imported>Alva2004 (Drallellipsoid) |
imported>Känguru1890 (Revert - Fehlende Begründung für Entfernung) |
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[[Datei: | [[Datei: traegheitsellipsoid.png|mini|Abb. 1: Trägheitsellipsoid (blaues Netz) und [[Hauptträgheitsachse]]n (blau gestrichelt) eines Körpers (nicht dargestellt) und eine Drehachse in globaler <math>z</math>-Richtung (schwarz strichpunktiert)]] | ||
Das '''Trägheitsellipsoid''' | Das '''Trägheitsellipsoid''' eines [[Starrer Körper|starren Körpers]] ist eine geschlossene Fläche in Form eines [[Ellipsoid]]s, die vom Mittelpunkt aus in jeder Richtung einen Abstand hat, der ein Maß für das [[Trägheitsmoment]] des Körpers bei Drehung um diese Richtung ist: Das Trägheitsmoment ist gleich dem [[Kehrwert]] des Quadrats des Abstands (siehe Abb. 1). Infolgedessen sind die drei Halbachsen des Trägheitsellipsoids zu den [[Hauptträgheitsachse]]n des Körpers parallel, und ihre Längen sind durch den Kehrwert der Wurzel aus den entsprechenden [[Hauptträgheitsmoment]]en gegeben. | ||
Das Trägheitsellipsoid ist nützlich bei der Betrachtung der [[Trägheit]]seigenschaften des Körpers bei [[Drehbewegung]]en um eine beliebige Achse. In einem körperfesten Koordinatensystem bleibt es konstant, d. h., es dreht sich immer mit dem Körper mit. | |||
== Berechnung == | |||
Wie jedem symmetrischen Tensor 2. Stufe in drei Dimensionen kann dem [[Trägheitstensor]] '''Θ''' eine Fläche zugeordnet werden. Sie wird durch die Endpunkte der [[Vektor]]en <math>\vec{x}</math> gebildet, die folgende Gleichung erfüllen: | |||
:<math>\begin{align} | :<math>\begin{align} | ||
1= | 1= | ||
\vec{x}\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec{x} | \vec{x}^\intercal \cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec{x} | ||
=& | =& | ||
\begin{pmatrix}x | \begin{pmatrix}x ,& y, & z \end{pmatrix} | ||
\cdot | |||
\begin{pmatrix} | \begin{pmatrix} | ||
\Theta _{xx} & \Theta _{xy} & \Theta _{xz} \\ | \Theta _{xx} & \Theta _{xy} & \Theta _{xz} \\ | ||
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\end{pmatrix} | \end{pmatrix} | ||
\cdot\begin{pmatrix}x \\ y \\ z \end{pmatrix} | \cdot\begin{pmatrix}x \\ y \\ z \end{pmatrix} | ||
\\=& | \\=& | ||
\Theta _{xx}x^2+\Theta _{yy}y^2+\Theta _{zz}z^2+2\Theta _{xy}xy+2\Theta _{xz}xz+2\Theta _{yz}yz | \Theta _{xx}x^2+\Theta _{yy}y^2+\Theta _{zz}z^2+2\Theta _{xy}xy+2\Theta _{xz}xz+2\Theta _{yz}yz | ||
\end{align}</math> | |||
Darin bezeichnen ''x, y'' und ''z'' die Komponenten des Vektors <math>\vec x</math> und Θ<sub>xx, xy, …</sub> die Komponenten des Trägheitstensors bezüglich einer beliebig orientierten [[Orthonormalbasis]]. Im [[Hauptträgheitsachse]]n­system, kurz Hauptachsensystem, wird der Trägheitstensor diagonal und es entsteht: | |||
:<math>\begin{align} | |||
1= | |||
\vec{x}^\intercal \cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec{x} | |||
=& | |||
\begin{pmatrix}x_1, & x_2, & x_3 \end{pmatrix}\cdot | |||
\begin{pmatrix} | |||
\Theta _{1} & 0 & 0 \\ | |||
0 & \Theta _{2} & 0 \\ | |||
0 &0 & \Theta _{3} | |||
\end{pmatrix} | |||
\cdot\begin{pmatrix}x_1 \\ x_2 \\ x_3 \end{pmatrix} | |||
\\=& | \\=& | ||
\Theta _1x_1^2+\Theta _2x_2^2+\Theta _3x_3^2=\frac{x_1^2}{\sqrt{\tfrac1{\Theta _1}}^2}+\frac{x_2^2}{\sqrt{\tfrac1{\Theta _2}}^2}+\frac{x_3^2}{\sqrt{\tfrac1{\Theta _3}}^2} | \Theta _1x_1^2+\Theta _2x_2^2+\Theta _3x_3^2=\frac{x_1^2}{\sqrt{\tfrac1{\Theta _1}}^2}+\frac{x_2^2}{\sqrt{\tfrac1{\Theta _2}}^2}+\frac{x_3^2}{\sqrt{\tfrac1{\Theta _3}}^2} | ||
\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
Die Komponenten ''x''<sub>1,2,3</sub> und die [[Hauptträgheitsmoment]]e Θ<sub>1,2,3</sub> beziehen sich auf das körperfeste [[Trägheitstensor#Hauptträgheitsachsen und Hauptträgheitsmomente|Hauptachsensystem]]. Der Trägheitstensor ist [[positiv definit]], denn die [[Rotationsenergie]] <math>\tfrac12\vec\omega^\intercal\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec\omega</math> ist für <math>\vec\omega\ne\vec0</math> immer positiv. Daher ist die Fläche ein dreiachsiges [[Ellipsoid]]. | |||
In einem [[Bezugssystem]], in dem sich der Körper dreht, sind die Komponenten des Trägheitstensors Θ<sub>xx, xy,...</sub> von der Zeit abhängig. Das Trägheitsellipsoid bleibt mit dem Körper ausgerichtet. Die sechs unabhängigen Komponenten des Trägheitstensors entsprechen den drei Hauptträgheitsmomenten und der Orientierung der Hauptträgheitsachsen, also der Form und Ausrichtung des Ellipsoids. | |||
