Schweregradient: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''Schweregradienten''' bezeichnet man in der [[Erdmessung]] die Änderung der [[Schwerebeschleunigung]] im Raum. Dabei unterscheidet man zwischen vertikalem und horizontalem Schweregradienten.
== Vertikaler Schweregradient ==
== Vertikaler Schweregradient ==
Als '''Vertikaler Schweregradient''' wird die [[Vertikalgradient|Änderung]] <math>\frac{\mathrm{d}g}{\mathrm{d}h}</math> der [[Schwerebeschleunigung]] <math>g</math> mit der [[Höhe (Geodäsie)|Höhe]] <math>h</math> bezeichnet. Letztere bezieht sich – je nach Rechenmodell – auf das [[Geoid]] bzw. auf die [[Referenzfläche]] einer [[Landesvermessung]] oder das mittlere [[Erdellipsoid]].
Als vertikaler Schweregradient wird die [[Vertikalgradient|Änderung]] <math>\frac{\mathrm{d}g}{\mathrm{d}h}</math> der Schwerebeschleunigung <math>g</math> mit der [[Höhe (Geodäsie)|Höhe]] <math>h</math> bezeichnet. Letztere bezieht sich – je nach Rechenmodell – auf das [[Geoid]] bzw. auf die [[Referenzfläche]] einer [[Landesvermessung]] oder das mittlere [[Erdellipsoid]].
[[Datei:EarthGravityPREM.jpg|thumb|Schwerebeschleunigung aufgetragen über dem Abstand vom Erdmittelpunkt;<br/>unterhalb der Erdoberfläche steigt die Schwere bis zur [[Kern-Mantel-Grenze]]]]
[[Datei:EarthGravityPREM.jpg|mini|Schwerebeschleunigung aufgetragen über dem Abstand vom Erdmittelpunkt;<br/>unterhalb der Erdoberfläche steigt die Schwere bis zur [[Kern-Mantel-Grenze]]]]
* Im [[Flachland]] beträgt der Vertikalgradient durchschnittlich -0,3086&nbsp;[[mGal]]/Meter&nbsp;=&nbsp;-3,086&nbsp;µm/(s²·m) und wird ''Freiluftgradient'' genannt, die Schwerebeschleunigung nimmt dabei mit zunehmender Höhe ab (siehe [[Normalschwere #Höhenabhängigkeit|Höhenabhängigkeit der Normalschwere]]).
* Im [[Flachland]] beträgt der Vertikalgradient durchschnittlich −0,3086&nbsp;[[mGal]]/Meter&nbsp;=&nbsp;-3,086&nbsp;µm/(s²·m) und wird ''Freiluftgradient'' genannt, die Schwerebeschleunigung nimmt dabei mit zunehmender Höhe ab (siehe [[Normalschwere#Höhenabhängigkeit|Höhenabhängigkeit der Normalschwere]]).
* Im [[Hügelland]] variiert er um einige Prozent,
* Im [[Hügelland]] variiert er um einige Prozent,
* im [[Hochgebirge]] jedoch 10-mal mehr, weil er stark von der [[Geländeform]] beeinflusst wird. In einem sehr steilen, engen [[Tal]] kann er fast jenen Wert annehmen, der in einem [[Bohrung (Geologie)|Bohrloch]] herrscht (etwa -0,1&nbsp;mGal/m).
* im [[Hochgebirge]] jedoch 10-mal stärker, weil er stark von der [[Geländeform]] beeinflusst wird. In einem sehr steilen, engen [[Tal]] kann er fast jenen Wert annehmen, der in einem [[Bohrung (Geologie)|Bohrloch]] herrscht (etwa −0,1&nbsp;mGal/m).
* Im [[Erdinneres|Erdinneren]] in der [[Erdkruste]] beträgt der [[Adalbert Prey|Prey]]- oder "innere Gradient" etwa -0,085&nbsp;mGal/m, mit zunehmender Tiefe (d.h. mit abnehmender Höhe) nimmt die Schwerebeschleunigung wegen der hohen [[Dichte]] des [[Erdkern]]s leicht zu.
* Im [[Erdinneres|Erdinneren]] in der [[Erdkruste]] beträgt der [[Adalbert Prey|Prey]]- oder "innere Gradient" etwa −0,085&nbsp;mGal/m, mit zunehmender Tiefe (d.&nbsp;h. mit abnehmender Höhe) nimmt die Schwerebeschleunigung wegen der hohen [[Dichte]] des [[Erdkern]]s leicht zu.


