DGLAP-Gleichungen

DGLAP-Gleichungen

Die DGLAP-Gleichungen beschreiben in der Teilchenphysik, wie die Partondichten von der betrachteten Energieskala abhängen.[1] Sie wurden unabhängig von den Physikern Yuri Dokshitzer,[2] Wladimir Naumowitsch Gribow und Lew Nikolajewitsch Lipatow,[3] sowie Guido Altarelli und Giorgio Parisi[4] entwickelt, nach deren Anfangsbuchstaben die Gleichungen benannt sind. Nach den letzten beiden wurden die Gleichungen früher auch als Altarelli-Parisi-Gleichungen bezeichnet.

Hintergrund

Partondichten sind Verteilungsfunktionen von Bestandteilen stark gebundenener Systeme der starken Wechselwirkung wie zum Beispiel Protonen und hängen vom Impulsbruchteil des Partons x sowie der betrachteten Energieskala Q2 ab. Dabei ist der Impulsbruchteil zwischen 0x1 beschränkt, die Energieskala ist hingegen zu hohen Energien beliebig weit offen. Da die Kopplungskonstante der starken Wechselwirkung in gebundenen Systemen groß wird, sind diese Systeme perturbativ nicht beschreibbar; die Partondichten müssen daher experimentell bestimmt werden. Die DGLAP-Gleichungen ermöglichen es, diese experimentellen Messungen, statt für alle möglichen x und Q2, bei einer festen Energiesakala durchzuführen und aus diesen Daten das Verhalten der Partondichten auf beliebigen Energieskalen (bei festem Impulsbruchteil) zu erschließen.

Führende Ordnung

Die DGLAP-Gleichungen in der führenden Ordnung der Störungsreihe in der Kopplungskonstanten der starken Wechselwirkung lauten:

Q2Q2(qi(x,Q2)q¯i(x,Q2)g(x,Q2))=αs(Q2)2πjx1dξξ(Pqiqj(x/ξ)0Pqig(x/ξ)0Pq¯iq¯j(x/ξ)Pq¯ig(x/ξ)Pgqj(x/ξ)Pgq¯j(x/ξ)Pgg(x/ξ))(qj(ξ,Q2)q¯j(ξ,Q2)g(ξ,Q2))

wobei P die Splitting-Funktionen bezeichnet. Hierbei ist Q2 die Energieskala des betrachteten Prozesses, x der Impulsbruchteil des betrachteten Teilchens im Vergleich zum Mutterteilchen und qi(x,Q2) die Partondichtefunktion für Quarks beziehungsweise q¯i(x,Q2) die für Antiquarks mit Flavour i und g(x,Q2) die der Gluonen.

Splitting-Funktionen

Die Splitting-Funktionen nehmen für die möglichen Fälle vier verschiedene Formen an: Pqq — Ein Quark strahlt ein Quark ab, Pgq — Ein Quark strahlt ein Gluon ab, Pqg — Ein Gluon strahlt ein Quark ab und Pgg — Ein Gluon strahlt ein Gluon ab. Für die Splitting-Funktionen ist unerheblich, ob es sich um Quarks oder Antiquarks handelt Darüber hinaus ist für die Gluon-Quark-Splittingfunktionen ebenfalls das Flavour der Quarks unerheblich, während für die Quark-Quark-Splittingfunktion nur Quarks identischen Flavours ineinander übergehen. Die Splitting-Funktionen haben daher die Form:

Pqiqj=Pq¯iq¯jδijPqq=δijCF(1+x2(1x)++32δ(1x))Pgqi=Pgq¯iPgq=CF(1+(1x)2x)Pqig=Pq¯igPqg=TF(x2+(1x)2)Pgg=2CA(x(1x)++(1x)(x+1x))+11CA4nfTF6δ(1x)

Dabei sind CF=4/3 der quadratische Casimir-Operator der fundamentalen Darstellung der Lie-Gruppe der Theorie, im Standardmodell der SU(3), CA=3 der Casimir-Operator der adjungierten Darstellung, TF=1/2 der Index der fundamentalen Darstellung und nf=3 die Anzahl an Quark-Flavours.[5] Außerdem wurde die Plus-Distribution verwendet, die über die Gleichung[1]

01f(x)(1x)+dx=01f(x)f(1)1xdx

definiert ist.

