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Mit dem '''Trouton-Noble-Experiment''' versuchten [[Frederick Thomas Trouton]] und [[Henry R. Noble]] 1903 auf eine andere Art als beim [[Michelson-Morley-Experiment]] den Bewegungszustand der Erde relativ zum [[Äther (Physik)|Äther]] zu messen. Der negative Ausgang des Trouton-Noble-Versuchs war neben dem Michelson-Morley-Versuch eine der wichtigsten frühen Bestätigungen der speziellen [[Relativitätstheorie]] | Mit dem '''Trouton-Noble-Experiment''' versuchten [[Frederick Thomas Trouton]] und [[Henry R. Noble]] 1903 auf eine andere Art als beim [[Michelson-Morley-Experiment]] den Bewegungszustand der Erde relativ zum [[Äther (Physik)|Äther]] zu messen. Der negative Ausgang des Trouton-Noble-Versuchs war neben dem Michelson-Morley-Versuch eine der wichtigsten frühen Bestätigungen der speziellen [[Relativitätstheorie]] und wurde mehrmals mit demselben Resultat wiederholt (vgl. [[Tests der speziellen Relativitätstheorie]]). | ||
Damit zusammenhängend existieren auch eine Reihe von Paradoxien der relativistischen [[Statik (Physik)|Statik]], die beispielsweise als „Trouton-Noble-Paradoxon“ oder „Winkelhebelparadoxon“ bekannt sind. Es geht dabei darum, ob durch den Wechsel des [[Inertialsystem]]s ein [[Drehmoment]] oder gar eine messbare Rotation in einem statischen System eintritt. Es wurden dazu eine Reihe von Lösungen vorgeschlagen, die darin übereinstimmen, dass keine Rotation auftritt. | Damit zusammenhängend existieren auch eine Reihe von Paradoxien der relativistischen [[Statik (Physik)|Statik]], die beispielsweise als „Trouton-Noble-Paradoxon“ oder „Winkelhebelparadoxon“ bekannt sind. Es geht dabei darum, ob durch den Wechsel des [[Inertialsystem]]s ein [[Drehmoment]] oder gar eine messbare Rotation in einem statischen System eintritt. Es wurden dazu eine Reihe von Lösungen vorgeschlagen, die darin übereinstimmen, dass keine Rotation auftritt. | ||
Das Experiment wurde von [[Joseph Larmor]] angeregt, der die Erklärung des Michelson-Morley-Experiments durch Längenkontraktion als Bestätigung seiner eigenen Theorie der Elektrodynamik sah, was aber von [[William Mitchinson Hicks]] 1901 angegriffen wurde. Larmor trat daraufhin in Kontakt zu [[George Francis FitzGerald]] (dieser plante ein ähnliches Experiment mit einem Kondensator-Pendel) und nach dessen Tod zu dessen Schüler Trouton.<ref>Andrew Warwick: The sturdy protestants of science: Larmor, Trouton and the earth's motion through the ether, in: Jed Z. Buchwald (Hrsg.), Scientific Practice, University of Chicago Press 1995, S. | Das Experiment wurde von [[Joseph Larmor]] angeregt, der die Erklärung des Michelson-Morley-Experiments durch Längenkontraktion als Bestätigung seiner eigenen Theorie der Elektrodynamik sah, was aber von [[William Mitchinson Hicks]] 1901 angegriffen wurde. Larmor trat daraufhin in Kontakt zu [[George Francis FitzGerald]] (dieser plante ein ähnliches Experiment mit einem Kondensator-Pendel) und nach dessen Tod zu dessen Schüler Trouton.<ref>Andrew Warwick: The sturdy protestants of science: Larmor, Trouton and the earth's motion through the ether, in: Jed Z. Buchwald (Hrsg.), Scientific Practice, University of Chicago Press 1995, S. 300–344</ref> | ||
== Trouton-Noble-Experiment == | == Trouton-Noble-Experiment == | ||
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Das Trouton-Noble-Paradoxon ist im Wesentlichen äquivalent mit dem sogenannten „Winkelhebelparadoxon“ (Right-angle lever paradox), das erstmals von [[Gilbert Newton Lewis]] und [[Richard C. Tolman]] (1909) behandelt wurde.