Die Vertikalgradienten sind einerseits für geologisch-[[geophysik]]alische Untersuchungen von Bedeutung. Andererseits werden sie zur [[Topografische Reduktion|Reduktion]] gemessener Schwerewerte benötigt, denn die Vermessung des [[Erdschwerefeld]]es ist nur sinnvoll, wenn die Daten anschließend auf eine einheitliche Höhe umgerechnet werden. Die so erhaltenen Differenzen zu einem regionalen Mittelwert werden [[Schwereanomalie]]n genannt.  
Die Vertikalgradienten sind einerseits für geologisch-[[geophysik]]alische Untersuchungen von Bedeutung. Andererseits werden sie zur [[Topografische Reduktion|Reduktion]] gemessener Schwerewerte benötigt, denn die Vermessung des [[Erdschwerefeld]]es ist nur sinnvoll, wenn die Daten anschließend auf eine einheitliche Höhe umgerechnet werden. Die so erhaltenen Differenzen zu einem regionalen Mittelwert werden [[Schwereanomalie]]n genannt.  


Eine Besonderheit stellt der ''Bouguergradient'' (nach [[Pierre Bouguer]]) dar. Er beträgt etwa -0,19&nbsp;mGal/m und ergibt sich aus dem Freiluftgradient, wenn die unter dem Messpunkt liegende Geländeplatte weggerechnet wird. Damit erhält man die ''Bougueranomalien'', welche eine allenfalls abweichende Gesteinsdichte im Untergrund anzeigen. Man verwendet sie in der Geophysik und zur Suche nach [[Lagerstätte]]n.  
Eine Besonderheit stellt der ''Bouguergradient'' (nach [[Pierre Bouguer]]) dar. Er beträgt etwa −0,19&nbsp;mGal/m und ergibt sich aus dem Freiluftgradient, wenn die unter dem Messpunkt liegende Geländeplatte weggerechnet wird. Damit erhält man die ''Bougueranomalien'', welche eine allenfalls abweichende Gesteinsdichte im Untergrund anzeigen. Man verwendet sie in der Geophysik und zur Suche nach [[Lagerstätte]]n.  


Vertikalgradienten treten auch in größerer Entfernung von der Erde auf und können dazu genutzt werden, einen [[Satellit (Raumfahrt)|Satelliten]] auf einer [[Umlaufbahn]] erdfest zu orientieren ([[Stabilisation (Raumfahrt) #Gravitationsstabilisierung|Gravitationsstabilisation]]). Dies geschieht auch auf natürliche Weise mit jedem länglichen Körper in einer Umlaufbahn.
Vertikalgradienten treten auch in größerer Entfernung von der Erde auf und können dazu genutzt werden, einen [[Satellit (Raumfahrt)|Satelliten]] auf einer [[Umlaufbahn]] erdfest zu orientieren ([[Stabilisation (Raumfahrt) #Gravitationsstabilisierung|Gravitationsstabilisation]]). Dies geschieht auch auf natürliche Weise mit jedem länglichen Körper in einer Umlaufbahn.