Mit dem Trägheitstensor berechnen sich die [[Trägheitsmoment]]e ''J'' bezüglich einer beliebigen Drehachse durch das Ellipsoidzentrum in Richtung des [[Einheitsvektor]]s <math>\hat{e}</math> (der Länge eins und deshalb mit Hut geschrieben) gemäß <math>J=\hat{e}^\intercal\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\hat{e}</math>. Für einen Vektor <math>\vec x=x\hat e</math>, der vom Ellipsoidzentrum zum Schnittpunkt der Drehachse mit dem Trägheitsellipsoid weist und den Betrag ''x'' hat, ergibt sich | |||
:<math> | :<math>1=\vec{x}^\mathsf{T}\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec{x}=x^2\hat{e}^\intercal\cdot\hat{e}=x^2J | ||
\quad\rightarrow\quad | \quad\rightarrow\quad | ||
x=\sqrt{\frac{1}{J}} | x=\sqrt{\frac{1}{J}} | ||
Zeile 46: | Zeile 49: | ||
Die Drehachse schneidet das Ellipsoid also im Abstand <math>\sqrt{\tfrac{1}{J}}</math> vom Zentrum des Ellipsoids. | Die Drehachse schneidet das Ellipsoid also im Abstand <math>\sqrt{\tfrac{1}{J}}</math> vom Zentrum des Ellipsoids. | ||
Die Hauptträgheitsmomente Θ<sub>1,2,3</sub> erfüllen die [[Dreiecksungleichung]]en. Damit ein Ellipsoid mit den Achsen | Die Hauptträgheitsmomente Θ<sub>1,2,3</sub> erfüllen die [[Dreiecksungleichung]]en. Damit ein Ellipsoid mit den Achsen a, b und c ein Trägheitsellipsoid sein kann, muss sich also aus Strecken der Längen 1/a<sup>2</sup>, 1/b<sup>2</sup> und 1/c<sup>2</sup> ein Dreieck formen lassen. | ||
=== | === Spezielle Körper === | ||
Die Länge der Halbachsen des Trägheitsellipsoids sind [[umgekehrt proportional]] zur Wurzel aus den Hauptträgheitsmomenten. Anschaulich entspricht ein | Die Länge der Halbachsen des Trägheitsellipsoids sind [[umgekehrt proportional]] zur Wurzel aus den Hauptträgheitsmomenten. Anschaulich entspricht einem in einer Richtung gestreckten Trägheitsellipsoid ein Körper, der in dieser Richtung gestaucht ist, und umgekehrt. Bei homogener Dichteverteilung und Drehung um den Massenmittelpunkt gilt: | ||
* ''Unsymmetrische Kreisel'' besitzen ein „echtes“ Ellipsoid als Trägheitsellipsoid, da < | * ''Unsymmetrische Kreisel'' besitzen ein „echtes“ Ellipsoid als Trägheitsellipsoid, da Θ<sub>1</sub> ≠ Θ<sub>2</sub> ≠ Θ<sub>3</sub> ≠ Θ<sub>1</sub>. Beispiele sind der Quader mit drei ungleichen Seiten oder gewinkelte Moleküle wie das [[Wasser#Wassermolekül|Wassermolekül]] H<sub>2</sub>O. Das Trägheitsellipsoid eines Ziegelsteins hat die Form eines stark abgerundeten Stücks Seife, das quer zum Ziegelstein liegt (kürzeste Mittelpunktsachse des Ellipsoids parallel zur längsten Symmetrieachse des Körpers, und umgekehrt). | ||
* ''Symmetrische Kreisel'' besitzen ein [[Rotationsellipsoid]] als Trägheitsellipsoid, da zwei Hauptträgheitsmomente gleich sind, z.B. < | * ''Symmetrische Kreisel'' besitzen ein [[Rotationsellipsoid]] als Trägheitsellipsoid, da zwei Hauptträgheitsmomente gleich sind, z. B. Θ<sub>1</sub> = Θ<sub>2</sub>. Bei [[Rotationskörper|rotationssymmetrischen Körpern]] ist die Symmetrieachse stets eine Hauptträgheitsachse, die beiden Hauptträgheitsmomente um beliebige dazu senkrechte Achsen sind gleich. Beispiele: [[Zylinder (Geometrie)|Kreiszylinder]], lineare Moleküle. | ||
** Beim ''prolaten Kreisel'' ist < | * Auch Körper mit ''n''-zähliger [[Drehsymmetrie]] haben ab <math>n = 3</math> ein Rotationsellipsoid als Trägheitsellipsoid, denn ein Ellipsoid kann keine Drehsymmetrie höher als <math>n = 2</math> wiedergeben. Beispiele: Säulen oder Pyramiden mit gleichseitig-dreieckigem oder quadratischem Querschnitt, also auch Tetraeder etc. | ||
** Beim ''oblaten Kreisel'' ist < | ** Beim ''gestreckten'' oder ''prolaten Kreisel'' ist Θ<sub>1</sub> = Θ<sub>2</sub> > Θ<sub>3</sub> und deshalb ist sein Trägheitsellipsoid ein in der Symmetrieachse <math>\hat{e}_3</math> langgestrecktes, [[zigarre]]nförmiges Rotationsellipsoid. | ||
* ''Kugelkreisel'' oder ''sphärische Kreisel'' besitzen eine [[Kugel]] als Trägheitsellipsoid, da < | ** Beim ''abgeplatteten'' oder ''oblaten Kreisel'' ist Θ<sub>1</sub> = Θ<sub>2</sub> < Θ<sub>3</sub> und deshalb ist sein Trägheitsellipsoid ein in der Symmetrieachse <math>\hat{e}_3</math> gestauchtes Rotationsellipsoid. Beispiele: [[Puck (Eishockey)|Puck]], näherungsweise die [[Referenzellipsoid|abgeplattete Erde]]. | ||
* ''Kugelkreisel'' oder ''sphärische Kreisel'' besitzen eine [[Kugel]] als Trägheitsellipsoid, da Θ<sub>1</sub> = Θ<sub>2</sub> = Θ<sub>3</sub>. Hat ein Körper bezüglich dreier verschiedener Achsen gleiche Trägheitsmomente, so ist das Trägheitsellipsoid eine Kugel. Dies hat zur Folge, dass das Trägheitsmoment bezüglich ''jeder'' Achse gleich ist. Die Form des Körpers muss jedoch nicht der einer Kugel entsprechen: bei homogener Dichteverteilung reicht bereits eine [[Punktsymmetrie]] wie beim Würfel oder den anderen [[regelmäßige Körper|regelmäßigen Körpern]]. Zudem können auch unregelmäßig geformte Körper Kugelkreisel sein. | |||