<ref>{{cite journal|author=Gilbert N. Lewis, Richard C. Tolman| year=1909| title= [[s:en:The Principle of Relativity, and Non-Newtonian Mechanics|The Principle of Relativity, and Non-Newtonian Mechanics]]| journal=Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences| volume=44| pages=709–726}}</ref> Es sei ein [[Hebel (Physik)|Winkelhebel]] mit Endpunktion ''abc'' gegeben mit gleich langen Schenkeln der Länge <math>L'_0</math>. In seinem Ruhesystem sind die Kräfte <math>f_y'</math> in Richtung ''ba'' mit Angriffspunkt ''c'' und <math>f_x'</math> in Richtung ''bc'' mit Angriffspunkt ''a'' gleich groß sodass Gleichgewicht herrscht, deshalb existiert kein Drehmoment <math>\tau'</math> gemäß dem [[Hebelgesetz]]: | Das Trouton-Noble-Paradoxon ist im Wesentlichen äquivalent mit dem sogenannten „Winkelhebelparadoxon“ (Right-angle lever paradox), das erstmals von [[Gilbert Newton Lewis]] und [[Richard C. Tolman]] (1909) behandelt wurde.<ref>{{cite journal|author=Gilbert N. Lewis, Richard C. Tolman| year=1909| title= [[s:en:The Principle of Relativity, and Non-Newtonian Mechanics|The Principle of Relativity, and Non-Newtonian Mechanics]]| journal=Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences| volume=44| pages=709–726}}</ref> Es sei ein [[Hebel (Physik)|Winkelhebel]] mit Endpunktion ''abc'' gegeben mit gleich langen Schenkeln der Länge <math>L'_0</math>. In seinem Ruhesystem sind die Kräfte <math>f_y'</math> in Richtung ''ba'' mit Angriffspunkt ''c'' und <math>f_x'</math> in Richtung ''bc'' mit Angriffspunkt ''a'' gleich groß, sodass Gleichgewicht herrscht, deshalb existiert kein Drehmoment <math>\tau'</math> gemäß dem [[Hebelgesetz]]: | ||
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Jedoch zeigte [[Max von Laue]] (1911)<ref name="exam">{{cite journal|author=Max von Laue| title=Ein Beispiel zur Dynamik der Relativitätstheorie| journal=Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft| volume=13| year=1911| pages=513-518}}</ref>, dass dies im Widerspruch | Jedoch zeigte [[Max von Laue]] (1911)<ref name="exam">{{cite journal|author=Max von Laue| title=Ein Beispiel zur Dynamik der Relativitätstheorie| journal=Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft| volume=13| year=1911| pages=513-518}}</ref>, dass dies im Widerspruch zum Transformationsgesetz der Kraft bei [[Koordinatentransformation]] steht: | ||
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ergibt. Angewendet auf das Hebelgesetz | ergibt. Angewendet auf das Hebelgesetz ergibt sich folgendes Drehmoment: | ||
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was prinzipiell dasselbe Problem | was prinzipiell dasselbe Problem beschreibt wie beim Trouton-Noble-Paradoxon. | ||
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was das oben erwähnte elektromagnetische Drehmoment exakt kompensiert, sodass keine Rotation entsteht. Oder mit anderen Worten: Das elektromagnetische Drehmoment ist sogar notwendig um die gleichförmige Bewegung eines gespannten Körpers zu ermöglichen, d. h., um den Körper daran zu hindern, aufgrund des mechanischen Drehmoments zu rotieren.<ref>{{cite journal|author=Max von Laue| title=Zur Dynamik der Relativitätstheorie| journal=Annalen der Physik| volume=340| issue=8| doi=10.1002/andp.19113400808| year=1911| pages=524-542| url=http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k15338w.image.f535}}</ref> | was das oben erwähnte elektromagnetische Drehmoment exakt kompensiert, sodass keine Rotation entsteht. Oder mit anderen Worten: Das elektromagnetische Drehmoment ist sogar notwendig um die gleichförmige Bewegung eines gespannten Körpers zu ermöglichen, d. h., um den Körper daran zu hindern, aufgrund des mechanischen Drehmoments zu rotieren.<ref>{{cite journal|author=Max von Laue| title=Zur Dynamik der Relativitätstheorie| journal=Annalen der Physik| volume=340| issue=8| doi=10.1002/andp.19113400808| year=1911| pages=524-542| url=http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k15338w.image.f535}}</ref><ref name="exam" /><ref>{{cite journal|author=Max von Laue| title=Bemerkungen zum Hebelgesetz in der Relativitätstheorie| journal=Physikalische Zeitschrift| volume=12| year=1911| pages=1008-1010}}</ref><ref>{{cite journal|author=Max von Laue| title=Zur Theorie des Versuches von Trouton und Noble| journal=Annalen der Physik| volume=343| issue=7| doi=10.1002/andp.19123430705| year=1912| pages=370-384| url=http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k15341s.image.f378}}</ref> | ||