== Horizontaler Schweregradient ==
== Horizontaler Schweregradient ==
Der '''Horizontale Schweregradient''' hat eine geringere Bedeutung und ist auch wesentlich kleiner als der vertikale Schweregradient. Spezielle Projekte der [[Gravimetrie]] und der [[Erdmessung]] benutzen die horizontale Schwereänderung, um Details über die obere Erdkruste oder den Geoidverlauf zu untersuchen. Als Einheit wird meist das [[Eötvös (Einheit)|Eötvös]] verwendet, benannt nach dem Ungarn [[Roland Eötvös]], der in den 1920ern die [[Drehwaage]] konstruierte. Sie wurde besonders in der [[Erdöl]]-[[Exploration (Geologie)|Exploration]] verwendet, bevor ab etwa 1960 die modernen [[Gravimeter]] aufkamen.
Der horizontale Schweregradient hat eine geringere Bedeutung und ist auch wesentlich kleiner als der vertikale Schweregradient. Spezielle Projekte der [[Gravimetrie]] und der Erdmessung benutzen die horizontale Schwereänderung, um Details über die obere Erdkruste oder den Geoidverlauf zu untersuchen. Als Einheit wird meist das [[Eötvös (Einheit)|Eötvös]] verwendet, benannt nach dem Ungarn [[Roland Eötvös]], der in den 1920ern die [[Drehwaage]] konstruierte. Sie wurde besonders in der [[Erdöl]]-[[Exploration (Geologie)|Exploration]] verwendet, bevor ab etwa 1960 die modernen [[Gravimeter]] aufkamen.


Die jüngste Anwendung horizontaler Schweregradienten kommt aus der [[Satellitengeodäsie]]. Spezielle [[Geodätischer Satellit|geodätische Satelliten]] wie [[GRACE]] und der ehemalige [[Gravity field and steady-state ocean circulation explorer|GOCE]] messen die Änderungen der [[Schwerkraft]] innerhalb der Sonden in drei bis sechs Richtungen mit [[Gradiometer]]n; auch genaue [[Mikrowellen]]-[[Distanzmessung]]en zwischen zwei hintereinander fliegenden Satelliten können diese Gradienten erfassen. Damit ist eine regionale [[Geoidbestimmung]] möglich, die im Mittel über etwa 100&nbsp;km × 100&nbsp;km eine Genauigkeit von einem Zentimeter erreicht und zur Erfassung langfristiger Änderungen der Erde geplant ist.  
Die jüngste Anwendung horizontaler Schweregradienten kommt aus der [[Satellitengeodäsie]]. Spezielle [[Geodätischer Satellit|geodätische Satelliten]] wie [[GRACE]] und der ehemalige [[Gravity field and steady-state ocean circulation explorer|GOCE]] messen die Änderungen der [[Schwerkraft]] innerhalb der Sonden in drei bis sechs Richtungen mit [[Gradiometer]]n; auch genaue [[Mikrowellen]]-[[Distanzmessung]]en zwischen zwei hintereinander fliegenden Satelliten können diese Gradienten erfassen. Damit ist eine regionale [[Geoidbestimmung]] möglich, die im Mittel über etwa 100&nbsp;km × 100&nbsp;km eine Genauigkeit von einem Zentimeter erreicht und zur Erfassung langfristiger Änderungen der Erde geplant ist.  
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  | Autor=Christoph Reigber, Peter Schwintzer
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Aktuelle Version vom 18. November 2020, 08:59 Uhr

Als Schweregradienten bezeichnet man in der Erdmessung die Änderung der Schwerebeschleunigung im Raum. Dabei unterscheidet man zwischen vertikalem und horizontalem Schweregradienten.

Vertikaler Schweregradient

Als vertikaler Schweregradient wird die Änderung $ {\frac {\mathrm {d} g}{\mathrm {d} h}} $ der Schwerebeschleunigung $ g $ mit der Höhe $ h $ bezeichnet. Letztere bezieht sich – je nach Rechenmodell – auf das Geoid bzw. auf die Referenzfläche einer Landesvermessung oder das mittlere Erdellipsoid.