Alternative Basis

Statt der physikalischen (qi,q¯i,g)-Basis kann zur Vereinfachung der Gleichungen die (qiNS,qiS,g)-Basis verwendet werden. Dabei gilt

(qiNSqiSg)=(110110001)(qiq¯ig)

Der Superskript NS beziffert die Non-Singulett-Dichtefunktion, während der Superskript S die Singulett-Dichtefunktion bezeichnet. Der Begriff des Singuletts bezieht sich in diesem Fall nicht auf die Multiplizität, sondern auf die Baryonenzahl, die sich im Fall des NS-Zustandes zu b=2/3 und im Fall des S-Zustandes zu b=0 ergibt.

Durch die Basistransformation entkoppeln die DGLAP-Gleichungen insofern, als dass zur Lösung der NS-Verteilungsfunktionen die Gluon-Verteilungsfunktion nicht benötigt wird:

Q2Q2(qiNS(x,Q2)qiS(x,Q2)g(x,Q2))=αs(Q2)2πjx1dξξ(δijPqq(x/ξ)000δijPqq(x/ξ)2Pqg(x/ξ)0Pgq(x/ξ)Pgg(x/ξ))(qjNS(ξ,Q2)qjS(ξ,Q2)g(ξ,Q2))

DGLAP-Gleichungen im Mellin-Raum

Die DGLAP-Gleichungen können nach einer Mellin-Transformation vereinfacht dargestellt werden, da sich im Mellin-Raum das Integral in ein Produkt wandelt. Sie lauten dann:

Q2Q2(qi(N,Q2)q¯i(N,Q2)g(N,Q2))=αs(Q2)2πj(δijγqq(N)0γqg(N)0δijγqq(N)γqg(N)γgq(N)γgq(N)γgg(N))(qj(N,Q2)q¯j(N,Q2)g(N,Q2))

Dabei ist die Mellin-Transformierte f(N) gegeben durch:

f(N)=0dxxN1f(x)

Die auftretenden Funktionen γ nennt man anomale Dimension und sind die Mellin-Transformierten der Splitting-Funktionen.

Singulett/Non-Singulett-Basis im Mellin-Raum

Die DGLAP-Gleichungen in der Singulett/Non-Singulett-Basis lauten im Mellin-Raum entsprechend

Q2Q2(qiNS(N,Q2)qiS(N,Q2)g(N,Q2))=αs(Q2)2πj(δijγqq(N)000δijγqq(N)2γqg(N)0γgq(N)γgg(N))(qjNS(N,Q2)qjS(N,Q2)g(N,Q2))

Lösung

Durch diese Darstellung kann eine kompakte Lösung für die DGLAP-Gleichungen für die Non-Singulett-Verteilungsfunktionen angegeben werden, da die Energieskalenabhängigkeit der Kopplungskonstanten durch die Callan-Symanzik-Gleichung bestimmt ist. In führender Ordnung gilt

αs(Q2)=αs(μ2)1+b0αs(μ2)lnQ2μ2

mit einer Referenzskala μ2 und einer theorieabhängigen Konstanten b0=332nf12π

Dann ist die Lösung für die Non-Singulett-Verteilungsfunktion

qiNS(N,Q2)=qiNS(N,μ2)(1+αsb0lnQ2μ2)γqq2πb0

Weiterführendes

  • M. E. Peskin, D. V. Schroeder: An Introduction to Quantum Field Theory. Westview Press, Boulder 1995, ISBN 0-201-50397-2, S. 590 ff.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Guido Altarelli: QCD evolution equations for parton densities. In: Scholarpedia. Band 4, Nr. 1, 2009, S. 7124, doi:10.4249/scholarpedia.7124.
  2. Yuri L. Dokshitzer: Calculation of the Structure Functions for Deep Inelastic Scattering and e+ e Annihilation by Perturbation Theory in Quantum Chromodynamics. In: Sov. Phys. JETP. Band 46, Nr. 4, 1977, S. 641–653 (jetp.ac.ru [PDF; abgerufen am 9. März 2014]).
  3. V. Gribov, L. Lipatov: Deep inelastic e p scattering in perturbation theory. In: Sov. J. Nucl. Phys. Band 15, 1972, S. 438–450.
  4. G. Altarelli, G. Parisi: Asymptotic freedom in parton language. In: Nuclear Physics B. Band 126, Nr. 2, 1977, S. 298–318, doi:10.1016/0550-3213(77)90384-4.
  5. CTEQ Handbook.