Bei inhomogener Dichteverteilung kann von der äußeren Form nicht ohne | Bei inhomogener Dichteverteilung kann von der äußeren Form nicht ohne Weiteres auf die Form des Trägheitsellipsoids geschlossen werden. | ||
== | == Weitere mit der Drehbewegung verknüpfte Ellipsoide == | ||
[[Datei:dreiEllipsoide.png|mini|Abb. 2: Starrer Körper (grau) mit Trägheits-, Drall- und Massenellipsoid (blau, gelb bzw. grün), die hier alle auf gleichlange 2-Achsen skaliert sind]] | |||
:<math> | Neben dem Trägheitsellipsoid sind noch weitere Ellipsoide für die Drehbewegung bedeutsam, siehe Abb. 2: | ||
E_{ | * Das '''Energieellipsoid,''' das auch „Poinsotellipsoid“ oder „Poinsotfläche“ nach [[Louis Poinsot]] genannt wird, beinhaltet alle [[Winkelgeschwindigkeit]]en, die bei einem gegebenen Körper derselben [[Rotationsenergie]] entsprechen. Das Energieellipsoid geht aus dem Trägheitsellipsoid durch [[zentrische Streckung]] hervor. Die Bewegung kräftefrei drehender, starrer Körper kann mit der [[Poinsotsche Konstruktion|Poinsot’schen Konstruktion]] anhand des Energieellipsoids visualisiert werden. | ||
* Das '''Drallellipsoid''' ist der geometrische Ort aller Winkelgeschwindigkeiten, die demselben [[Drehimpuls]]­betragsquadrat entsprechen.<ref>{{Internetquelle |autor=Othmar Marti |hrsg=[http://www.uni-ulm.de/nawi/expphys.html Institut für Experimentelle Physik an der Universität Ulm] |url=http://wwwex.physik.uni-ulm.de/lehre/krm-2008-2009/node28.html |titel=Kreisel |zugriff=2017-06-11}}</ref> Das Drallellipsoid ist in jeder Hinsicht schlanker als das Trägheitsellipsoid und skaliert mit dem Drehimpulsbetrag. Bei gegebener Rotationsenergie ist die Größe des Drallellipsoids nach unten und oben beschränkt. | |||
* Das '''MacCullagh-Ellipsoid''' ist der geometrische Ort aller [[Drehimpuls]]e, die derselben Rotationsenergie entsprechen. Das MacCullagh-Ellipsoid ist in gewisser Weise reziprok zum Energieellipsoid, denn einander entsprechende Achsen haben einander reziproke Längen. Ein abgeplattetes MacCullagh-Ellipsoid gehört zu einem gestreckten Energieellipsoid und umgekehrt. | |||
</math> | * Das '''Massenellipsoid''' ist ein homogener, ellipsoidförmiger Körper, der die gleiche Masse und das gleiche Trägheitsellipsoid wie ein vorgegebener Körper besitzt. | ||
Trägheits- und Massenellipsoid sind im körperfesten System von eventuell auftretenden Bewegungen unbeeinflusste Eigenschaften eines (starren) Körpers allein, sind sich aber ansonsten im Allgemeinen nicht ähnlich. Alle diese Ellipsoide sind mit dem Körper ausgerichtet mit seinen [[Hauptträgheitsachse]]n als Symmetrieachsen. | |||
=== Energieellipsoid === | |||
Das Energieellipsoid für eine gegebene [[Rotationsenergie]] hat die gleiche geometrische Gestalt und Orientierung wie das Trägheitsellipsoid, wobei der Abstand der Punkte auf dem Energieellipsoid vom Mittelpunkt nun durch den Betrag der Winkelgeschwindigkeit gegeben ist, die zu dieser Rotationsenergie gehört. Diese Fläche wird durch die Endpunkte der Vektoren <math>\vec{\omega}</math> gebildet, die bei festgehaltener Rotationsenergie ''E''<sub>rot</sub> folgender Gleichung genügen: | |||
:<math>E_\text{rot}=\frac{1}{2}\vec{\omega}^\intercal\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec{\omega}</math> | |||
Diese Fläche stimmt mit einem um den Faktor <math>\sqrt{2E_\text{rot}}</math> gestreckten Trägheitsellipsoid überein, denn die definierenden Formeln gehen ineinander über, wenn <math>\vec{\omega}=\sqrt{2E_\text{rot}}\vec{x}</math> eingesetzt wird. | |||
In einem kartesischen Koordinatensystem mit xyz-Achsen komponentenweise ausgeschrieben lautet die Gleichung | |||
:<math>\begin{align} | :<math>\begin{align} | ||
E_{ | E_\text{rot} | ||
=& | =& | ||
\frac{1}{2} | \frac{1}{2} | ||
\begin{pmatrix}\omega_x | \begin{pmatrix}\omega_x, & \omega_y, & \omega_z \end{pmatrix} | ||
\cdot | \cdot | ||
\begin{pmatrix} | \begin{pmatrix} | ||
Zeile 91: | Zeile 102: | ||
\,.\end{align}</math> | \,.\end{align}</math> | ||
Im Hauptachsensystem vereinfacht sich diese quadratische Form (wobei ω<sub>1,2,3}</sub> die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit <math>\vec{\omega}</math> im Hauptträgheitssystem sind) zu | |||
:<math>E_\text{rot}=\frac{1}2(\Theta _1\omega _1^2+\Theta _2\omega _2^2+\Theta _3\omega _3^2)</math> | |||
:<math>\ | oder umgeformt zu | ||