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Seitdem wurden eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht, die Laues Lösung weiterentwickelten bzw. modifizierten, und für verschiedene Probleme „versteckte“ Impulse („hidden momentum“) einführten.<ref>Siehe „Literatur“, besonders Nickerson/McAdory (1975), Singal (1993), Teukolsky (1996), Jefimenko (1999), Jackson (2004).</ref> | Seitdem wurden eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht, die Laues Lösung weiterentwickelten bzw. modifizierten, und für verschiedene Probleme „versteckte“ Impulse („hidden momentum“) einführten.<ref>Siehe „Literatur“, besonders Nickerson/McAdory (1975), Singal (1993), Teukolsky (1996), Jefimenko (1999), Jackson (2004).</ref> | ||
=== Reformulierungen von Kraft und Impuls === | === Reformulierungen von Kraft und Impuls === | ||
Andere Autoren waren unzufrieden mit der Idee von bezugssystemabhängigen Drehmomenten. Wenn im Ruhesystem des Objekts kein Drehmoment auftritt, sollte dies auch in allen anderen Inertialsystemen nicht der Fall sein. Deshalb wurde versucht, die Standardausdrücke für Impuls und Kraft mit solchen zu ersetzen, die von vornherein manifest Lorentzkovariant waren.<ref>Siehe „Literatur“, besonders Butler (1968), Aranoff (1969, 1972), Grøn (1975), Janssen (1995, 2008), Ivezić (2006).</ref> Diese Methode ist analog zur Lösung des [[Elektromagnetische Masse#4/3-Problem|4/3-Problem der elektromagnetischen Masse von Elektronen]] gemäß [[Enrico Fermi]] (1922) und [[Fritz Rohrlich]] (1960). Entgegen der Standardmethode wo Kräfte und Impulse auf die Gleichzeitigkeits-[[Hyperebene]]n des jeweiligen Beobachters bezogen | Andere Autoren waren unzufrieden mit der Idee von bezugssystemabhängigen Drehmomenten. Wenn im Ruhesystem des Objekts kein Drehmoment auftritt, sollte dies auch in allen anderen Inertialsystemen nicht der Fall sein. Deshalb wurde versucht, die Standardausdrücke für Impuls und Kraft mit solchen zu ersetzen, die von vornherein manifest Lorentzkovariant waren.<ref>Siehe „Literatur“, besonders Butler (1968), Aranoff (1969, 1972), Grøn (1975), Janssen (1995, 2008), Ivezić (2006).</ref> Diese Methode ist analog zur Lösung des [[Elektromagnetische Masse#4/3-Problem|4/3-Problem der elektromagnetischen Masse von Elektronen]] gemäß [[Enrico Fermi]] (1922) und [[Fritz Rohrlich]] (1960). Entgegen der Standardmethode, wo Kräfte und Impulse auf die Gleichzeitigkeits-[[Hyperebene]]n des jeweiligen Beobachters bezogen werden, sollen in der Fermi-Rohrlich-Definition lediglich Gleichzeitigkeits-Hyperebenen des Ruhesystems des Objekts benutzt werden. Laut Jannsen beruht der Unterschied zwischen Laues Standardlösung und solchen alternativen Formulierungen also nur auf unterschiedlichen Konventionen zur Wahl der Gleichzeitigkeits-Hyperebene.<ref>Janssen (2008), siehe „Literatur“</ref> | ||
Analog dazu unterschied Rohrlich (1967) zwischen „scheinbaren“ und „wahren“ Lorentz-Transformationen. Die direkte Anwendung der Lorentz-Transformation, wo die nicht-gleichzeitigen Positionen der Endpunkte einer Strecke in einem bewegten System ermittelt wird, wäre eine „wahre“ Transformation. Die Lorentzkontraktion wäre hingegen das Resultat einer scheinbaren Transformation, da neben der Lorentz-Transformation noch zusätzlich die gleichzeitigen Positionen der Endpunkte berechnet werden müssen. Zusätzliche sprachen Cavalleri/Salgarelli (1969) von „synchroner“ versus „asynchroner“ Formulierung von statischem Gleichgewicht. Ihrer Meinung nach sollten Kräfte und Impulse nur im Ruhesystem des Objekts synchron betrachtet werden, im bewegten System jedoch asynchron.