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Die '''Neutronenstreuung''', ein Hauptgebiet der [[Forschung mit Neutronen]], untersucht [[Kondensierte Materie]] durch Beobachten der [[Streuung (Physik)|Streuung]] von langsamen oder thermischen [[Neutron]]en an einem Probekörper (engl.: [[Target (Physik)|Target]]). | |||
Langsame und thermische Neutronen wechselwirken mit [[Atomkern]]en und mit den [[Spin|magnetischen Momenten]] von Elektronen und eignen sich daher zur Untersuchung der Struktur, der [[Bewegung (Physik)|Dynamik]] sowie der [[Magnetische Ordnung|magnetischen Ordnung]] kondensierter Materie auf [[Atom|atomarem Maßstab]]. Bei der Neutronenstreuung wird zwischen inelastischer, elastischer und quasielastischer Streuung unterschieden. Die inelastische Streuung ist mit der An- oder Abregung eines [[Phonon]]s, eines [[Magnon]]s oder eines anderen internen Freiheitsgrades des Targets verbunden. Durch Messung der Änderung der kinetischen Energie des Neutrons lässt sich die Energie der Anregung ermitteln. Bei elastischer Streuung ist die Wechselwirkung mit keiner Energieübertragung verbunden. Da die [[De-Broglie-Wellenlänge]] thermischer Neutronen in der Größenordnung eines Atomdurchmessers liegt, treten bei der elastischen Streuung von Neutronen an kondensierter Materie [[Interferenz (Physik)|Interferenzeffekte]] auf, die für Strukturuntersuchungen ausgenutzt werden können. Diese Untersuchungsmethode wird häufig auch als Neutronenbeugung (oder -diffraktometrie) bezeichnet. Eine dritte Methode ist die quasielastische Streuung, die zur Untersuchung von [[Diffusion]]smechanismen auf atomarer Ebene verwendet wird. | |||
== Anwendungen == | == Anwendungen == | ||
Da Neutronen keine elektrische Ladung besitzen, dringen sie recht tief in Materie ein: die [[freie Weglänge]] thermischer Neutronen in kondensierter Materie ist von der Größenordnung Millimeter (der genaue Wert hängt von der Dichte und Zusammensetzung der Probe ab). Deshalb ist Neutronenstreuung geeignet, ''Volumeneigenschaften'' von Materie zu untersuchen – im Gegensatz etwa zur [[Elektronenbeugung]], die auf oberflächennahe Bereiche beschränkt ist. | Da Neutronen keine elektrische Ladung besitzen, dringen sie recht tief in Materie ein: die [[freie Weglänge]] thermischer Neutronen in kondensierter Materie ist von der Größenordnung Millimeter (der genaue Wert hängt von der Dichte und Zusammensetzung der Probe ab). Deshalb ist Neutronenstreuung geeignet, ''Volumeneigenschaften'' von Materie zu untersuchen – im Gegensatz etwa zur [[Elektronenbeugung]], die auf oberflächennahe Bereiche beschränkt ist. | ||
Wie alle Teilchen haben Neutronen nicht nur Teilchen-, sondern auch Welleneigenschaften. Die Wellenlänge langsamer Neutronen beträgt ungefähr 0,1 bis 1 nm und ist somit von der gleichen Größenordnung wie Atomabstände in Molekülen und Festkörpern. Ähnlich wie bei der Beugung von Licht an einem Gitter kommt es auch bei der Streuung von Neutronen an einer regelmäßig aufgebauten Probe zu wellenmechanischen Interferenzen; die [[Wirkungsquerschnitt|Winkelverteilung]] der gestreuten Neutronen besitzt die Regelmäßigkeit eines Beugungsbildes, aus dem auf die atomare Struktur der untersuchten Probe zurückgeschlossen werden kann. | Wie alle Teilchen haben Neutronen nicht nur Teilchen-, sondern auch Welleneigenschaften. Die [[De-Broglie-Wellenlänge|Wellenlänge]] langsamer Neutronen beträgt ungefähr 0,1 bis 1 nm und ist somit von der gleichen Größenordnung wie Atomabstände in Molekülen und Festkörpern. Ähnlich wie bei der Beugung von Licht an einem Gitter kommt es auch bei der Streuung von Neutronen an einer regelmäßig aufgebauten Probe zu wellenmechanischen Interferenzen; die [[Wirkungsquerschnitt|Winkelverteilung]] der gestreuten Neutronen besitzt die Regelmäßigkeit eines Beugungsbildes, aus dem auf die atomare Struktur der untersuchten Probe zurückgeschlossen werden kann. | ||