\ | :<math>1=\frac{\omega _1^2}{\sqrt{\tfrac{2E_\text{rot}}{\Theta _1}}^2} | ||
\frac{\ | +\frac{\omega _2^2}{\sqrt{\tfrac{2E_\text{rot}}{\Theta _2}}^2} | ||
\frac | +\frac{\omega _3^2}{\sqrt{\tfrac{2E_\text{rot}}{\Theta _3}}^2}\,.</math> | ||
\ | |||
==== Poinsotsche Konstruktion der Richtung des Drehimpulses ==== | |||
Betrachtet man die Rotationsenergie E<sub>rot</sub> als Funktion im dreidimensionalen Raum der Winkelgeschwindigkeiten <math>\vec{\omega}</math>, dann ist der Drehimpuls <math>\vec L</math> gerade der [[Gradient (Mathematik)#Kartesische Koordinaten|Gradient]] dieser Funktion. Im Hauptachsensystem mit den Basisvektoren <math>\hat e_k</math> gilt nämlich | |||
:<math>\ | :<math>\operatorname{grad}_{\vec{\omega}} (E_\text{rot}) | ||
\ | \,=\,\begin{pmatrix}\frac{\partial E_\text{rot}}{\partial \omega_1 }& | ||
\frac{\partial E_\text{rot}}{\partial \omega_2 }& | |||
\ | \frac{\partial E_\text{rot}}{\partial \omega_3 } | ||
\end{pmatrix} | |||
\ | \,=\, \Theta _1\omega _1 \hat e_1 +\Theta _2\omega _2 \hat e_2 +\Theta _3\omega _3\hat e_3 \ =\,\vec L\ .</math> | ||
\frac{\ | |||
\ | |||
= | |||
Da der Gradient einer Funktion an jedem Punkt senkrecht auf der Fläche konstanten Funktionswerts steht, ist der zu einer Winkelgeschwindigkeit <math>\vec{\omega}</math> gehörende Drehimpuls parallel zur Senkrechten auf dem Energieellipsoid an der Stelle <math>\vec{\omega}</math>. | |||
[[Datei: | [[Datei:Energieellipsoid2d.png|mini|400px|Abb. 3: Schnitt durch ein Energieellipsoid entlang zweier Hauptträgheitsachsen, mit den Hauptträgheitsmomenten Θ<sub>1</sub> und Θ<sub>2</sub>]] | ||
Der Drehimpuls ist also parallel zur Normalen des | Der Drehimpuls ist also parallel zur Normalen des Energieellipsoids in dem Punkt, an dem die Spitze des Winkelgeschwindigkeitsvektors das Ellipsoid berührt (siehe Abb. 3). Damit ist ersichtlich, dass | ||
* <math>\vec\omega</math> und <math>\vec L</math> nur entlang der [[Hauptträgheitsachse]]n parallel sind, | * <math>\vec\omega</math> und <math>\vec L</math> nur entlang der [[Hauptträgheitsachse]]n parallel sind, | ||
* Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit immer einen spitzen Winkel (<90°) einschließen, denn <math>2E_{ | * Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit immer einen spitzen Winkel (< 90°) einschließen, denn <math>2E_\text{rot}=\vec\omega\cdot\vec L>0</math>, und | ||
* der Zuwachs an Rotationsenergie maximal ist, wenn die Winkelgeschwindigkeit in Richtung des Drehimpulses zunimmt, denn <math>\mathrm{d}E_\text{rot}=\vec L\cdot\mathrm{d}\vec\omega</math>. | * der Zuwachs an Rotationsenergie maximal ist, wenn die Winkelgeschwindigkeit in Richtung des Drehimpulses zunimmt, denn <math>\mathrm{d}E_\text{rot}=\vec L\cdot\mathrm{d}\vec\omega</math>. | ||
Im kräftefreien Fall sind der Drehimpuls und die Rotationsenergie konstant und wegen <math>2E_\text{rot}=\vec\omega\cdot\vec L</math> ist auch die Komponente der Winkelgeschwindigkeit in Richtung des Drehimpulses konstant. Die [[Tangentialebene]] an das Energieellipsoid am Ort der aktuellen Winkelgeschwindigkeit ist damit fest und die Winkelgeschwindigkeit bewegt sich auf sogenannten ''Herpolhodien'' in dieser Ebene. Im körperfesten Hauptträgheitssystem zeichnet die Winkelgeschwindigkeit „Polhodien“ genannte Kurven nach, die die Schnittmenge von Drehimpuls- und Energieellipsoid sind. (Mehr dazu siehe unter [[Poinsotsche Konstruktion]]). | |||
Die | |||
=== Drallellipsoid === | |||
Die Winkelgeschwindigkeiten, die alle dasselbe Drehimpulsbetragsquadrat <math>L^2:=\vec L\cdot\vec L</math> zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern, definieren ebenfalls ein Ellipsoid, das ''Drallellipsoid:'' | |||
== Drallellipsoid == | |||
Die Winkelgeschwindigkeiten, die alle dasselbe Drehimpulsbetragsquadrat <math>L^2:=\vec L\cdot\vec L</math> zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern, definieren ebenfalls ein Ellipsoid, das ''Drallellipsoid'' | |||
:<math>L^2 | :<math>L^2 | ||
=\vec\omega\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec\omega | =\vec\omega^\intercal\cdot\mathbf{\Theta^\intercal}\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec\omega | ||
=\Theta_1^2\omega_1^2+\Theta_2^2\omega_2^2+\Theta_3^2\omega_3^2 | =\Theta_1^2\omega_1^2+\Theta_2^2\omega_2^2+\Theta_3^2\omega_3^2 | ||
\quad\rightarrow\quad | \quad\rightarrow\quad | ||
Zeile 167: | Zeile 144: | ||
\,.</math> | \,.</math> | ||
Das Drallellipsoid ist also schlanker als das Trägheitsellipsoid, siehe Abb. | Das Drallellipsoid ist also schlanker als das Trägheitsellipsoid, siehe Abb. 2: <math>l_{L,i}=\frac{L}{\Theta_i}.</math> | ||
