Eulerkraft: Unterschied zwischen den Versionen

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In der [[Klassische Mechanik|klassischen Mechanik]] ist die '''Eulerkraft''' (benannt nach [[Leonhard Euler]]) die auf einen Körper wirkende [[Trägheitskraft|Scheinkraft]], die in einem [[Rotierendes Bezugssystem|rotierenden Bezugssystem]] auftritt, wenn die [[Rotationsachse]] oder die [[Winkelgeschwindigkeit|Rotationsgeschwindigkeit]] sich zeitlich ändern.<ref>{{cite book |title=Introduction to Mechanics and Symmetry: A Basic Exposition of Classical Mechanical Systems |author=Jerrold E. Marsden, Tudor S. Ratiu |isbn=038798643X |year=1999 |publisher=Springer |page=251 |url=https://books.google.de/books?id=I2gH9ZIs-3AC&pg=PP1&dq=isbn:038798643X&sig=tDWUiGpvGVpbRCCQcGK0Bx5Yk3g&hl=de#PPA251,M1}}</ref>


In der [[Klassische Mechanik|klassischen Mechanik]] ist die '''Eulerkraft''' (benannt nach [[Leonhard Euler]]) die auf einen Körper wirkende [[Trägheitskraft|Scheinkraft]], die in einem [[Rotierendes Bezugssystem|rotierenden Bezugssystem]] auftritt, wenn die Rotationsachse oder die Rotationsgeschwindigkeit sich zeitlich ändern. Sie ist gegeben durch das Produkt der [[Masse (Physik)|Masse]] des Körpers mit der '''Eulerbeschleunigung'''.<ref name="Battin">{{cite book |title=An Introduction to the Mathematics and Methods of Astrodynamics |page=102 |author= Richard H. Battin |url=http://books.google.com/books?id=OjH7aVhiGdcC&pg=PA102&vq=Euler&dq=%22Euler+acceleration%22&lr=&as_brr=0&source=gbs_search_s&sig=ACfU3U0__alj4q5o16OHM8vGvArm0rqMdg|isbn=1563473429 |year=1999 |publisher=American Institute of Aeronautics and Astronautics |location=Reston, VA}}</ref><ref>{{cite book |title=Introduction to Mechanics and Symmetry: A Basic Exposition of Classical Mechanical Systems |author=Jerrold E. Marsden, Tudor S. Ratiu |isbn=038798643X |year=1999 |publisher=Springer |page=251 |url=http://books.google.com/books?id=I2gH9ZIs-3AC&pg=PP1&dq=isbn:038798643X&sig=tDWUiGpvGVpbRCCQcGK0Bx5Yk3g#PPA251,M1}}</ref>
Der Name wurde 1949 von [[Cornelius Lanczos]] in seinem Buch ''The Variational Principles of Mechanics'' eingeführt, wobei er gleichzeitig darauf hinwies, dass zu dieser Zeit kein allgemein gebräuchlicher Name für diese Trägheitskraft existierte.<ref>Lanczos: ''The variational principles of mechanics.'' University of Toronto Press 1949, S. 103: “This third apparent force has no universally accepted name. The author likes to call it the ‘Euler force’ in view of the outstanding investigations of Euler in this subject.</ref>


Diese Eulerbeschleunigung,<ref name="Greve2003">{{cite book|author=Ralf Greve|title=Kontinuumsmechanik|url=http://books.google.com/books?id=R1RLHJ398q4C&pg=PA36|accessdate=11. Mai 2012|year=2003|publisher=Gabler Wissenschaftsverlage|isbn=978-3-540-00760-9|pages=36}}</ref> (auch '''Azimutalbeschleunigung'''<ref name="Morin">{{cite book |author=David Morin |url=http://books.google.com/books?id=Ni6CD7K2X4MC&pg=PA469&dq=acceleration+azimuthal+inauthor:Morin&lr=&as_brr=0 |title=Introduction to Classical Mechanics. With Problems and Solutions |page= 469 |isbn= 0521876222 |year=2008 |publisher=Cambridge University Press}}</ref> oder '''Transversalbeschleunigung'''<ref name="Fowles">{{cite book |author=Grant R. Fowles and George L. Cassiday |title=Analytical Mechanics, 6th ed. |page=178 |year=1999 |publisher=Harcourt College Publishers}}</ref>) ist der Teil der Beschleunigung, der durch eine Ungleichförmigkeit der [[Drehbewegung]] des [[Bezugssystem]]s zustande kommt.
== Allgemeines ==
Die Eulerkraft ist gegeben durch:
:<math>\begin{align}
\vec{F}_\mathrm{Euler} &= -m \cdot \frac{d\vec\omega}{dt} \times \vec{r}\\
                      &= -m \cdot \vec\alpha \times \vec{r}
\end{align}</math>