Die bis hierhin genannten Eigenschaften – elektrische Neutralität und Wellenlänge im nm-Bereich – haben Neutronen mit der [[Röntgenstrahlung]] gemeinsam. Für Strukturuntersuchungen setzt man daher in erster Linie die grundsätzlich ähnliche, praktisch aber einfachere und billigere [[Röntgenbeugung]] ein. Neutronenstreuung ist jedoch von Vorteil, wenn man die folgenden weiteren Eigenschaften des Neutrons ausnutzen kann: | Die bis hierhin genannten Eigenschaften – elektrische Neutralität und Wellenlänge im nm-Bereich – haben Neutronen mit der [[Röntgenstrahlung]] gemeinsam. Für Strukturuntersuchungen setzt man daher in erster Linie die grundsätzlich ähnliche, praktisch aber einfachere und billigere [[Röntgenbeugung]] ein. Neutronenstreuung ist jedoch von Vorteil, wenn man die folgenden weiteren Eigenschaften des Neutrons ausnutzen kann: | ||
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* Durch Neutronenstreuung können im [[Periodensystem der Elemente]] benachbarte Elemente wie z. B. [[Natrium|Na]], [[Magnesium|Mg]] und [[Aluminium|Al]] gut unterschieden werden, da die Streuung vom Isotop und dessen Kern-Spin abhängt. Röntgenstreuung liefert hier schlechtere Ergebnisse ohne Kontrast, da die Elektronenhülle vermessen wird, welche sich bei den genannten Fällen nur wenig unterscheidet.<ref name="Hippert">{{bibISBN|9781402033377|Seite=247}}</ref> | * Durch Neutronenstreuung können im [[Periodensystem der Elemente]] benachbarte Elemente wie z. B. [[Natrium|Na]], [[Magnesium|Mg]] und [[Aluminium|Al]] gut unterschieden werden, da die Streuung vom Isotop und dessen Kern-Spin abhängt. Röntgenstreuung liefert hier schlechtere Ergebnisse ohne Kontrast, da die Elektronenhülle vermessen wird, welche sich bei den genannten Fällen nur wenig unterscheidet.<ref name="Hippert">{{bibISBN|9781402033377|Seite=247}}</ref> | ||
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{{Hauptartikel|Forschung mit Neutronen#Forschungseinrichtungen}} | |||
Neutronenstreuung wird an [[Forschungsreaktor]]en und [[Neutronenquelle|Spallationsneutronenquellen]] betrieben. | |||
== Geschichte == | == Geschichte == | ||
Die Neutronenstreuung wurde in den 1950er Jahren als physikalische Untersuchungsmethode etabliert. Für ihre Pionierleistungen erhielten [[Clifford Shull]] und [[Bertram Brockhouse]] [[1994]] den Physiknobelpreis. Sie reihen sich damit in die Reihe der Nobelpreisträger mit der längsten Lücke zwischen Entdeckung (1946) und Verleihung des Nobelpreises (1994) ein. Unter [[Heinz Maier-Leibnitz]] wurde am kleinen [[Forschungsreaktor München]] in [[Garching bei München]] der [[Neutronenleiter]] erfunden. Maier-Leibnitz leitete auch den Bau des Hochflussreaktors in Grenoble. Spätestens seit den 1990er Jahren wurden weltweit viele kleine Forschungsreaktoren stillgelegt; die Neutronenstreuung konzentriert sich auf einige wenige große Institute. | |||
== Methoden == | |||
* Elastisch: | |||
** Neutronenbeugung | |||
** [[Beugung unter streifendem Einfall]] (GIND) | |||
** [[Kleinwinkelstreuung]] (SANS) | |||
** [[Kleinwinkelstreuung unter streifendem Einfall]] (GISANS) | |||
** [[Neutronenreflektometrie]] | |||
* [[Inelastische Neutronenstreuung]] (-spektroskopie): | |||
** [[Neutronen-Dreiachs-Spektrometer]] (TAS) | |||
** [[Neutronen-Flugzeit-Spektrometer]] (ToF) | |||
** [[Neutronen-Rückstreu-Spektrometer]] | |||
** [[Neutronen-Spin-Echo-Spektrometer]] (NSE) | |||
** [[Neutronen-Resonanz-Spin-Echo-Spektrometer]] (NRSE) | |||
== Siehe auch == | == Siehe auch == | ||
* [[ | * [[Debye-Waller-Faktor]] | ||
== Literatur == | == Literatur == | ||
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[[Kategorie:Teilchenphysik]] | [[Kategorie:Teilchenphysik]] | ||
[[Kategorie:Kernphysik]] | [[Kategorie:Kernphysik]] | ||
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[[Kategorie:Neutronenbeugung]] | |||
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Die Neutronenstreuung, ein Hauptgebiet der Forschung mit Neutronen, untersucht Kondensierte Materie durch Beobachten der Streuung von langsamen oder thermischen Neutronen an einem Probekörper (engl.: Target).