<ref>Rohrlich (1967), Cavalleri/Salgarelli (1969)</ref> | Analog dazu unterschied Rohrlich (1967) zwischen „scheinbaren“ und „wahren“ Lorentz-Transformationen. Die direkte Anwendung der Lorentz-Transformation, wo die nicht-gleichzeitigen Positionen der Endpunkte einer Strecke in einem bewegten System ermittelt wird, wäre eine „wahre“ Transformation. Die Lorentzkontraktion wäre hingegen das Resultat einer scheinbaren Transformation, da neben der Lorentz-Transformation noch zusätzlich die gleichzeitigen Positionen der Endpunkte berechnet werden müssen. Zusätzliche sprachen Cavalleri/Salgarelli (1969) von „synchroner“ versus „asynchroner“ Formulierung von statischem Gleichgewicht. Ihrer Meinung nach sollten Kräfte und Impulse nur im Ruhesystem des Objekts synchron betrachtet werden, im bewegten System jedoch asynchron.<ref>Rohrlich (1967), Cavalleri/Salgarelli (1969)</ref> | ||
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Also <math>\frac{f_{x}}{f_{y}}=\frac{\tan\alpha}{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}</math>. | Also <math>\frac{f_{x}}{f_{y}}=\frac{\tan\alpha}{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}</math>. | ||
Die resultierende Kraft zeigt also nicht direkt von ''O'' zu ''M''. Wie Epstein zeigte, führt dies jedoch nicht zu einer Rotation, denn nun betrachtete er die von den Kräften verursachten Beschleunigungen. Die [[Äquivalenz von Masse und Energie | Die resultierende Kraft zeigt also nicht direkt von ''O'' zu ''M''. Wie Epstein zeigte, führt dies jedoch nicht zu einer Rotation, denn nun betrachtete er die von den Kräften verursachten Beschleunigungen. Die [[Äquivalenz von Masse und Energie|relativistischen Ausdrücke]] für den Zusammenhang von Masse, Beschleunigung und Kraft sind in longitudinaler und transversaler Richtung: | ||
:<math>a_{x}=\frac{f_{x}}{m\gamma^{3}},\ a_{y}=\frac{f_{y}}{m\gamma}</math>, wo <math>\gamma=\frac{1}{\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}}</math>. | :<math>a_{x}=\frac{f_{x}}{m\gamma^{3}},\ a_{y}=\frac{f_{y}}{m\gamma}</math>, wo <math>\gamma=\frac{1}{\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}}</math>. | ||
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Folglich tritt auch in diesem System keine Rotation auf. Ähnliche Überlegungen gelten auch für das Trouton-Noble- und das Winkelhebelparadoxon. Die Paradoxien sind damit also aufgelöst, weil die beiden Beschleunigungen (als Vektoren) zum [[Schwerpunkt]] des Systems (Kondensator bei Trouton-Noble) zeigen, obwohl die Kräfte dies nicht tun. | Folglich tritt auch in diesem System keine Rotation auf. Ähnliche Überlegungen gelten auch für das Trouton-Noble- und das Winkelhebelparadoxon. Die Paradoxien sind damit also aufgelöst, weil die beiden Beschleunigungen (als Vektoren) zum [[Massenmittelpunkt|Schwerpunkt]] des Systems (Kondensator bei Trouton-Noble) zeigen, obwohl die Kräfte dies nicht tun. | ||
Epstein fügte hinzu, dass wenn man es befriedigender findet, auch in der Relativitätstheorie die Proportionalität zwischen Kraft und Beschleunigung wiederherzustellen (wie in der gewohnten Newtonschen Mechanik), | Epstein fügte hinzu, dass, wenn man es befriedigender findet, auch in der Relativitätstheorie die Proportionalität zwischen Kraft und Beschleunigung wiederherzustellen (wie in der gewohnten Newtonschen Mechanik), Kompensationskräfte eingeführt werden müssen, welche formal mit Laues Strom übereinstimmen. Epstein entwickelte einen solchen Formalismus in den weiteren Abschnitten seiner Arbeit von 1911. | ||
== Siehe auch == | == Siehe auch == |
Mit dem Trouton-Noble-Experiment versuchten Frederick Thomas Trouton und Henry R. Noble 1903 auf eine andere Art als beim Michelson-Morley-Experiment den Bewegungszustand der Erde relativ zum Äther zu messen. Der negative Ausgang des Trouton-Noble-Versuchs war neben dem Michelson-Morley-Versuch eine der wichtigsten frühen Bestätigungen der speziellen Relativitätstheorie und wurde mehrmals mit demselben Resultat wiederholt (vgl. Tests der speziellen Relativitätstheorie).