Der Name wurde 1949 von [[Cornelius Lanczos]] in seinem Buch ''The Variational Principles of Mechanics'' eingeführt, wobei er gleichzeitig darauf hinwies, dass zu dieser Zeit kein allgemein gebräuchlicher Name für diese Trägheitskraft existierte.<ref>Lanczos: ''The variational principles of mechanics.'' University of Toronto Press 1949, S. 103: ''„This third apparent force has no universally accepted name. The author likes to call it the ‚Euler force‘ in view of the outstanding investigations of Euler in this subject.“''</ref>
mit
* der [[Winkelgeschwindigkeit]] <math>\vec\omega</math> des Bezugssystems,
* der [[Winkelbeschleunigung]] <math>\vec\alpha</math> des Bezugssystems,
* dem [[Ortsvektor]] <math>\vec r</math> des Punktes im Bezugssystem.
 
{{siehe auch|Beschleunigtes Bezugssystem#Transformation der Beschleunigung}}
Die '''Eulerbeschleunigung'''<ref name="Greve2003">{{cite book |author=Ralf Greve |title=Kontinuumsmechanik |url=https://books.google.de/books?id=R1RLHJ398q4C&pg=PA36&hl=de |accessdate=11.&nbsp;Mai 2012 |year=2003 |publisher=Gabler Wissenschaftsverlage |isbn=978-3-540-00760-9 |pages=36}}</ref> <math>\vec{a}_\mathrm{Euler}</math> (auch '''Azimutalbeschleunigung'''<ref name="Morin">{{cite book |author=David Morin |url=https://books.google.de/books?id=Ni6CD7K2X4MC&pg=PA469&dq=acceleration+azimuthal+inauthor:Morin&lr=&as_brr=0&hl=de |title=Introduction to Classical Mechanics. With Problems and Solutions |page= 469 |isbn= 0521876222 |year=2008 |publisher=Cambridge University Press}}</ref> oder '''Transversalbeschleunigung'''<ref name="Fowles">{{Literatur |Autor=Grant R. Fowles, George L. Cassiday |Titel=Analytical Mechanics |Auflage=6. |Verlag=Harcourt College Publishers |Datum=1999 |Seiten=178}}</ref>; in der Physik ist der Begriff Eulerbeschleunigung kaum gebräuchlich<ref>Anmerkung: Man beachte, dass die analog gebildete [[Coriolisbeschleunigung]] in Physik und Technischer Mechanik mit ''entgegengesetzten'' Vorzeichen definiert wird.</ref>) wird durch die Winkelbeschleunigung des Bezugssystems hervorgerufen:
 
:<math>\vec{a}_\mathrm{Euler, TM} = \vec\alpha \times \vec{r}</math>
 
Die Eulerbeschleunigung gibt in der [[Technische Mechanik|Technischen Mechanik]] (daher der Index&nbsp;TM) den von <math>\vec\alpha = \frac{d\vec\omega}{dt} = \dot \vec \omega</math> abhängigen Teil der [[Beschleunigtes Bezugssystem#Transformation der Beschleunigung|Führungsbeschleunigung]], die ein Punkt erfahren würde, der fest mit dem Bezugssystem verbunden ist. Er kommt durch die ungleichförmige [[Drehbewegung]] des Bezugssystems zustande.<ref name="Battin">{{cite book |title=An Introduction to the Mathematics and Methods of Astrodynamics |page=102 |author= Richard H. Battin |url=https://books.google.de/books?id=OjH7aVhiGdcC&pg=PA102&vq=Euler&dq=%22Euler+acceleration%22&lr=&as_brr=0&source=gbs_search_s&sig=ACfU3U0__alj4q5o16OHM8vGvArm0rqMdg&hl=de|isbn=1563473429 |year=1999 |publisher=American Institute of Aeronautics and Astronautics |location=Reston, VA}}</ref>


== Beispiel ==
Die oben definierte Eulerkraft ist der zugehörige [[Trägheit]]s<nowiki/>widerstand:
Eine Person, die in einem [[Kinderkarussell]] auf einem Pferd sitzt, spürt beim Anfahren die Eulerkraft. Es handelt sich um die Trägheitskraft, die die Person beim Anfahren vom Pferd nach hinten zieht bzw. beim Anhalten vom Pferd nach vorne drückt. Die Richtung der Eulerkraft ist senkrecht zur [[Zentrifugalkraft]] und in der Rotationsebene.