Die Winkelgeschwindigkeit liegt zu einem bestimmten Zeitpunkt sowohl auf diesem Ellipsoid als auch auf dem Energieellipsoid. Damit beide Ellipsoide gemeinsame Punkte haben können, muss zu jedem Zeitpunkt | Die Winkelgeschwindigkeit liegt zu einem bestimmten Zeitpunkt sowohl auf diesem Ellipsoid als auch auf dem Energieellipsoid. Damit beide Ellipsoide gemeinsame Punkte haben können, muss zu jedem Zeitpunkt | ||
:<math>2 \Theta_1 E_{ | :<math>2 \Theta_1 E_\text{rot} \le L^2 \le 2 \Theta_3 E_\text{rot}</math> oder <math>\frac{L^2}{2\Theta_3}\le E_\text{rot}\le \frac{L^2}{2\Theta_1}</math> | ||
gelten, wenn wie üblich die Hauptträgheitsmomente gemäß Θ<sub>1</sub> < Θ<sub>2</sub> < Θ<sub>3</sub> angeordnet sind. Denn ein Punkt, der auf beiden Ellipsoiden liegt, muss die Bedingungen | |||
Denn ein Punkt, der auf beiden Ellipsoiden liegt, muss die Bedingungen | |||
:<math>\begin{align} | :<math>\begin{align} | ||
Zeile 182: | Zeile 157: | ||
\frac{1}{L^2}(\Theta_1^2\omega_1^2+\Theta_2^2\omega_2^2+\Theta_3^2\omega_3^2) | \frac{1}{L^2}(\Theta_1^2\omega_1^2+\Theta_2^2\omega_2^2+\Theta_3^2\omega_3^2) | ||
= | = | ||
\frac{1}{2E_{ | \frac{1}{2E_\text{rot}}(\Theta_1\omega_1^2+\Theta_2\omega_2^2+\Theta_3\omega_3^2) | ||
\\ | \\ | ||
\rightarrow | \rightarrow | ||
0 | 0 | ||
=& | =& | ||
(2E_{ | (2E_\text{rot}\Theta_1-L^2)\Theta_1\omega_1^2 | ||
+(2E_{ | +(2E_\text{rot}\Theta_2-L^2)\Theta_2\omega_2^2 | ||
+(2E_{ | +(2E_\text{rot}\Theta_3-L^2)\Theta_3\omega_3^2 | ||
\\=& | \\=& | ||
2\left(E_{ | 2\left(E_\text{rot}-\frac{L^2}{2\Theta_1}\right)\Theta_1^2\omega_1^2 | ||
+2\left(E_{ | +2\left(E_\text{rot}-\frac{L^2}{2\Theta_2}\right)\Theta_2^2\omega_2^2 | ||
+2\left(E_{ | +2\left(E_\text{rot}-\frac{L^2}{2\Theta_3}\right)\Theta_3^2\omega_3^2 | ||
\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
erfüllen. In den letzten beiden Gleichungen sind alle Faktoren bis auf die Klammerausdrücke null oder positiv. Damit eine | erfüllen. In den letzten beiden Gleichungen sind alle Faktoren bis auf die Klammerausdrücke null oder positiv. Damit eine nichttriviale Lösung existiert, darf in beiden Gleichungen der kleinste Klammerausdruck nicht positiv und der größte nicht negativ sein. Mit den angenommenen Größenverhältnissen der Hauptträgheitsmomente stellt dies die obigen Schranken für das Drehimpulsbetragsquadrat und die Rotationsenergie sicher. Dann sind die Rotationsenergie und der Drehimpulsbetrag mit einer Drehbewegung des betrachteten Körpers verträglich. | ||
Bei gegebener Rotationsenergie hat eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem kleinsten Hauptträgheitsmoment den kleinsten und eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem größten Hauptträgheitsmoment den größten Drehimpulsbetrag. | Bei gegebener Rotationsenergie hat eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem kleinsten Hauptträgheitsmoment den kleinsten und eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem größten Hauptträgheitsmoment den größten Drehimpulsbetrag. | ||
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Umgekehrt hat bei gegebenem Drehimpulsbetrag eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem kleinsten Hauptträgheitsmoment die größte und eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem größten Hauptträgheitsmoment die kleinste Rotationsenergie. Deswegen wird die Drehachse bei [[Dissipation|dissipativen]] Vorgängen ([[Luftwiderstand]], [[Reibung]]) in Richtung der 3-Achse wandern. | Umgekehrt hat bei gegebenem Drehimpulsbetrag eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem kleinsten Hauptträgheitsmoment die größte und eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem größten Hauptträgheitsmoment die kleinste Rotationsenergie. Deswegen wird die Drehachse bei [[Dissipation|dissipativen]] Vorgängen ([[Luftwiderstand]], [[Reibung]]) in Richtung der 3-Achse wandern. | ||
== | === MacCullagh-Ellipsoid === | ||
[[Datei: | [[Datei:Maccullaghellipsoid.png|mini|Abb. 4: Schnitt durch ein MacCullagh-Ellipsoid entlang zweier Hauptträgheitsachsen mit den Hauptträgheitsmomenten Θ<sub>1</sub> und Θ<sub>2</sub>]] | ||
Das nach [[James MacCullagh]] benannte MacCullagh-Ellipsoid ist der geometrische Ort aller Endpunkte des Drehimpulses <math>\vec L</math>, die zur selben Rotationsenergie führen.<ref>Magnus (1971), S. 61 ff.</ref> Das MacCullagh-Ellipsoid ist also das Analogon zum Energieellipsoid im Drehimpulsraum: | |||
:<math>E_\text{rot}=\frac12\vec L\cdot\mathbf{\Theta}^{-1}\cdot\vec L | |||
=\frac{L_1^2}{2\Theta_1}+\frac{L_2^2}{2\Theta_2}+\frac{L_3^2}{2\Theta_3}, | |||