Langsame und thermische Neutronen wechselwirken mit Atomkernen und mit den magnetischen Momenten von Elektronen und eignen sich daher zur Untersuchung der Struktur, der Dynamik sowie der magnetischen Ordnung kondensierter Materie auf atomarem Maßstab. Bei der Neutronenstreuung wird zwischen inelastischer, elastischer und quasielastischer Streuung unterschieden. Die inelastische Streuung ist mit der An- oder Abregung eines Phonons, eines Magnons oder eines anderen internen Freiheitsgrades des Targets verbunden. Durch Messung der Änderung der kinetischen Energie des Neutrons lässt sich die Energie der Anregung ermitteln. Bei elastischer Streuung ist die Wechselwirkung mit keiner Energieübertragung verbunden. Da die De-Broglie-Wellenlänge thermischer Neutronen in der Größenordnung eines Atomdurchmessers liegt, treten bei der elastischen Streuung von Neutronen an kondensierter Materie Interferenzeffekte auf, die für Strukturuntersuchungen ausgenutzt werden können. Diese Untersuchungsmethode wird häufig auch als Neutronenbeugung (oder -diffraktometrie) bezeichnet. Eine dritte Methode ist die quasielastische Streuung, die zur Untersuchung von Diffusionsmechanismen auf atomarer Ebene verwendet wird.
Da Neutronen keine elektrische Ladung besitzen, dringen sie recht tief in Materie ein: die freie Weglänge thermischer Neutronen in kondensierter Materie ist von der Größenordnung Millimeter (der genaue Wert hängt von der Dichte und Zusammensetzung der Probe ab). Deshalb ist Neutronenstreuung geeignet, Volumeneigenschaften von Materie zu untersuchen – im Gegensatz etwa zur Elektronenbeugung, die auf oberflächennahe Bereiche beschränkt ist.
Wie alle Teilchen haben Neutronen nicht nur Teilchen-, sondern auch Welleneigenschaften. Die Wellenlänge langsamer Neutronen beträgt ungefähr 0,1 bis 1 nm und ist somit von der gleichen Größenordnung wie Atomabstände in Molekülen und Festkörpern. Ähnlich wie bei der Beugung von Licht an einem Gitter kommt es auch bei der Streuung von Neutronen an einer regelmäßig aufgebauten Probe zu wellenmechanischen Interferenzen; die Winkelverteilung der gestreuten Neutronen besitzt die Regelmäßigkeit eines Beugungsbildes, aus dem auf die atomare Struktur der untersuchten Probe zurückgeschlossen werden kann.
Die bis hierhin genannten Eigenschaften – elektrische Neutralität und Wellenlänge im nm-Bereich – haben Neutronen mit der Röntgenstrahlung gemeinsam. Für Strukturuntersuchungen setzt man daher in erster Linie die grundsätzlich ähnliche, praktisch aber einfachere und billigere Röntgenbeugung ein. Neutronenstreuung ist jedoch von Vorteil, wenn man die folgenden weiteren Eigenschaften des Neutrons ausnutzen kann:
Neutronenstreuung wird an Forschungsreaktoren und Spallationsneutronenquellen betrieben.
Die Neutronenstreuung wurde in den 1950er Jahren als physikalische Untersuchungsmethode etabliert. Für ihre Pionierleistungen erhielten Clifford Shull und Bertram Brockhouse 1994 den Physiknobelpreis. Sie reihen sich damit in die Reihe der Nobelpreisträger mit der längsten Lücke zwischen Entdeckung (1946) und Verleihung des Nobelpreises (1994) ein. Unter Heinz Maier-Leibnitz wurde am kleinen Forschungsreaktor München in Garching bei München der Neutronenleiter erfunden. Maier-Leibnitz leitete auch den Bau des Hochflussreaktors in Grenoble. Spätestens seit den 1990er Jahren wurden weltweit viele kleine Forschungsreaktoren stillgelegt; die Neutronenstreuung konzentriert sich auf einige wenige große Institute.