== Eulerbeschleunigung ==
:<math>\Rightarrow \vec{F}_\mathrm{Euler} = -m \cdot \vec{a}_\mathrm{Euler, TM}</math>
Die Richtung und der Betrag der Eulerbeschleunigung ist gegeben durch


:<math>\vec{a}_\mathrm{Euler} = - \frac{d\vec\omega}{dt} \times \vec{r}</math>
== Beispiele ==
=== Anfahrendes Karussell ===
Dies ist ein Beispiel für eine zeitliche Änderung der Rotationsgeschwindigkeit.


mit
Eine Person, die in einem [[Kinderkarussell]] auf einem Pferd sitzt, spürt beim Anfahren die Eulerkraft. Es handelt sich um diejenige Trägheitskraft, die die Person beim Anfahren nach hinten vom Pferd zieht (und sie beim Anhalten nach vorne drückt). Die Richtung der Eulerkraft liegt hier in der Rotationsebene senkrecht zur [[Zentrifugalkraft]]. In diesem Beispiel mit fester Richtung der Drehachse ist die Eulerkraft nichts anderes als die Trägheitskraft <math>-m \vec a</math>, die ein Körper jeder Beschleunigung seiner Bewegung entgegensetzt (<math>m</math> ist die Masse des Körpers und <math>\vec a</math> die Beschleunigung ihrer Bahngeschwindigkeit).
* der [[Winkelgeschwindigkeit]] <math>\vec\omega</math> des Bezugssystems
* und dem [[Ortsvektor]] <math>\vec r</math> des Punktes, dessen Beschleunigung relativ zur Rotationsachse gemessen wird.


== Eulerkraft ==
Falls sich die Person beim [[ruck]]artigen Anfahren nicht fest hält, spürt sie in ihrem eigenen Bezugssystem ''keine'' Trägheitskraft, rutscht aber nach hinten vom Pferd herunter. Von außen betrachtet bleibt ihre Position unverändert, und das Pferd unter ihr fährt davon. Von einem Standpunkt in dem beschleunigt rotierenden Bezugsystem aus erscheint die Person aber nach hinten beschleunigt, was als Folge der in dem beschleunigt rotierenden Bezugsystem wirksamen Eulerkraft <math>\vec{F}_\mathrm{Euler}</math> interpretiert wird.
Mit obiger Beschleunigung ergibt sich die Eulerkraft zu


:<math>\vec{F}_\mathrm{Euler} = m \cdot \vec{a}_\mathrm{Euler} = - m \cdot \frac{d\vec\omega}{dt} \times \vec{r}</math>
=== Kippen der Drehachse ===
Neigt sich bei gleich bleibender Drehgeschwindigkeit eines Karussells die Drehachse zunehmend nach einer Seite, so erfährt die mitfahrende Person die Eulerkraft immer dann am stärksten, wenn ihr Ortsvektor senkrecht auf der Ebene steht, in der die Neigung sich vollzieht. Ihre [[Bahnkurve]] zeigt in diesen Punkten zusätzlich zur Krümmung aufgrund der Drehbewegung eine maximale Krümmung weg von der augenblicklichen [[Bahnebene]].


mit
Dagegen ist die Eulerkraft Null, wenn die Bahnkurve der Person durch die Ebene geht, in der sich die Drehachse neigt. Dann entspricht der zunehmenden Neigung der Achse nur eine gleichförmige Geschwindigkeit senkrecht zur Bahnebene.
* der Masse <math>m</math>, auf die die Trägheitskraft wirkt.


== Quellen ==
== Belege ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]

Aktuelle Version vom 17. August 2021, 13:21 Uhr

In der klassischen Mechanik ist die Eulerkraft (benannt nach Leonhard Euler) die auf einen Körper wirkende Scheinkraft, die in einem rotierenden Bezugssystem auftritt, wenn die Rotationsachse oder die Rotationsgeschwindigkeit sich zeitlich ändern.[1]

Der Name wurde 1949 von Cornelius Lanczos in seinem Buch The Variational Principles of Mechanics eingeführt, wobei er gleichzeitig darauf hinwies, dass zu dieser Zeit kein allgemein gebräuchlicher Name für diese Trägheitskraft existierte.[2]

Allgemeines

Die Eulerkraft ist gegeben durch:

$ {\begin{aligned}{\vec {F}}_{\mathrm {Euler} }&=-m\cdot {\frac {d{\vec {\omega }}}{dt}}\times {\vec {r}}\\&=-m\cdot {\vec {\alpha }}\times {\vec {r}}\end{aligned}} $

mit

Die Eulerbeschleunigung[3] $ {\vec {a}}_{\mathrm {Euler} } $ (auch Azimutalbeschleunigung[4] oder Transversalbeschleunigung[5]; in der Physik ist der Begriff Eulerbeschleunigung kaum gebräuchlich[6]) wird durch die Winkelbeschleunigung des Bezugssystems hervorgerufen:

$ {\vec {a}}_{\mathrm {Euler,TM} }={\vec {\alpha }}\times {\vec {r}} $

Die Eulerbeschleunigung gibt in der Technischen Mechanik (daher der Index TM) den von $ {\vec {\alpha }}={\frac {d{\vec {\omega }}}{dt}}={\dot {\vec {\omega }}} $ abhängigen Teil der Führungsbeschleunigung, die ein Punkt erfahren würde, der fest mit dem Bezugssystem verbunden ist. Er kommt durch die ungleichförmige Drehbewegung des Bezugssystems zustande.[7]

Die oben definierte Eulerkraft ist der zugehörige Trägheitswiderstand:

$ \Rightarrow {\vec {F}}_{\mathrm {Euler} }=-m\cdot {\vec {a}}_{\mathrm {Euler,TM} } $

Beispiele

Anfahrendes Karussell

Dies ist ein Beispiel für eine zeitliche Änderung der Rotationsgeschwindigkeit.

Eine Person, die in einem Kinderkarussell auf einem Pferd sitzt, spürt beim Anfahren die Eulerkraft. Es handelt sich um diejenige Trägheitskraft, die die Person beim Anfahren nach hinten vom Pferd zieht (und sie beim Anhalten nach vorne drückt). Die Richtung der Eulerkraft liegt hier in der Rotationsebene senkrecht zur Zentrifugalkraft. In diesem Beispiel mit fester Richtung der Drehachse ist die Eulerkraft nichts anderes als die Trägheitskraft $ -m{\vec {a}} $, die ein Körper jeder Beschleunigung seiner Bewegung entgegensetzt ($ m $ ist die Masse des Körpers und $ {\vec {a}} $ die Beschleunigung ihrer Bahngeschwindigkeit).

Falls sich die Person beim ruckartigen Anfahren nicht fest hält, spürt sie in ihrem eigenen Bezugssystem keine Trägheitskraft, rutscht aber nach hinten vom Pferd herunter. Von außen betrachtet bleibt ihre Position unverändert, und das Pferd unter ihr fährt davon. Von einem Standpunkt in dem beschleunigt rotierenden Bezugsystem aus erscheint die Person aber nach hinten beschleunigt, was als Folge der in dem beschleunigt rotierenden Bezugsystem wirksamen Eulerkraft $ {\vec {F}}_{\mathrm {Euler} } $ interpretiert wird.

Kippen der Drehachse

Neigt sich bei gleich bleibender Drehgeschwindigkeit eines Karussells die Drehachse zunehmend nach einer Seite, so erfährt die mitfahrende Person die Eulerkraft immer dann am stärksten, wenn ihr Ortsvektor senkrecht auf der Ebene steht, in der die Neigung sich vollzieht. Ihre Bahnkurve zeigt in diesen Punkten zusätzlich zur Krümmung aufgrund der Drehbewegung eine maximale Krümmung weg von der augenblicklichen Bahnebene.

Dagegen ist die Eulerkraft Null, wenn die Bahnkurve der Person durch die Ebene geht, in der sich die Drehachse neigt. Dann entspricht der zunehmenden Neigung der Achse nur eine gleichförmige Geschwindigkeit senkrecht zur Bahnebene.

Belege

  1. Jerrold E. Marsden, Tudor S. Ratiu: Introduction to Mechanics and Symmetry: A Basic Exposition of Classical Mechanical Systems.. Springer, 1999, ISBN 038798643X, S. 251.
  2. Lanczos: The variational principles of mechanics. University of Toronto Press 1949, S. 103: “This third apparent force has no universally accepted name. The author likes to call it the ‘Euler force’ in view of the outstanding investigations of Euler in this subject.”
  3. Ralf Greve: Kontinuumsmechanik.. Gabler Wissenschaftsverlage, 2003, ISBN 978-3-540-00760-9, S. 36 (Zugriff am 11. Mai 2012).
  4. David Morin: Introduction to Classical Mechanics. With Problems and Solutions.. Cambridge University Press, 2008, ISBN 0521876222, S. 469.
  5. Grant R. Fowles, George L. Cassiday: Analytical Mechanics. 6. Auflage. Harcourt College Publishers, 1999, S. 178.
  6. Anmerkung: Man beachte, dass die analog gebildete Coriolisbeschleunigung in Physik und Technischer Mechanik mit entgegengesetzten Vorzeichen definiert wird.
  7. Richard H. Battin: An Introduction to the Mathematics and Methods of Astrodynamics.. American Institute of Aeronautics and Astronautics, Reston, VA 1999, ISBN 1563473429, S. 102.