</math> | |||
Denn bei homogener Dichteverteilung hat ein ellipsoidförmiger Körper mit Masse | wobei in der rechten Gleichung die Hauptachsendarstellung des Drehimpulses benutzt wurde. In diesem System hat das Ellipsoid folglich die Gleichung | ||
:<math>1= | |||
\frac{L_1^2}{\sqrt{2E_\text{rot}\Theta_1}^2}+ | |||
\frac{L_2^2}{\sqrt{2E_\text{rot}\Theta_2}^2}+ | |||
\frac{L_3^2}{\sqrt{2E_\text{rot}\Theta_3}^2}. | |||
</math> | |||
Es ist wie die anderen Ellipsoide körperfest und entlang der Hauptachsen ausgerichtet. Das MacCullagh-Ellipsoid ist gewissermaßen reziprok zum Energieellipsoid, denn das Produkt der Halbachsen des Energieellipsoids <math>l_{E,i}=\sqrt{\tfrac{2E_\text{rot}}{\Theta_i}}</math> und des MacCullagh-Ellipsoids <math>l_{C,i}=\sqrt{2E_\text{rot}\Theta_i}</math> ist auf allen Hauptachsen gleich: | |||
:<math>l_{E,1}l_{C,1}=l_{E,2}l_{C,2}=l_{E,3}l_{C,3}=2E_\text{rot}.</math> | |||
Bei abgeplattetem Energieellipsoid ist das MacCullagh-Ellipsoid gestreckt und umgekehrt. | |||
Bei der kräfefreien Bewegung eines Starrkörpers ist der Drehimpuls und die Rotationsenergie konstant. Dem Körper sind dann nur solche Drehungen um den Ursprung erlaubt, bei denen der fixe Endpunkt des Drehimpulses sein MacCullagh-Ellipsoid und die Drallkugel mit dem Radius <math>|\vec L|</math> berührt. Analog zur Poinsot’schen Konstruktion ergibt sich die Winkelgeschwindigkeit als Gradient im Drehimpulsraum: | |||
:<math>\operatorname{grad}_{\vec L} (E_\text{rot}) | |||
\,=\,\begin{pmatrix}\frac{\partial E_\text{rot}}{\partial L_1 }& | |||
\frac{\partial E_\text{rot}}{\partial L_2 }& | |||
\frac{\partial E_\text{rot}}{\partial L_2 }\end{pmatrix} | |||
\,=\, \frac{L _1}{\Theta _1}\hat e_1+\frac{L _2}{\Theta _2}\hat e_2+\frac{L _3}{\Theta _3}\hat e_3 | |||
\ =\,\vec\omega</math> | |||
=== Massenellipsoid === | |||
[[Datei: Ellipsoide.png|mini|Abb. 5: Ellipsoid mit drei ungleichen Halbachsen]] | |||
Zu jedem starren Körper gibt es einen ellipsoidförmigen Körper wie in Abb. 5, das ''Massenellipsoid,'' das die gleichen Trägheitseigenschaften (Masse und Trägheitstensor) besitzt wie der Körper selbst. Das Massenellipsoid und das Trägheitsellipsoid haben gleiche Symmetrieachsen, sind sich aber ansonsten zumeist nicht ähnlich. Wenn sich nämlich die mittellangen Halbachsen nach geeigneter Skalierung decken, wird die größte Halbachse des Trägheitsellipsoids kleiner, die kleinste aber größer als die entsprechende des Massenellipsoids sein, siehe Abb. 2.<ref>Grammel (1950), S. 27 f.</ref> | |||
Denn bei homogener Dichteverteilung hat ein ellipsoidförmiger Körper mit Masse <math>m</math> sowie den Halbachsen <math>a</math>, <math>b</math> und <math>c</math> in <math>x</math>-, <math>y</math>- bzw. <math>z</math>-Richtung die Hauptträgheitsmomente | |||
:<math>\begin{align} | :<math>\begin{align} | ||
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Das Trägheitsellipsoid eines starren Körpers ist eine geschlossene Fläche in Form eines Ellipsoids, die vom Mittelpunkt aus in jeder Richtung einen Abstand hat, der ein Maß für das Trägheitsmoment des Körpers bei Drehung um diese Richtung ist: Das Trägheitsmoment ist gleich dem Kehrwert des Quadrats des Abstands (siehe Abb. 1). Infolgedessen sind die drei Halbachsen des Trägheitsellipsoids zu den Hauptträgheitsachsen des Körpers parallel, und ihre Längen sind durch den Kehrwert der Wurzel aus den entsprechenden Hauptträgheitsmomenten gegeben.
Das Trägheitsellipsoid ist nützlich bei der Betrachtung der Trägheitseigenschaften des Körpers bei Drehbewegungen um eine beliebige Achse. In einem körperfesten Koordinatensystem bleibt es konstant, d. h., es dreht sich immer mit dem Körper mit.
Wie jedem symmetrischen Tensor 2. Stufe in drei Dimensionen kann dem Trägheitstensor Θ eine Fläche zugeordnet werden. Sie wird durch die Endpunkte der Vektoren $ {\vec {x}} $ gebildet, die folgende Gleichung erfüllen:
Darin bezeichnen x, y und z die Komponenten des Vektors $ {\vec {x}} $ und Θxx, xy, … die Komponenten des Trägheitstensors bezüglich einer beliebig orientierten Orthonormalbasis. Im Hauptträgheitsachsensystem, kurz Hauptachsensystem, wird der Trägheitstensor diagonal und es entsteht:
Die Komponenten x1,2,3 und die Hauptträgheitsmomente Θ1,2,3 beziehen sich auf das körperfeste Hauptachsensystem. Der Trägheitstensor ist positiv definit, denn die Rotationsenergie $ {\tfrac {1}{2}}{\vec {\omega }}^{\intercal }\cdot \mathbf {\Theta } \cdot {\vec {\omega }} $ ist für $ {\vec {\omega }}\neq {\vec {0}} $ immer positiv. Daher ist die Fläche ein dreiachsiges Ellipsoid.