Schwerebeschleunigung aufgetragen über dem Abstand vom Erdmittelpunkt;
unterhalb der Erdoberfläche steigt die Schwere bis zur Kern-Mantel-Grenze
  • Im Flachland beträgt der Vertikalgradient durchschnittlich −0,3086 mGal/Meter = -3,086 µm/(s²·m) und wird Freiluftgradient genannt, die Schwerebeschleunigung nimmt dabei mit zunehmender Höhe ab (siehe Höhenabhängigkeit der Normalschwere).
  • Im Hügelland variiert er um einige Prozent,
  • im Hochgebirge jedoch 10-mal stärker, weil er stark von der Geländeform beeinflusst wird. In einem sehr steilen, engen Tal kann er fast jenen Wert annehmen, der in einem Bohrloch herrscht (etwa −0,1 mGal/m).
  • Im Erdinneren in der Erdkruste beträgt der Prey- oder "innere Gradient" etwa −0,085 mGal/m, mit zunehmender Tiefe (d. h. mit abnehmender Höhe) nimmt die Schwerebeschleunigung wegen der hohen Dichte des Erdkerns leicht zu.

Die Vertikalgradienten sind einerseits für geologisch-geophysikalische Untersuchungen von Bedeutung. Andererseits werden sie zur Reduktion gemessener Schwerewerte benötigt, denn die Vermessung des Erdschwerefeldes ist nur sinnvoll, wenn die Daten anschließend auf eine einheitliche Höhe umgerechnet werden. Die so erhaltenen Differenzen zu einem regionalen Mittelwert werden Schwereanomalien genannt.

Eine Besonderheit stellt der Bouguergradient (nach Pierre Bouguer) dar. Er beträgt etwa −0,19 mGal/m und ergibt sich aus dem Freiluftgradient, wenn die unter dem Messpunkt liegende Geländeplatte weggerechnet wird. Damit erhält man die Bougueranomalien, welche eine allenfalls abweichende Gesteinsdichte im Untergrund anzeigen. Man verwendet sie in der Geophysik und zur Suche nach Lagerstätten.

Vertikalgradienten treten auch in größerer Entfernung von der Erde auf und können dazu genutzt werden, einen Satelliten auf einer Umlaufbahn erdfest zu orientieren (Gravitationsstabilisation). Dies geschieht auch auf natürliche Weise mit jedem länglichen Körper in einer Umlaufbahn.

Horizontaler Schweregradient

Der horizontale Schweregradient hat eine geringere Bedeutung und ist auch wesentlich kleiner als der vertikale Schweregradient. Spezielle Projekte der Gravimetrie und der Erdmessung benutzen die horizontale Schwereänderung, um Details über die obere Erdkruste oder den Geoidverlauf zu untersuchen. Als Einheit wird meist das Eötvös verwendet, benannt nach dem Ungarn Roland Eötvös, der in den 1920ern die Drehwaage konstruierte. Sie wurde besonders in der Erdöl-Exploration verwendet, bevor ab etwa 1960 die modernen Gravimeter aufkamen.

Die jüngste Anwendung horizontaler Schweregradienten kommt aus der Satellitengeodäsie. Spezielle geodätische Satelliten wie GRACE und der ehemalige GOCE messen die Änderungen der Schwerkraft innerhalb der Sonden in drei bis sechs Richtungen mit Gradiometern; auch genaue Mikrowellen-Distanzmessungen zwischen zwei hintereinander fliegenden Satelliten können diese Gradienten erfassen. Damit ist eine regionale Geoidbestimmung möglich, die im Mittel über etwa 100 km × 100 km eine Genauigkeit von einem Zentimeter erreicht und zur Erfassung langfristiger Änderungen der Erde geplant ist.

Die Gradiometrie (Messung von Schweregradienten) wird künftig in flachen Ländern die traditionelle Geoidbestimmung mit Gravimetrie oder Astrogeodäsie ersetzen. Im Gebirge sind jedoch die Einflüsse des Geländes auf die Schwerkraft nur schwierig zu erfassen, weshalb dort weiterhin die terrestrische Gravimetrie einzusetzen ist.

Literatur

  • Christoph Reigber, Peter Schwintzer: Das Schwerefeld der Erde. In: Physik in unserer Zeit. Nr. 34(5), 2003, ISSN 0031-9252, S. 206–212.