ref>das heißt exakt lösbarer</ref> (zweidimensionaler) Feldtheorien reserviert gegenüberstand.<ref>Belawin in „Gribov Memorial Volume“. Gribow hielt die Erfolge konformer Feldtheorien für Relikte der zweidimensionalen Natur dieser Theorien.</ref> Statt in Moskau organisierte er Anfang der 1980er Jahre Seminare in Odessa. | ||
== Schriften == | == Schriften == | ||
* Strong interactions of hadrons at high energies | * ''Strong interactions of hadrons at high energies''. Cambridge University Press, 2008 (Vorlesungen von Gribov aus den 1970er Jahren) | ||
* The theory of complex angular momentum | * ''The theory of complex angular momentum''. Cambridge University Press, 2003 (Vorlesungen Gribows von 1969) | ||
* | * ''Orsay Lectures on Confinement''. Teil 1, 1992, {{arXiv|hep-ph/9403218}}; Teil 2, {{arXiv|hep-ph/9404332}}; Teil 3, {{arXiv|hep-ph/9905285}} | ||
* ''QCD at large and short distances'', 1998, letzte Arbeiten zum Confinement Problem, {{arXiv|hep-ph/9807224}}; und ''Theory of quark confinement'', 1999, zweiter Teil der Arbeiten, ebenfalls [[posthum]]; {{arXiv|hep-ph/9902279}} | |||
* ''Space-Time Description of the hadron interaction at high energies''. 8. Petersburger Winterschule, 1973, {{arXiv|hep-ph/0006158}} | |||
*J. Nyiri ( | * J. Nyiri (Hrsg.): ''The Gribov theory of quark confinement''. In: ''World Scientific'', 2001 (Reprints von Gribov, Vorwort A. Vainshtein) | ||
== Literatur == | == Literatur == | ||
* Yuri Dokshitzer, P. Levai, Julia Nyiri ( | * [[Yuri Dokshitzer]], P. Levai, Julia Nyiri (Hrsg.): ''Gribov Memorial Volume – Quarks, Hadrons and Strong Interactions''. 2006 (mit Erinnerungen von Amati, Frenkel, [[Alexander Abramowitsch Belawin|Alexander Belavin]], Larry McLerran) | ||
* | * Yu. L. Dokshitzer, [[Dmitri Kharzeev|D. E. Kharzeev]]: ''The Gribov conception of QCD''. In: ''Ann.Rev.Nucl.Part.Sci.'', Band 54, 2004, S. 487–524, {{arXiv|hep-ph/0404216}} | ||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
*[http://lib-docs.web.cern.ch/lib-docs/Archives/biographies/Gribov_NG-199710.pdf Nachruf am CERN | * [http://lib-docs.web.cern.ch/lib-docs/Archives/biographies/Gribov_NG-199710.pdf Nachruf] (PDF; 84 kB) am CERN | ||
* [http://thd.pnpi.spb.ru/History/Gribov/gribov.html Weiterer Nachruf von Dokshitzer 1998 mit Schilderung seines Seminars], | * [http://thd.pnpi.spb.ru/History/Gribov/gribov.html Weiterer Nachruf von Dokshitzer 1998 mit Schilderung seines Seminars], {{arXiv|physics/9801025}} | ||
* | * Yuri Dokshitzer, Vladimir Gribov 1998, {{arXiv|physics/9801025}} | ||
*[http://scitation.aip.org/content/aip/magazine/physicstoday/article/51/3/10.1063/1.882164 Okun, Nachruf | * [http://scitation.aip.org/content/aip/magazine/physicstoday/article/51/3/10.1063/1.882164 Okun, Nachruf.] In: ''Physics Today'', März 1998 | ||
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Wladimir Naumowitsch Gribow ({{Modul:Vorlage:lang}} Modul:ISO15924:97: attempt to index field 'wikibase' (a nil value), wiss. Transliteration Vladimir Naumovič Gribov, im Englischen zitiert als Vladimir Gribov; * 25. März 1930 in Leningrad; † 13. August 1997 in Budapest) war ein führender russischer theoretischer Physiker, der sich mit Hochenergiephysik und Quantenfeldtheorie (QFT) beschäftigte.
Gribow schloss sein Studium in Leningrad 1952 ab, fand als Jude zunächst keine Anstellung an der Universität und war danach zwei Jahre Lehrer an einer Abendschule. 1954 war er am Joffe-Institut (damals Physikalisch-Technisches Institut, PTI) in Leningrad, wo er bald de facto (wenn auch nicht offiziell[1]) die theoretische Abteilung leitete. Ab Ende der 1950er Jahre nahm er an den berühmten wöchentlichen Seminaren von Lew Landau in Moskau teil, wo er auch Isaak Pomerantschuk traf, mit dem er sich eng befreundete und mit dem er zusammenarbeitete. 1971 wurde die Theorieabteilung des PTI, an dem Gribow war, Teil des Instituts für Kernphysik (LNPI) in Gattschina bei Leningrad. In Leningrad führte er ein weithin in der Sowjetunion (und auch international) bekanntes Seminar über Quantenfeldtheorie und Elementarteilchenphysik,[2] er selbst durfte aber über Jahrzehnte nicht ins Ausland reisen.[3] Er war zwar kein offener Dissident, war aber als unabhängiger und kritischer Geist bekannt.[4] Ab 1980 war er Professor am Landau-Institut für Theoretische Physik in Moskau und ab den 1990er Jahren gleichzeitig Wissenschaftsrat am Zentralinstitut für Physikalische Forschung der Akademie der Wissenschaften Ungarns. Außerdem war er u. a. Ende der 1990er Jahre Gastprofessor am Institut für Kernphysik der Universität Bonn.