Damit zusammenhängend existieren auch eine Reihe von Paradoxien der relativistischen Statik, die beispielsweise als „Trouton-Noble-Paradoxon“ oder „Winkelhebelparadoxon“ bekannt sind. Es geht dabei darum, ob durch den Wechsel des Inertialsystems ein Drehmoment oder gar eine messbare Rotation in einem statischen System eintritt. Es wurden dazu eine Reihe von Lösungen vorgeschlagen, die darin übereinstimmen, dass keine Rotation auftritt.
Das Experiment wurde von Joseph Larmor angeregt, der die Erklärung des Michelson-Morley-Experiments durch Längenkontraktion als Bestätigung seiner eigenen Theorie der Elektrodynamik sah, was aber von William Mitchinson Hicks 1901 angegriffen wurde. Larmor trat daraufhin in Kontakt zu George Francis FitzGerald (dieser plante ein ähnliches Experiment mit einem Kondensator-Pendel) und nach dessen Tod zu dessen Schüler Trouton.[1]
Bei diesem Versuch wurde ein geladener Plattenkondensator benutzt. Dieser ist so konstruiert, dass er sich frei um eine zu den Platten parallele Achse drehen kann, so er einem Drehmoment unterworfen wäre. Wenn nun die Erde und der Kondensator eine Geschwindigkeit $ v $ haben, repräsentiert jede geladene Kondensatorplatte einen Strom, dessen Magnetfeld $ B $ auf die andere Platte eine Lorentz-Kraft $ F $ und damit ein Drehmoment ausüben sollte. Bei einer „Ätherwindgeschwindigkeit“ $ v $ in einem Winkel zur senkrechten Verbindungslinie der beiden Platten ergäbe sich das (letztlich vom Winkel unabhängige) Drehmoment zu
($ E $: Feldenergie im Kondensator; $ c $: Lichtgeschwindigkeit). Bei dem Versuch konnten jedoch keinerlei Drehmomente nachgewiesen werden. Es stellte somit (zusammen mit dem Michelson-Morley-Experiment) einen bedeutenden Einwand gegen die Auffassung eines ruhenden Äthers bzw. eines bevorzugten Bezugssystems dar.[2][3] Ähnliche Experimente wurden später auch mit noch größerer Präzision aber demselben negativen Resultat, von Rudolf Tomaschek (1925, 1926), Carl T. Chase (1926, 1927) und Howard C. Hayden (1994) wiederholt.[4][5][6][7][8][9]
Dieses Ergebnis stimmt mit der aus der speziellen Relativitätstheorie folgenden Erwartung überein, dass die Experimentalanordnung gemäß dem Relativitätsprinzip als in einem Inertialsystem ruhend betrachtet werden kann, und folglich auch kein positives Ergebnis auftreten kann.
Dies muss auch für alle anderen Inertialsysteme gelten, da eine Lorentz-Transformation (welche die Koordinaten der Inertialsysteme miteinander verbindet) das Ergebnis nicht verändert. Jedoch erwies sich deren Anwendung auf statische und dynamische Probleme als recht schwierig, und es wurden unterschiedliche Modelle vorgeschlagen um das „Trouton-Noble-Paradoxon“ (ob nämlich ein Drehmoment in relativ bewegten Inertialsystem auftritt oder nicht) zu lösen.