In einem Bezugssystem, in dem sich der Körper dreht, sind die Komponenten des Trägheitstensors Θxx, xy,... von der Zeit abhängig. Das Trägheitsellipsoid bleibt mit dem Körper ausgerichtet. Die sechs unabhängigen Komponenten des Trägheitstensors entsprechen den drei Hauptträgheitsmomenten und der Orientierung der Hauptträgheitsachsen, also der Form und Ausrichtung des Ellipsoids.
Mit dem Trägheitstensor berechnen sich die Trägheitsmomente J bezüglich einer beliebigen Drehachse durch das Ellipsoidzentrum in Richtung des Einheitsvektors $ {\hat {e}} $ (der Länge eins und deshalb mit Hut geschrieben) gemäß $ J={\hat {e}}^{\intercal }\cdot \mathbf {\Theta } \cdot {\hat {e}} $. Für einen Vektor $ {\vec {x}}=x{\hat {e}} $, der vom Ellipsoidzentrum zum Schnittpunkt der Drehachse mit dem Trägheitsellipsoid weist und den Betrag x hat, ergibt sich
Die Drehachse schneidet das Ellipsoid also im Abstand $ {\sqrt {\tfrac {1}{J}}} $ vom Zentrum des Ellipsoids.
Die Hauptträgheitsmomente Θ1,2,3 erfüllen die Dreiecksungleichungen. Damit ein Ellipsoid mit den Achsen a, b und c ein Trägheitsellipsoid sein kann, muss sich also aus Strecken der Längen 1/a2, 1/b2 und 1/c2 ein Dreieck formen lassen.
Die Länge der Halbachsen des Trägheitsellipsoids sind umgekehrt proportional zur Wurzel aus den Hauptträgheitsmomenten. Anschaulich entspricht einem in einer Richtung gestreckten Trägheitsellipsoid ein Körper, der in dieser Richtung gestaucht ist, und umgekehrt. Bei homogener Dichteverteilung und Drehung um den Massenmittelpunkt gilt:
Bei inhomogener Dichteverteilung kann von der äußeren Form nicht ohne Weiteres auf die Form des Trägheitsellipsoids geschlossen werden.
Neben dem Trägheitsellipsoid sind noch weitere Ellipsoide für die Drehbewegung bedeutsam, siehe Abb. 2:
Trägheits- und Massenellipsoid sind im körperfesten System von eventuell auftretenden Bewegungen unbeeinflusste Eigenschaften eines (starren) Körpers allein, sind sich aber ansonsten im Allgemeinen nicht ähnlich. Alle diese Ellipsoide sind mit dem Körper ausgerichtet mit seinen Hauptträgheitsachsen als Symmetrieachsen.
Das Energieellipsoid für eine gegebene Rotationsenergie hat die gleiche geometrische Gestalt und Orientierung wie das Trägheitsellipsoid, wobei der Abstand der Punkte auf dem Energieellipsoid vom Mittelpunkt nun durch den Betrag der Winkelgeschwindigkeit gegeben ist, die zu dieser Rotationsenergie gehört. Diese Fläche wird durch die Endpunkte der Vektoren $ {\vec {\omega }} $ gebildet, die bei festgehaltener Rotationsenergie Erot folgender Gleichung genügen:
Diese Fläche stimmt mit einem um den Faktor $ {\sqrt {2E_{\text{rot}}}} $ gestreckten Trägheitsellipsoid überein, denn die definierenden Formeln gehen ineinander über, wenn $ {\vec {\omega }}={\sqrt {2E_{\text{rot}}}}{\vec {x}} $ eingesetzt wird.
In einem kartesischen Koordinatensystem mit xyz-Achsen komponentenweise ausgeschrieben lautet die Gleichung
Im Hauptachsensystem vereinfacht sich diese quadratische Form (wobei ω1,2,3} die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit $ {\vec {\omega }} $ im Hauptträgheitssystem sind) zu
oder umgeformt zu
Betrachtet man die Rotationsenergie Erot als Funktion im dreidimensionalen Raum der Winkelgeschwindigkeiten $ {\vec {\omega }} $, dann ist der Drehimpuls $ {\vec {L}} $ gerade der Gradient dieser Funktion. Im Hauptachsensystem mit den Basisvektoren $ {\hat {e}}_{k} $ gilt nämlich
Da der Gradient einer Funktion an jedem Punkt senkrecht auf der Fläche konstanten Funktionswerts steht, ist der zu einer Winkelgeschwindigkeit $ {\vec {\omega }} $ gehörende Drehimpuls parallel zur Senkrechten auf dem Energieellipsoid an der Stelle $ {\vec {\omega }} $.
Der Drehimpuls ist also parallel zur Normalen des Energieellipsoids in dem Punkt, an dem die Spitze des Winkelgeschwindigkeitsvektors das Ellipsoid berührt (siehe Abb. 3). Damit ist ersichtlich, dass
Im kräftefreien Fall sind der Drehimpuls und die Rotationsenergie konstant und wegen $ 2E_{\text{rot}}={\vec {\omega }}\cdot {\vec {L}} $ ist auch die Komponente der Winkelgeschwindigkeit in Richtung des Drehimpulses konstant. Die Tangentialebene an das Energieellipsoid am Ort der aktuellen Winkelgeschwindigkeit ist damit fest und die Winkelgeschwindigkeit bewegt sich auf sogenannten Herpolhodien in dieser Ebene. Im körperfesten Hauptträgheitssystem zeichnet die Winkelgeschwindigkeit „Polhodien“ genannte Kurven nach, die die Schnittmenge von Drehimpuls- und Energieellipsoid sind. (Mehr dazu siehe unter Poinsotsche Konstruktion).