1991 erhielt er den Sakurai-Preis, er erhielt den Alexander von Humboldt-Preis und gewann (als erster) 1971 den Landau-Preis der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Er war Mitglied der American Academy of Arts and Sciences, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Er war zweimal verheiratet und hatte einen Sohn Lenja Gribow, der ein aufstrebender theoretischer Physiker war[5] aber bei einem Bergunfall im Pamir-Gebirge ums Leben kam, was Gribow schwer traf. In zweiter Ehe war er mit der Ungarin Julia Nyiri verheiratet.
Ihm zu Ehren vergibt die Europäische Physikalische Gesellschaft seit 2001 die Gribov Medal.
Gribow nahm in Kreisen der theoretischen Physik in der Sowjetunion aufgrund seiner allseits bewunderten physikalischen Intuition eine herausragende Stellung ein, vergleichbar mit der Landaus in den 1950er Jahren und der der ebenfalls mit dem Landau-Seminar verbundenen Physiker Arkadi Migdal und Pomerantschuk. Er war der Gründer einer einflussreichen Schule theoretischer Elementarteilchenphysiker in Leningrad.
Ende der 1950er Jahre entwickelte er mit Pomerantschuk (nach dem es benannt ist) das Pomeron-Konzept in der Theorie der starken Wechselwirkung, ein hypothetisches neutrales[6] Teilchen, das das Hochenergieverhalten der Streuquerschnitte erklären soll.[7] In den 1960er Jahren war er einer der führenden Wissenschaftler in der damals viel untersuchten Regge-Theorie, baute diese zu einer Feldtheorie aus (Reggeon Calculus, ab 1968) und schuf gleichzeitig Verbindungen zu Quantenfeldtheorien.[8] Diese Untersuchungen zum Hochenergieverhalten der starken Wechselwirkungen wurden jedoch ab etwa 1973 durch die Erfolge der Quantenchromodynamik (QCD) ins Abseits gedrängt, die sich im Bereich kurzer Abstände („Asymptotische Freiheit“) als störungstheoretisch gut zugänglich erwies. Gribow untersuchte aber in den 1970er Jahren weiterhin nichtstörungstheoretische Aspekte nichtabelscher Eichtheorien (Yang-Mills-Theorie). Er fand dort eine Struktur im Raum der Eichfreiheitsgrade, die auch bei lorentzkovarianter Eichfixierung bestand (Gribov Copies, 1977).[9] Er war einer der ersten, die Instantonen als Tunnellösungen topologisch verschiedener Vakuumzustände in Eichtheorien interpretierten,[10] unabhängig von Gerardus ’t Hooft und etwa zur gleichen Zeit. Nach Seldowitsch nahm er auch die Hawking-Strahlung in Diskussionen mit diesem lange vor Hawking vorweg – Seldowitsch glaubte ihm damals allerdings nicht.[11] Ende der 1960er Jahre entwickelte Gribow unabhängig von Richard Feynman das Parton-Bild für tiefinelastische Streuung an Hadronen.[12] Mit Lew Lipatow entwickelte er 1971 eine einflussreiche Theorie logarithmischer Korrekturen in der tiefinelastischen Elektron-Streuung an Hadronen und von Hochenergie-Experimenten mit Elektron-Positron-Vernichtung aus Evolutionsgleichungen[13] für die Strukturfunktionen (Quark-Gluon Verteilungsfunktionen) der Hadronen, die eine der Grundlagen der störungstheoretischen Quantenchromodynamik (QCD) wurden (DGLAP-Gleichungen).[14] Mit Alexander Migdal untersuchte er 1968 das Skalierungsverhalten bei Phasenübergängen mit Ideen aus der Quantenfeldtheorie.[15] Ein Schwerpunkt seines Interesses in späteren Jahren waren Confinement-Mechanismen in nichtabelschen Eichtheorien, wobei er die Ansicht vertrat, das diese nicht wie vielfach vermutet durch Instanton- oder Monopol-Lösungen der klassischen Versionen der nichtabelschen Eichtheorien erklärbar wäre,[16] er führte sie vielmehr auf einen ähnlichen Abschirm-Mechanismus zurück, der auch in der Quantenelektrodynamik zu einer oberen Grenze für die Kernladung führt: Eine höhere Ladung erzeugt dort superkritische Felder mit spontaner Vakuumpolarisation (Erzeugung von Elektron-Positron-Paaren), aus der die Kernladung abgebaut wird. Zahlreiche theoretische Konzepte sind nach Gribov benannt (u. a. Froissart-Gribov Darstellung in der Regge-Theorie).
Nach dem Überwechseln ans Landau Institut in Moskau war er trotz seines Rufs relativ isoliert, da er weiter eigenen Ideen zum Quark-Confinement folgte (seinem Hauptarbeitsgebiet seit Mitte der 1970er Jahre) und den in den 1980er Jahren aktuellen Ideen der Stringtheorie und integrabler[17] (zweidimensionaler) Feldtheorien reserviert gegenüberstand.[18] Statt in Moskau organisierte er Anfang der 1980er Jahre Seminare in Odessa.
Personendaten | |
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NAME | Gribow, Wladimir Naumowitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Грибов, Владимир Наумович (russisch) |
KURZBESCHREIBUNG | russischer Physiker |
GEBURTSDATUM | 25. März 1930 |
GEBURTSORT | Leningrad |
STERBEDATUM | 13. August 1997 |
STERBEORT | Budapest |