Das Trouton-Noble-Paradoxon ist im Wesentlichen äquivalent mit dem sogenannten „Winkelhebelparadoxon“ (Right-angle lever paradox), das erstmals von Gilbert Newton Lewis und Richard C. Tolman (1909) behandelt wurde.[10] Es sei ein Winkelhebel mit Endpunktion abc gegeben mit gleich langen Schenkeln der Länge $ L'_{0} $. In seinem Ruhesystem sind die Kräfte $ f_{y}' $ in Richtung ba mit Angriffspunkt c und $ f_{x}' $ in Richtung bc mit Angriffspunkt a gleich groß, sodass Gleichgewicht herrscht, deshalb existiert kein Drehmoment $ \tau ' $ gemäß dem Hebelgesetz:
Wird dies hingegen aus einem relativ zur x-Achse bewegten System betrachtet, so schrumpft bc aufgrund der Längenkontraktion und ba ist länger als bc. Das Hebelgesetz ergibt in diesem Fall:
Das Drehmoment ist in diesem Bezugssystem nicht null, was den Winkelhebel scheinbar in Rotation versetzen müsste. Da dies aber aufgrund der Drehimpulserhaltung nicht der Fall sein kann, schlossen Lewis und Tolman, dass kein Drehmoment vorliegt. Folglich schlossen sie:
Jedoch zeigte Max von Laue (1911)[11], dass dies im Widerspruch zum Transformationsgesetz der Kraft bei Koordinatentransformation steht:
woraus sich stattdessen
ergibt. Angewendet auf das Hebelgesetz ergibt sich folgendes Drehmoment:
was prinzipiell dasselbe Problem beschreibt wie beim Trouton-Noble-Paradoxon.
Die detaillierte relativistische Analyse dieser Paradoxien erfordert eine sorgfältige Berücksichtigung der relevanten Kräfte und Impulse. Dafür wurden verschiedenen Ansätze vorgelegt, die allesamt darin übereinstimmen, dass keine Rotation eintritt.[12]
Die erste Lösung des Trouton-Noble-Paradoxons wurde durch Hendrik Antoon Lorentz (1904) gegeben. Sie beruht auf der Annahme, dass Impuls und Drehmoment der elektrostatischen Kräfte kompensiert werden durch Impuls und Drehmoment der molekularen Bindungskräfte.[13]
Dies wurde von Max von Laue (1911) fortgeführt, der die Standardlösung für dieses Paradoxon gab. Sie basierte auf der „Trägheit der Energie“, wonach durch elastische Spannungen ein Energiefluss erzeugt wird, der ebenfalls mit einem Impuls ausgestattet ist („Laue-Strom“). Das resultierende (mechanische) Drehmoment im Falle des Trouton-Noble-Experiments ist
und im Falle des Winkelhebels:
was das oben erwähnte elektromagnetische Drehmoment exakt kompensiert, sodass keine Rotation entsteht. Oder mit anderen Worten: Das elektromagnetische Drehmoment ist sogar notwendig um die gleichförmige Bewegung eines gespannten Körpers zu ermöglichen, d. h., um den Körper daran zu hindern, aufgrund des mechanischen Drehmoments zu rotieren.[14][11][15][16]
Seitdem wurden eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht, die Laues Lösung weiterentwickelten bzw. modifizierten, und für verschiedene Probleme „versteckte“ Impulse („hidden momentum“) einführten.[17]
Andere Autoren waren unzufrieden mit der Idee von bezugssystemabhängigen Drehmomenten. Wenn im Ruhesystem des Objekts kein Drehmoment auftritt, sollte dies auch in allen anderen Inertialsystemen nicht der Fall sein. Deshalb wurde versucht, die Standardausdrücke für Impuls und Kraft mit solchen zu ersetzen, die von vornherein manifest Lorentzkovariant waren.[18] Diese Methode ist analog zur Lösung des 4/3-Problem der elektromagnetischen Masse von Elektronen gemäß Enrico Fermi (1922) und Fritz Rohrlich (1960). Entgegen der Standardmethode, wo Kräfte und Impulse auf die Gleichzeitigkeits-Hyperebenen des jeweiligen Beobachters bezogen werden, sollen in der Fermi-Rohrlich-Definition lediglich Gleichzeitigkeits-Hyperebenen des Ruhesystems des Objekts benutzt werden. Laut Jannsen beruht der Unterschied zwischen Laues Standardlösung und solchen alternativen Formulierungen also nur auf unterschiedlichen Konventionen zur Wahl der Gleichzeitigkeits-Hyperebene.[19]