Die Winkelgeschwindigkeiten, die alle dasselbe Drehimpulsbetragsquadrat $ L^{2}:={\vec {L}}\cdot {\vec {L}} $ zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern, definieren ebenfalls ein Ellipsoid, das Drallellipsoid:
Das Drallellipsoid ist also schlanker als das Trägheitsellipsoid, siehe Abb. 2: $ l_{L,i}={\frac {L}{\Theta _{i}}}. $
Die Winkelgeschwindigkeit liegt zu einem bestimmten Zeitpunkt sowohl auf diesem Ellipsoid als auch auf dem Energieellipsoid. Damit beide Ellipsoide gemeinsame Punkte haben können, muss zu jedem Zeitpunkt
gelten, wenn wie üblich die Hauptträgheitsmomente gemäß Θ1 < Θ2 < Θ3 angeordnet sind. Denn ein Punkt, der auf beiden Ellipsoiden liegt, muss die Bedingungen
erfüllen. In den letzten beiden Gleichungen sind alle Faktoren bis auf die Klammerausdrücke null oder positiv. Damit eine nichttriviale Lösung existiert, darf in beiden Gleichungen der kleinste Klammerausdruck nicht positiv und der größte nicht negativ sein. Mit den angenommenen Größenverhältnissen der Hauptträgheitsmomente stellt dies die obigen Schranken für das Drehimpulsbetragsquadrat und die Rotationsenergie sicher. Dann sind die Rotationsenergie und der Drehimpulsbetrag mit einer Drehbewegung des betrachteten Körpers verträglich.
Bei gegebener Rotationsenergie hat eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem kleinsten Hauptträgheitsmoment den kleinsten und eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem größten Hauptträgheitsmoment den größten Drehimpulsbetrag.
Umgekehrt hat bei gegebenem Drehimpulsbetrag eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem kleinsten Hauptträgheitsmoment die größte und eine Drehung um die Hauptträgheitsachse mit dem größten Hauptträgheitsmoment die kleinste Rotationsenergie. Deswegen wird die Drehachse bei dissipativen Vorgängen (Luftwiderstand, Reibung) in Richtung der 3-Achse wandern.
Das nach James MacCullagh benannte MacCullagh-Ellipsoid ist der geometrische Ort aller Endpunkte des Drehimpulses $ {\vec {L}} $, die zur selben Rotationsenergie führen.[2] Das MacCullagh-Ellipsoid ist also das Analogon zum Energieellipsoid im Drehimpulsraum:
wobei in der rechten Gleichung die Hauptachsendarstellung des Drehimpulses benutzt wurde. In diesem System hat das Ellipsoid folglich die Gleichung
Es ist wie die anderen Ellipsoide körperfest und entlang der Hauptachsen ausgerichtet. Das MacCullagh-Ellipsoid ist gewissermaßen reziprok zum Energieellipsoid, denn das Produkt der Halbachsen des Energieellipsoids $ l_{E,i}={\sqrt {\tfrac {2E_{\text{rot}}}{\Theta _{i}}}} $ und des MacCullagh-Ellipsoids $ l_{C,i}={\sqrt {2E_{\text{rot}}\Theta _{i}}} $ ist auf allen Hauptachsen gleich:
Bei abgeplattetem Energieellipsoid ist das MacCullagh-Ellipsoid gestreckt und umgekehrt.
Bei der kräfefreien Bewegung eines Starrkörpers ist der Drehimpuls und die Rotationsenergie konstant. Dem Körper sind dann nur solche Drehungen um den Ursprung erlaubt, bei denen der fixe Endpunkt des Drehimpulses sein MacCullagh-Ellipsoid und die Drallkugel mit dem Radius $ |{\vec {L}}| $ berührt. Analog zur Poinsot’schen Konstruktion ergibt sich die Winkelgeschwindigkeit als Gradient im Drehimpulsraum:
Zu jedem starren Körper gibt es einen ellipsoidförmigen Körper wie in Abb. 5, das Massenellipsoid, das die gleichen Trägheitseigenschaften (Masse und Trägheitstensor) besitzt wie der Körper selbst. Das Massenellipsoid und das Trägheitsellipsoid haben gleiche Symmetrieachsen, sind sich aber ansonsten zumeist nicht ähnlich. Wenn sich nämlich die mittellangen Halbachsen nach geeigneter Skalierung decken, wird die größte Halbachse des Trägheitsellipsoids kleiner, die kleinste aber größer als die entsprechende des Massenellipsoids sein, siehe Abb. 2.[3]
Denn bei homogener Dichteverteilung hat ein ellipsoidförmiger Körper mit Masse $ m $ sowie den Halbachsen $ a $, $ b $ und $ c $ in $ x $-, $ y $- bzw. $ z $-Richtung die Hauptträgheitsmomente
oder bei gegebenen Hauptträgheitsmomenten die Halbachsen
Weil die Hauptträgheitsmomente die Dreiecksungleichungen erfüllen, besitzt jeder Körper ein Massenellipsoid. Anders als beim Trägheitsellipsoid können die Halbachsen des Massenellipsoids jedes Verhältnis zueinander aufweisen, brauchen also nicht die Dreiecksungleichungen zu erfüllen. Die Halbachsen des Trägheitsellipsoids verhalten sich wie
Wenn $ a>b>c $ ist, dann ist $ {\tfrac {a^{2}}{c^{2}}}>{\tfrac {a^{2}}{b^{2}}} $ und $ {\tfrac {c^{2}}{a^{2}}}<{\tfrac {c^{2}}{b^{2}}} $ und daher $ p>1>q>0 $. Die größte Halbachse des Trägheitsellipsoids ist folglich verhältnismäßig kleiner, die kleinste aber verhältnismäßig größer als die entsprechende des Massenellipsoids, siehe auch Abb. 2.