Analog dazu unterschied Rohrlich (1967) zwischen „scheinbaren“ und „wahren“ Lorentz-Transformationen. Die direkte Anwendung der Lorentz-Transformation, wo die nicht-gleichzeitigen Positionen der Endpunkte einer Strecke in einem bewegten System ermittelt wird, wäre eine „wahre“ Transformation. Die Lorentzkontraktion wäre hingegen das Resultat einer scheinbaren Transformation, da neben der Lorentz-Transformation noch zusätzlich die gleichzeitigen Positionen der Endpunkte berechnet werden müssen. Zusätzliche sprachen Cavalleri/Salgarelli (1969) von „synchroner“ versus „asynchroner“ Formulierung von statischem Gleichgewicht. Ihrer Meinung nach sollten Kräfte und Impulse nur im Ruhesystem des Objekts synchron betrachtet werden, im bewegten System jedoch asynchron.[20]
Eine einfache Lösung, die ohne Kompensationskräfte und ohne Neudefinitionen auskam, wurde von Richard C. Tolman[21] und Paul Sophus Epstein (1911) gegeben.[22][23] Eine ähnliche Lösung wurde von Franklin (2006) wiederentdeckt.[24] Sie verwiesen auf die Tatsache, dass Kraft und Beschleunigung in der Relativitätstheorie nicht notwendigerweise in dieselbe Richtung weisen, d. h. der Zusammenhang von Masse, Kraft und Beschleunigung hat Tensorcharakter. Die von der Kraft gespielte Rolle in der Relativitätstheorie ist also sehr unterschiedlich zur klassischen Mechanik.
Ein Beispiel: Es sei ein masseloser Stab mit Endpunkten OM gegeben. Dieser ist am Punkt O befestigt, wobei ein Körper mit der Masse m bei M befestigt ist. Der gesamte Stab schließt den Winkel $ \tan \alpha \! $ mit O ein. Nun wirkt bei M eine Kraft in Richtung OM, wobei Gleichgewicht im Ruhesystem dann herrscht, wenn $ {\tfrac {f'_{x}}{f'_{y}}}=\tan \alpha ' $. Wie bereits oben erwähnt, ist die Form dieser Kräfte in einem relativ dazu bewegten System:
Also $ {\frac {f_{x}}{f_{y}}}={\frac {\tan \alpha }{1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}} $.
Die resultierende Kraft zeigt also nicht direkt von O zu M. Wie Epstein zeigte, führt dies jedoch nicht zu einer Rotation, denn nun betrachtete er die von den Kräften verursachten Beschleunigungen. Die relativistischen Ausdrücke für den Zusammenhang von Masse, Beschleunigung und Kraft sind in longitudinaler und transversaler Richtung:
Also $ {\frac {a_{x}}{a_{y}}}=\tan \alpha $.
Folglich tritt auch in diesem System keine Rotation auf. Ähnliche Überlegungen gelten auch für das Trouton-Noble- und das Winkelhebelparadoxon. Die Paradoxien sind damit also aufgelöst, weil die beiden Beschleunigungen (als Vektoren) zum Schwerpunkt des Systems (Kondensator bei Trouton-Noble) zeigen, obwohl die Kräfte dies nicht tun.
Epstein fügte hinzu, dass, wenn man es befriedigender findet, auch in der Relativitätstheorie die Proportionalität zwischen Kraft und Beschleunigung wiederherzustellen (wie in der gewohnten Newtonschen Mechanik), Kompensationskräfte eingeführt werden müssen, welche formal mit Laues Strom übereinstimmen. Epstein entwickelte einen solchen Formalismus in den weiteren Abschnitten seiner Arbeit von 1911.
Übersicht
Textbücher
European Journal of Physics
Nuovo Cimento
Foundations of Physics